Ellen Enslin

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Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Offenlegung von Gehältern in öffentlichen Unternehmen. In der Vergangenheit hat es dazu auch schon eine breite Debatte über exorbitant hohe Managergehälter gegeben, und inwieweit diese noch angemessen sind. Dass wir hier dringend Regelungen brauchen, zeigt die öffentliche Diskussion.
In der Schweiz hat es dazu schon eine Volksabstimmung gegeben. Bei dieser Abstimmung haben sich fast 70 % der Bevölkerung dafür ausgesprochen, dass die Gehälter begrenzt werden sollen, und sie fordern mehr Offenheit und Transparenz bei dem, wie diese Gehälter festgesetzt werden. Daraufhin haben alle Parteien in Deutschland unisono erklärt, dass man dies doch zum Anlass nehmen sollte, auch in Deutschland über die Managergehälter zu reden, nicht nur darüber zu reden, sondern auch entsprechende Beschlüsse zu fassen.
Aber nicht nur in der privaten Wirtschaft wird viel Geld verdient, sondern auch in öffentlichen Unternehmen. Es geht in dieser Debatte nicht darum, dass wir Neid und Missgunst schüren wollen. Es geht nicht darum, dass die Menschen, die gute Arbeit und viel Engagement in Führungsetagen öffentlicher Unternehmen an den Tag legen, nicht angemessene Gehälter bekommen sollen, sondern es geht um Transparenz. Es geht um Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger.
Im schlimmsten Fall nämlich müssen die öffentlichen Haushalte bei Fehlentscheidungen die Verluste dieser Unternehmen ausgleichen, und das belastet später über höhere Steuern und Gebühren natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sollten die Bürgerinnen und Bürger unserer Meinung nach ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, was in diesen Unternehmen verdient wird und wer darüber entscheidet. Wir wollen in diesem Bereich mehr Offenheit und Transparenz. Gerade bei öffentlichen Unternehmen sind wir nämlich alle gut beraten, darauf sehr genau zu achten und zu schauen, weil die Führungsetagen öffentlicher Unternehmen und die Besetzungen von Stellen in öffentlichen Unternehmen oft eine sehr große Nähe zur Politik haben.
Wir haben uns mit unserem Gesetzentwurf an dem Gesetz orientiert, das schon 2009 in Nordrhein-Westfalen verabschiedet worden ist, und zwar unter einer CDU/FDP-Regierung. Finanzminister Linssen sagte damals zur Einbringung:
Gerade in einem demokratischen Rechtsstaat sollte es der Regelfall sein, dass auch Bedienstete in öffentlicher Funktion eine Veröffentlichung ihrer Gehälter zu dulden haben – wie auch Abgeordnete dies zu akzeptieren haben. Unter dem Gesichtspunkt demokratischer Kontrolle lässt sich dies auch auf die Repräsentanten öffentlicher Unternehmen übertragen.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Hamburg und Berlin wurden solche Transparenz-Gesetze mittlerweile verabschiedet. In Schleswig-Holstein wurde Anfang des Jahres ein ähnliches Gesetz eingebracht. Bei
dem Ziel, mehr Transparenz bei den Gehältern in öffentlichen Unternehmen zu erreichen, scheint unter den Fraktionen – auch hier bei CDU und FDP – große Einigkeit zu herrschen. Finanzminister Dr. Schäfer hat dies auch bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfs bestätigt und erklärt, dass in seinem Hause an einem Public Corporate Governance Kodex gearbeitet werde. Natürlich könnte so ein Kodex auch diesen Bereich regeln, nur liegt er uns bisher nicht vor. Bisher gibt es nur die vollmundige Ankündigung des Finanzministers. Mehr gibt es nicht, und das ist definitiv zu wenig.
Einige Kommunale Spitzenverbände stehen unserem Gesetzentwurf ablehnend gegenüber. Sie sehen darin zusätzliche Bürokratie und Kosten. Durch Erfahrungen in den Ländern, die schon ein solches Transparenzgesetz haben, sehen wir dies nicht. Es gibt aber etliche Anzuhörende, die unseren Gesetzentwurf begrüßen. Ich nenne da nur den Bund der Steuerzahler oder auch Transparency International.
Auch in Frankfurt und Darmstadt ist man da schon weiter. Dort wird z. B. durch eigene Public-Corporate-Governance-Regelungen darauf hingewirkt, dass die Vergütungen städtischer Unternehmen individualisiert veröffentlicht werden. Auch das Bundesfinanzministerium hat mitgeteilt, dass in Unternehmen, die mehrheitlich dem Bund gehören, die individualisierten Bezüge offengelegt werden. Sie sehen, das ist woanders schon bewährte Praxis, meine Damen und Herren.
An unserem Gesetzentwurf wurde auch kritisiert, dass er nur öffentliche Unternehmen, also einen kleinen Bereich, behandelt. Das ist richtig. Aber es ist ein wesentlicher Bereich, der die Menschen ganz besonders interessiert. Wenn man sich vorstellt, dass gewählte Kommunalpolitiker Probleme haben, zu erfahren, welche Gehälter in ihren städtischen Unternehmen gezahlt werden, dann, denke ich,
ist unser Gesetzentwurf ein Schritt zu mehr Offenheit und Transparenz für Bürgerinnen und Bürger. Deshalb bitte ich Sie, zuzustimmen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beraten wir auch einen Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP, die Sargpflicht in Hessen zu lockern. Dazu kann ich nur sagen: na endlich.
Die Aufhebung der Sargpflicht ist ein Schritt in Richtung Integration. Herr Kollege Franz hat das schon ausgeführt. Wer hier lebt, soll hier auch sterben und begraben werden dürfen.
Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund müssen die Gräber ihrer Familienmitglieder in ihrer deutschen Heimat besuchen können. Die Entscheidung für ein Begräbnis hier ist ein entscheidender Schritt zur Identifikation mit der neuen Heimat. Dafür braucht es aber einen rechtlichen Anspruch.
Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP als eine nur unzulängliche Lösung. Er bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die von den verschiedenen Experten in der Anhörung des Parlaments zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN vorgetragen wurde.
Mitnichten gestattet die vorgeschlagene Regelung der Fraktionen der CDU und der FDP erstmals die Bestattung ohne Sarg, wie es im Begründungstext vollmundig versprochen wird. Das war auch schon vorher möglich. Gemäß § 18 Abs. 2 Hessisches Friedhofs- und Bestattungsgesetz konnte der Gemeindevorstand in der Vergangenheit auch Ausnahmen nach Anhörung machen. Das ist auch geschehen, wie einige Anzuhörende bestätigten. Das geschah aber eben nur in wenigen Einzelfällen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, das hat Sie dazu verleitet, der Meinung zu sein, eine Änderung des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes sei gar nicht notwendig. Es ist also erfreulich, dass Sie sich immerhin mit dem Thema noch einmal befasst haben.
Nach langem Nachdenken haben Sie diese kleine Gesetzesänderung vorgelegt. Es wäre aber auch gut gewesen, wenn Sie aus der Anhörung die richtigen Schlüsse gezogen hätten. Denn mit Ihrem Vorschlag wird es keine wesentlichen Verbesserungen geben. Sie wollen die Sargpflicht aus religiösen Gründen nicht grundsätzlich aufheben,
sondern das auch weiterhin in das Ermessen des Gemeindevorstands stellen, obwohl es keinen sachlichen Grund gibt, weiterhin an der Sargpflicht festzuhalten.
Weltanschauliche Gründe bleiben bei CDU und FDP gänzlich unberücksichtigt, obwohl das nach dem Grundgesetz auch geschützt ist. Das ist ganz und gar nicht zeitgemäß.
Zu einer modernen und weltoffenen Gesellschaft gehört es, die Pluralität und die unterschiedlichen Wünsche der Menschen, unabhängig davon, ob sie religiöser oder weltanschaulicher Natur sind, auch bei der Bestattung zu respektieren. Der vorgelegte Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP wird dem nicht gerecht. Denn es kann kein rechtlicher Anspruch abgeleitet werden. Aber nur ein Anspruch, also etwas ohne Hürde, würde es den Muslimen er
leichtern, sich auch über den Tod hinaus für ihre neue Heimat zu entscheiden.
Ich gebe Ihnen noch einmal zu bedenken: Muslime sind die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Hessen. Da müssen Sie sich doch endlich einmal bewegen.
