Protokoll der Sitzung vom 27.03.2012

Deshalb brauchen wir für die hessischen Kommunen die Wahlmöglichkeit. Aber wir brauchen bei den wiederkehrenden Straßenbeiträgen auch eine rechtssichere Regelung, um unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten bei den Straßenausbaukosten zu haben. Die Kommunen

fordern schon seit Langem die Möglichkeit, die Straßenausbaukosten auf mehrere Schultern zu verteilen.

Deshalb ist es durchaus zu begrüßen, dass bei den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP endlich Bewegung in die Diskussion gekommen ist. Im letzten Jahr haben wir hier durchaus noch eine andere Diskussion geführt. Wenn ich mir die Pressemitteilungen der FDP angeschaut habe, sahen die noch anders aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blech- schmidt (FDP))

Sie können sich gerne einmal anschauen, was ihr Kollege Blum an die Presse weitergegeben hat. Das stand in krassem Gegensatz zu dem. Nicht umsonst haben die Kommunen Angst gehabt, dass es nicht zu dieser Wahlmöglichkeit kommt.

Wir erhoffen uns vor diesem Hintergrund eine interessante Anhörung im Ausschuss. Natürlich werden wir auch den Aspekt der Rechtssicherheit entsprechend begleiten, denn ganz so einfach ist das nicht.

Wir haben aus den Anhörungsunterlagen durchaus Argumente bekommen, dass dies gerade vor dem Hintergrund zu berücksichtigen ist, ob es sich um Beiträge handelt oder nicht vielleicht auch Steuern sein könnten. Das wollen wir im Ausschuss nachfragen. Was wir auf jeden Fall brauchen, das haben wir schon im September gesagt. Wir brauchen eine rechtssichere Regelung für die Kommunen. Es kann nicht sein, dass die Kommunen, wenn sie eine entsprechende Satzung erlassen, hinterher beklagt werden.

(Holger Bellino (CDU): Wir haben das geprüft!)

Wir werden diesen Prozess konstruktiv begleiten. Aber das ändert nichts daran: Vom Innenminister haben wir leider dazu nichts vorgelegt bekommen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Danke, Frau Enslin. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Rudolph zu Wort gemeldet.

(Zurufe der Abg. Holger Bellino und Christian Heinz (CDU))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst: Uns geht es gut – das vorab. Das Wetter ist schön. In der Tat hatte der verehrte Innenminister wirklich angekündigt, wir müssten über das KAG – Gesetz über kommunale Abgaben – reden; das sei dringend notwendig. Nun hatten Sie in den letzten Wochen ein bisschen weniger Zeit. Das hat sich erledigt; Sie haben jetzt mehr Zeit. Aber Sie haben an der Stelle Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Herr Kollege Heinz, vielleicht können wir uns verständigen: Sie haben die eine oder andere Formulierungshilfe aus dem Innenministerium zu dem Gesetzentwurf bekommen. Wahrscheinlich sind 98,9 % des Gesetzentwurfs von den Juristen und Mitarbeitern des Innenministeriums vorbereitet worden. Das ist auch in Ordnung. Wir wollen das nur zur Kenntnis geben. Wir haben das gemerkt.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Sie sollten es nur sagen, denn es ist okay, aber nicht so tun, als ob das Ihre eigene Leistung wäre, weil das ein Plagiat wäre. Und wer ein Plagiat macht, macht schlechte Erfahrungen. Herr Guttenberg lässt grüßen.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Die SPD hat keinen Doktortitel! – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Meine Damen und Herren, ja, die SPD-Fraktion hat am 14.09.2011 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über kommunale Abgaben und zur Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge in Hessen in den Landtag eingebracht. Herr Kollege Dr. Blechschmidt, wenn ich mir die Stellungnahmen gerade Ihrer Fraktion rückblickend einmal ansehe, dann ist das schon bemerkenswert.

(Holger Bellino (CDU): Die haben Sie doch gar nicht bekommen!)

