Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Ich stelle die Beschlussfähigkeit unseres Hauses fest.
Zur Tagesordnung. Noch offen sind die Punkte 6, 14, 16 bis 25, 27 bis 31, 34, 35, 37 bis 39, 41, 42, 50 bis 54, 65, 67, 69 und 71.
Noch eingegangen ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend EU-Datenschutzreform: hohen Datenschutzstandard sicherstellen, Drucks. 18/5374. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 73. Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion.
Weiterhin eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend hessenweite Abschaffung der Gebühren im Bereich der frühkindlichen Betreuung, Drucks. 18/5375. – Die Dringlichkeit wird ebenfalls bejaht. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 74. Es widerspricht niemand, dass wir ihn mit den Tagesordnungspunkten 35 und 65 heute Mittag aufrufen.
Wir beginnen mit den Anträgen für die Aktuelle Stunde, den Tagesordnungspunkten 50 bis 54. Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion, bei gemeinsamem Aufruf verlängert sich die Redezeit um die Hälfte. Die Tagesordnungspunkte 50 und 52 werden gemeinsam aufgerufen, d. h. sie haben eine Redezeit von 7,5 Minuten. Nach den Tagesordnungspunkten 50 und 52 wird Tagesordnungspunkt 27, ein Dringlicher Antrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und an den Umweltausschuss überwiesen. Die Tagesordnungspunkte 67 und 69, zwei Dringliche Entschließungsanträge zum Thema, werden ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt. Nach Tagesordnungspunkt 53 wird Tagesordnungspunkt 24, ein Dringlicher Antrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und an den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Nach Tagesordnungspunkt 54 wird Tagesordnungspunkt 37, ein Dringlicher Entschließungsantrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt.
Es fehlen heute entschuldigt: Herr Staatsminister Axel Wintermeyer, ganztägig, Frau Staatsministerin Dorothea Henzler, ganztägig, Frau Staatsministerin Eva KühneHörmann, ganztägig, Herr Staatsminister Dieter Posch, ab 14 Uhr, Abg. Judith Pauly-Bender, Abg. Brigitte Hofmeyer, Abg. Lisa Gnadl, Abg. Marjana Schott und Abg. Kurt Wiegel. Gibt es noch weitere Entschuldigungen? – Das ist nicht der Fall.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessische Landesregierung zaudert weiter – be- absichtigte Kürzung der Solarförderung bremst Auf- schwung und Arbeitsplätze in Nordhessen) – Drucks. 18/5356 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessens Solarwirtschaft ist durch den „faulen Kompromiss“ der Bundesregierung gefährdet) – Drucks. 18/5358 –
Die Redezeit beträgt für beide Aktuellen Stunden 7,5 Minuten. Es beginnt der Kollege Gremmels, SPD-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Pünktlich zur Diskussion um die Fotovoltaik und die erneuerbaren Energien scheint die Sonne. Wenn das nicht ein Zeichen von oben ist, dann weiß ich es auch nicht.
Am Montag haben mehr als 11.000 Menschen in Berlin eindrucksvoll für die Solarenergie demonstriert, viele davon aus Hessen. Die Menschen haben Angst, dass die beschlossene Energiewende ins Stocken gerät, aber sie haben auch Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Beide Befürchtungen sind berechtigt, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Gremmels, es wird darum gebeten, dass Sie etwas leiser sprechen. Der Kollege Peuser und andere haben empfindliche Ohren. Bitte etwas leiser.
Ich bitte auch um etwas Ruhe im Plenarsaal. Ich bitte darum, Platz zu nehmen, meine Damen und Herren. Der Kollege Gremmels wird so sprechen, dass wir ihn hören, und zwar gerne hören, zumindest von der Lautstärke her. – Bitte sehr.
Morgen wollen die Regierungsfraktionen die übereilte und überzogene Kürzung der Energieeinspeisevergütung in den Bundestag einbringen. Was für ein Symbol! Ausgerechnet zwei Tage vor dem ersten Jahrestag der Atomka tastrophe von Fukushima und dem damit verbundenen endgültigen Aus der Atomkraft in Deutschland wird die Axt an eines der wichtigsten Instrumente der dezentralen Energiewende angelegt. Was für ein Symbol!
Es ist paradox, dass die Fotovoltaik gerade in dem Moment massiv eingeschränkt werden soll, in dem die Einspeisevergütung für neue Anlagen ohnehin deutlich sinkt und die Förderung der Solarenergie kaum noch nennenswerte Effekte auf den Strompreis hat. „Die Zeit der Übersubvention ist längst vorbei“, so ein Analyst der Landesbank Baden-Württemberg.