Daneben wollen wir GRÜNE auch, dass die Kommunen die Möglichkeit haben, durch eigene Satzung zu beschließen, dass Grabsteine aus Kinderarbeit auf dem Friedhof nicht mehr verwendet werden dürfen. Herr Kollege Franz hat es schon vorweggenommen: Unser Vorschlag fand in der Anhörung einhellige Zustimmung.
Insgesamt muss ich feststellen: Der Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP ist unzureichend. Er ist hoffnungslos gestrig und stellt zudem die betroffenen Menschen weiterhin vor die enorme Hürde, in einem Anhörungsverfahren die Ausnahme von der Sargpflicht beantragen und dies mit religiösen Gründen rechtfertigen zu müssen. Dies geschieht in einer sie persönlich sehr belastenden Situation.
Ich kann den Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP nur sagen: Sie hatten nicht mehr die Kraft, einen modernen und zeitgemäßen Entwurf für ein Bestattungsgesetz vorzulegen, das als Gesetz einen echten Anspruch auf sargfreie Bestattung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewähren würde. Da haben die Menschen in Hessen etwas Besseres verdient. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Datenschutz hat in Hessen eine lange Tradition. Der Datenschutzbeauftragte hat es schon angesprochen: Willi Birkelbach, der erste Hessische Datenschutzbeauftragte, verfasste den Entwurf für das erste Hessische Datenschutzgesetz und damit auch für das erste gesetzliche Datenschutzregelwerk in der Welt. – Sie sehen, der Datenschutz spielt in Hessen eine ganz besondere Rolle. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein, und das sollte auch unser Anspruch sein.
Mit dem 40. Datenschutzbericht liegt uns erstmals ein Bericht vor, der sich auch mit dem Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich befasst. Seit Juli 2011 ist der Hessische Datenschutzbeauftragte durch die Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz auch hierfür zuständig.
Dem Hessischen Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich an dieser Stelle für die geleistete Arbeit ganz besonders danken. Frau Faeser hat es schon gesagt: Die Umstände sind noch nicht optimal, aber wir arbeiten daran. Wenn wir sehen, dass Sie über 3.600 Beratungen per Telefon hatten, kann man sagen: Der Bedarf ist groß. – Ich freue mich, dass Sie das unter den noch nicht so guten Umständen so hervorragend geschafft haben. Dafür noch einmal herzlichen Dank von unserer Seite.
Der private Datenschutz wird in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Persönliche Daten werden massenhaft erhoben und ausgewertet. Das Internet ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das bedeutet aber auch, dass Gefahren beim Umfang mit den persönlichen Daten lauern. Hier gilt es, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ernst zu nehmen und die Persönlichkeitsrechte zu wahren. Gerade die sogenannten kostenlosen Internetdienste sind alles andere als kostenlos. Dort zahlen die Nutzerinnen und Nutzer mit ihren persönlichen Daten. Für soziale Netzwerke sind die persönlichen Daten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine lukrative Ware bei ihren Geschäften mit der Werbewirtschaft.
Unter dem Stichwort „Big Data“ wird schon die nächste Stufe eingeleitet. Insgesamt 25,5 Milliarden € sollen in die
sem Jahr weltweit investiert werden, damit immer mehr Computer, Menschen und Geräte ununterbrochen Daten senden und riesige Server-Farmen diese dann aufzeichnen. Für eine Sensibilisierung der Menschen beim Umgang mit ihren persönlichen Daten zu werben und hier die Datensparsamkeit zum Prinzip zu machen, wird eine vordringliche Aufgabe der Zukunft sein.
Prof. Ronellenfitsch hat sich besonders konstruktiv in die Diskussion um die EU-Datenschutz-Grundverordnung eingebracht und darauf aufmerksam gemacht, wo die Kommission über das Ziel hinausschießt und unser hohes Datenschutzniveau gefährdet. Grundsätzlich begrüßen wir, dass es europaweit einheitliche und durchsetzbare Auskunfts- und Korrekturansprüche geben soll. Wir begrüßen auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Einwilligung die Verarbeitung an Bedingungen knüpfen und diese sogar zeitlich befristen können. Mittlerweile besteht aber die Gefahr, dass die Einwilligungsregelung durch die Widerspruchslösung verwässert werden soll, weil natürlich auch die Lobbyisten nicht untätig geblieben sind. Da müssen wir gemeinsam am Ball bleiben.
Lassen Sie mich noch auf einige Punkte im Bericht des Datenschutzbeauftragten zu sprechen kommen. Selbst der Hessische Landtag muss beim Datenschutz achtsam sein. Oft werden Bilder von Besuchsgruppen, auch von Schulklassen, ins Internet gestellt und in Broschüren abgedruckt. Das wurde in der Vergangenheit etwas locker gehandhabt. Der Datenschutzbeauftragte hat das Problem erkannt. Mit der Widerspruchslösung über die Schulen sind wir jetzt auf der sicheren Seite.
Auch bei der Speicherung von DNA-Analysen in der Polizeipraxis hat es in der Vergangenheit Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten gegeben. Kollegin Faeser ist darauf näher eingegangen. Hier fehlte unter anderem die notwendige Dokumentation. Die Landesregierung hat zugesagt, für die Polizeipräsidien einheitliche Verfahrensvorschläge zu erarbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Landesregierung, wir werden in der nächsten Sitzung des Unterausschusses Datenschutz nachfragen, wie weit Sie sind, denn das ist wirklich ein sehr wichtiges und sensibles Thema.
Auch den Recherchen von Jobcentern in sozialen Netzwerken hat der Hessische Datenschutzbeauftragte einen Riegel vorgeschoben. Diese Daten dürfen nur mit der Kenntnis der Betroffenen erlangt werden. So könnten nämlich auch Daten erlangt werden, die in keinem Zusammenhang mit der sozialgesetzlichen Aufgabe der Behörde stehen. Ich danke Ihnen, Herr Datenschutzbeauftragter, dafür sehr.
Der Datenschutzbeauftragte ist auch auf den unzulässigen Fingerprint beim Schwimmbadzugang im Freibad von Bad Orb eingegangen. Die Überprüfung der Praxis in diesem Freibad führte zu einer förmlichen Beanstandung, weil keine Rechtsgrundlage für die Fingerprinterfassung vorhanden war. Auch dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken. Es geht hier immerhin um biometrische Daten. Damit
sollte man ganz besonders sensibel umgehen. Sie eignen sich überhaupt nicht für eine Einlasskontrolle.
Insgesamt bleibt festzustellen: Die Anforderungen an die Kontrolle durch den Datenschutz werden in Zukunft noch weiter steigen. Der private Datenschutz ist vor dem Hintergrund von „Big Data“ ein riesiger Wachstumsmarkt. Da müssen wir die Dinge mit entsprechender Aufmerksamkeit und auch kritisch hinterfragen. Durch die Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz unter einem Dach haben wir in Hessen eine gut aufgestellte, unabhängige oberste Landesbehörde geschaffen, die kompetent und konsequent einen kritischen Blick auf diese Entwicklung werfen wird.
Wir danken Ihnen, Herr Prof. Ronellenfitsch, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit. Unsere Unterstützung haben Sie.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Ausschussrunde kündigten CDU und FDP bereits an, dass sie noch eine Änderung zum Entwurf für ein Friedhofs- und Bestattungsgesetz einbringen würden. Wegen der Komplexität der Regelung seien sie allerdings nicht rechtzeitig fertig geworden – was ein wenig überrascht, wenn man sich den nun vorliegenden Text ansieht.
Lediglich die Ausnahmeregelungen in § 18 werden um den Zusatz „und aus religiösen Gründen die Bestattung ohne Sarg“ erweitert. Dieser Einschub bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Außerdem bleibt die Entscheidung über die Aufhebung der Sargpflicht einzig und allein dem Ermessen des Gemeindevorstands vorbehalten. Daraus kann kein Anspruch abgeleitet werden. CDU und FDP haben leider die Chance verpasst, einen modernen und dem Thema angemessenen Gesetzentwurf vorzulegen. Dazu fehlte ihnen die Kraft.
Es gibt keinen Sachgrund, weiterhin an der Sargpflicht festzuhalten. Wir wissen, dass es gerade für muslimische Familien in Hessen ein echtes Problem ist, ihre Toten zu bestatten. Deswegen fordern wir schon lange eine Aufhebung der Sargpflicht als ein wichtiges Signal an die hier lebenden Musliminnen und Muslime. In vielen anderen Bundesländern, z. B. in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und auch in Niedersachsen, ist das schon heute möglich.
