Protokoll der Sitzung vom 05.09.2013

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung und begrüße alle sehr herzlich. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung darf ich Ihnen mitteilen, dass noch folgende Punkte offen sind: 8 bis 18, 20, 22, 24, 25, 29, 30, 34 bis 38, 40, 56 und 58.

Noch eingegangen ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen bleibt das Land des Mittelstandes, Drucks. 18/7720. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 59 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, nach Tagesordnungspunkt 38, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden.

Außerdem eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend kleinliche Parteitaktik statt europäischer Verständigung: Rheinland-Pfalz beschädigt das deutsch-polnische Verhältnis, Drucks. 18/7721. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 60. Die antragstellenden Fraktionen wünschen, dass dieser Antrag heute Abend am Ende der Plenarsitzung ohne Aussprache aufgerufen wird und direkt über ihn abgestimmt wird. – Ich stelle Einvernehmen darüber fest.

Wir tagen heute bis 16 Uhr ohne Mittagspause. Wir beginnen mit den Anträgen für eine Aktuelle Stunde. Nach der Aktuellen Stunde geht es mit Tagesordnungspunkt 24 weiter.

Entschuldigt fehlen heute Frau Staatsministerin Lucia Puttrich und Herr Abg. Reinhard Kahl. Sonst sind alle an Deck.

Meine Damen und Herren, heute feiert ein Mitglied dieses Hauses einen runden Geburtstag. Der Kollege Aloys Lenz feiert heute seinen 70. Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Lieber Aloys, du bist ein Urgestein, ein Fossil. Wir gratulieren ganz herzlich. Glück auf und Gottes Segen für deine Zukunft.

(Günter Rudolph (SPD): „Fossil“, das war aber lieb gemeint, oder? – Vizepräsident Frank Lortz überreicht Abg. Aloys Lenz einen Blumenstrauß.)

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Kassel-Calden, Blitzer- Warnschilder, Pkw-Maut: Über schwarz-gelbe Ver- kehrspolitik in Hessen lacht ganz Deutschland) – Drucks. 18/7700 –

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tarek Al-Wazir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mai hat Deutschlands beliebtester Moderator und Showmaster in der Sendung „Wer wird Millionär“ schon bei der 1.000-€-Frage – das betrifft Sachen, die eigentlich jeder wissen muss – folgende Frage gestellt: „Was brachte die in der Nähe von Kassel gelegene 7.000-Einwohner-Gemeinde Calden im April in die Schlagzeilen?“ Man konnte vier Antworten geben: „überfüllte Bushaltestelle“, „gleisfreier Bahnhof“, „eckiger Kreisverkehr“ oder „leerer Flughafen“. Die Kandidatin wusste, dass es sich um einen leeren Flughafen handelt. Günther Jauch hat dazu gesagt: „Der wurde nicht abgeschafft, sondern eröffnet – obwohl ihn keine Sau braucht.“

Das wäre nicht meine Wortwahl gewesen. Ich stelle aber schlicht fest – und das ist heute in der „HNA“ noch einmal gemeldet worden –: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat 271 Millionen € ausgegeben für einen Flughafen, von dem aus pro Woche zwei Verkehrsflugzeuge starten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber lacht ganz Deutschland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist aber überhaupt nicht lustig, weil das nämlich bedeutet, dass wir über 270 Millionen € ausgegeben haben, die sehr viel sinnvoller in moderne Infrastruktur hätten investiert werden können, und dass wir jedes Jahr Millionen und neue Millionen zur Defizitdeckung in diesen Flughafen hineinstecken müssen. Die Landesregierung plante mit 3 Millionen €. Jetzt hören wir, dass für dieses Jahr ein Defizit von mehr als 6 Millionen € avisiert ist. Wir werfen immer neues Geld dem schon verschwendeten Geld hinterher. Das ist fürchterlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ministerpräsident und der Finanzminister sagen, es gebe eine positive Bilanz der Steuerzahlung. Da frage ich Sie: Woher soll denn eigentlich die Steuerzahlung kommen, wenn zwei Flugzeuge pro Woche dort landen oder starten? All diejenigen, die dort Steuern zahlen, waren schon vorher am alten Verkehrslandeplatz angesiedelt.

