Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund – Meilenstein für hessische Kommunen – Drucks. 18/5335 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Als erste Wortmeldung liegt mir die vom Kollegen Milde, CDU-Fraktion, vor. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute für diesen Setzpunkt entschieden, weil wir der Meinung sind, dass die Entlastung der hessischen Kommunen durch die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter durch den Bund in der öffentlichen Wahrnehmung bislang wesentlich zu kurz gekommen ist. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen: Das ist eine historische Entscheidung für die Kommunen. Das können wir nur begrüßen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Kollege Schmitt, ich werde gleich auf Sie eingehen. Zunächst aber will ich sagen, damit das jeder hier im Raum versteht: Ab 2012 wird bei den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung stufenweise eine Entlastung herbeigeführt. Ab 2015 rechnet man dabei mit einer Entlastung von 440 Millionen € für die hessischen Kommunen pro Jahr. Meine Damen und Herren, da kann man wirklich von einer historischen Entscheidung reden.

Aber das Ganze hat einen Hintergrund. Kollege Schmitt, darauf will ich schon zu Anfang hinweisen. Die Grundsicherung im Alter ist von Rot-Grün in Berlin eingeführt worden – und zwar ohne dass den Kommunen dafür im Gegenzug auch nur ein Cent als Entlastung gegeben wurde. Meine Damen und Herren, von Konnexität waren Sie damals sehr weit weg.

Ich will es einmal so formulieren: Sie haben sich hier als Zechpreller betätigt und laufen jetzt im Lande herum wie ein Brandstifter, der sich als Feuerwehrmann aufspielt.

(Widerspruch bei der SPD – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Vorsicht!)

Meine Damen und Herren, in diesem Bereich haben Sie uns wirklich nichts vorzuwerfen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ein ehrlicher Umgang mit den hessischen Kommunen durch diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen zeigt sich schon daran,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

dass Hessen zwischen 1999 und 2003 das erste Bundesland war, das die Konnexität – d. h. die Unterstützung der Kommunen: damit die nicht bezahlen müssen, wenn andere bestellen – in die Hessische Verfassung aufgenommen hat.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Das war bundesweit einmalig. Da ist diese Landesregierung mit diesen Regierungsfraktionen bundesweit spitze.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich sage das auch deswegen, weil Sie im Moment durch Hessen laufen und landauf, landab den Menschen erklären, Sie seien die Retter der hessischen Kommunalfinanzen.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Ich sage es noch einmal: 440 Millionen € haben Sie durch diese politische Entscheidung den hessischen Kommunen jährlich quasi weggenommen.

Ganz ehrlich will ich auch sagen: Bei dieser Debatte muss man auch darüber reden,

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

dass die durch den Länderfinanzausgleich notwendige Korrektur im hessischen Kommunalen Finanzausgleich von 340 Millionen € natürlich auch in diesem Zusammenhang gesehen werden muss. Es entsteht eine Entlastung von allein 100 Millionen €. Diese Belastung, die bei den 340 Millionen € zwangsläufig entstanden ist, hat etwas mit dem Länderfinanzausgleich zu tun. Die ist nicht von uns verursacht. Die wird von den starken Einnahmen der Kommunen selbst verursacht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Bei der Einordnung der Größenordnung möchte ich hier noch einmal ganz deutlich sagen: Zu dieser Entlastung von 440 Millionen € kommen die 2,5 Milliarden € aus dem Konjunkturpaket und die 3,2 Milliarden € aus dem Schutzschirm. Ich finde, das muss man alles in einen Zusammenhang stellen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

wenn man die Finanzausstattung der hessischen Kommunen beurteilen will.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, richtig ist auch – das konnten wir jetzt wieder lesen –, dass die hessischen Kommunen im bundesweiten Vergleich die einnahmestärksten Kommunen sind, im bundesweiten Vergleich die höchsten mit Landesmitteln ausgestatteten Einnahmen haben. Wenn diese Kommunen zugleich die höchsten Defizite und die höchsten Schulden haben, dann muss man doch einmal versuchen, über die Ursachen nachzudenken

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut!)

und kann nicht einfach nur die Finanznot der Kommunen beklagen.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall der Abg. Norbert Schmitt und Torsten Warnecke (SPD))

Herr Kollege Schmitt, Sie werden sich noch freuen. Unbestritten ist bei den Kommunen doch vor allem der hohe Kostenanteil für Soziallasten. Auch das muss man im bundesweiten Vergleich sehen.