2007 haben wir GRÜNE einen Vorstoß dazu unternommen. Deshalb hat der SPD-Entwurf hierzu unsere volle Unterstützung. Daneben wollen wir den Kommunen aber auch die Möglichkeit geben, zu untersagen, dass auf den Friedhöfen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit verwendet werden.
CDU und FDP waren nach der Anhörung des SPD-Entwurfs noch der Meinung, dass die derzeitig geltenden Regelungen ausreichen würden und dass eine von der SPD geforderte Aufweichung der Sargpflicht nicht notwendig sei. Umso erfreulicher ist es, dass es hier mittlerweile einen ganz kleinen Sinneswandel gegeben hat. Aus religiösen Gründen ist jetzt ein Verzicht auf die Sargbestattung gestattet.
Weltanschauliche Gründe, deren Einbeziehung von der SPD und auch von uns GRÜNEN gefordert wurde, blieben allerdings unberücksichtigt. Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist unzureichend und ganz und gar nicht zeitgemäß.
Wir leben in einer Zeit vielfältiger Bestattungs- und Trauerkulturen. Menschen haben vielfältige Weltanschauungen, in denen religiöse Komponenten oft keine oder nur partiell eine Rolle spielen. Sie bringen, was die Form der Bestattung betrifft, oft heute schon andere Vorstellungen als Ausdruck ihrer Individualität mit ein. So sieht die Realität heute aus.
… dass die Freiheit des Menschen, über sich zu entscheiden, nicht mit seinem Tod endet, sondern es auch Freiheitsrechte gibt, die über den Tod hinausgehen.
Das stellte der Abg. Jörg-Uwe Hahn im Februar 2007 im Plenum fest. Dem kann ich nur zustimmen. Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass sich diese Überzeugung in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht wiederfindet und dass die Möglichkeit, den Sargzwang auch aus weltanschaulichen Gründen aufzuheben, nicht berücksichtigt wurde.
In einer modernen und weltoffenen Gesellschaft muss es einfach dazugehören, dass die Pluralität der Wünsche auch bei der Bestattung respektiert wird.
Die Aufhebung des Sargzwangs aus religiösen Gründen ist ein wichtiger Schritt für viele Menschen, insbesondere für Muslime. Dass die Freiheitsrechte auch über den Tod hinaus respektiert werden, erleichtert die Entscheidung für die neue Heimat. Das begrüßen wir sehr. Aber es reicht bei Weitem nicht aus. Auch weltanschauliche Gründe müssen in einem modernen Bestattungsgesetz für Hessen berück
sichtigt werden. Der vorgelegte Entwurf ist davon weit entfernt. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir sehen die große Not der Kommunen bei der Finanzierung der Gemeindestraßen. Gerade vor dem Hintergrund, wenn ein defizitärer Haushalt vorliegt, muss nach dem Konsolidierungserlass von 2010 vom Innenministerium eine Straßenbeitragssatzung erlassen werden, wenn noch keine gilt. Bisher ist es nach dem Kommunalabgabengesetz nur möglich, durch einen einmaligen Beitrag eine solche Straßenabgabe zu machen. Dies führt bekanntlich häufig zu großen Härten bei den Grundstückseigentümern, wenn bis zu fünfstellige Beträge gezahlt werden müssen.
Auch wir haben in wiederkehrenden Straßenbeiträgen über das gesamte Stadtgebiet ein zukünftiges, von der Bürgerschaft akzeptiertes Finanzierungsinstrument gesehen. So können alle Grundstückseigentümer solidarisch in der Kommune an den Kosten der Straßenerneuerung beteiligt werden.
Als die SPD letztes Jahr ihren Gesetzentwurf zu den wiederkehrenden Straßenbeiträgen eingebracht hat, hatten wir große Sympathie für den Gesetzesvorschlag. Alle Grundstückseigentümer in einer Stadt an den Straßenausbaukosten zu beteiligen, schien uns eine gute Lösung zu sein. Allerdings haben wir da schon die Einschränkung gemacht, dass neben der Wahlfreiheit für die Kommunen auch die Rechtssicherheit gewährleistet sein muss.
Die Landtagsanhörung dazu hat uns sehr nachdenklich gemacht. Es scheint, so einfach ist hier keine Lösung zu finden. Renommierte Verfassungsrechtler haben in der Anhörung die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Ausweitung auf das gesamte Stadtgebiet um eine Steuer handelt, weil kein konkreter Nutzen für den Einzelnen nachgewiesen werden kann. Somit würde diese Abgabe den Charakter einer Steuereinnahme einnehmen, und es wäre verfassungswidrig.
So liegt denn auch der von der SPD vorgeschlagene Gesetzentwurf, der als Grundlage die derzeitige Regelung in Rheinland-Pfalz hat, zurzeit beim Bundesverfassungsgericht und wird dort beklagt. Mit der Beschränkung auf kleinere Berechnungsgebiete im funktionalen Zusammenhang wollten CDU und FDP in ihrem Gesetzentwurf genau dieses Problem beheben.
Aber auch hier hat die Anhörung gezeigt – so eindeutig sind die Anzuhörenden eben nicht gewesen –, dass dies keine tragfähige Lösung zu sein scheint, zumal die Anzuhörenden der kommunalen Vertreter in der Anhörung glaubhaft versicherten, dass damit zu rechnen ist, dass unzufriedene Grundstückseigentümer gegen die Festlegung der Abrechnungsgebiete klagen werden, weil sie darin keinen konkreten Nutzen sehen.
Tatsächlich müssten extrem kleine Abrechnungsgebiete gebildet werden, um insoweit erfolgreich bestehen zu können. Das wäre mit sehr viel Verwaltungsaufwand für die Kommunen verbunden. Die benötigte Rechtssicherheit für alle Kommunen würde so auch nicht gegeben sein.
Ich denke, auch das muss man noch einmal sagen: Bevor Rheinland-Pfalz die Regelungsvariante der SPD übernommen hat, gab es dort eine andere Variante. Da war es gerade so, dass kleine Abrechnungsgebiete gebildet wurden, um den funktionalen und räumlichen Zusammenhang herzustellen. Aber das hat sich in der Praxis nicht bewährt. Diese Variante wurde permanent beklagt, weswegen man in Rheinland-Pfalz der Meinung war, mit der Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet hätte man die Lösung gefunden.
Das bedeutet, unsere Forderung, durch eine Öffnung des § 11 des Gesetzes über kommunale Abgaben den Kommunen eine echte Wahlmöglichkeit und Rechtsicherheit zu geben, kann mit den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen so nicht erreicht werden.
Das Kommunalabgabengesetz ist eine komplizierte Materie. Deshalb ist es auch besonders bedauerlich, dass die Fraktionen der CDU und FDP, nachdem sie kurzfristig einen Änderungsantrag zur kommunalen Anstalt eingebracht haben, der das Ziel hat, diese auch für interkommunale Zusammenarbeit nutzen zu können, keine ausreichende Beratungszeit gewährt haben und auf Abstimmung bestanden haben. Es waren gerade die Fraktionen der CDU und der FDP, die wegen Diskussionsbedarf über das Kommunalabgabengesetz in den eigenen Reihen mehrmals Vertagung verlangt hatten.
Abschließend möchte ich noch einmal feststellen, dass wir GRÜNE uns für eine echte Wahlfreiheit der Kommunen bei den wiederkehrenden Straßenbeiträgen einsetzen. Gegebenenfalls müssten wir abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht über die Regelung in Rheinland-Pfalz entscheidet. Die Zeit dafür muss man sich halt nehmen.
Dann muss eine Öffnungsklausel zum Kommunalabgabengesetz geschaffen werden, die eine verfassungskonforme und rechtssichere Regelung ist, damit die Kommunen eine echte Alternative haben, die auch Bestand hat.
Aus diesen Gründen können wir den vorliegenden Vorschlägen nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns schon in der Vergangenheit ausführlich mit dem Schutzschirmgesetz auseinandergesetzt. Es ist erfreulich, dass CDU und FDP unsere Anregungen bezüglich eines Beirats bei der Wirtschafts- und Infrastrukturbank aufgenommen haben und dass eine Abweichung von der vorgegebenen Liste möglich sein wird sowie dass man auch von den vorgegebenen Höchstbeträgen für die Kommunen abweichen möchte.
