Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt bin ich gespannt! Zur Sache!)

Während Sie ein Hohelied auf die Staatsbeteiligung – – Zur Sache. Ich komme gleich noch einmal dazu, was Sie zur Sache gesagt haben.

(Holger Bellino (CDU): Gar nichts!)

Denn wenn ich sage, dass die Hoffnung besteht, einen gemeinsamen Antrag zu machen, dann nehme ich nur auf Ihre ersten zwei Minuten und auf die letzte Minute Bezug.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Alles, was Sie dazwischen gesagt haben, hat keinen Bezug zu Ihrem Antrag und zu dem Ziel der Veranstaltung gehabt, etwas zur Unterstützung in Richtung der Bundesregierung und in Richtung des Landes Niedersachsen zu tun

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagt der Richtige!)

und unsere Landesregierung aufzufordern, das zu unterstützen. Dazu war kein einziger Satz zu finden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Ich habe es genau gestoppt: Zwei Minuten lang haben Sie zur Sache geredet. Dann haben Sie Rundumschläge verteilt. Herr Schäfer-Gümbel, das kann ich auch verstehen. Dass Sie gerne in Zukunftseuphorien schwelgen, mag sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Ich fordere Sie auf, die Realität wahrzunehmen. Ich sehe in diesem Landtag eine andere Realität. Ich sehe 20 liberale Kolleginnen und Kollegen und eine CDU, und nicht das, was Sie meinen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Kollegin?)

Ja, ist Frau Henzler keine Kollegin?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Eine! Singular!)

Ich möchte ausdrücklich unterstützen, was der Vertreter der GRÜNEN, Herr Kaufmann, gesagt hat. Das fällt mir, ehrlich gesagt, nicht schwer. In manchen Fällen fällt es mir schwer, in anderen nicht. Den letzten Satz zu Schlecker und andere Bemerkungen lasse ich außen vor.

Was er mit Sicherheit richtig dargestellt hat, ist der Zusammenhang mit dem Thema, was wir eigentlich wollen. Wir wollen doch keine Konfrontation mit der EU. Wir wollen im Hessischen Landtag auch nicht beschließen, was rechtens ist oder nicht. Vielmehr wollen wir die Argumentation und die Tatsachen für diese Argumentation stärken.

Ich gehe zusätzlich noch auf einige Sachpunkte ein. Damit wir alle wissen, worüber wir eigentlich reden, darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich aus dem VW-Gesetz zitieren, und zwar § 4 Abs. 2:

Die Errichtung und die Verlegung von Produktionsstätten bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Beschluss bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Aufsichtsrats.

Es ist schon zitiert worden. Das ist alles, was dort noch drinsteht. In § 4 Abs. 3 heißt es:

Beschlüsse der Hauptversammlung, für die nach dem Aktiengesetz eine Mehrheit erforderlich ist, die mindestens drei Viertel

die berühmten 75 % –

des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst, bedürfen einer Mehrheit von mehr

als vier Fünftel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der Gesellschaft.

Das kann man so herum oder so herum sehen. Mit anderen Worten: Diese 20,01 bzw. 20 % sind natürlich eine Sperrminorität, wie sie laut Aktiengesetz vorgesehen ist. Zu den Tatsachen und zur Argumentation sollten wir uns aber auch in Erinnerung rufen – es ist teilweise schon gesagt worden –, dass es im Aktiengesetz – damit sollten wir auch gegenüber der EU argumentieren – jede Menge anderer Konstruktionen geben kann und auch gibt, die zu Tausenden in anderen mittelständischen AGs wahrgenommen werden.

Ich erwähne nur zwei wesentliche Punkte. Das eine ist z. B. die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien, mit anderen Worten eine Entkopplung von Kapitalbeteiligung und Stimmrechten in der Hauptversammlung. Darüber hinaus gibt es das Instrument der Interessenpoolbildung von Aktionären, das auch vielfältig genutzt wird. Dort vereinbaren bestimmte Aktionärsgruppen schlicht und ergreifend, dass man im Falle bestimmter Entscheidungen nur gemeinsam stimmt und nicht getrennt, usw.

Zur Historie möchte ich anfügen: Im Jahre 2007 sind, wie schon erwähnt, Änderungen im VW-Gesetz vorgenommen worden. Die Position, die sowohl die Bundesregierung wie auch Wirtschaftsminister Rösler und andere vertreten, ist diejenige, dass zwei wesentliche Knackpunkte – nämlich die Festlegung eines Höchststimmrechtes und auf der anderen Seite die Regierung per Gesetz, je zwei Aufsichtsratsmitglieder des Landes Niedersachsen und des Bundes entsenden zu können – nicht mehr existieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir reden letztendlich – das sollte auch die Argumentation sein – über das Thema der Sperrminorität. Wir reden über das Thema, ob das rechtens ist, ja oder nein. Ich appelliere noch einmal an Sie, auch im Sinne einer möglichen gemeinsamen Beschlussfassung, dass wir uns hier nicht in ideologischen Grabenkämpfen verlieren sollten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Lassen Sie uns das Thema sachlich angehen. Sachlich heißt, dass wir uns über diesen letzten verbliebenen Punkt im VW-Gesetz – wenn Sie genau hineinschauen, finden Sie nicht viel mehr als diesen einen Punkt – einigen und uns auf der anderen Seite, ohne das jetzt alles wiederholen zu wollen, auch mit Blick auf Arbeitsplätze, Zulieferer usw. zumindest in der breiten Mehrheit dieses Hauses über die Wichtigkeit für den Standort Hessen einig sind.

