Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

(Holger Bellino (CDU): Wir sind uns einig!)

Ja, Herr Bellino, Ihnen glaube ich das sogar. Diesem Teil des Hauses glaube ich das ausdrücklich. – Deswegen will ich es wiederholen: Ich bin froh, dass wir nach drei Wochen intensiver Diskussion hinter den Kulissen in der Situation sind, endlich eine Positionierung von SchwarzGelb zu bekommen. Ich weiß ja, wo Ihr Problem lag. Es war nicht Ihres, sondern es war das Problem Ihres Koalitionspartners, der offensichtlich mal wieder nicht in die Gänge gekommen ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen Len- ders (FDP))

Herr Bellino, deswegen haben wir in der Sache gar keinen Streit.

(Holger Bellino (CDU): Alles gut!)

Ich habe den Ministerpräsidenten nicht umsonst erstmals und einmalig für seinen Brief gelobt. Wenn er Position bezieht, bin ich immer bereit, das hier deutlich zu sagen. Herr Bellino, wir hätten uns nur gewünscht, dass Sie schneller zu der Einsicht gekommen wären und sich schneller bewegt hätten. Ich weiß, dass das in Koalitionen gelegentlich schwierig ist. Das will ich an der Stelle dann doch noch einmal festgehalten haben. Deswegen ist es auch richtig, dass Sie sich besinnen und abgrenzen, wenngleich ich mir, Herr Bellino, den Hinweis dann doch nicht verkneifen kann, dass man halt aufpassen muss. Wenn man weiterhin einer Ideologie das Wort redet, wonach ein Land oder die öffentliche Hand weder Wohnungen vermieten soll, was wir im Kern für falsch halten, noch sich als öffentliche Hand wie eben beim VW-Gesetz an großen Industrieunternehmen beteiligen kann, dann ist das eine ideologische Position, die nicht im Interesse der Beschäftigten und des wirtschaftlichen Erfolges und damit grundfalsch ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist intern ein überholtes Denken, das es auch zurückzuweisen gilt. Deswegen ist es gut, dass Sie heute die Initiative ergriffen haben. Ich bleibe aber dabei: Das hätte alles früher passieren können. Es bewahrheitet sich an dieser Stelle mal wieder, dass Sie gelegentlich – nicht „gelegentlich“, das streiche ich jetzt ausdrücklich –, nein, regelmäßig zum Jagen getragen werden müssen und dass die politischen Initiativen aus den Oppositionsreihen kommen, damit Sie sich überhaupt zu irgendeiner Position durchringen können.

(Beifall bei der SPD)

Dann ist es im Übrigen egal, ob es das Thema Energiewende, Bildung, Inklusion oder sonst etwas ist. Wir sind in der Regel mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Das wissen Sie. Wenn aber überhaupt etwas passiert, hat es damit zu tun, dass wir hier im Haus Druck aufbauen.

(Jürgen Lenders (FDP): Dann hätten Sie das beantragt!)

Ach, Herr Lenders.

(Günter Rudolph (SPD): Der ist ja auch noch da!)

Er ist auch noch da. – Herr Lenders, das sind Zwischenrufe, die ich wirklich nicht mehr nachvollziehen kann, weil ganz offensichtlich ist, dass Sie in den letzten Wochen hinter den Kulissen alles dafür getan haben, dass es zu keiner gemeinsamen Initiative kommt, weil Sie noch immer nicht

begriffen haben, welche Bedeutung das VW-Gesetz für den wirtschaftlichen Erfolg Niedersachsens, Hessens und von VW hat, und weil Sie nicht akzeptieren können, dass die öffentliche Hand ein besonderes Interesse und dazu im Übrigen einen Beitrag zu leisten hat. Das werden Sie in diesem Leben sicherlich nicht mehr verstehen.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Lenders (FDP): Aber Sie?)