Das sind Bedenken gewesen, die in der Anhörung geäußert worden sind. Ich denke, das ist zu Recht gewesen. Deshalb freue ich mich, dass Sie diese Anregungen aufgenommen haben.
Das ist deshalb wichtig, weil in der Anhörung ganz klar wurde, dass die Kommunen und Kreise eben doch sehr unsicher sind, weil sie nicht wissen: Wie sind die Kreditverträge gestaltet, z. B. zu welchen Referenzzinssätzen sollen die Kommunalkredite abgelöst werden? – Deshalb ist es wichtig, dass wir einen Beirat haben; denn dort können die kommunalen Verbände die Interessen der Kommunen bei der Verwaltung und auch bei der Refinanzierung der abzulösenden Kredite direkt vertreten.
Das ist eine klare Verbesserung im Verhältnis zum ursprünglichen Entwurf, und das bietet auch mehr Klarheit. Denn das muss man auch einmal sagen: Wenn man sich den Schriftverkehr zwischen dem Finanzministerium und den betroffenen Schutzschirmkommunen anschaut, stellt man fest, dass es doch etliche Ungenauigkeiten im Gesetzentwurf gegeben hat. Der Minister musste so einiges klarrücken. Deshalb bin ich der Meinung: Die dritte Lesung lohnt sich, denn es ist für die Kommunen eine Verbesserung.
Dass CDU und FDP allerdings daran festhalten, die Kommunalaufsicht der Schutzschirmkommunen unter 50.000 Einwohnern an die Regierungspräsidien abzugeben, das lehnen wir ganz klar ab. Das wird zu unvertretbaren Doppelstrukturen führen, und das wird auch noch zusätzlich kosten. Gerade die Kollegen von der FDP halten immer die Verwaltungseffizienz hoch. Verwaltungseffizienz sieht in diesem Fall wirklich ganz anders aus.
Die von Herrn Noll geäußerte Kritik, die Landkreise könnten ihrer Aufgabe bezüglich der Kommunalaufsicht der Schutzschirmkommunen nicht ordnungsgemäß nachkommen, kann auch nicht so stehen gelassen werden.
Danke schön. – Denn zu Recht wehren sich die Landkreise dagegen. Sie haben durch ihre räumliche und personelle Nähe die Möglichkeit, auf die spezifischen Verhältnisse der Schutzschirmkommunen angemessen einzugehen. Gerade das ist wichtig. Wir haben darum gerungen, dass in den Gesetzestext noch der Zusatz kommt: „individuelle Vereinbarung“, damit gewährleistet bleibt, dass bei allen Auflagen auch die kommunale Selbstverwaltung der Kommunen respektiert bleibt.
Trotz der vorgelegten Änderung bleibt aber auch festzustellen: Der Entschuldungsfonds reicht für die Kommunen nicht aus.
Er darf nicht als Einzelmaßnahme betrachtet werden, auch wenn er da gar nicht so schlecht aussieht, sondern er muss in der Gesamtheit aller Aktivitäten der Landesregierung für die Kommunen gesehen werden. Da ist die Bilanz ernüchternd und enttäuschend.
Ich erinnere nur an das nicht eingehaltene Versprechen gegenüber den Kommunen z. B. bei der Mindestverordnung oder auch an den unsystematischen KFA-Entzug dieser Landesregierung von mehr als 340 Millionen €. All das belastet die Kommunen zusätzlich.
Der Entschuldungsfonds wird an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen nichts Wesentliches ändern. Hier muss das Land endlich seiner Verantwortung nachkommen, im Rahmen seiner Möglichkeiten für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen.
Hier brauchen wir endlich eine Verstetigung des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen. Wir brauchen endlich eine Reform des KFA, der die veränderten Bedingungen, wie den demografischen Wandel und die Sozialstruktur, in den Kommunen angemessen berücksichtigt. Deshalb kann ich unsere grüne Forderung an die Landesregierung nur noch einmal bekräftigen: Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben. Den Kommunen läuft die Zeit davon.
Wenn ich hier auf die Regierungsbank schaue, dann bin ich ziemlich enttäuscht.
Denn ich kann mich gut erinnern, dass der Entschuldungsfonds ein ganz spezielles Projekt des Ministerpräsidenten gewesen ist.
Ich denke, es wäre angemessen gewesen, dass er heute, wenn das hier so gelobt wird, speziell von Ihrer Seite, hier ist und dazu steht. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Ich würde mich freuen, wenn der Minister hier sitzen würde.
Der Ministerpräsident, Entschuldigung.
Das wäre schön gewesen. Aber der Finanzminister ist natürlich da. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion greift mit ihrer Initiative einen wichtigen Aspekt auf. Wir GRÜNE unterstützen den Vorstoß der SPD-Fraktion, dass Menschen, die in Hessen leben, nach ihrer religiösen und weltanschaulichen Tradition und Überzeugung bestattet werden können.
Es wurde auch schon ausgeführt, wie wichtig das ist: Wenn wir die Menschen in unserem Land integrieren wollen, dann gehören auch deren Traditionen am Ende des Leben, deren Trauerkultur und deren Bestattungstraditionen mit dazu. Ich denke, die Gesellschaft zeigt, wenn sie da endlich Regelungen eröffnen würde, auch, wie offen sie ist und wie sie diese Menschen aufnimmt.
Herr Franz hat ausgeführt, dass das derzeit geltende Friedhofs- und Bestattungsgesetz Bestattungen ohne Sarg nicht zulässt. Schon im Juni 2007 haben wir GRÜNEN Entsprechendes gefordert. Zum damals vorliegenden Gesetzentwurf haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht. Die SPD-Fraktion hat deshalb hierfür unsere volle Unterstützung.
In vielen Kommunen gibt es Anfragen nach muslimischen Grabfeldern. Das geschieht natürlich aus dem Bedürfnis heraus, die Toten nach muslimischer Tradition ohne Sarg und nur in einem Leinentuch zu beerdigen. Diese Möglichkeit sollten wir in Hessen endlich eröffnen.
Vielleicht kann ich Ihnen gerade aus meiner Heimatkommune Usingen erzählen. Wir haben gestern in Usingen eine Satzungsänderung unserer Friedhofs- und Bestattungssatzung beschlossen. Wir wären gerne über das hinausgegangen; denn die muslimische Gemeinschaft hätte natürlich gerne neben den Waschungen, die vorgesehen sind, die Bestattung ohne Sarg, im Leinentuch. Das konnten wir ihr leider nicht zusagen, weil das Recht in Hessen derzeit noch dagegen steht. Deshalb denke ich, wir sollten darüber nachdenken und das ändern, damit wir solche Anfragen positiv bescheiden können.
Vor dem Hintergrund, dass das Friedhofs- und Bestattungsgesetz zum Ende des Jahres ausläuft, wäre es eine gute Gelegenheit. Allerdings mussten wir auf dem 8. Hessischen Bestattertag erfahren, dass es hierzu zwar schon eine Regierungsanhörung gegeben hat. Allerdings soll sich die Evaluierung nur auf redaktionelle Änderungen beschränken, wie der Sprecher des Innenministeriums dem verblüfften Publikum mitteilte. Denn neben der geforderten Aufhebung des Sargzwangs müssen auch andere Themen wie z. B. die Leichenschau und die damit verbundene Ausbildung der Beschauer neu geregelt werden.
Außerdem brauchen wir endlich eine Rechtsgrundlage für die Kommunen, damit diese durch kommunale Satzung z. B. festlegen können, dass nur noch Grabsteine und Einfassungen verwendet werden dürfen, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden.
Ich erinnere daran, dass der Sozialpolitische Ausschuss auf die Initiative von uns GRÜNEN im September 2010 dazu einen einstimmigen Beschluss gefasst hat und dass hier ein Vorschlag vorgelegt werden soll. Sie sehen also, das Friedhofs- und Bestattungsgesetz muss endlich an die Realitäten, wie sie heute sind, angepasst werden. Ich bin optimistisch, dass die Anhörung im Gesetzgebungsverfah
ren uns bestätigen wird. Ich habe die Hoffnung, dass die FDP sich wieder besinnt und offener damit umgeht. Denn wenn man sich die alten Anhörungsunterlagen anschaut und die Reden, die damals im Parlament zum Gesetzentwurf gefallen sind, dann kann man sehen, dass die FDP damals offener war, als es um den Sargzwang ging. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schon im September 2010 verkündete der frisch gebackene Ministerpräsident Volker Bouffier vollmundig, einen Entschuldungsfonds für die Kommunen einzurichten. Im März 2012 wurde der Gesetzentwurf endlich eingebracht. Vorausgegangen waren ausführliche Diskussionen mit den Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände. Das Ergebnis waren die Eckpunkte einer gemeinsamen Rahmenvereinbarung zwischen dem Land und den Spitzenverbänden. Diese dienten auch als Grundlage für den Gesetzentwurf.