Dazu haben wir gemeinsam das Gutachten von Prof. Junkernheinrich gesehen. Das wurde übrigens nicht im Auftrag der Landesregierung oder der CDU- oder der FDPFraktion erstellt, sondern im Rahmen der kommunalen Spitzengespräche zum Problem der Haushaltskonsolidierung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Auftraggeber waren also auch die Kommunalen Spitzenverbände.

Er kommt zu dem Ergebnis, dass die hessischen Kommunen im Verhältnis zu den anderen Kommunen in Deutschland wesentlich höhere Ausgaben pro Einwohner haben. Aber – und das ist jetzt wirklich eine wichtige Zahl –, im Verhältnis zu Baden-Württemberg geben die hessischen

Kommunen bis zu 1,5 Milliarden € jährlich mehr im Sozialbereich aus. Meine Damen und Herren, das kann doch nicht ohne jede Konsequenz bleiben. Das muss hier doch einmal zur Kenntnis genommen werden.

Selbst die Kommunalen Spitzenverbände – die über dieses Ergebnis natürlich nicht besonders erfreut waren und sich auch Gedanken über Einsparpotenziale machen – haben im Haushaltsausschuss gesagt: Wenn man einmal die Fallzahlendichte in Hessen berücksichtigt und die Unterschiede dort, dann bleibt immer noch eine Differenz von 700 Millionen € bis 800 Millionen € übrig, nochmals also das Doppelte bis fast das Dreifache dessen, was auch wir im Kommunalen Finanzausgleich korrigieren mussten.

Meine Damen und Herren, es gibt also für die hessischen Kommunen alle Möglichkeiten, ihre Finanzen wieder in Ordnung zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich will das mit einem Zitat aus dem Gutachten von Herrn Prof. Junkernheinrich untermauern. Natürlich sind die Fallzahlen immer schwer zu vergleichen – Arbeitslosigkeit; alles muss man in unterschiedlicher Weise berücksichtigen. Aber schauen Sie sich einmal an, was Prof. Junkernheinrich unter Punkt 14 am Ende seiner Ausführungen gesagt hat. Die Kenner haben diese Studie vor sich. Mit Erlaubnis der Präsidentin lese ich einen Teil daraus vor:

Insgesamt geben die ermittelten Mehrausgaben im Ländervergleich zahlreiche Hinweise auf potenzielle Einsparmöglichkeiten. Diese müssten jedoch durch nähere Analysen für jeden sozialen Leistungsbereich konkretisiert werden. Auf dieser Grundlage könnte die Diskussion über sozialpolitische Einsparpotenziale im Land Hessen schrittweise und sachlich fundiert geführt werden.

Dann sagt er:

Jede Diskussion über Ausgaben im Sozialbereich berührt dabei hochsensible gesellschaftliche und damit politische Felder.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Eingriffe in soziale Leistungsstandards sind für die Betroffenen in der Regel schmerzhaft. Dies darf aber nicht eine Diskussion über die Frage behindern, für welche Notlagen ein Hilfeanspruch zu gewähren ist, wie entsprechende soziale Leistungen dann effektiv erbracht und welche Eigenleistungen von den Betroffenen erwartet werden können. Insofern sind die hier aufgezeigten Länderunterschiede Anlass, die Ursachen weiter zu hinterfragen.

Grundsätzlich sollte sich ein Sozialstaat nicht dadurch auszeichnen, dass er besonders hohe Ausgaben in die dauerhafte materielle Existenzsicherung seiner Einwohner steckt, sondern dass er mit seinen Ausgaben dazu beiträgt, dass seine Bewohner in der Lage sind, selbst für ihre Existenz zu sorgen.

Meine Damen und Herren, genau das ist unsere Politik. Das ist der vollkommen richtige Ansatz.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, diese Analyse ist schonungslos.