Herr Lenders, um das nachzutragen: Es ist aber auch nicht mehr erheblich, ob Sie das verstehen, weil es in diesen Fragen auf Sie in Zukunft nicht mehr ankommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Das ist sehr bedauerlich, aber ich komme dann gern zum Schluss. Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Es hat lange genug gedauert, bis die Initiativen aufgegriffen wurden. – Nach der Vorlage Ihres Antrags heute sehe ich allerdings doch eine Chance, dass wir in den Ausschussberatungen zu einer gemeinsamen Lösung im Interesse von VW und den Beschäftigten kommen. Es bleibt dabei: Das VW-Gesetz ist eine Erfolgsgeschichte. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Dirk Landau, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau zehn Jahre ist es her, dass die Europäische Kommission das VW-Gesetz zum ersten Mal ins Visier nahm.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Zehn Jahre später und trotz vorgenommener Änderung zieht man erneut gegen dieses Bundesgesetz zu Felde. Die Rechtssache ist im Februar beim EuGH eingegangen und hat die Nr. C-95/12. Wenn wir heute über das VW-Gesetz reden, und viele verbinden mit VW zunächst einmal Hannover, dann reden wir auch über Baunatal. Herr SchäferGümbel, das ist von Ihnen völlig richtig angeführt worden. VW ist für die nordhessische Region ein ganz unverzichtbarer Bestandteil der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie hier darüber sprechen, ob es 14.000 oder 15.000 Arbeitnehmer sind, dann sage ich Ihnen: Wir haben die Zahl von der Homepage des VWKonzerns und damit als offizielle Angabe übernommen. Nur damit Sie wissen, wo wir die Zahl herhaben.

(Zuruf von der SPD: Wow, von der Homepage! – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir reden bei VW, um zu dem Eigentlichen zurückzukommen, auch über das Sinnbild der jüngeren deutschen Geschichte. VW ist Industriegeschichte, und es ist deutsche industrielle Zukunft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das VW-Gesetz ist dabei ein Symbol deutscher Industriekultur, denn es steht für das Konzept der sozialen Marktwirtschaft. Dazu gehört auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Ich finde, es ist eine weise Regelung im VWGesetz – Herr Schäfer-Gümbel, das sage ich auch ausdrücklich –, dass die Verlagerung von Produktionsstätten nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat beschlossen werden kann. Das setzt eben die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter voraus, und das will ich hier auch ganz deutlich anmerken.

Es ist zu erkennen, dass diese Regelung dem Unternehmen VW nicht geschadet hat. Das Unternehmen VW ist mit seinem seit 1960 in Kraft getretenen Gesetz gut gefahren. Warum also gibt es jetzt diese erneute Klage? – Die EU-Kommission hat schon ihre erste Klage im März 2005 damit begründet, dass der Staat mit einer geringeren Investition als nach allgemeinen Regeln erforderlich bei VW wesentlichen Einfluss ausüben könne. Dazu ist zu sagen, dass die 20-prozentige Sperrminorität, wie sie das Land Niedersachsen bei VW besitzt, durch das deutsche Aktiengesetz gedeckt ist.

In § 179 Abs. 2 steht, dass eine Aktiengesellschaft für Satzungsänderungen auch eine andere Mehrheit als drei Viertel der Stimmen festlegen könne. Was die EU-Kommission beanstandet, ist im deutschen Aktienrecht also durchaus üblich, ja, vorgesehen.

Angeblich hat die Kommission nichts gegen die 20-prozentige Sperrminorität. Sie will das aber nur nicht in einem Gesetz verankert sehen und fordert stattdessen einen freiwilligen Beschluss der Aktionäre. Meines Wissens ist ein solcher Passus von den Anteilseignern schon 2009 in der Satzung beschlossen worden. Also auch hier fehlt eigentlich die Voraussetzung für die Klage.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Der Deutsche Bundestag hatte gute Gründe, als er im November 2008 ein VW-Gesetz verabschiedete, das zwar das vorangegangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigte, aber die Sperrminorität beibehielt.