Damals legte man unter anderem gemeinsam ein Kennzahlenset fest, und daraus wurde eine Liste der Kommunen und Landkreise abgeleitet, die unter diesen Schutzschirm schlupfen könnten. Wir haben schon, als der Gesetzentwurf eingebracht worden ist, klar gesagt, dass er zu spät kommt; denn immerhin müssen die Kommunen noch bis zum Jahr 2013 warten, bis das Gesetz in ihren Haushalten endlich Wirkung zeigt. Trotz unserer grundsätzlichen Kritik an der Politik der Landesregierung bezüglich der Kommunalfinanzen sind wir nicht der Versuchung erlegen, diesen Gesetzentwurf in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern wir haben den Beratungsprozess konstruktiv und kritisch begleitet.
Grundsätzlich bleibt festzustellen: Die Entscheidung, am Schutzschirm teilzunehmen, kann nur in der jeweiligen Kommune getroffen werden. Die Verantwortlichen vor Ort kennen die Umstände und die Bedingungen in ihrer Kommune am besten. Nur sie können dies entscheiden, und es ist gut, dass es diesbezüglich keine Zwangsverpflichtung gibt. Das ist in anderen Ländern durchaus der Fall. Deshalb sind wir froh, dass die Kommunen dies selbst entscheiden können.
Deshalb hatten wir GRÜNE besonders im Fokus, wie das Gesetz gestaltet wird, damit es den Kommunen in ihrer schwierigen Situation hilft, statt sie zusätzlich zu belasten. Für uns stand immer außer Frage, dass durch die damit verbundenen Auflagen für die Kommunen die kommunale Selbstverwaltung nicht gefährdet sein darf und dass auch berücksichtigt werden muss, dass es Kommunen geben wird, die den geforderten Haushaltsausgleich auf absehbare Zeit nicht erreichen können. Wir müssen auch diesen Kommunen die Chance geben, die geforderten Auflagen zu erfüllen.
Die Anhörung hat gezeigt, dass unsere Forderungen berechtigt waren. In den Kommunen herrscht eine große Unsicherheit darüber, wie die Sparmaßnahmen und -auflagen aussehen sollen. Auch z. B. die Unsicherheit darüber, wie die Referenzzinssätze der WIBank aussehen, wenn die Kredite abgelöst werden, und ob das für die Kommunen wirklich ein gutes Geschäft ist, muss berücksichtigt werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die positiven Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt zu Beginn eher gering sein werden. Auch werden sie in vielen Fällen nichts an der chronischen Unterfinanzierung und an den strukturellen Defiziten in der Kommune ändern.
Aber in der Anhörung wurde auch ganz klar, dass die Kommunen die Möglichkeit brauchen, dass durch individuelle Vereinbarungen auf ihre speziellen Bedingungen eingegangen wird. Deutlich wurde auch, dass die Beschränkung der Kreditablösung auf die Kernhaushalte der Situation etlicher Kommunen und Landkreise nicht gerecht wird. Diese haben nämlich oft originäre Kommunalaufgaben in spezielle Eigenbetriebe ausgelagert, z. B. die Schulbauten. Es wurde unter anderem gesagt, dass, falls der Fonds nicht ausgeschöpft wird, unbedingt die Möglichkeit bestehen sollte, dieses Geld an die Kommunen weiterzugeben.
Wir haben in der Zeitung gelesen, dass es diese Möglichkeit durchaus gibt, sie also keine bloße Theorie ist. Unserer Meinung nach gibt es da mehrere Möglichkeiten: Entweder wird das Geld über eine Nachrückerliste an die Kommunen weitergegeben, oder es gibt eine Laufzeitverkürzung durch eine Tilgungserhöhung seitens des Landes. Es gibt die Möglichkeit der Öffnung, sodass besonders bedürftige Kommunen zusätzliche Kredite ablösen können.
All diese Forderungen haben wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen. Damit ist die Forderung verbunden, dass die Kommunalen Spitzenverbände in einem Beirat der Wirtschafts- und Infrastrukturbank vertreten sind, um die Interessen der Kommunen bei der Verwaltung und bei der Refinanzierung der abgelösten Kredite geltend machen zu können.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, der Absicht, die Schutzschirmkommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern unter die Aufsicht der Regierungspräsidien zu stellen, erteilen wir eine klare Absage. Dies würde nur zu unvertretbaren Doppelstrukturen und natürlich auch zu zusätzlichen Kosten führen. Das geht wirklich nicht. Vielleicht sollten Sie da auf die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände hören.
Bedauerlich ist auch, dass es die Regierungsfraktionen abgelehnt haben, dass zu den Änderungsanträgen z. B. noch eine Stellungnahme eingeholt wird. Ich denke, das hätte dem einen oder anderen geholfen.
Insgesamt bleibt festzustellen: Der Entschuldungsfonds ist nur ein ganz kleiner Tippelschritt.
Ungeachtet dessen bleibt die finanzielle Situation der Kommunen angespannt. In Hessen wird die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen größer. Die Tatsache, dass die Kassenkredite auf 5 Milliarden € erhöht worden sind – ein extremer Anstieg –, und die laufenden
Kredite in Höhe von mehr als 10 Milliarden € für das Jahr 2010 zeigen dies deutlich. Auch mit den erhofften Steuermehreinahmen wird man diese Schulden nicht tilgen können.
Es ist mehr als bedauerlich, dass der Herr Ministerpräsident zu der prekären Situation der Kommunen in seinem aktuellen Interview mit einer großen Tageszeitung kein einziges Wort verloren hat. Stattdessen hat er das Personalkarussell der Landesregierung gerechtfertigt. Ich denke, das wäre es wert gewesen, dass der Herr Ministerpräsident dazu Stellung bezogen hätte.
Ich möchte noch sagen, wie die Regierungskoalition mit diesem Gesetzentwurf für ein Schutzschirmgesetz umgegangen ist. Das Hochjubeln dieses Entschuldungsfonds unter der Verwendung von Superlativen war wirklich alles andere als angebracht.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Belastungen für die Kommunen besteht dazu auch überhaupt kein Grund. Ich erinnere nur an die Bundessteuergesetzgebung zulasten der Kommunen oder – Herr Kollege Schmitt hat es schon angesprochen – an den unsystematischen KFA-Entzug von mehr als 344 Millionen € jährlich zulasten der Kommunen. Vor diesem Hintergrund relativieren sich auch die Tilgungshilfen von 2,8 Milliarden € und die Zinszuschüsse von 400 Millionen €, die über 30 Jahre verteilt werden. Auch das ist eine Wahrheit, der man sich stellen muss.
Zum Schluss kann man nur feststellen: Der Schutzschirm ist ein kleiner Schritt, um die Kommunen zu entlasten, aber nicht mehr. Er ändert an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen nichts. Hier muss das Land, natürlich entsprechend seinen Möglichkeiten, endlich seiner Verantwortung nachkommen: Es muss für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherstellen.
Wir brauchen auch endlich eine Verstetigung des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen, damit eine größere Berechenbarkeit der KFA-Leistungen möglich ist. Der KFA muss an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Er muss den demografischen Wandel und die Sozialstruktur in den Kommunen berücksichtigen. Wir brauchen diese KFA-Reform so schnell wie möglich.
Damit das für die Kommunen ein bisschen besser wird, erwarten wir von Ihnen, dass Sie sich in Berlin dafür einsetzen, dass die Gewerbesteuer endlich zu einer kommunalen Wirtschaftsteuer weiterentwickelt wird. Das würde den Kommunen nämlich weiterhelfen.