Es geht heute nicht darum, kernige Beschlüsse zu fassen und festzustellen, dass dies rechtens ist. Ich weiß, dass auch die SPD auf dem Boden des Rechtsstaats steht. Deswegen wundert mich eine Formulierung, dass wir im Hessischen Landtag per Beschluss – auch das ist ein Knackpunkt – festlegen sollen, was rechtens ist. Wir gehen davon aus, dass so etwas noch immer vor Gerichten entschieden wird, in diesem konkreten Fall vor dem EuGH, und nicht per Beschluss im Hessischen Landtag.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist einer der Knackpunkte, in dem wir uns wesentlich voneinander unterscheiden.

Das ist der Grund, warum CDU und FDP gemeinsam diesen Dringlichen Antrag eingebracht haben, der sich in wesentlichen Punkten von dem der SPD unterscheidet, bei dem wir durchaus dazu bereit sind, über den einen oder

anderen Punkt mit allen Beteiligten zu reden, immer noch mit dem Ziel – dies ist wohl nach wie vor ein gemeinsames Ziel –, dass es um das Wohlergehen eines Standortes des VW-Konzerns geht. Herr Kaufmann hat noch einmal herausgearbeitet, dass der Nabel des VW-Konzerns wegen seiner weltweiten Aufstellung nicht allein in Niedersachsen und in Hessen liegt. Das Gesetz hat bislang nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Es wird deswegen auch in Zukunft nicht schaden.

Nur sollten wir den SPD-Antrag – Sie haben es uns vorgeworfen, dann werfe ich es Ihnen genauso vor, nur dass man es in diesem Fall nachweisen kann – von allen ideologischen Verherrlichungen der Staatsbeteiligung entrümpeln. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was wir hoffentlich alle gemeinsam wollen: Eine Stärkung der Bundesregierung, eine Stärkung der Niedersächsischen Landesregierung und damit auch die Unterstützung unserer erfolgreichen Hessischen Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist der Hintergrund, warum diese Koalition einen zusätzlichen Antrag eingebracht hat. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler, DIE LINKE.

(Florian Rentsch (FDP): Sie fahren doch einen Fiat, Frau Wissler!)

Einen Seat. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht heute das VW-Gesetz. Aber ich finde, gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen und der Spekulationen über Werksschließungen und Personalabbau bei Opel zeigt sich, wie notwendig ein staatlicher Einfluss auf Automobilhersteller grundsätzlich ist und sein kann.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP: Ah!)

Es wäre eine ganz andere Situation, wenn das Land Hessen Anteile und Mitspracherecht bei Opel hätte; denn dann könnte das Land direkt Einfluss nehmen und die Diskussionen zu Opel hier im Landtag wären sehr viel weniger abstrakt und spekulativ. Vor allem aber wären die Entscheidungen beeinflussbar; das wäre ein großer Vorteil. Wir werden in diesem Hause wieder über Opel zu reden haben, das ist sicher. Deswegen möchte ich zu Beginn ein paar Bemerkungen machen.

Einem „Spiegel“-Bericht zufolge will der US-Mutterkonzern General Motors seine Kapazitäten in Westeuropa herunterfahren und verstärkt in Niedriglohnländern produzieren, um dadurch profitabler wirtschaften zu können. Den europäischen Markt will GM zunehmend mit Einfuhren bedienen, bis 2016 sollen zusätzlich 300.000 Fahrzeuge aus Werken in Mexiko, Korea und China nach Europa exportiert werden.

Zwar hat der Opel-Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke Spekulationen über unmittelbar bevorstehende Werksschließungen in Europa zurückgewiesen, aber er hat auch angekündigt, dass das Unternehmen wirtschaftlicher or

ganisiert werden müsse. Darüber soll in der heutigen Aufsichtsratssitzung beraten werden. Klar sei aber, so Stracke, dass man „jeden Stein umdrehe“ und „nichts tabu“ sei. Auch Einschnitte bei den Mitarbeitern, wie Lohnkürzungen oder eine Streichung von Zulagen, sind demnach nicht auszuschließen.

Meine Damen und Herren, ich will nur darauf hinweisen: Wenn etwas Ähnliches bei VW anstünde, könnte das Land Niedersachsen dank des VW-Gesetzes eingreifen, um z. B. Standortverlagerungen und Arbeitsplatzverlagerungen in Niedriglohnländer zu verhindern.

Das VW-Gesetz existiert seit über 50 Jahren und sichert dem Land Niedersachsen eine Sperrminorität und auch den Arbeitnehmern eine starke Position, weil ohne Zustimmung kein Werk geschlossen oder ins Ausland verlagert werden kann.

Volkswagen ist eine staatliche Gründung. Nach dem Krieg war es die britische Militärverwaltung, die das Unternehmen an den Bund, das Land Niedersachsen und die Beschäftigten übergab. Gerade diese Idee der Mischwirtschaft, also einer starken Rolle für den Staat und für Unternehmensformen, die nicht allein auf Privatbesitz und Gewinnstreben aufbauen, fand ihren Ausdruck nicht nur im Ahlener Programm der CDU – ich würde Ihnen empfehlen, sich das noch einmal zu Gemüte zu führen –, sondern es prägte die gesamte Wirtschaftspolitik des sogenannten rheinischen Kapitalismus.

Ich will darauf hinweisen – Herr Kollege Kaufmann hat es bereits gesagt –, der Volkswagenkonzern ist heute der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt. Trotz aller Turbulenzen im Zuge der Wirtschaftskrise ist das Unternehmen durch Zukäufe und Verkaufssteigerungen gewachsen. Ich will auch darauf hinweisen, dass das Lohnniveau und die Arbeitszeiten bei Volkswagen zumindest für die Kernbelegschaft weiterhin vergleichsweise gut sind.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP)