Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Hessischen Justizkostengesetzes – Drucks. 18/5724 –
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau zwei Jahren habe ich Ihnen an dieser Stelle im Rahmen einer Regierungserklärung
die Pläne der Hessischen Landesregierung zur Neustrukturierung der Justiz vorgetragen. Heute bringe ich für die Landesregierung einen Gesetzentwurf ein, der die Ein
nahmeseite der Justiz nachhaltig fördern soll. Über beidem ist das Thema der Schuldenbremse gelegen. Ich möchte kurz auf die beiden zentralen Inhalte des Gesetzentwurfs eingehen. Es handelt sich um die Einführung eines Forderungsmanagements und darüber hinaus um die Einführung von Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare.
Zum ersten Aspekt. In der hessischen Justiz werden jährlich Beträge in zweistelliger Millionenhöhe aus nicht beitreibbaren Gerichtskostenforderungen niedergeschlagen. Die Zugriffsmöglichkeiten der Gerichtskasse als Vollstreckungsstelle auf pfändbare Vermögenswerte oder auf eine neue Anschrift infolge eines Wohnsitzwechsels beschränken sich bekanntlich auf freiwillige Angaben der Kostenschuldner und die Eintragungen in den Einwohnermeldeamtsdateien.
Um diesem Zustand abzuhelfen und die Einnahmesituation der hessischen Justiz deutlich zu verbessern, brauchen wir ein gezieltes Forderungsmanagement. Mit dem von der Landesregierung eingebrachten Entwurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Hessischen Justizkostengesetzes sollen in das Gesetz Regelungen aufgenommen werden, die es ermöglichen, zur Realisierung niedergeschlagener Forderungen private, auf Forderungseinzug spezialisierte Unternehmen zur Unterstützung beim Aufspüren von pfändbaren Vermögenswerten und/oder neuen Wohnanschriften heranzuziehen.
Auch bei Zahlung einer Provision an das private Unternehmen werden infolge dieser Verfahrensweise signifikante Mehreinnahmen zu verzeichnen sein. Hierfür sprechen die Erfahrungen, die seit 2009 im Rahmen eines Pilotprojekts in Baden-Württemberg gesammelt worden sind.
Natürlich will ich nicht verschweigen, dass die angehörten Fachkreise und Verbände die vorgesehenen Regelungen überwiegend kritisch sehen. Die Vertretungen der Gerichtsvollzieher befürchten einen Eingriff in den dieser Berufsgruppe originär übertragenen hoheitlichen Bereich. Die Vertretungen der Anwaltschaft erheben vor allem Einwände datenschutzrechtlicher Art. Die Interessensverbände der Inkassounternehmen plädieren hingegen für weitergehende Betätigungsmöglichkeiten der Privaten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Sicht der Hessischen Landesregierung schlagen die erhobenen Einwände aber nicht durch. Eine Delegation hoheitlicher Befugnisse erfolgt gerade nicht. Den Gerichtsvollzieherinnen und -ziehern in Hessen werden durch die Einrichtung des Forderungsmanagements keine Aufgaben entzogen. Die Gerichtskassen treiben die Forderungen auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wie bisher bei. Künftig können sie sich aber, wenn Zwangsversteigerungsmaßnahmen erfolglos bleiben und die Forderung deshalb niedergeschlagen wird, Dritter bedienen, um weitere Erkenntnisse für einen Beitreibungserfolg zu erwerben.