Lassen Sie mich zu guter Letzt noch ein paar Worte zu den Anträgen der SPD sagen. Ich denke, der eine Antrag hat sich nach dem Schreiben des Finanzministers erledigt. Das Finanzministerium wird diese Liste nicht weiterverfolgen, wie wir lesen konnten. Über die anderen Punkte können wir im Ausschuss weiter diskutieren.
Aber wir werden diesen Gesetzentwurf nicht ablehnen. Aus den vorgenannten Gründen werden wir uns enthal
ten. Wir hoffen, dass Sie in der Diskussion um die KFAReform weiterkommen, damit die Kommunen endlich auch verlässliche Finanzen haben. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Schutzschirm wird von den Kommunen und Kreisen eben nicht als großzügiges Geschenk, sondern durchaus als zwiespältiges Angebot bewertet. CDU und FDP haben schon einen Schuldigen ausgemacht: Die SPD ist schuld. Wir haben es gerade gehört: Sie fährt angeblich eine Kampagne. Mit ihrer Blockadehaltung schade sie den Kommunen.
Nun ist es gar nicht ungewöhnlich, dass sich die Opposition kritisch mit den Aktivitäten der Regierung auseinandersetzt. Wenn diese Argumente bei den Kommunen ankommen, dann sollte Ihnen das zu denken geben. Vielleicht ist ja etwas dran? Schon im Vorfeld zum Schutzschirmgesetz haben wir etliche Fragen aufgelistet, auf die Sie keine befriedigenden Antworten gegeben haben, z. B.:
Was geschieht mit den Kommunen, die den Haushaltsausgleich objektiv nicht schaffen können? Wie sehen die Zwangsmaßnahmen konkret aus? Welchen Spielraum haben Kommunen überhaupt noch, wenn sie unter den Schutzschirm schlüpfen?
Sie sehen also: Viele Kommunen haben zu Recht große Angst, ihre kommunale Autonomie zu verlieren. Das müssen wir ernst nehmen.
Diese Angst muss auch die Landesregierung ernst nehmen und ausräumen. Anstatt hier eine Aktuelle Stunde abzuhalten, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, geben Sie doch einfach Antworten auf die vielen Fragen. Ihre Aktuelle Stunde hätte z. B. den Titel haben können: Landesregierung nimmt Ängste der Kommunen zum Schutzschirm ernst und gibt Antworten auf kommunale Fragen.
Aber nichts dergleichen geschieht. Sie zeigen nur mit dem Finger auf diejenigen, die nicht sofort Hurra schreien, und haben Ihren Schuldigen ausgemacht. So ist es nicht verwunderlich, wenn in den Kommunen Zweifel und Skepsis hinsichtlich des Schutzschirms bestehen. Anstatt den Schutzschirm mit Attributen wie „einzigartig“ oder „setzt bundesweit Maßstäbe“ hochzujubeln, halten Sie den Ball einfach flach, und überprüfen Sie, wo es vielleicht hakt.
Es gibt viele offene Fragen, die noch nicht ausreichend beantwortet worden sind. Selbst der Städte- und Gemeindebund sieht noch Nachbesserungsbedarf. Immerhin gehörte er zu denjenigen, die die Rahmenvereinbarungen mit unterzeichnet haben. Nachdem er jetzt den Gesetzentwurf vorgelegt bekommen hat, sieht er ganz klar Nachbesserungsbedarf. Können Sie es den Kommunen dann verdenken, dass sie dem Schutzschirm reserviert gegenüberstehen?
Sie müssen sich schon mit den Dingen auseinandersetzen. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass der Schutzschirm Ihr Eingeständnis ist, dass es Kommunen gibt, die Hilfe brauchen.
Durch den unsystematischen KFA-Entzug, die Bundessteuergesetzgebung, die Sie in Berlin maßgeblich unterstützt haben, aber auch die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen leiden viele von ihnen an chronischer Unterfinanzierung und brauchen Unterstützung. Die ca. 120 Millionen €, die den Kommunen über den Schutzschirm zufließen werden, sind doch nur ein kleiner Teil im Vergleich zum jährlichen Entzug von mehr als 340 Millionen € aus dem KFA.
Ob die Kommunen das Angebot des Schutzschirms annehmen, entscheiden die Parlamente vor Ort, und das ist gut so. Wir sind der Meinung, die Gemeindeparlamente sind der richtige Ort, an dem diese Entscheidung getroffen werden kann. Dort wird individuell entschieden, ob der Schutzschirm für die Bedingungen in einer Kommune gut ist oder nicht. Der Schutzschirm ist unter anderem mit einem strikten Sparkurs verbunden. Wir haben Ihnen von Anfang an gesagt – das ist ganz klar –: Bei allen Sparauflagen muss die kommunale Selbstverwaltung respektiert werden.
Was nützt es den Kommunen, wenn es heißt – schauen Sie in die Presse –: „schuldenfrei, aber Kommune tot“? Das wollen wir nicht.
Außerdem darf sich das Land nicht nur auf den Schutzschirm beschränken, sondern muss auch seiner Verantwortung nachkommen, dass es für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen hat.
Das gilt auch für die Kommunen, die nicht unter den Schutzschirm gehen können. Wir brauchen endlich eine umfassende Reform der kommunalen Finanzausstattung. Der KFA muss endlich gerecht und aufgabenbezogen die Kommunen finanzieren.
Er muss den demografischen Wandel und die Sozialstruktur, die in den Kommunen herrscht, berücksichtigen. Wir warten sehnsüchtig darauf, dass Sie endlich etwas dazu vorlegen. Die Kommunen warten schon lange darauf, eigentlich viel zu lange. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als die SPD im September letzten Jahres ihren Vorschlag zu den wiederkehrenden Straßenbeiträgen vorlegte, lehnte sich Innenminister Boris Rhein ziemlich weit aus dem Fenster.
In üblicher Manier teilte er seine Kritik mit dem Hinweis auf die Beratung bzw. Vorabstimmung der Landesregierung aus. Bezüglich eigener Aktivitäten zu den wiederkehrenden Straßenbeiträgen wurde der SPD-Gesetzentwurf als fragmentarische Einzelregelung abgetan. Er war der Meinung, das gesamte KAG müsse auf den Prüfstand,
und das würde auch gemacht werden.
Plakativ hob er dann eine Vorlage hoch – das können Sie im Protokoll nachlesen. Ich weiß nicht, was dort hochgehalten worden ist. Aber was ich weiß: Bis heute liegt uns von der Landesregierung kein Entwurf zur Überarbeitung des Gesetzes über kommunale Abgaben vor.
Angeblich waren die Beratungen dazu schon weit fortgeschritten. Aber es interessiert mich schon brennend, was aus dieser Vorlage geworden ist. Wo ist sie denn gelandet?
Im September hat der Innenminister im Landtag mitgeteilt, dass er einen schönen Gesetzentwurf vorlegen will. Selbst noch in einem Schreiben vom 2. Februar dieses Jahres bestätigte der Minister unsere grüne Meinung, dass die wiederkehrenden Straßenbeiträge eine Alternative zur Erhebung von Straßenbeiträgen darstellen können, und bekräftigte, dass er daher nach wie vor eine entsprechende Gesetzesergänzung anstrebe.
Wir wissen aus vielen Schreiben der Kommunen, dass sie alle auf diese Wahlmöglichkeit hoffen. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass vom Innenministerium zu diesem Thema wohl nichts mehr kommen wird; denn CDU und FDP haben gerade ihren Gesetzentwurf zur Überarbeitung des KAG vorgelegt,
der neben den Straßenbeiträgen noch einige Änderungen – z. B. zum Erheben von Verwaltungsgebühren oder Vorauszahlungen – beinhaltet. Herr Heinz, man muss der Ehrlichkeit halber sagen, Ihnen lagen schon die Ergebnisse der schriftlichen Anhörung zum SPD-Gesetzentwurf vor. Von daher konnten Sie in Ihren Gesetzentwurf diese Ergänzungen zum § 11a leicht mit einarbeiten.
Meine Damen und Herren, wenn es gelingt, eine rechtssichere Änderung für die wiederkehrenden Straßenbeiträge hinzubekommen, dann wäre dies für viele Kommunen eine große Erleichterung;
denn sie warten schon viel zu lange darauf. Die Kommunen können in der üblichen Straßenbeitragssatzung zwischen einmaliger Zahlung und wiederkehrenden Straßenbeiträgen wählen. Sie würden dies bei fehlender Straßenbeitragssatzung nicht auf die lange Bank schieben; denn wir wissen alle, es ist gar nicht so einfach, eine Straßenbeitragssatzung in der Kommune zu erlassen.
