Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Herr Kollege Al-Wazir, wenn Sie meinen, Sie müssten sich an dem klaren Bekenntnis von Jörg-Uwe Hahn abarbeiten, bereit zu sein, die hessische FDP in die nächste Landtagswahl zu führen, kann ich Ihnen sagen: Unser Landesparteitag wird dieses zu gegebener Zeit mit Dankbarkeit entgegennehmen und ihn mit Sicherheit nominieren.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Al-Wazir, ich habe immer gedacht, Sie seien der ewige zweite Oppositionsführer in diesem Hause. Wer ist denn seit 13 Jahren Oppositionspolitiker? Tarek Al-Wazir ist seit 13 Jahren Oppositionspolitiker.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU)

Ich habe gedacht, Sie wollten weitermachen. Aus Ihrem heutigen Bekenntnis muss ich aber schließen, dass Sie Ihrer Partei nicht mehr als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen. Haben Sie tatsächlich schon aufgegeben? Das wundert mich.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist Ihr Problem, Herr Greilich?)

Personelle Entscheidungen trifft man mit Weitblick und Augenmaß. Wir haben den Zeitpunkt für eine geordnete Übergabe des Staffelholzes bestimmt, damit der Wähler auch über den Wahltag hinaus Vertrauen in die beständige Fortführung der erfolgreichen liberalen Bildungs- und Wirtschaftspolitik haben kann.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf schulmeisterliche Ratschläge der Oppositionsgrünen zur Kabinettsumbildung können wir getrost verzichten,

obwohl wir einräumen, Sie haben nachweislich eine hohe Kompetenz in Sachen Ministerrücktritte aufgrund persönlicher Verfehlungen und Skandalen, nicht aber für geordnete Ministerwechsel.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten de CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag, eine Ansammlung von Polemik gegen die FDP, zeigt die Verwirrung bei den GRÜNEN. Ich kann das gut verstehen. Sie haben Angst, erneut Umfragenkönig in der Halbzeit und Wahlergebnisverlierer an der Wahlurne zu sein – wie 1999, wie 2003, wie 2008 und vor allem wie 2009, als der Versuch der rot-rot-grünen Koalition

(Torsten Warnecke (SPD): Die hat es nie gegeben!)

gescheitert ist. 13 gelebte Jahre Opposition, das zehrt an den Nerven, an den Haaren, am Stil. Wir bleiben bei unserem Prinzip, gegebenenfalls eine Delle bei den Umfragewerten mitten in der Wahlperiode hinzunehmen. Uns reicht es, wenn wir an der Wahlurne die Mehrheit für unsere Politik bekommen. Ich verspreche Ihnen, unsere Kampfkraft ist ungebrochen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Greilich. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Wissler das Wort. Bitte schön, Frau Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Greilich, natürlich ist es legitim, Ministerposten auch in der laufenden Legislaturperiode neu zu besetzen, und bei dem einen oder anderen hielte ich das sogar für überfällig.

Man kann einen solchen Wechsel elegant und würdig arrangieren. Man kann es aber auch so machen, wie Sie es getan haben, meine Damen und Herren von der FDP. Die Art und Weise, wie die Rücktritte des Wirtschaftsministers und der Kultusministerin erfolgt sind, sagt nämlich eine ganze Menge über das Klima aus, das in dieser Landesregierung offensichtlich vorherrscht.

Wirtschaftsminister Posch erklärt seinen Rücktritt am Rande einer Pressekonferenz zum Nachtflugverbot am Flughafen. Als Konsequenz aus dem skandalösen Umgehen mit dem Thema Fluglärm ist das auch nicht falsch, sondern verständlich, denn wer gegen sein eigenes Versprechen für ein Nachtflugverbot in Revision geht, sich vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig von einem Anwalt vertreten lässt, der sich vehement gegen das Nachtflugverbot einsetzt, und dann eine derartige Klatsche bekommt, der trifft nicht die schlechteste Entscheidung, wenn er zurücktritt.

Seit Monaten demonstrieren jeden Montag Tausende Menschen am Frankfurter Flughafen gegen die unerträgliche Lärmbelastung, und der Minister erklärt, mit einer derartigen Lärmzunahme durch die neue Landebahn habe er nicht gerechnet. Das ist ziemlich naiv, denn wenn man einen Flughafen ausbaut, dann darf man sich nicht wundern, dass es mehr Lärm gibt. Dabei ist es doch Aufgabe des Ministers als Chef der Planfeststellungsbehörde, gerade die Lärmentwicklung zu prognostizieren und die Folgen abzuwägen. Wer das nicht tut, sondern stattdessen