Wir haben die schriftliche Anhörung zu unserem Gesetzentwurf gehabt, Herr Kollege Heinz. Die meisten Stellungnahmen waren positiv, weil es der Wunsch vieler kommunalpolitisch Tätiger – im Übrigen quer durch alle Parteien – ist. Die Kommunen sollen die rechtliche Möglichkeit erhalten, wiederkehrende Straßenausbaubeiträge zu erheben, damit anstelle einmaliger Beiträge eine Alternative dargelegt wird. Die Beiträge können manchmal fünfstellige Beträge erreichen, und die Investitionsaufwendungen, verteilt auf alle Bürger, sind deutlich geringer.

Meine Damen und Herren, deswegen war unser Vorschlag als eine freiwillige Möglichkeit gedacht. Sie war von der kommunalen Familie gewünscht. Auch das war das Ergebnis der Anhörung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Christian Heinz (CDU))

Es werden – das wissen Sie – bestimmte Behauptungen nicht dadurch wahrer, wenn Sie sie öfter falsch wiederholen. Sie haben gesagt, Ihr Gesetzentwurf sei besser, weil er rechtlich sicher sei. In den letzten Monaten gab es beispielsweise in Hessen keine gerichtlichen Entscheidungen zu diesem Thema. Es steht eine Entscheidung von Koblenz aus. Es gibt Entscheidungen von Obergerichten aus einigen Bundesländern. Wir sind sicher, dass auch die Möglichkeit in unserem Gesetz Bestand vor den Gerichten hat.

Meine Damen und Herren, wir fragen uns jetzt, warum Sie und nicht die Landesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht haben; das wäre eigentlich ihr Job. So etwas stellen wir leider öfter aus dem Bereich des Innenministeriums fest. Herr Kollege Heinz, wenn wir uns einmal § 11a genau ansehen: Ihr Gesetzentwurf hat fast die gleiche Formulierung – § 11a „Wiederkehrende Straßenbeiträge“ – wie der SPD-Entwurf. Was ist daran anders? Warum brauchen Sie einen eigenen Gesetzentwurf, wo wir inhaltlich das Gleiche wollen?

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie verschärfen das an einer Stelle, indem Sie den Kommunen zukünftig 90 % auferlegen, insbesondere bei defizitären Haushalten. – Man könnte jetzt auch fragen, warum die Haushalte der Kommunen defizitär sind: weil die Landesregierung beim Kommunalen Finanzausgleich gekürzt hat, weil es in vielen anderen Bereichen nicht genügend Geld gibt, z. B. bei der Kinderbetreuung. Die Folge davon ist, dass Haushalte defizitär sind.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das wollen wir zur Kenntnis nehmen. Deswegen wollen Sie den Kommunen auferlegen, Beiträge oder wiederkehrende Straßenbeiträge zu erheben.

Meine Damen und Herren, interessanterweise ist bei dem Prozess ein Wechsel innerhalb der Positionierung der FDP vonstattengegangen, Herr Kollege Dr. Blechschmidt. Wenn ich mir die „HNA“ vom 06.09.2011 vor die Nase und die Augen halte, sehe ich, Herr Kollege Blum, FDP, wird mit folgendem Satz zitiert: „Wir wollen keine pauschale Straßenausbausteuer.“

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Haben wir doch jetzt auch nicht, wenn wir den Gesetzentwurf beschließen! Das ist genau der Unterschied!)

Ganz entspannt, ich bin gut gelaunt. – Jetzt ist mir relativ egal, wie Sie das formulieren. Die CDU hat sich Ihnen gegenüber durchgesetzt. Damit können wir leben, weil es in der Sache gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heinz, was Sie vorgetragen haben, ist in der Sache unsere Positionierung. Ja, wir wollen möglichst schnell diese Möglichkeit. Deswegen sind wir an einem zügigen Gesetzgebungsverfahren interessiert. Wir haben die mündliche Anhörung für den April dieses Jahres verabredet. Nach unserer Auffassung soll das Gesetz möglichst zum 01.06. oder zum 01.07. in Kraft treten. Die Kommunen warten auf diese Handlungsoption.

