Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

Ich finde, es reicht schon, sich ein wenig anzuschauen, wie die Praxis von Fresenius aussieht. Frau Ministerin, ich finde das deswegen umso unverständlicher. Wenn man sich einmal bei den Gewerkschaften umhört, welche Erfahrungen es mit den Helios-Kliniken gibt – das ist die Krankenhaussparte von Fresenius –, dann stellt man fest, dass das alles andere als verheißungsvoll ist. Die Krankenhaussparte von Fresenius, also die Helios-Kliniken, ist einer der größten Krankenhausunternehmen überhaupt. Sie hat 43.000 Beschäftigte und 2,7 Milliarden € Jahresumsatz.

Helios ist derzeit auf Einkaufstour. Der Konzern setzt seit Jahren auf eine teure Expansion durch Aufkäufe. Allein in Deutschland haben die Helios-Kliniken seit Mitte der Neunzigerjahre Dutzende Krankenhäuser aufgekauft. Finanziert wird diese Einkaufstour natürlich durch die Beschäftigten.

Bei den Helios-Kliniken wurden Arbeitsplätze in vierstelliger Höhe abgebaut. Vor allem wurden sie auch ausgelagert, zum größten Teil an konzerneigene Tochterfirmen, die extra gegründet wurden. Frau Ministerin, dort gibt es oftmals keine Tarifverträge. Teilweise gibt es dort Stundenlöhne von 5 bis 6 €.

Bei diesen Ausgliederungen handelt es sich eigentlich um einen Betriebsübergang, bei dem den Beschäftigten ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden müsste. Aber die Helios-Kliniken lösen das, indem sie die Standorte formal schließen und indem sie betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, um so die Arbeitnehmerrechte aushebeln zu können.

Hunderte Arbeitsverhältnisse wurden bundesweit auf die konzerneigenen Tochterunternehmen übergeleitet oder gingen ganz verloren. Mitarbeiter, die vorher viele Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet hatten, mussten zum Teil Gehaltseinbußen von bis zu 35 % hinnehmen. Auch in der Krankenpflege wurde der Personalbestand deutlich reduziert. Die Beschäftigten arbeiten in der Regel unter hohem Druck, und nicht wenige klagen darüber, dass sie Abstriche an der Qualität der Arbeit machen müssen.

Jetzt ist die Frage: An was erinnert uns diese Schilderung? – Wenn man sich anhört, wie die Zustände bei den HeliosKliniken sind, könnte man zu der Auffassung gelangen,

dass das glatt die Rhön-Klinikum AG sein könnte. Das klingt genauso.

Vielleicht ist es im Fall der Helios-Kliniken noch schlimmer. An einigen Standorten der Helios-Kliniken gab es mittlerweile Razzien. Die Staatsanwaltschaft ermittelt an mehreren Orten wegen Abrechnungsbetrug gegen das Unternehmen.

Das ist jetzt also der Hoffnungsträger der Landesregierung. Frau Ministerin, da frage ich mich wirklich: Wie kommen Sie bitte zu der Einschätzung, dass Fresenius eine große Chance für das Universitätsklinikum ist? Ich sage Ihnen: Mit Fresenius kommen wir vom Regen in die Traufe. Es wird keinen Deut besser werden. Denn natürlich möchte auch dieses Unternehmen mit dem Universitätsklinikum Rendite machen. Es will nicht in erster Linie die Patienten gut versorgen.

Deshalb sind wir der Meinung, dass das, was der öffentlichen Daseinsvorsorge dient, in die öffentliche Hand gehört. Universitätskliniken gehören ebenso wie andere Kliniken und Krankenhäuser nicht in private Hände. Sie müssen der demokratischen Kontrolle unterliegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben den Fall der Privatisierung wirklich sehr praktisch erlebt. Die Privatisierung hat immer auch einen Abbau an Demokratie bedeutet. Das hat Ihnen die RhönKlinikum AG schön demonstriert. Mit dem Anteil von 5 %, die das Land noch hält, hat es einfach überhaupt nichts mehr zu sagen. Im Zweifelsfall ist der private Inves tor dann auch nicht mehr gewillt, der Landesregierung zuzuhören, geschweige denn, ihr einen Einfluss zuzugestehen.

Es ist natürlich auch eine Form des Demokratieabbaus, wenn ein ursprünglich im öffentlichen Besitz befindliches Universitätsklinikum verkauft wird und es dann Geheimverträge gibt, bei denen die besorgten Bürgerinnen und Bürger und auch die besorgten Beschäftigten überhaupt nicht die Möglichkeit haben, sich ein eigenes Bild zu machen. Das hat überhaupt nichts mit Transparenz zu tun, wenn die Kaufverträge der Gemeinhaltung unterliegen. Auch das kann nicht hingenommen werden.

Deshalb sagen wir: Die aktuelle Entwicklung muss zum Anlass genommen werden, zu prüfen, wie die Rückabwicklung der Privatisierung erfolgen kann und wie das Universitätsklinikum wieder in die öffentliche Hand überführt werden kann. Wir brauchen eine Umkehr, weg vom Ausverkauf dessen, was der öffentlichen Daseinsvorsorge dient.

Ich sage auch noch etwas. Wir brauchen gerade im Gesundheitswesen endlich gesetzliche Personalmindeststandards. Denn Personalmindeststandards würden verhindern, dass man Krankenhäuser gewinnorientiert betreiben könnte. Personalmindeststandards würde garantieren, dass die Beschäftigten nicht die Leidtragenden sind. Letztlich würde es auch den Trend zur Privatisierung umkehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen gesetzliche Bedingungen schaffen, die dazu führen, dass sich der gewinnorientierte Betrieb der Krankenhäuser nicht lohnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich will an der Stelle auch sagen: Natürlich ist es so, dass das, was in Mittelhessen falsch ist, in Wiesbaden nicht richtig sein kann.