Oft entbrennen in der betreffenden Bürgerschaft heftige Diskussionen, weil es unter anderem eben auch um hohe Straßenbeiträge geht. Das kann schon einmal dazu führen, dass in der Kommune die Grundstückseigentümer mit einem einmaligen Beitrag an den Kosten beteiligt werden, der durchaus fünfstellig ist. Den können nicht alle Eigentümer so ohne Weiteres leisten. Aus diesem Grund besteht oft die Gefahr, dass die Kommune teilweise oder sogar ganz auf den Kosten sitzen bleibt, weil die Eigentümer das nicht zahlen können.
Deshalb brauchen wir für die hessischen Kommunen die Wahlmöglichkeit. Aber wir brauchen bei den wiederkehrenden Straßenbeiträgen auch eine rechtssichere Regelung, um unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten bei den Straßenausbaukosten zu haben. Die Kommunen
fordern schon seit Langem die Möglichkeit, die Straßenausbaukosten auf mehrere Schultern zu verteilen.
Deshalb ist es durchaus zu begrüßen, dass bei den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP endlich Bewegung in die Diskussion gekommen ist. Im letzten Jahr haben wir hier durchaus noch eine andere Diskussion geführt. Wenn ich mir die Pressemitteilungen der FDP angeschaut habe, sahen die noch anders aus.
Sie können sich gerne einmal anschauen, was ihr Kollege Blum an die Presse weitergegeben hat. Das stand in krassem Gegensatz zu dem. Nicht umsonst haben die Kommunen Angst gehabt, dass es nicht zu dieser Wahlmöglichkeit kommt.
Wir erhoffen uns vor diesem Hintergrund eine interessante Anhörung im Ausschuss. Natürlich werden wir auch den Aspekt der Rechtssicherheit entsprechend begleiten, denn ganz so einfach ist das nicht.
Wir haben aus den Anhörungsunterlagen durchaus Argumente bekommen, dass dies gerade vor dem Hintergrund zu berücksichtigen ist, ob es sich um Beiträge handelt oder nicht vielleicht auch Steuern sein könnten. Das wollen wir im Ausschuss nachfragen. Was wir auf jeden Fall brauchen, das haben wir schon im September gesagt. Wir brauchen eine rechtssichere Regelung für die Kommunen. Es kann nicht sein, dass die Kommunen, wenn sie eine entsprechende Satzung erlassen, hinterher beklagt werden.
Wir werden diesen Prozess konstruktiv begleiten. Aber das ändert nichts daran: Vom Innenminister haben wir leider dazu nichts vorgelegt bekommen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Noll, Sie machen es einem wirklich schwer, sich sachlich und konstruktiv mit dem Schutzschirm auseinanderzusetzen.
Ihr Beitrag war nicht besonders förderlich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, über den Schutzschirm haben wir schon mehrmals in diesem Hause
diskutiert. Ich freue mich, dass wir jetzt endlich den konkreten Gesetzestext als Vorlage haben.
Warten Sie einmal ab. – Erfreulich ist, dass es dem Land gelungen ist, mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine Einigung zu finden, und dass wir diese Eckpunkte im Gesetzestext wiederfinden. So selbstverständlich ist das nicht. Zwischen Land und Kommunen knirscht es ansons ten mächtig im Getriebe.
Dieser Schutzschirm ist das Eingeständnis dieser Landesregierung, dass es viele Not leidende Kommunen in Hessen gibt.
Finanzminister Schäfer hat es schon angesprochen: Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen geht auch in Hessen immer weiter auseinander. Mit Kassenkrediten von 5 Milliarden € und laufenden Krediten von 10 Milliarden € kommen die hessischen Kommunen auf insgesamt 15 Milliarden € Schulden. Hinzu kommen noch die ausgegliederten Bereiche mit 6 Milliarden €. Das sind die Zahlen für das Jahr 2010.
Durch die unsägliche Bundessteuergesetzgebung fehlen den Kommunen jährlich 200 Millionen € an Einnahmen. Dafür ist auch diese Landesregierung mit verantwortlich; denn sie hat diesen Gesetzen in Berlin zugestimmt.
Der Entzug von 340 Millionen € aus dem KFA ist hier auch schon angesprochen worden. Das darf auch nicht vergessen werden.
Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt, dass der Schutzschirm seine Entlastung schnell und wirksam entfalten muss. Man muss feststellen, dass es andere Bundesländer gab, die ihren klammen Kommunen schon früher geholfen haben, während der hessische Schutzschirm den Kommunen erst ab dem Jahr 2013 eine Entlastung bringen wird.
Aber, das geben wir zu: 2,8 Milliarden € zur Tilgung und 400 Millionen € Zinszuschüsse sind stattliche Summen. Allerdings muss man da auch sehen: Die Tilgung läuft über 30 Jahre. Zwar verschwinden die kommunalen Schulden aus den Haushalten, aber die Kommunen müssen im Laufe der 30 Jahre die verbleibenden Zinsen abzahlen. Ganz so schnell kommt die Entlastung auch nicht.
Wir wissen auch, dass sich die Kommunen eine schnellere Entlastung gewünscht hätten. Unter anderem waren zehn Jahre im Gespräch.
Der Schutzschirm beschränkt sich auf besonders notleidende Kommunen und Landkreise,
statt dass er mit der Gießkanne eingesetzt werden soll. – Herr Noll, das begrüßen wir. Er soll gerade gezielt eingesetzt werden, aber – –
Ganz so toll ist der Schutzschirm nun auch nicht.
Wir begrüßen es, dass die Kommunen diese Entscheidung selbst treffen können, dass eine Freiwilligkeit besteht und sie nicht gezwungen werden, unter diesen Schutzschirm zu gehen.
Wie bei allen Verträgen ist es so: Es kommt aufs Kleingedruckte an.
Denn den Kommunen wird ein harter Sparkurs abverlangt. Da ist dann schon die Frage zu stellen: Wie viel Spielraum haben sie dann noch?
Sie werden es intensiv nachrechnen, was dieser Schutzschirm ihnen konkret bringt. Kontroverse Diskussionen in den Landkreisen und Kommunen werden sich nicht vermeiden lassen. Es herrscht hier immer noch große Unsicherheit, welche Konsequenzen der Beitritt zum Schutzschirm bringt.
Wird jegliche kommunale Autonomie abgegeben, weil die Sparmaßnahmen eben keinen Raum mehr für kommunale Selbstverwaltung lassen? Was geschieht, wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht wird? Wie hart sehen Zwangsmaßnahmen aus? Wie könnte – im schlimmsten Fall – eine Rückabwicklung aussehen?
Zu all diesen Fragen, auf die noch keine befriedigenden Antworten gegeben worden sind, kommt der enge Zeitplan. Bis zum 29. Juni müssen die Kommunen ihre Bereitschaft zum Schutzschirm erklären. Im November/Dezember sollen dann die Vereinbarungen mit dem Land getroffen werden.
Wir sehen das Land hier in einer Bringschuld, die politisch Verantwortlichen tatkräftig in diesem Entscheidungsprozess zu unterstützen,
damit sie ihre Entscheidung für oder eben auch gegen den Schutzschirm treffen können.
Letztendlich kann diese Entscheidung nur vor Ort, in den Kommunen, getroffen werden. Die Kommunen kennen ihre individuellen Bedingungen und ihre Grenzen.
Es bleibt aber nicht viel Zeit, diese Entscheidung zu treffen. Im Sinne der Verantwortlichen vor Ort braucht es eine offene und transparente Informationspolitik.
Die Kommunalpolitiker müssen durch umfassende Entscheidungshilfen unterstützt werden. Das haben wir im Vorfeld immer gefordert.
Hierzu sind weitreichende Aktivitäten notwendig: von einer Liste möglicher Konsolidierungsmaßnahmen bis hin
zu Informationsveranstaltungen bei den politischen Vereinigungen der Parteien für die Kommunalpolitiker.
Aber es bleiben eben immer noch viele offene Fragen zu beantworten. Wie eng will z. B. die Landesregierung die Verträge auslegen? Oder was geschieht mit den Kommunen, bei denen es jetzt schon abzusehen ist, dass sie in der angestrebten Zeit den Haushaltsausgleich eben nicht erreichen können? Oder wie kann z. B. die Bürgerschaft mitgenommen werden?