(Zuruf des Abg. Christian Heinz (CDU))

Das, was Sie hier mit rechtlichen Popanzen aufgebaut haben, ist völlig überflüssig. Sie haben nicht die Kraft gehabt, zu sagen: Der SPD-Vorschlag ist gut, er hilft den Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Die Beamten des Innenministeriums mussten einen eigenen Gesetzentwurf machen. Uns geht es um die Sache. Wenn die Kommunen dieses Instrument der wiederkehrenden Straßenbeiträge einführen können, ist es gut. Die FDP ist umgefallen, damit können wir gut leben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Die SPD stimmt also zu!)

Danke, Herr Rudolph. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Kollege Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute vorgelegte Gesetzentwurf über kommunale Abgaben wird von uns in vielen Punkten begrüßt. Er weist einige notwendige Verbesserungen, Konkretisierungen und Straffungen gegenüber dem Status quo auf. Die Anregung für diese Initiative kam aber – das gehört zur Fairness hinzu – von der SPD bereits im September letzten Jahres.

Da ich denke, dass auch wir einen Anteil daran haben, möchte ich die in § 11 Abs. 12 neu geschaffene Möglichkeit von Stundung und Ratenzahlung bei den einmaligen Beiträgen aus, wie es im Gesetzentwurf heißt, sozialen Gesichtspunkten nennen. Dies ist bei hohen Beiträgen

tatsächlich ein echter Vorteil für die betroffenen Hauseigentümer, und wir freuen uns, dass die Regierungsfraktionen unserem Vorschlag, den wir bereits bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs der SPD im vergangenen Jahr gebracht haben, nunmehr gefolgt sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings regen wir an, die Ratenzahlung generell auf Wunsch der Hauseigentümer, also ohne jegliche Prüfung, zuzulassen und das im Gesetzentwurf noch zu verändern.

Kritisch sehen wir weiterhin, dass durch jährlich wiederkehrende Beiträge nun versucht werden könnte, die bisherige Zurückhaltung bei der Erhebung dieser Beiträge aufzugeben und damit auch diese Gebühren insgesamt zu erhöhen. Dies führt dann zu weiteren finanziellen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger – die Schuldenbremse lässt grüßen.

Die gut gemeinte Gebührenentlastung durch kleinere Beiträge wäre dann durch eine Steigerung der Zahl und Höhe der Gesamtbeiträge schnell wieder aufgefressen. Wir können daher nur hoffen, dass die Städte und Gemeinden nicht der Versuchung unterliegen, durch wiederkehrende Straßenbeiträge die Beschneidung im Kommunalen Finanzausgleich wieder wettzumachen.

Damit komme ich zum Hauptproblem des Gesetzentwurfs. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, es geht gar nicht, dass Sie sich nun als Retter der Kommunen aufspielen, sozusagen als gute Fee, die die Wünsche der Kommunen erfüllt.

Da schreiben Sie in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs: „Diese Gemeinden haben vielfach den Wunsch geäußert, wiederkehrende Beiträge einführen zu dürfen.“ – Diese Aussage ist natürlich abenteuerlich. Diese Forderung ist kein Wunsch, sondern ein Hilferuf der Kommunen, um die von Ihnen zu verantwortende schlechte Finanzausstattung wenigstens etwas zu verbessern.

Der Hilferuf der Kommunen nach Einführung neuer und Ausweitung bestehender Beiträge rührt nicht daher, dass sie sich wünschen, die Menschen vor Ort mit immer neuen und immer höheren Beiträgen zu belasten. Allein die Tatsache, dass es die ehrenamtlichen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in der Kommunalpolitik sein werden, die den Menschen vor Ort Rechenschaft für diese Mehrbelastung ablegen müssen, macht deutlich, dass sie nach jeder Einnahmequelle greifen wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm.

Der Ruf nach Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge erfolgt deshalb, weil es Bundes- wie Landesregierung nicht schaffen, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie solche Maßnahmen gar nicht erst fordern müssen. Wir befürchten allerdings, dass die Kommunen nun verstärkt durch die Aufsichtsbehörden gezwungen werden, entsprechende Satzungen zu erlassen.

Meine Damen und Herren, Gebühren und Abgaben dürfen nicht dazu missbraucht werden, eine verfehlte Finanzpolitik auszugleichen. Gute Kommunalpolitik zeichnet sich nicht durch ständig neue und höhere Gebühren für die Menschen vor Ort aus.