Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

Worin besteht also beim Friedhofs- und Bestattungsgesetz der Nachteil, die Benachteiligung? Ich sehe sie z. B., wenn eine der religiösen Tradition angemessene, würdige

Bestattung muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger durch unsere Gesetze und Rechtsvorschriften erschwert, vereitelt oder unmöglich gemacht wird, sodass die Angehörigen derzeit gezwungen sind, mit viel höherem finanziellen und persönlichen Aufwand diese traditionellen Beisetzungen im Ausland durchführen zu lassen.

Meine Damen und Herren, wir sind eine multikulturelle Gesellschaft, und wir sollten stolz darauf sein. Deshalb gehört der Islam, gehören Muslime nunmehr auch zu Deutschland. Viele von ihnen leben bereits in zweiter oder dritter Generation in Deutschland. Viele besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Aus all dem müssen wir auch in gesellschaftlicher Hinsicht die Konsequenzen ziehen. Wir dürfen sie auch bei Beisetzungen nicht benachteiligen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, dies sage ich ganz besonders an die Adresse des Abg. Irmer, der leider nicht anwesend ist, der in der letzten Ausgabe der schwarzbraunen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ in einem Beitrag forderte, Islamisten unverzüglich in ihre angestammte Heimat zu schicken, weil Islam nichts anderes als Unterwerfung bedeute.

(Holger Bellino (CDU): Wenn sie straffällig geworden sind! Es ist ein Unsinn, was Sie verbreiten!)

Das ist in der Tat Unsinn, Herr Bellino. Ich freue mich, dass Sie mir zustimmen. Ich habe den Artikel, namentlich gekennzeichnet vom Abg. Irmer. Wenn Sie das als Unsinn bezeichnen, sind wir einer Meinung.

Deshalb sage ich, die Würde aller Verstorbenen und ihrer trauernden Angehörigen muss geachtet werden. Diejenigen, die diese Art der Beisetzung wollen, müssen sie auch können dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, deshalb ist diese Gesetzesinitiative der SPD eine richtige und wichtige Maßnahme zur Aufhebung der langjährigen Benachteiligung, und wir unterstützen sie.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Sie kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen einem Islamisten und dem Islam! Er hat von Islamisten gesprochen!)

Vielen Dank, Herr Schaus. – Als Nächster spricht Herr Innenminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erstaunlich, dass es Herr Schaus schafft, selbst in eine solche Debatte – die bis zu seinem Redebeitrag sehr niveauvoll geführt worden ist – Schärfe hineinzubringen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD hat zum Ziel, dass eine Bestattung ohne Sarg grundsätzlich ermöglicht werden kann.

Wenn man sich die derzeitige Gesetzeslage anschaut – Abg. Christian Heinz hat darauf aufmerksam gemacht –, dann wird schon sehr deutlich, dass die Hauptziele, die Sie vorschlagen, bereits durch das gültige hessische Friedhofs- und Bestattungsrecht weitgehend erfüllt werden.

(Zuruf)

Wer da „Nö“ hereinruft, der hat es wahrscheinlich nicht gelesen, sonst würde er nicht so hereinrufen können.

Bereits jetzt kann die Bestattungsfrist verkürzt werden, wenn Glaubensregelungen das verlangen. Wir haben eine Mindestbestattungsfrist von 48 Stunden. Selbstverständlich kann sie aus religiösen Gründen verkürzt werden.

Aber auch bei der Sargpflicht kommen wir – jedenfalls nach meiner Überzeugung, und das sieht das Gesetz auch so vor – den muslimischen Glaubensvorschriften entgegen, weil der Gemeindevorstand natürlich Ausnahmen vom Verbot der Öffnung des Sarges gestatten kann. Das bedeutet rein praktisch – Herr Heinz hat es dargestellt –, dass der Sargdeckel unmittelbar vor dem Absenken des Sarges abgenommen und gesondert neben den Sarg gelegt werden kann, sodass der Sarg offen bestattet wird.

Das zeigt, dass durch die bereits bestehenden Regelungen des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes die rituellen Vorschriften für eine muslimische Bestattung – ich füge hinzu: weitgehend – erfüllt werden.

Dieser Gesetzentwurf versucht einen Spagat: Einerseits will er den verschiedensten Bedürfnissen, auch den religiösen Bedürfnissen, Rechnung tragen. Andererseits aber will er auch Aspekten des Ordnungsrechts und des Gesundheitsschutzes Geltung verschaffen. Denn natürlich stellt der unverbrannte Leichnam für den Boden und das Grundwasser beim Verwesungsprozess eine enorme Beeinträchtigung dar.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Der Sarg ist als Auffangbehältnis des unverbrannten Leichnams in den vergangenen Jahrhunderten durchaus das Mittel der Wahl gewesen.

Deswegen hat nach meiner festen Überzeugung der hessische Gesetzgeber sehr nachvollziehbar und sehr richtig zwischen dem Gesundheitsschutz und der Religionsfreiheit abzuwägen versucht, um beidem gleichermaßen Geltung zu verschaffen.