Die Senkung der Einspeisevergütung ist auch keinerlei Erfindung von CDU und FDP, sie war von Anfang an wesentlicher Bestandteil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Sie hat sich bewährt. Fakt ist, dass die Einspeisevergütung für Strom aus Fotovoltaikanlagen in den letzten drei
Jahren mehr als halbiert wurde. Ich sage aber auch: Wir verschließen uns nicht gegen weitere Kürzungen, aber sie müssen moderat ausfallen und für die Vielzahl der kleinen und mittelständischen Investoren vorhersehbar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das fordern übrigens nicht nur wir. Ein Beispiel aus der „FAZ“ vom 6. März dieses Jahres: Neu-Anspach und Usingen betreiben seit Monaten ein Bebauungsplanverfahren für eine Fotovoltaik-Freiflächenanlage auf dem Gelände der Erdfunkstelle. Usingens CDU-Bürgermeister sagt – Zitat –: Die Einschränkung der Solarförderung „hat uns kalt erwischt“. Bürgermeister Hoffmann aus Neu-Anspach, auch CDU, ist – Zitat – „stinksauer“ auf diese Bundesregierung. Man könne die energiepolitischen Ziele zwar neu justieren, „aber nicht mit einem Monat Karenzzeit“. „Wir haben schon einen fünfstelligen Betrag versenkt“, so der CDU-Bürgermeister. – Recht haben die beiden Herren, meine Damen und Herren.
Die Verunsicherung ist groß. Allein die Ankündigung von Rösler und Röttgen vor zwei Wochen, die Einspeisevergütung zum 9. März drastisch zu reduzieren, hat zu Stornierungen bei den Handwerksbetrieben geführt. Ein Solarinstallateur aus meinem Wahlkreis hat daraufhin 200 Stornierungen erhalten.
Jetzt die Kürzung um drei Wochen auf den 1. April zu verschieben, scheint eine nette Geste zu sein. Doch das Vertrauen und die Aufträge sind weg.
Frau Puttrich, ganz nebenbei gefährden Sie damit wichtige Ergebnisse des Hessischen Energiegipfels, für den Sie sich doch sonst so gerne feiern lassen.
Im Konsens haben wir im November beschlossen, die Energieversorgung „so dezentral wie möglich“ umzubauen. Die Fotovoltaik ist die dezentrale Technologie schlechthin. Wir haben vereinbart, ein FV-Freiflächenkataster für die Streifen rechts und links der Autobahnen anzulegen und die Hessische Bauordnung so zu ändern, dass die Statik großer Fabrik- oder Industrieanlagen für Fotovoltaik geeignet ist.
Kommt die Reform wie vorgesehen, rechnen sich solche Anlagen kaum noch, und unsere diesbezüglichen Beschlüsse vom Energiegipfel sind hinfällig. Das festgelegte Ausbauziel von 6 TWh/a ist dann nicht mehr zu erreichen. Dafür tragen dann Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren.
Frau Puttrich, wenn es Ihnen ernst ist mit den Beschlüssen des Energiegipfels, dann haben Sie die Pflicht, diese Konsensergebnisse offensiv gegenüber Ihren Parteifreunden im Bund zu verteidigen. Wenn es CDU und FDP wirklich darum gehen sollte, den Strompreis für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar zu halten, dann frage ich Sie: Warum haben Sie die Befreiung der Großindustrie von der EEG-Umlage sogar noch ausgeweitet?
Warum haben Sie die Großindustrie von den Netzentgelten befreit? Das ging alles zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Geben Sie doch zu: Es geht Ihnen gar nicht um die Kosten der Fotovoltaik. Der wahre Grund ist, dass die Fotovoltaik zu erfolgreich ist und den großen vier Energiekonzernen das Geschäft kaputt macht.
Geld im Stromhandel wird mittags verdient. Dann ist der Strombedarf in Deutschland am höchsten. Da könnten RWE, E.ON und Co. ihre Spitzenlastkraftwerke anfahren und Geld verdienen. Nun sichert die Fotovoltaik die Mittagsspitze weitestgehend ab, und das lukrative Geschäftsmodell für die Großen läuft Gefahr, kaputtzugehen. Das ist der wahre Grund.
Bei Ihrem Kampf gegen die Fotovoltaik überziehen Sie es heftig. Das beste Beispiel war Herr Kollege Noll von der FDP gestern in den „Kinzigtal Nachrichten“. Wie groß muss der Frust über das nahe Ende der FDP sein, dass Sie, Herr Kollege Noll, Ihre guten Manieren vergessen? Im Zusammenhang mit der Einspeisevergütung spricht er – ich zitiere jetzt – von einem „asozialen Verfahren“, später von einer „asozialen Zwangsabgabe“ und zum Schluss von „asozialer Lastenverteilung“.
nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass sich ohne dieses von Rot-Grün 2001 geschaffene EEG-Umlageverfahren heute kaum ein Windrad drehen würde, kaum eine Biogasanlage laufen würde und wir heute nicht über 370.000 Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien hätten.
Ob es Ihnen gefällt oder nicht, es ist das erfolgreichste Wirtschafts- und Konjunkturprogramm der Bundesrepublik, und es ist von Rot-Grün gemacht worden.
Es erfährt in der Bevölkerung auch eine sehr hohe Akzeptanz. Eine breite Mehrheit der Menschen ist bereit, 3,6 Cent/kWh für die Energiewende zu zahlen.
Während beispielsweise die Ministerpräsidenten Lieberknecht, Seehofer und Haseloff in Berlin intervenieren, schweigt Ministerpräsident Bouffier und folgt der Debatte heute auch nicht, obwohl allein in Nordhessen 14.000 Arbeitsplätze an den erneuerbaren Energien hängen, ein Großteil davon in der Solarbranche, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Forschung, Entwicklung, Produktion bis hin zur Installation. Es ist nicht nur eine Debatte um einen großen Wechselrichterhersteller, wie es Herr Posch gestern sehr verkürzt dargestellt hat.