Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Gottfried Milde, CDU-Fraktion.

(Norbert Schmitt (SPD): Zu einem solch schwierigen Thema willst du reden?)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, die Debatte wird heute ohne Norbert Schmitt geführt. Das ist ja auch ein sehr kompliziertes Thema.

Herr Kollege van Ooyen, Sie haben von Gerechtigkeit gesprochen. Ich sage Ihnen gleich zu Beginn dieser Debatte eines: Gerecht ist auch, dass der, der mehr erwirtschaftet, am Ende mehr hat. Das gilt sowohl für den Länderfinanzausgleich als auch sonst im Leben.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, darin sind wir uns mit SPD und GRÜNEN sogar einig; denn wir alle sehen, dass irgendwelche Ungerechtigkeiten im Länderfinanzausgleich offensichtlich dazu führen, dass die, die am Anfang am meisten haben, am Ende am wenigsten haben. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir bekennen uns ausdrücklich zum Prinzip der Solidarität unter den Ländern. Das Grundgesetz normiert die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet als Ziel der föderalen Ordnung. Daraus leitet sich die Notwendigkeit eines Länderfinanzausgleichs ab. Das ist keine Frage.

Aber an dem Beispiel der GRÜNEN, die so tun, als hätten sie in diesem Haus schon ein tragfähiges Konzept unterbreitet, sieht man – deswegen bin ich der FDP ausdrücklich dankbar dafür, dass sie den Länderfinanzausgleich heute wieder zum Thema gemacht hat –, dass es nicht so einfach ist. Sie tun zwar so, als ob Sie ein Konzept hätten, aber in Wirklichkeit haben Sie keines.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Grundvorschlag, der vor allem von den GRÜNEN aus Baden-Württemberg stammt und im Zusammenhang mit dem Gutachten von Frau Prof. Behnke eingebracht wurde, wonach man den Länderfinanzausgleich im Prinzip abschafft und die Verteilung über die Umsatzsteuer organisiert, ist nicht so falsch. Das war übrigens der Gegenstand eines hessischen Vorschlags, der schon im Jahr 1999 gemacht worden ist. Aber der Teufel steckt im Detail. Sie erkennen jetzt bitter, dass, wenn man das ganze System mit Zahlen füttert, auf einmal Verwerfungen entstehen, die Sie nicht wollen und am Ende auch nicht durchsetzen können.

Da Herr van Ooyen so getan hat, als ob das eigentlich unsere Pflicht wäre und wir nur mehr Steuereinnahmen benötigten, damit am Ende alles gut ausgeht, will ich noch einmal deutlich sagen: Wir haben in Hessen seit 1999 10 Milliarden € mehr in den Länderfinanzausgleich eingezahlt, als wir Schulden gemacht haben. Das kann auf Dauer nicht so bleiben. Ich wiederhole auch hier: Wir las

sen nicht zu, dass man sich in anderen Bundesländern mit hessischem Geld Dinge leistet, die wir uns hier nicht leisten können.

(Florian Rentsch (FDP): Rheinland-Pfalz!)

Ein Beispiel ist Rheinland-Pfalz mit der kostenlosen Kindergartenbetreuung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Al-Wazir, die Zeit ist kurz. – Ich will Ihnen sagen: Wir haben in Hessen in dem Etat für das Jahr 2012 1,9 Milliarden € dafür eingestellt. Was ist der Kern des Problems? Wohin fließt das Geld? Der Kern des Problems ist, dass das Geld im Wesentlichen in die Stadtstaaten fließt. Das hat etwas mit der Einwohnerveredelung bei den Regelungen für die Stadtstaaten zu tun. Das macht fast zwei Drittel des Länderfinanzausgleichs aus.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Zwei Drittel des Gelds aus dem Länderfinanzausgleich geht an die Stadtstaaten. Dazu, dass aus dem Länderfinanzausgleich über 3 Milliarden € zur Finanzierung der Bundeshauptstadt zur Verfügung gestellt werden – auch das wurde vorhin angesprochen –, muss ich Ihnen sagen: Es kann nicht die Aufgabe der Solidargemeinschaft der Länder sein, das Hauptstadtprivileg zu finanzieren. Da müssen andere ran.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Da hast du recht!)

Ich will auch noch einmal deutlich sagen: Das Land Hessen, das am Anfang aller Rechnungen auf dem ersten Platz steht, was die Finanzkraft betrifft, landet auf dem letzten Platz, wenn alles andere abgezogen worden ist: nach der Umsatzsteuerverteilung, nach dem Länderfinanzausgleich und nach den Bundesergänzungszuweisungen an die anderen Länder. Das stellt die Leistungsfähigkeit eines Landes auf den Kopf. Das kann nicht so sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Übrigen ist das auch für das System gefährlich, wenn ich die Leistungsfähigkeit der Starken am Ende so stark reduziere, dass sie ihren eigenen Aufgaben nicht mehr gerecht werden können. Wenn diese Leistungsfähigkeit auf Dauer nicht sichergestellt wird, haben auch die anderen Bundesländer dauerhaft nichts davon. Deswegen sage ich Ihnen: Wir brauchen ein System, das in der Tat anreizfreundlicher wird. Da kann man auf dem aufbauen, was die GRÜNEN vorgeschlagen haben. Das wird garantiert so, wenn der grundsätzliche Ausgleich abgeschafft und nur noch über die Umsatzsteuer verteilt wird.

