Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Herr Ministerpräsident, das ist Ihr Stichwort. Sie persönlich unternehmen auch keine Anstrengungen. – Der Verkehr ist in Hessen für fast die Hälfte des Energieverbrauchs verantwortlich. Deswegen sagen wir immer wieder: Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNV sowie eine Reduzierung des Flug- und des Automobilverkehrs: sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen und auch die Energiewende nicht schaffen.

Herr Minister Posch hat aber leider – das war kontraproduktiv – den Verkehrsverbünden die Mittel gekürzt und den Großteil seiner Amtszeit damit verbracht, überall im Land neue Straßen einzuweihen. Die Umweltverbände werden im Wirtschaftsministerium grundsätzlich als Gegner wahrgenommen, ebenso wie der Umwelt- und Artenschutz, der der vollständigen Betonierung Hessens aus Ihrer Sicht wohl im Wege steht.

In der Wohnungspolitik hat die Landesregierung die Fehlbelegungsabgabe ebenso auslaufen lassen wie das Wohnraumzweckentfremdungsgesetz. Sie haben nichts vorgelegt. Sie haben in dem Bereich überhaupt keine eigenen Ideen entwickelt. Dabei ist die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum viel zu wichtig, um sie allein dem Markt zu überlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hessen hat noch immer kein wirksames und zeitgemäßes Vergabegesetz, obwohl seitens der LINKEN und der SPD Vorschläge dafür vorgelegt wurden. Auch hier haben Sie sich darauf beschränkt, die Vorschläge der Opposition zu kritisieren, statt selbst etwas zu tun.

Herr Rentsch, ich bin sehr gespannt auf das, was Sie in Zukunft in der Entwicklungspolitik machen werden. Bei der privaten Uni EBS haben Sie sich als engagierter Entwicklungshelfer profiliert. Ich möchte sagen: Der Betrag, der der EBS hinterhergeworfen worden ist, ist 100-mal so hoch wie der, den Ihre Landesregierung pro Jahr für Entwicklungshilfe bereitstellt. Ändern Sie das, und erhöhen Sie diesen Betrag, damit die Zusagen der Bundesrepublik endlich einmal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ministerin Henzler hat im Kultusministerium ebenfalls große Baustellen hinterlassen. Bei den Ganztagsschulen hat Hessen genauso wie bei der Inklusion einen enormen Nachholbedarf. Dafür brauchen die Schulen eine bessere finanzielle Ausstattung. Dafür müsste sich die neue Kultusministerin einsetzen, statt mit der Einführung der sogenannten selbstständigen Schule die Mängelverwaltung auf die Schulen abzuschieben.

Die Schule hätte eigentlich die Aufgabe, Benachteiligungen aufgrund der Herkunft und aufgrund der finanziellen Verhältnisse auszugleichen. Derzeit aber macht die Schule das Gegenteil. Sie zementiert nämlich die Ungleichheit; sie baut sie geradezu aus. Das ist auch dem mehrgliedrigen Schulsystem geschuldet. Ich denke, es wäre sinnvoll, sich einmal anzuschauen, was für gute Erfahrungen andere Länder mit einem längeren gemeinsamen Lernen für alle Kinder gemacht haben.

Diese Landesregierung hingegen setzt auf Auslese statt auf Förderung. Das geht vor allem zulasten von Kindern mit Migrationshintergrund und von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Die neue Ministerin wird – vor

allem mit dem schulpolitischen Sprecher der CDU, Herrn Irmer – sicher auch viel Spaß bei der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts haben. Herr Al-Wazir, ich gebe Ihnen grundsätzlich recht, wenn Sie sagen, dass das Austauschen von Köpfen nicht ausreicht. Aber im Fall von Herrn Irmer hielte ich das für einen ganz erheblichen Fortschritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schule muss mehr sein als ein Ort des Lernens. Deswegen möchte ich die Nachfolgerin von Frau Henzler, Frau Beer, auffordern, das erfolgreiche JeKi-Projekt – „Jedem Kind ein Instrument“ – weiterzuführen und auszuweiten. Das ist ein großartiges Projekt, und es wäre schade, wenn es Kürzungen zum Opfer fiele.

Ich komme zum Schluss. Wir werden in den nächsten Monaten zwar die Vereidigung von zwei neuen Ministern erleben, aber ich erwarte leider wenig frischen Wind davon; denn auch hier gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf. – Ich denke, wer das Auftreten des Herrn Ministerpräsidenten in dieser Woche erlebt hat – er ist sogar hier –,

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

hat viel über den Zustand dieser Regierung erfahren.

Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Er ist kaum anwesend, entwickelt keine Initiativen und hat keine Ideen. Er meldet sich nicht zu Wort, wenn es um den Fluglärm, das Uniklinikum oder das Chaos in seinem früheren Ministerium geht. Aber wenn es um sein Auto geht, meldet er sich gleich zweimal. Deshalb ist meine Meinung: Wenn ein Haus marode ist, nutzt auch ein neuer Anstrich nichts. Daher bin ich sehr skeptisch, ob die beiden neuen Minister wirklich zu einer neuen Politik in diesem Land beitragen werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schönen Dank, Frau Wissler. – Für die Landesregierung hat jetzt Ministerpräsident Bouffier das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wenn sich ausgerechnet diejenigen, die eigentlich nie eine Gelegenheit ausgelassen haben, die ausscheidenden Minister zu kritisieren, die manchmal nicht einmal ein gutes Haar an ihnen gelassen – ja, ich denke an den Kollegen Wagner von den GRÜNEN – und sie gelegentlich sogar in ihrer persönlichen Ehre angegriffen haben, heute als Moralapostel aufspielen, entlarven sie sich damit selbst. Die Kollegen Dr. Wagner und Greilich haben dazu das Passende gesagt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Al-Wazir – das gilt jetzt nicht nur für Sie –, ich glaube, an einem kann man sich festhalten: Herr Dr. Wag

ner hat in einer bestechend richtigen Weise gesagt, dass man sich, egal, wo man politisch steht, den persönlichen Respekt nicht versagen sollte.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Langsam. Die letzte Rednerin war ein schönes Beispiel. Bei dem einen ist es mehr, bei dem anderen weniger der Fall. – Trotz allen Streits in der Sache wäre es für alle Fraktionen eine gute Gelegenheit gewesen, den beiden Kollegen den persönlichen Respekt und den Dank für ihre Arbeit auszudrücken.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )

Vielleicht gibt es noch eine Gelegenheit dazu. – Herr AlWazir, da Sie die heutige Debatte zu Ihrem Setzpunkt gemacht haben, gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen dazu. In jeder Koalition, egal, wie sie zusammengesetzt ist, entscheiden die jeweiligen Koalitionspartner über ihre Personalvorschläge und über die Berufungen ins Amt. Die Abberufungen werden mit dem Regierungschef vorher besprochen. Das war immer so, und das ist auch hier so. Dieser Vorgang ist weder außergewöhnlich noch sonderlich aufregend. Er ist für die Betroffenen gelegentlich schmerzlich; das haben viele erfahren.

Sie haben gefragt, was die Gründe dafür sind. Die Freie Demokratische Partei hat sich entschieden, einen Generationswechsel vorzunehmen. Das ist eine politische Entscheidung. Sie ist absolut zulässig und auch nachvollziehbar.

Es ist absolut nachvollziehbar, wenn eine Amtsinhaberin oder ein Amtsinhaber das Amt gerne fortgeführt hätte. Trotzdem ist die politische Grundsatzentscheidung der jeweiligen Partei, der jeweiligen Fraktion entscheidend, für die man aufgrund dieser Vertrauensstellung ein Amt übernimmt, oder wenn sich eine Partei neu ausrichtet. Das war immer so, und das wird, denke ich, auch so bleiben.

Herr Al-Wazir, nun haben Sie nach dem Unterschied gefragt. Den will ich Ihnen gerne sagen. Herr Kollege Dr. Wagner und Herr Greilich haben an die letzte rot-grüne Regierungsverantwortung erinnert. In dem von Ihnen selbst als Paradedisziplin genannten Umweltministerium sind in vier Jahren drei Ministerkolleginnen und drei Staatssekretäre zurückgetreten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, es waren zwei!)

Ich kann es Ihnen vorlesen; ich habe es da; es waren drei.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es waren zwei!)

Was war der Unterschied? – Der Unterschied zu dieser politischen Entscheidung eines Regierungspartners lag darin, dass diese damaligen Rücktritte erfolgten, weil die Amtsinhaber in der Sache gescheitert waren. Das ist der Unterschied zu dem, was wir heute machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da ich dem Hause schon damals angehörte, könnte ich darüber sehr detailliert sprechen. Ich glaube aber, das muss aus Zeitgründen nicht sein.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bitte Sie, mir nachzulassen, dass ich Frau Kollegin Henzler und Herrn Kollegen Posch ausdrücklich für ihre Arbeit danke. Es ist eine Menge gesagt worden. Ich will nur noch zwei, drei Stichworte hinzufügen. Wir haben in Hessen ein wegweisendes Schulgesetz. Das ist politisch umstritten. Das ist bedauerlicherweise so. Sie wissen, ich werbe dafür, dass wir da vielleicht einmal die Gräben überwinden. Es ist aber unsere gemeinsame, tiefe Überzeugung, dass dieses Schulgesetz, das Frau Henzler verantwortet und eingebracht hat und das jetzt umgesetzt wird, eine der besten Grundlagen für die Gestaltung der Zukunft unserer Kinder ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu keiner Zeit – und wer diesem Landtag lange angehört hat, weiß das – gab es so ruhige, so geordnete und so unaufgeregte Schulanfänge wie unter der Verantwortung von Frau Kollegin Henzler.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unter Ihrer Verantwortung hatten wir darüber jedes Jahr breiteste Diskussionen. Sie haben in Ihrer oppositionellen Verantwortung das Richtige erkannt, dann aber gar nicht mehr aufgerufen.

(Gernot Grumbach (SPD): Erinnern Sie sich eigentlich noch an Frau Wolff? – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie war hervorragend!)

Wenn ein Sachverhalt nicht umstritten ist, ist er trotzdem erfolgreich.

(Günter Rudolph (SPD): Fragen Sie einmal Herrn Irmer, der hat zu diesem Thema eine Meinung!)

Ich fasse das einmal so zusammen: Zu keiner Zeit ist so viel Geld für Schule, Bildung und Betreuung in Hessen ausgegeben worden wie unter dieser Landesregierung und wie unter der Kultusministerin Dorothea Henzler. Das ist etwas, was Sie stolz machen kann und uns zu Dank, Anerkennung und Respekt in diesem Hause verpflichtet.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Gleiche gilt für den Kollegen Posch, einer der Erfahrensten, Klügsten und manchmal vielleicht Besonnensten, die wir im Hause haben. Herr Kollege Posch – es ist bereits einiges gesagt worden – hat beispielhafte Initiativen auf den Weg gebracht. Ich will nur auf eines hinweisen, weil wir gerade die Stichwörter „nichts für die Zukunft“ gehört haben.

Meine Damen und Herren, Hessen ist das mit Abstand wirtschaftsstärkste Land Deutschlands und gehört zu den drei stärksten Regionen Europas. Wir haben eine wirtschaftliche Situation, um die uns alle beneiden. Wir haben in diesem Land so viele Menschen in Arbeit wie noch nie.