die Interessen der Luftverkehrswirtschaft in den Vordergrund stellt, der handelt verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Posch ist aber nicht wegen den Fehlern beim Flughafenausbau zurückgetreten, sondern deshalb, weil seine Partei angeblich jüngere Minister wollte – wobei ich hinzufügen muss, dass die Erfahrungen auf Bundesebene gezeigt haben, dass es Jüngere nicht automatisch besser machen, vor allem dann nicht, wenn sie Ideen von gestern vertreten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Minister Posch erklärt seinen Rücktritt, während sich der Ministerpräsident und sein Stellvertreter auf einer Auslandsreise befinden. Am gleichen Tag erklärt die Kultusministerin, sie wolle im Amt bleiben, um am nächsten Tag – auf Druck ihrer Partei und am Rande des FDP-Bundesparteitages – ebenfalls zurückzutreten. Herr Greilich, wenn das ein „geordneter Wechsel“ ist, dann möchte ich nicht wissen, wie das Ganze ungeordnet aussieht.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Am gleichen Tag ruft sich der Landesvorsitzende der FDP und Justizminister zum Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl aus. In meiner Partei wird eine solche Entscheidung demokratisch getroffen, bei uns entscheidet ein Parteitag über die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Ich will hinzufügen, dass es mir persönlich eigentlich ziemlich egal ist, wie die FDP in Hessen die Frage der Spitzenkandidatur löst, weil ich sie ohnehin nicht wählen werde. Die Kriterien für einen Listenplatz sind bei der FDP ohnehin nicht ganz klar – außer dass man offenbar männlich sein sollte. Mit dem Rücktritt der Ministerin haben Sie jetzt immerhin die Chance, Herrn Rock von seiner Rolle als frauenpolitischer Sprecher zu entbinden und eine neue Regelung so treffen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Was haben Sie für ein Frauenbild? – Weitere Zurufe von der FDP)

Frau Ministerin, ich sehe schon, das geht nicht kampflos, da gibt es Widerstände.

(Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Bei der FDP gibt es auch in Fragen der Frauenpolitik keine Chancen für die Frauen.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Sie sind erzkonservativ!)

Mit Herrn Greilich als Fraktionsvorsitzendem werden Ihnen die Herzen der Menschen nur so zufliegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

All das muss die FDP intern klären. Ich will nur feststellen, dass der Umgang der FDP – insbesondere mit der

Kultusministerin – zeigt, dass Solidarität für die FDP auch innerparteilich ein Fremdwort ist.

Ich habe mir einmal überlegt – das wird Sie vielleicht überraschen –, was an Positivem aus der Amtszeit der scheidenden Minister zurückbleibt. Ich weiß auch, wie ich Sie treffen kann. Ich musste zwar etwas länger nachdenken, aber mir fiel etwas ein.

Deswegen sage ich jetzt ganz ohne Spaß: Herr Minister Posch, ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich würdigen, dass es nicht der hessische Wirtschaftsminister war, der die Schlecker-Beschäftigten, als es um die Beschäftigungsgesellschaft ging, im Regen stehen ließ.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das war sicher auch ein Erfolg der Proteste, aber ich will ausdrücklich anerkennen: Für Sie waren an dieser Stelle die 2.000 hessischen Beschäftigten wichtiger als die Einhaltung dogmatischer neoliberaler Grundsätze. Dass ihr Nachfolger genauso entschieden hätte, wage ich zu bezweifeln. Das aber will ich eindeutig anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin Henzler, Sie haben in Ihrer Amtszeit den Schulbesuch für Kinder ohne legalen Aufenthaltsstatus ermöglicht und damit einen großen Fehler der Vorgängerregierung korrigiert. In Hessen hatten wir die Regelung, dass Lehrern, die Kinder ohne legalen Aufenthaltsstatus nicht den Behörden meldeten, dienstrechtliche Konsequenzen drohten. Frau Ministerin, das haben Sie korrigiert. Für uns gilt: Kein Kind ist illegal. Deshalb war das ein wichtiger Schritt in Ihrer Amtszeit, den ich ausdrücklich anerkennen möchte.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD), an die FDP gewandt: Wir reden über Sie! – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Süßes Gift!)

Herr Blechschmidt, das ist kein süßes Gift. Im Gegensatz zu Ihnen schauen wir nicht nur darauf, von wem der Antrag kommt, sondern für uns zählt auch, was drinsteht. Deswegen haben wir die Minister in den beiden Punkten unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für uns ist entscheidend, dass es in der Landesregierung nicht nur einen Austausch von Köpfen, sondern vor allem auch einen Austausch von Inhalten gibt. Angesichts der designierten Nachfolger bin ich diesbezüglich nicht gerade hoffnungslos gestimmt, möchte ihnen aber meinen Rat und meine Vorschläge selbstverständlich nicht vorenthalten.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Sowohl im Wirtschaftsministerium als auch im Kultusministerium kann die Landesregierung bisher nämlich nicht gerade auf Glanztaten zurückschauen. Herr Rentsch, zu behaupten, Ihr Vorgänger habe Ihnen ein unbestelltes Feld hinterlassen, wäre vielleicht sogar eine Untertreibung. In vielen zentralen Zukunftspunkten erinnert das Wirtschaftsministerium geradezu an eine Brachfläche. Verkehrspolitische Zukunftskonzepte gibt es nicht. Die Landesregierung unternimmt keinerlei Anstrengungen, um den CO2-Ausstoss und den Energieverbrauch durch den Verkehr zu reduzieren.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)