Meine Damen und Herren, wir brauchen am Ende aber in jedem Fall ein System, wo bei den Bundesländern mehr in der Tasche bleibt, die mehr erwirtschaften. Das verstehen sonst die Menschen in einem Land nämlich nicht. Lassen Sie mich das zum Abschluss sagen: Sie von der Opposition, gerade weil die SPD jeden Fortgang bei CDU, FDP und GRÜNEN beklagt, den wir im Bereich des Länderfinanzausgleichs machen, müssen sich fragen, ob Sie hessische Interessen oder die anderer Bundesländer vertreten. Wir jedenfalls, FDP und CDU, stehen auf der Seite der hessischen Bürgerinnen und Bürger. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Milde. – Das Wort hat Herr Kollege Marius Weiß, SPD-Fraktion.

(Holger Bellino (CDU): Einfach dem Kollegen Milde anschließen!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Länderfinanzausgleich, Klappe, die 13. in dieser Legislaturperiode, und diesmal heißt es: „... sorgfältig erarbeitetes Anreizmodell statt grüner Schnellschuss“.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kreativität der FDP beschränkt sich inzwischen auf Pressemitteilungen über Haare und das Ausdenken von Titeln zu Aktuellen Stunden über den Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Kollege Noll, Sie konnten mich, so muss ich zugestehen, eben überraschen, obwohl Sie bei den Aktuellen Stunden wie das tägliche Murmeltier nicht wirklich für Abwechslung sorgen. Ich hatte mich bei meiner Rede auf zwei Szenarien eingestellt: dass Sie das Konzept der GRÜNEN entweder gelesen haben oder nicht. Damit, dass Sie es gelesen und nicht verstanden haben, hatte ich eigentlich nicht gerechnet. Manchmal kommt man nicht auf das, was eigentlich das Nächstliegende ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So viel Flexibilität bekomme ich trotzdem noch hin. Meine Damen und Herren, es ist leider so wie immer in dieser Legislaturperiode: Diese Regierung kündigt an, macht aber nichts. Die Opposition macht dagegen die Arbeit und muss sich dafür von der Regierung beschimpfen lassen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und die Opposition entscheidet auch, oder?)

Das erlebt die SPD hier ständig, und jetzt bekommen es halt mal die GRÜNEN ab. Wenn die FDP im März ein Konzept für eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs bejubelt, das frühestens im Herbst vorliegt, dann ist das politische Weitsicht. Wenn die GRÜNEN jetzt ein Konzept vorlegen, das es tatsächlich schon gibt, dann ist das ein Schnellschuss. Das ist liberale Logik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Konzept der GRÜNEN, das jetzt in Kurzfassung vorliegt, greift ein paar wichtige Punkte auf, die ich in den Debatten zum Länderfinanzausgleich hier auch schon mehrfach angesprochen habe, zuletzt Ende März. Die großen Kritikpunkte am Status quo, nämlich die fehlenden Leistungsanreize, die entsolidarisierende Wirkung, die In trans parenz und die fehlende Berücksichtigung von regionalspezifischen Besonderheiten, werden abgeschafft und die Umverteilung von Finanzmitteln auf komplett neue Füße gestellt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Im Übrigen werden dadurch auch diese elendigen Neiddebatten abgeschafft, Herr Kollege Milde, die Sie gerade schon wieder angeführt haben, von wegen: „Die anderen Bundesländer leben auf unsere Kosten“. Das hat sich damit endlich erledigt.

Ich wollte mich schon immer einmal selbst zitieren, das mache ich jetzt auch.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe hier vor sechs Wochen vorgeschlagen: „Die Umsatzsteuer könnte... nach dem Bedarf der Länder verteilt werden. Diesen Bedarf könnte man an den Arbeitslosenquoten und der Bevölkerungsentwicklung messen.“ Genau das schlägt die Gutachterin der GRÜNEN, Frau Prof. Behnke, jetzt vor. Sie will den horizontalen Finanzausgleich komplett abschaffen und neben den bereits im bestehenden Ausgleichssystem vorhandenen Kriterien Finanzkraft und Einwohnerzahl die Indikatoren Arbeitslosenzahl, Bevölkerungsdichte und Entwicklung hinzufügen.

Dieses Modell hat sehr viel Charme, weil eine systematische Einbeziehung von Bedarfen in die reguläre Umsatzsteuerverteilung mehr Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit verspricht. Sicherlich gibt es zu dem Konzept auch noch eine ganze Menge Fragen, etwa zur Gestaltung der Kompensationszahlungen an die Länder, die bei dem neuen System schlechter gestellt werden, was die Gutachterin als „sanfte Landung“ bezeichnet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Zu der fachlichen Diskussion wird mit Sicherheit noch eine politische hinzukommen. Das haben wir hier auch schon erlebt, was die Bundesländer angeht, die dann schlechter gestellt sind. Es wurden Baden-Württemberg oder NRW genannt. Dazu möchte ich aber noch einmal anmerken, dass die Zahlen der Simulationsberechnung der Gutachterin die des Länderfinanzausgleichs von 2009 sind. Wenn Sie sich die neuesten Zahlen anschauen, z. B. das erste Quartal 2012, dann ist es so, dass NordrheinWestfalen im Länderfinanzausgleich seit langer Zeit im ersten Quartal 2012 mal wieder Geberland ist. Das sei an dieser Stelle angemerkt. Es liegt daran, dass wir in Nord rhein-Westfalen mit der rot-grünen Landesregierung eine sehr gute Politik machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, Sie brauchen gar nicht so zu schauen, das ist natürlich so. Ihre Spitzenkandidaten kommen doch inzwischen nur noch in Landtage hinein, wenn sie Wahlkampf gegen die eigene Partei machen.

(Beifall bei der SPD)

Von daher wird das Strohfeuer vom letzten Wochenende dann schnell wieder vorbei sein, Herr Kollege Rentsch.

(Florian Rentsch (FDP): Haben Sie mal mit Andrea Ypsilanti gesprochen?)