Das hierfür vorgesehene Verfahren ist datenschutzrechtlich unbedenklich. Es ist mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten abgestimmt. Lassen Sie mich deshalb zu diesem Teil zusammenfassend festhalten – wir hatten gerade eine Gerechtigkeitsdiskussion im Zusammenhang mit dem Staat zustehenden Geldern –: Genauso, wie es richtig ist, dass Steuerhinterziehung mit der Aufklärung in der Beitreibung nicht ermöglicht wird, genauso ist es richtig, dass dem Staat zustehende Beträge auch eingetrieben
Meine Damen und Herren, zum Zweiten. Ich habe darauf hingewiesen, Ihnen das Thema Einführung von Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vorzustellen. Die Bearbeitung der in der Bundesnotarordnung geregelten Angelegenheiten der Notare verursacht bei den zuständigen Justizbehörden einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und bindet qualifiziertes Personal, insbesondere auch Personal des richterlichen Dienstes. Dies gilt vor allem für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung der Notare, für die Durchführung der Auswahlverfahren zur Besetzung von Notarstellen – –
Herr Kollege Rudolph, vielen Dank, dass Sie mir wenigs tens erlauben, dass ich so rede, dass es auch einige im Raum hören.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen für die Bearbeitung von Notaraufgaben Personal, nicht nur qualifiziertes nicht richterliches, sondern auch richterliches Personal. Dies gilt vor allem für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung der Notare, für die Durchführung der Auswahlverfahren zur Besetzung von Notarstellen, für die Entscheidung über Anträge auf Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen, für die Bestellung von Notarvertreterinnen und -vertretern, aber auch für die Bescheidung der seltener vorkommenden Anträge auf Amtssitzverlegung, auf Einrichtung einer Zweigstelle oder eines Sprechtages oder, das kommt häufig vor, auf Genehmigung von Beurkundungen außerhalb des Amtsbezirks.
Mit Rücksicht auf den dem öffentlichen Dienst angenäherten Status und die Funktionen der Notarinnen und Notare, die Träger eines öffentlichen Amtes sind und staatliche Aufgaben zu besorgen haben und Rechtspflege wahrnehmen, wurde in Hessen bisher von der Erhebung von Gebühren in Notarangelegenheiten abgesehen. Demgegenüber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben mittlerweile alle anderen Bundesländer mit ausschließlich Anwaltsnotariat, das sind Berlin, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Gebühren für Amtshandlungen nach der Bundesnotarordnung eingeführt.
Auch für Hessen ergibt sich jetzt im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Konsolidierung der Landes finanzen die Notwendigkeit, die durch den Verwaltungsund Personalaufwand in Notarangelegenheiten ent stehenden Kosten zumindest teilweise durch die Erhebung von Gebühren zu decken. Da die Erhebung solcher Gebühren einer gesetzlichen Grundlage bedarf, ist eine entsprechende Ergänzung des Gebührenverzeichnisses zu § 1 des Hessischen Justizkostengesetzes erforderlich und im Entwurf des Vierten Änderungsgesetzes vorgesehen.
Die Einführung von Verwaltungsgebühren in Notarangelegenheiten wird von den Notarkammern Frankfurt am Main und Kassel, von den Rechtsanwaltskammern sowie dem Landesverband Hessen im Deutschen Anwaltverein
abgelehnt. Dies ist aus Sicht der Landesregierung verständlich, da die Mitglieder dieser Institutionen durch die Einführung von Verwaltungsgebühren finanziell belastet werden. Gleichwohl schlagen die Einwände nicht durch.
Weder die Amtsträgereigenschaft der Notare noch der Umstand, dass die gebührenpflichtigen Amtshandlungen auch im öffentlichen Interesse erfolgen, stehen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Erhebung von Gebühren entgegen. Der Gesetzentwurf trägt der Amtsstellung der Notarinnen und Notare im Übrigen dadurch Rechnung, dass er generell keine Gebühren für Amtshandlungen vorsieht, die ausschließlich im öffentlichen Interesse liegen oder bei denen das öffentliche Interesse deutlich überwiegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend sind die Einführung des Forderungsmanagements und die Erhebung von Verwaltungsgebühren und Notarangelegenheiten unerlässlich, um den Kostendeckungsgrad der hessischen Justiz zu erhöhen. Dies ist erforderlich, um auch insoweit einen Beitrag zur Konsolidierung der Landesfinanzen zu leisten.
Ich freue mich auf die sicherlich sehr angeregte und in der Regel auch nicht interessengesteuerte Debatte, die wir im Rechts- und Integrationsausschuss des Landtags führen werden. – Vielen herzlichen Dank.