Eine weitere Frage, die Sie auch noch nicht beantwortet haben – eine Nachrückerliste ist von Ihnen explizit nicht ausgeschlossen worden, aber dann bleibt doch die Frage zu beantworten –: Welche Kommunen werden in diese Nachrückerliste aufgenommen, und wann erfahren diese Kommunen, dass sie eventuell noch unter den Schutzschirm kommen können?
Sie sehen: Es gibt viele wichtige Fragen, auf die noch Antworten gegeben werden müssen. Deshalb freuen wir uns auf eine interessante, bestimmt manchmal auch harte Debatte im Gesetzgebungsverfahren.
Denn bei allen Auflagen für die Kommunen muss der Schutzschirm die kommunale Selbstverwaltung respektieren. Er ist ein kleiner Schritt, um die Kommunen zu entlasten. Er ändert aber nichts an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen.
Hier muss das Land seiner Verantwortung nachkommen, für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen.
Das Land darf sich aber nicht auf den Schutzschirm beschränken. Der KFA muss gerechter und aufgabenbezogen die Kommunen finanzieren.
Ja, ich komme zum Schluss. – Der demografische Wandel und die Sozialstruktur müssen in den Kommunen berücksichtigt werden. Wir brauchen auch endlich eine Verstetigung des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen, damit eine größere Berechenbarkeit der KFA-Leistungen möglich ist. Die Reform des KFA ist überfällig,
ebenso die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer. Der Schutzschirm ist ein Puzzleteil in einem großen Ganzen. Aber er muss die kommunale Selbstverwaltung respektieren, und er darf nicht das letzte Teil bleiben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass es dieser Landesregierung gelungen ist, mit den Kommunalen Spitzenverbänden zu einer Einigung in der Rahmenvereinbarung zum Rettungsschirm zu kommen. So etwas ist nicht selbstverständlich. Es gibt genügend Konflikte zwischen Land, Kommunen und Landkreisen, wo es im Miteinander richtig knirscht. Dort wird infrage gestellt, ob das Land seiner Aufgabe, wie in der Hessischen Verfassung verankert, nachkommt und für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und Landkreise sorgt.
Ich erinnere nur noch einmal an die Klage der Landkreise, die jetzt vor dem Staatsgerichtshof anhängig ist, oder an die Klage der 39 Kommunen wegen der Mindestverordnung zur Personalausstattung in den Kitas.
Dass im Geschäftsbericht des Landes für das Jahr 2010 im Rückstellungsspiegel eine Zuführung von 280 Millio nen € zu finden ist, macht schon stutzig. Das Land geht also davon aus, im Falle einer Niederlage eventuell 280 Millionen € an die Kommunen zahlen zu müssen. Ich finde, das ist schon eine interessante Aussage. Daher relativiert sich der Rettungsschirm natürlich auch.
Nach den zusätzlichen Belastungen, die die Kommunen durch das Handeln dieser Landesregierung erfahren muss ten, ist der geplante Schutzschirm für die Kommunen nur ein kleiner Ausgleich. Nach dem unsystematischen Entzug von mehr als 340 Millionen € aus dem KFA stehen jährlich gerade einmal 100 Millionen € zur Tilgung zur Entlastung der kommunalen Schulden über 30 Jahre zur Verfügung. Das relativiert die hier hoch gepriesenen 3 Milliarden € schon erheblich.
Auch dass die Kommunen erst im Jahr 2013 eine Entlastung in ihren Haushalten spüren werden, ist sehr bedauerlich. So müssen sie sich noch aus für sie finanziell schwe
ren Zeiten ein Jahr hinüberretten. Hier hätten wir uns eine schnellere und wirksamere Hilfe für die Kommunen gewünscht.
Ob der Schutzschirm wirklich ein attraktives Angebot für die Kommunen ist, wird sich erst noch zeigen. Es ist ein zwiespältiges Angebot für die Kommunen, weil sie sich strengsten Sparauflagen unterwerfen müssen, um die 46 % Entschuldung zu erhalten. Für die Kreise gibt es sogar nur 34 %.
Schauen Sie sich nur einmal die Verschuldung der Kreise an. Aber danke schön. Wie titelte eine Zeitung so schön: Schuldenfrei, aber tot. – Mittlerweile ist es so, dass sich Bürgermeister und auch Landräte zumindest in der Presse skeptisch äußern, weil sie zu Recht die Gefahr sehen, jegliche kommunale Autonomie zu verlieren.
Großes Jubelgeschrei sieht also anders aus. Hier ist eher eine kritische Zurückhaltung zu vermelden.
Es ist richtig, das Problem der hohen Kassenkredite anzugehen. Während im Jahr 2009 noch 246 Kommunen da rauf verzichten konnten, Kassenkredite aufzunehmen, waren es im Jahr 2010 nur noch 173 Kommunen. Das zeigt sich auch in den absoluten Zahlen: Hier gibt es eine Steigerung von 3,7 Milliarden € in 2009 auf 5 Milliarden € in 2010 zu verzeichnen.
Die mit den Kommunalen Spitzenverbänden geschlossene Rahmenvereinbarung sieht mehrere Stufen der Auflagen vor. Es ist keine leichte Entscheidung, die die Gemeindevertretungen hier zu fällen haben. Ich hoffe sehr, dass die Diskussionen dort sachlich-konstruktiv geführt werden und nicht in einem ideologischen Schlagabtausch enden. Deshalb sehen wir auch das Land in der Verantwortung, die Verantwortlichen vor Ort tatkräftig zu unterstützen und die Gespräche nicht nur mit Bürgermeistern und Gemeindevertretern, sondern auch mit wichtigen Akteuren in den Kommunen zu suchen, damit für die Aufnahme des Angebots auch in der Bevölkerung eine breite Zustimmung gewonnen werden kann.
So ist es auch zu begrüßen, dass es Zinshilfen geben wird. Dies erhöht auch für die Kommunen die Flexibilität. Aber durch die lange Laufzeit von 30 Jahren werden die Kommunen in den Ergebnishaushalten in den ersten Jahren nur eine geringe Entlastung durch reduzierte Zinsbelastungen erfahren. Sie werden sicher ganz genau nachrechnen, inwieweit sich der Rettungsschirm für sie lohnt und ob die Auflagen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Deshalb ist die Forderung der Landesregierung nach einer großen Mehrheit, am besten einer Zweidrittelmehrheit, durchaus nachzuvollziehen.
Die in den Kommunen individuell abzuschließenden Vereinbarungen und Auflagen müssen über einen langen Zeit raum in der Gemeindevertretung gehalten und auch erfüllt werden. Bis zum Jahr 2020 soll immerhin ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Auf meine Nachfrage im Ausschuss, wie die einzelnen Stufen der Konsolidierungsauflagen aussehen würden, erschien mir die Antwort, dass dies in die Selbstverantwortung der Kommunen gelegt werden solle, doch zu dünn.
Natürlich wird die Begleitung vom Landesrechnungshof in Kooperation mit der Uni Hamburg eine Unterstützung für die Kommunen sein; auch die Benchmarks können helfen. Aber die Unsicherheit und die Ungewissheit darüber, wie die Auflagen konkret aussehen, schüren die Angst bei den Menschen vor Ort – und dem muss abgeholfen werden.
Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Kommunen an einer chronischen Unterfinanzierung leiden und ihr strukturelles Defizit auch mit diesem Rettungsschirm nicht ausgleichen können. Es gehört zur Wahrheit, dass es Kommunen gibt, die die Bedingungen nicht erfüllen können. Auch die erfreulicherweise wieder steigenden Steuereinnahmen reichen in etlichen Kommunen eben nicht aus, um die immer noch drückenden Soziallasten und andere Steuerausfälle, die von der Bundesebene zu kompensieren sind, auszugleichen.
Mittlerweile haben die hessischen Kommunen mit ihrem Gesamtdefizit einen Anteil von 34 % am gesamtdeutschen Finanzierungsdefizit aller Kommunen. Bei den Landkreisen sieht es sogar noch schlimmer aus. Deshalb muss diese Landesregierung auch durch aktives Handeln auf Bundesebene die Einnahmeseite der Kommunen verbessern und z. B. auch für die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer sorgen, anstatt für weitere Steueränderungen den Kommunen dringend notwendige Finanzmittel zu entziehen.