Ich erkenne das Bemühen an. Man kann darüber diskutieren, das hat auch jeder der Redner gesagt. Ich glaube, es ist jetzt aber der falsche Zeitpunkt, um hier qua Gesetz eine Einzelregelung vorzunehmen. Wenn man eine Reform des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes haben möchte, dann sollte man die Sache umfassend angehen. Dann sollte man die Ergebnisse der umfangreichen Evaluation würdigen. Dann kann all dies in einem entsprechenden Prozess berücksichtigt werden. Nach der Auswertung sollte man eine derartige umfassende Reform durchführen – wenn man es denn machen möchte. Ich glaube, hier eine Einzelregelung zu treffen, ist die falsche Lösung.

Lassen Sie uns den richtigen Weg im Ausschuss beraten und dann weiterschauen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr, Herr Innenminister. – Wir sind am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes.

Dieser Gesetzentwurf soll zur weiteren Beratung dem Innenausschuss überwiesen werden. – Das ist so beschlossen.

Dann darf ich Tagesordnungspunkt 4 aufrufen:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz über die Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer – Drucks. 18/5540 –

Zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs hat sich der Fraktionsvorsitzende Herr van Ooyen zu Wort gemeldet. Herr Kollege, die Redezeit beträgt 7:30 Minuten.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Auf Betreiben von vier Fraktionen in diesem Haus hat Hessen die sogenannte Schuldenbremse in seiner Verfassung verankert. Sie soll dieses Land verpflichten, zukünftig ohne neue Schulden auszukommen.

Wir haben diese Schuldenbremse immer abgelehnt, denn verantwortliche Finanzpolitik braucht keine Schuldenbremse, sondern dauerhaft ausreichende Einnahmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Über ein Jahr nach der Verabschiedung der Schuldenbremse in Hessen hat aber keine der schuldenbremsenden Fraktionen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Einnahmen des Landes zu erhöhen geeignet ist.

Zwar haben sich mittlerweile SPD und GRÜNE unserem Vorschlag angeschlossen, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen, und fordern das nun auch in Haushaltsanträgen. Was sie aber nicht tun, ist, endlich eine Rechtsgrundlage dafür zu fordern.

Halten wir also erst einmal fest: Die vier Schuldenbremsen-Fraktionen reden vom Sparen, die FDP vom Verzicht und Rot-Grün von der Einnahmeverantwortung. Gefolgt ist diesen Reden bislang aber nichts. Das Kürzen beim Sozialen und der Verzicht auf notwendige Bildungsausgaben werden konterkariert durch Prestigeprojekte, die bis heute nicht eingespart werden.

Die Landesregierung hat der Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen die Mittel gestrichen. Sie kürzt bei der Lehrerausbildung. Aber sie baut in Kassel-Calden einen Regionalflughafen – koste es, was es wolle.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Für zwei Flüge!)

Die Einnahmeverantwortung, von der die SPD immer schwärmt, ist bisher reine Verfassungsprosa. Dabei muss es aber nicht bleiben, und es darf auch nicht dabei bleiben.

Mit unserem Gesetzentwurf haben wir uns an die gültigen Gesetze, die beispielsweise in Thüringen existieren, angelehnt. Dort hat ebenfalls eine LINKE-Fraktion den Gesetzentwurf eingebracht; verabschiedet und zum Gesetz erhoben wurde er dann mit den Stimmen von GRÜNEN, SPD und CDU. Wir würden uns also freuen, wenn auch im Hessischen Landtag eine Mehrheit dafür wäre, die Grunderwerbsteuer anzuheben.

Dennoch bin ich nicht sehr optimistisch. Denn die Hessen-CDU ist doch ein sehr besonderer Verband unter den Unionsfraktionen in der Bundesrepublik.

Mit der von uns vorgeschlagenen Regelung würde Hessen keineswegs zum Hochsteuerland für Grundstückskäufer

werden, sondern lediglich bei der angemessenen Besteuerung des Grunderwerbs ein wenig nachziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hessen gehört mit Sachsen und Bayern zu den letzten drei Bundesländern, in denen die Grunderwerbsteuer noch 3,5 % beträgt. In bisher neun Bundesländern ist die Grunderwerbsteuer auf 5 % angehoben worden. Wir finden, Hessen sollte hier nicht weiter hinterherhinken.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zusätzlichen Einnahmen von über 200 Millionen € können wir gut gebrauchen, um einen kleinen Teil dazu beizutragen, die Handlungsfähigkeit des Landes wieder zu stärken – zumal eine solche Erhöhung der Grunderwerbsteuer nur eine geringe Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt.

Ich will ein Beispiel sagen. Eine Privatperson kauft eine Immobilie, die einen Gesamtwert von etwa 200.000 € hat. Die Steuererhöhung, wie wir sie vorgeschlagen haben, würde dabei eine Mehrbelastung von 3.000 € bedeuten. Geht man davon aus, dass durchschnittliche Familien ein Haus über 30 Jahre abbezahlen, bedeutet das eine jährliche Mehrbelastung von 100 €.

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Unsummen, mit denen Otto Normalverbraucher belastet werden soll, sondern um eine Steuererhöhung, die weit unterhalb dessen liegt, was CDU und FDP, aber auch SPD und GRÜNE den Menschen zugemutet haben, als sie die Axt an den Sozialstaat gelegt haben. Denken Sie nur an die Mehrwertsteuererhöhung der Großen Koalition oder die Kürzung der Renten.