Ich eröffne die Aussprache. Als nächste Rednerin hat sich Frau Hofmann für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Frau Hofmann, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie der Justizminister ausgeführt hat, sollen mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zum einen die Verwaltungsgebühren in Notarangelegenheiten eingeführt werden, auch in Hessen. Zum anderen sollen nun auch Private im Bereich der Forderungseinziehung bei niedergeschlagenen Forderungen eingesetzt werden können.
Meine Damen und Herren, die SPD wird diesen Gesetzentwurf und dieses Gesetzgebungsverfahren sehr kritisch begleiten. Der Gesetzentwurf wirft nämlich in der Tat sehr viele Fragen auf. So ist zunächst der Einsatz privater Unternehmer bei der Beitreibung von niedergeschlagenen Forderungen – hier spricht der Gesetzentwurf nur von Inkassounternehmen – kritisch zu beleuchten, da wir alle hier im Raum wissen, dass es die Landesregierung, gerade was die Abgrenzung hoheitlicher Aufgaben von privaten Aufgaben angeht, nicht immer so genau nimmt. Hier ist nur an die teilprivatisierte Anstalt JVA Hünfeld zu erinnern oder auch an den Einsatz der elektronischen Fußfessel, an die Beauftragung eines privaten Unternehmens, an den Einsatz von studentischen Hilfskräften. Bei dieser gravierenden verfassungsrechtlichen Frage, nämlich der Abgrenzung von hoheitlichen und privaten Auf
Warum Private? Der Justizminister hat angeführt, dass gerade bei niedergeschlagenen Forderungen der Staat oft auf Forderungen sitzen bleibt und dass hier in der Tat – das wollen wir einräumen – mehr zu tun ist. Aber wir haben ein sehr erfolgreiches Vollstreckungswesen.
Vom Hessischen Gerichtsvollzieherverband wissen wir, dass die hessischen Gerichtsvollzieher selbst willens und in der Lage sind, erneute Vollstreckungen, die wegen früherer Erfolglosigkeit niedergeschlagen worden sind, erfolgreich durchzuführen. Ich will einräumen, dass es auch in diesem Bereich noch Optimierungsbedarf gibt, dass wir auch hier noch besser und noch professioneller werden können. Aber warum glauben Sie, dass private Inkassofirmen das besser und gewinnbringender machen könnten als professionell ausgebildete Gerichtsvollzieher, denen diese hoheitliche Aufgabe übertragen worden ist?
Sie sagen zu Recht, Baden-Württemberg hat bereits das Forderungsmanagement. Aber Sie haben auch auf die Erfahrungen in Baden-Württemberg angespielt. Sie dürfen nicht vergessen oder haben es vielleicht auch unterschlagen, dass es einen entsprechenden Evaluierungsbericht aus Baden-Württemberg noch gar nicht gibt. Der liegt noch gar nicht vor.
Wollen Sie nicht die Erfahrungen, die Evaluierung in Baden-Württemberg abwarten, bevor Sie sich selbst eine blutige Nase holen? By the way: Nach unseren Informationen sind die Erfahrungen, die das Land Baden-Württemberg gemacht hat, nicht durchweg positiv.
So hat die „Frankfurter Rundschau“ heute geschrieben – ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren –,
dass Inkassobüros keinen unlauteren Druck ausüben dürfen. Nächtliche Telefonanrufe etwa sind tabu, und der Aufdringlichkeit der Außendienstmitarbeiter sind enge Grenzen gesetzt.
Für die Forderungsbeitreibung sollen an private Dritte höchstpersönliche Daten weitergegeben werden. Das hat der Justizminister auch schon erwähnt. Aber auch hier ist nicht hinreichend klar, auch nicht in dem Gesetzentwurf, wie der erforderliche Schuldnerdatenschutz gewährleistet werden soll. Wir haben es mit höchstpersönlichen Daten der Schuldner zu tun.
Außerdem verkennen Sie, dass die Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung die bisherigen Befugnisse der Gerichtsvollzieher ausweitet. Das heißt, wir haben einen Kompetenz- und Befugnisgewinn bei den Gerichtsvollziehern. Der sollte auch ausgeschöpft werden.