(Horst Klee (CDU): Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!)

Herr Klee, es ist das gleiche Unternehmen. Selbstverständlich ist das so. – Da man die Erfahrung mit der RhönKlinikum AG gemacht hat, dass es nicht unbedingt vernünftig war, ihr Krankenhäuser oder Kliniken zu verkaufen, sollte man den Fehler, den man in Mittelhessen gemacht hat, in Wiesbaden nicht wiederholen. Man sollte ihn schon dreimal deshalb nicht wiederholen, weil es eine solche Unsicherheit gibt und man überhaupt nicht weiß, wem die Rhön-Klinikum AG in Zukunft eigentlich gehören wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sagen wir ganz klar: Wir lehnen die Teilprivatisierung der Horst-Schmidt-Kliniken ab. Wir sind der Meinung, dass es klug gewesen wäre, wenn auch die SPD auf Landesebene ein klares Zeichen in dieser Richtung gesetzt hätte.

Zuletzt möchte ich Folgendes sagen: Der Gesetzentwurf von der SPD-Fraktion, der vorliegt, den begrüßen wir. Dem können wir auch zustimmen. Frau Kollegin Wolff, natürlich war es für die Landesregierung eine riesengroße Klatsche, dass ein Gesetz, das als Leuchtturmprojekt gefeiert wurde, in Teilen verfassungswidrig ist. Das war es nun.

Wir sind der Meinung: Man muss den Beschäftigten jetzt eine längere Frist einräumen, in der sie sich entscheiden können. Das gilt gerade auch wegen der ganzen Situation und der Unsicherheit, die es gibt.

Es wäre aber auch gut, wenn es ein klares Zeichen der Landesregierung geben würde, das den Beschäftigten die Unsicherheit nehmen würde. Sie könnten klar sagen: Wir schließen betriebsbedingte Kündigungen aus. Wer von seinem Rückkehrrecht Gebrauch macht, der muss sich keine Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Wissler, schönen Dank. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Müller zu Wort gemeldet. Herr Müller, Sie haben zwei Minuten Redezeit.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sagen Sie jetzt einfach: Die Privatisierung war falsch!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede der Kollegin Wissler war wie immer so, wie sie auch angezogen ist: schwarz-weiß. Die Welt ist nicht so.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sind Sie farbenblind?)

Denn der Rhön-Klinikum AG gehört beispielsweise – ich will bei Wiesbaden bleiben – die Aukammklinik. Sie betreibt die Deutsche Klinik für Diagnostik. Mir ist nicht bekannt geworden, dass es da in irgendeiner Form Kritik an der medizinischen Versorgung oder hinsichtlich der Führung dieser beiden Kliniken gegeben hätte.

(Horst Klee (CDU): Sehr richtig!)

Das gilt für viele Kliniken in diesem Bereich. Von daher sollten wir von der sehr ideologisch geprägten Betrachtungsweise etwas abgehen.

Sie sind prinzipiell gegen Privatisierung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt!)

Deswegen befinden Sie sich politisch da, wo Sie sind. Da sollten Sie auch bleiben. Da sind Sie gut aufgehoben.

Ich sage Ihnen einmal eines: Ich war lange Zeit Mitglied im Aufsichtsrat eines kommunalen Klinikverbundes. Vieles von dem, was heute zum Uniklinikum Gießen-Marburg gesagt wurde, kommt mir sehr bekannt vor. Das betrifft die Frage der Unterversorgung, der hohen Belastung der Mitarbeiter und vieles andere mehr.

Ich glaube deswegen, dass das kein Spezifikum hinsichtlich der Frage ist, in welcher Trägerschaft sich eine Klinik befindet. Vielmehr handelt es sich offensichtlich um ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft, das man in der Tat ernst nehmen muss. Aber auch Kliniken müssen dafür sorgen, dass sie zumindest im Bereich der schwarzen Null sind.

Nach der unglaublich tollen Rede von Karin Wolff frage ich: Was wäre damals die Alternative zu der Privatisierung und der Fusion gewesen? – Die Alternative wäre gewesen, dass es heute das Universitätsklinikum nicht mehr geben würde.

Die Alternative ist, dass wir inzwischen in diesen – –

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Ihr Leut, glauben heißt nicht wissen. Das ist Ihr Spezifikum, Herr Kollege Schaus. – Wir haben heute höhere Beschäftigungszahlen als damals.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wir haben heute höhere Patientenzahlen als damals. Wir haben eine Investition von 367 Millionen € in diesem Verbund,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

und wir haben ein völlig neues Klinikum in Gießen. Hier ist der Kollege Spies, der weiß, wovon er redet, weil er dort schon einmal Leuten den Bauch aufgeschlitzt hat. Aber das ist etwas völlig anderes.

Kollege Müller, Sie müssten zum Ende kommen.

Die Alternative, um die es geht, wurde hier nicht beschrieben. Deswegen bedanke ich mich ganz herzlich – mein letzter Satz – für die sehr differenzierte Aussage der Kollegin Schulz-Asche, bei der man weiß: Sie hat wenigstens Ahnung von dem ganzen Gebiet. Frau Schulz-Asche, wenn wir einmal ein Mentorenprogramm haben, nehmen Sie bitte Frau Kollegin Wissler unter Ihre Fittiche, damit sie lernt, wie das Ganze funktioniert.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich nehme das Angebot des Kollegen Dr. Spies sehr ernst.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.