Hätten Sie vor zwölf Jahren das gemacht, was wir vorgeschlagen haben, nämlich den alten Verkehrslandeplatz zu sanieren, dann hätten wir jetzt einen funktionierenden Verkehrslandeplatz. Dann hätten wir über 200 Millionen € gespart und würden nicht Hessen zum Gespött der Leute machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Wirtschafts- und Verkehrsminister und Minister für laute Ankündigungen, Florian Rentsch, hat in der Sommerpause angeblich eine dolle Nummer entdeckt. Er wollte nämlich mit Schildern vor Radarfallen warnen. Deshalb hat er angeordnet, dass derartige Schilder überall aufgestellt werden müssen.

Zur Idee sage ich nur: Wenn ich vorgeschlagen hätte, jedem Fahrkartenkontrolleur im Bus und in der Straßenbahn müsste ein großes Schild um den Hals gehängt werden, auf dem „Kontrolleur“ steht, und die Busfahrer müssten eine Station zuvor sagen, dass gleich ein Kontrolleur einsteigt, dann würden Sie sagen, dass die GRÜNEN spinnen. Bei

Herrn Rentsch ist das aber natürlich eine dolle Idee. Alles in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das eigentliche Problem ist, dass er sich nicht um die wichtigen Fragen der Verkehrspolitik kümmert. Auch das ist ein Problem für die Verkehrspolitik des Landes Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anfang dieser Woche war in der „FAZ“ zu lesen:

Lediglich eine hessische Kommune ist nach Informationen dieser Zeitung bisher der Anordnung des Verkehrsministers Florian Rentsch (FDP) gefolgt und hat vor stationären Radarfallen Hinweisschilder auf diese Anlagen aufstellen lassen.

Was macht der Minister nun?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Er stellt sie selbst auf!)

Hierzu heißt es weiter in der „FAZ“:

Er hat einfach die Frist zur Aufstellung der Radarwarnschilder bis Ende September verlängert. Dann sind die Landtagswahlen über die Bühne gegangen – womit dann der tiefere Grund von Rentschs spektakulärer Aktion, nämlich vor dem Urnengang ein öffentlichkeitswirksames Spektakel zu inszenieren, entfallen sein wird.

Im Übrigen hat er das nicht selbst verkündet, sondern er hat das seinen Staatssekretär verkünden lassen. Das macht man so, wenn man schlechte Nachrichten zu verkünden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das eigentliche Problem ist aber: Wann hat es jemals in der Geschichte der hessischen Landespolitik einen Minister der Hessischen Landesregierung gegeben, den auf kommunaler Ebene niemand ernst nimmt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Samstag erklärte der Ministerpräsident, er sei auch für eine Pkw-Maut. Am Sonntag machte die Bundeskanzlerin ihn gemeinsam mit Horst Seehofer zum kleinen Schuljungen und stellte ihn in die Ecke.

Herr Rentsch sagte, er finde diese Vorschläge humoristisch. Wann hat es jemals eine Regierung gegeben, in der der Wirtschaftsminister sagt, er halte den Ministerpräsidenten eigentlich für eine Witzfigur, und der wehrt sich nicht dagegen, sondern sagt am nächsten Tag: „Auch ich will eigentlich keine Pkw-Maut“? Das sagt er, obwohl es im Programm seiner Partei steht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und der FDP, in Hessen verrottet die Infrastruktur.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Das ist der tiefere Grund für die Idee, eine Pkw-Maut einzuführen: Sie haben kein Geld.

Herr Kollege Al-Wazir, Ihre Redezeit verrottet. Sie müssen zum Schluss kommen.

(Heiterkeit)

Wir bräuchten endlich Investitionen in die Sanierung von Neubauten, wir bräuchten endlich Investitionen in die Schieneninfrastruktur, wir bräuchten endlich Politikerinnen und Politiker in der Hessischen Landesregierung, die sich um die wichtigen Fragen der Verkehrspolitik kümmern und sich nicht zur Witzfigur und zum Gespött der Leute machen.

(Beifall dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Herr Kollege Müller, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Al-Wazir, in Anbetracht der verteilten Wurst muss ich feststellen: Das war wirklich eine fleischlose Rede.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Von Ihnen hätte ich ein ganzes Eck mehr erwartet. Ich dachte, dass Sie heute noch einmal den Einstieg schaffen und ein bisschen Stimmung hineinbringen würden. Stattdessen versuchen Sie, drei Themen hochzuziehen, die seit Wochen und Monaten diskutiert werden, die vielleicht in Sachen Autosuggestion etwas helfen könnten, aber nicht, wenn es darum geht, die Menschen zu überzeugen.