Tatsache ist, dass ein EU-Gesellschaftsrecht, welches eine solche Regelung verbieten würde, nicht existiert. Die Kommission will mit ihrem Schritt verhindern, dass private Investoren schlechter gestellt werden als staatliche. Dazu wäre zu sagen, dass sich das Land Niedersachsen in der Vergangenheit an Kapitalerhöhungen genauso wie private Investoren beteiligt hat und auf diesem Weg den 20-prozentigen Anteil hielt. Von Vorzugsbehandlung, von goldenen Aktien kann hier keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die EU-Kommission sorgt sich auch, dass keine anderen Großaktionäre den Weg ins VW-Unternehmen finden könnten. Ausländische Investoren, so wird in Brüssel argumentiert, könnten abgeschreckt werden. Aber auch diese Sorge ist offensichtlich unbegründet; denn beispielsweise der Emir von Qatar hält stolze 17 % am Stammkapital.

Übrigens ist es schon eine abstruse Vorstellung der EUKommission, dass ausländische Investoren insgesamt abgeschreckt sein könnten, in deutsche Unternehmen zu in

vestieren. In unserem Land gibt es eine Vielzahl mittelständischer und großer Unternehmen, die wettbewerbsfähig sind und die Kapitalbedarf haben. In Brüssel sollte man also alles tun, um zu erreichen, dass private Investoren den Weg nach Athen finden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die EU-Kommission begründete ihre Klage auch damit, dass die Regelung bei VW die Innovation behindere und zu steigenden Preisen der Produkte führe. Ein Blick in die automobile Realität wäre der Kommission hier zu empfehlen. VW hat eine Weltmarktstellung mit Verkaufszahlen, um die das Unternehmen von der Konkurrenz beneidet wird. So schlecht scheint es trotz des VW-Gesetzes oder wegen des VW-Gesetzes um die Innovation nicht bestellt zu sein.

(Holger Bellino (CDU): Genau!)

Wären die Autos zu teuer, wäre dieser Erfolg auch nicht zu erklären; denn in der Automobilbranche hat der Verbraucher Alternativen. Bei VW muss die Kommission den Verbraucher nicht schützen. Gegenüber den Ölmultis wäre so viel Aktionismus wie hier durchaus sehr angebracht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir als CDU-Fraktion sind der Überzeugung, dass die Änderungen, mit denen die Bundesregierung 2008 auf den ersten Spruch des EuGH reagiert hat, ausreichen. Wir sind hier ganz aufseiten der Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Rösler hat letzte Woche noch einmal betont, dass aus seiner Sicht das 2008 geänderte VW-Gesetz nun klar den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entspreche. Der EuGH erkennt Ausnahmen von Grundfreiheiten – das will ich hier auch einmal anmerken – durchaus an.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Staaten können sich den Einfluss an privatisierten Unternehmen im Falle eines allgemeinen Interesses oder bei strategischer Bedeutung sichern. Die Automobilindustrie – Herr Schäfer-Gümbel hat darauf hingewiesen – erfüllt in Deutschland diese Kriterien. Jeder siebte Arbeitsplatz in unserem Land hängt direkt oder indirekt von der Automobilindustrie ab. Die Finanzkrise in Europa hat gezeigt, wie entscheidend es ist, ob ein Land über einen gesunden und international wettbewerbsfähigen industriellen Kern verfügt oder eben nicht. Wir haben diesen Kern, und eine Änderung des VW-Gesetzes im Sinne der EU-Kommission wird ihn nicht stärken – im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

VW ist ein äußerst starkes Unternehmen und spielt international in der obersten Liga. Ich begrüße es durchaus, wenn man in Brüssel meint, gesetzlich gegen verkrustete Strukturen vorzugehen, um so Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Das Handeln der Kommission wäre zu verstehen, wenn es sich bei VW um einen Konzern unter Staatseinfluss handeln würde, der wettbewerbsschwach wäre und vom Staat künstlich am Leben gehalten würde. Aber das alles trifft doch auf VW nicht zu. Bei VW müssen wir keine Hemmnisse abbauen, die Glück und Erfolg im Wege stehen. VW ist stark mit dem VW-Gesetz. Man fragt sich wirklich, ob man in Brüssel gerade jetzt keine anderen Sorgen hat – es gibt außer der Sache gegen das VW-Gesetz noch 40 vergleichbare Verfahren –, als an vorbildlichen deutschen Unternehmen, ich sage das bewusst so, herumzufummeln.