Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Herr Schäfer-Gümbel, ich stelle mir lebhaft vor, was wäre, wenn Sie hier säßen und wir die Diskussion hätten. Ich wette mit Ihnen, dass es den Spatenstich zu dem Zeitpunkt nicht gegeben hätte.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Demonstrati- ver Beifall des Abg. Willy van Ooyen (DIE LIN- KE))

Das wäre eine der konkreten Folgen dieses Tages gewesen. Deswegen ist die Frage, wann wir aus dieser Krise herauskommen, wie schnell wir die neuen Potenziale bekommen werden, nicht die Frage danach, ob das irgendwann möglich ist, sondern da geht es um jedes halbe Jahr. Mit Ihrer Politik wäre es nicht um ein halbes Jahr gegangen, sondern um einen deutlich längeren Zeitraum, wie Sie genau wissen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wenn überhaupt!)

weil Sie drei Regierungspartner gehabt hätten, von denen zwei den Flughafen eigentlich gar nicht wollen, und Sie selbst gelegentlich darüber diskutieren, ob Sie ihn wollen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ausbau!)

Den Flughafenausbau gar nicht wollen. Das reicht. Das ist schlimm genug. Darauf kann ich es konzentrieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage nach der Infrastruktur bleibt bei den Entscheidungen über die Verkehrsinfrastrukturprojekte in Nordhessen bestehen.

Auch da wollen wir bald den Spatenstich haben, z. B. in Kassel-Calden.

Sie bleiben auch in der parteipolitischen Debatte. Ich räume ein, dass ich jedenfalls für die osthessische Region mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen habe – Herr Schäfer-Gümbel, ich wette, hätten Sie vor der Landtagswahl abgestimmt, hätten Sie sich das nicht getraut –, dass Sie jetzt wieder in freundlichem Schulterschluss mit den GRÜNEN die Verbindung Fulda – Meiningen kaputt machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das wird Ihnen so nicht gelingen. Aber es zeigt, dass Sie immer noch in der gleichen Weise denken.Das ist eine unserer erfolgreichsten Wirtschaftsregionen. Das ist eine Region,die das alles aus eigener Kraft gemacht hat,die einen riesigen Mittelstand hat. Sie haben es aber doch nicht verdient, dass sie auf Dauer die Wunde haben, weil dort verdammt noch mal das Fulda Gap lag, weil da die Zonengrenze lag, dass sie auf Dauer nicht in einer interregionalen Zusammenarbeit sind. Das ist Ihre Beschlussfassung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Deshalb ist die eine Entscheidung für die Verkehrsinfrastruktur, die zweite für die Wissensinfrastruktur.

Wir sind seit zehn Jahren, seit der Eröffnungsbilanz, die Ihnen damals Ruth Wagner eindrucksvoll vorgetragen hat, bei einer Aufholjagd in der Wissenschaftspolitik in diesem Lande, um unsere Hochschulstandorte, unsere Forschungs- und Wissenschaftsstandorte endlich auf den Weg zu bringen, damit wir auf Augenhöhe mit den süddeutschen sind. Das wird noch fünf, sechs, sieben Jahre dauern. Kein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland hat im Augenblick vergleichbare Investitionsprogramme in die Bauten über HEUREKA, in die Bauten über unser Konjunkturprogramm und in die Wissenschaftslandschaft über das, was wir das LOEWE-Programm nennen.Es gibt kein vergleichbares Programm zusätzlich zu dem, was im Bund gemacht wird, wie bei uns. Wir stärken mit massiven Programmen. Wir machen das gezielt.

Das House of Finance arbeitet jetzt. Das House of Finance beruht auf einer Entscheidung, die diese Landesregierung in den letzten acht Jahren in der festen Überzeugung getroffen hat, dass wir den Finanzplatz auch in seinem Image anders aufstellen müssen. Jetzt tun wir es. Sie reden jetzt auch darüber, dass der Finanzplatz seine Bedeutung haben muss, dass wir Einfluss auf die internationalen Regulierungen nehmen müssen. Ja, weil diese Regierung die Gelder an der richtigen Stelle ausgegeben hat und weil wir das jetzt fortentwickeln, wird dieser Finanzplatz eine Stimme auf der Basis der Wissenschaft haben. Das ist eine richtige und notwendige Entscheidung, auf die wir auch stolz sind. Die lassen wir uns an dieser Stelle auch nicht wegnehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt ist Dieter Posch dabei,unter dem Stichwort House of Logistics and Mobility genau das Gleiche mit genau dem gleichen wissenschaftlichen Ansatz für die zweite für uns finanziell und arbeitsplatzmäßig so bedeutende Branche in unserem Land zu machen: für die Logistik.Wir machen das mit einem breiten Ansatz. Wir reden nicht nur über Straße oder Flugzeuge.Wir reden über Intermodalität,wir reden über die Finanzierung, wir reden über Ersatzmög

lichkeiten, auch im ökologischen Bereich, von Verkehr. Das ist breit angelegt.Wir sprechen darüber, dass wir Forschungszentren zusammenziehen. Wir sprechen darüber, dass wir ein internationales Tagungszentrum dafür haben wollen. Wir wollen Labore aus den Universitäten haben, von Darmstadt, von Frankfurt oder der privaten Universität EBS. Alle kommen an einem Platz zusammen und forschen und arbeiten. Damit schaffen sie einen starken Schwerpunkt.

Das ist die nächste Voraussetzung dafür, dass wir international auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben. Ich bin überzeugt davon,dass wir das schaffen.Aber das hat nichts mit Schläfrigkeit zu tun. Das ist viel Arbeit, das ist feste Überzeugung,und es ist ein gradliniger,verlässlicher Weg in die Zukunft, der damit entstanden ist und weitergeführt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will dabei auch sagen: Ja, wir wollen, dass die Umwelt unter einer solchen Politik nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir wissen, dass das ein verdammt schwieriger Spagat ist. Da gibt es kein Entweder-oder. Ich bleibe auch bei der Flughafendiskussion dabei: Die totale Ruhe, an welcher Stelle auch immer,ist zugleich ein Verlust von Arbeitsplätzen.Deshalb ist die Frage,wie viele Arbeitsplätze man will, wie viele man anstreben kann und wo der Kompromiss ist, immer wieder aktuell.

Es geht aber nicht nur um die Frage des Flächenverbrauchs, obwohl die spannend ist. Die Nachhaltigkeitsinitiative wird fortgesetzt. Im letzten Jahr haben einige behauptet, das würde nicht weitergemacht, wenn es eine andere Regierung gibt. Das passiert alles nicht. Es stehen mehr Gelder im Haushalt.Wir werden die nächste Konferenz in wenigen Tagen haben. Ich habe in dieser Woche mit dem Fachbeirat zusammengesessen. Wir haben eine Menge Projekte, wir haben Hunderte von Menschen, die sich inzwischen fest verbunden dort eingeklinkt haben. Wir haben Projekte von Flächenverbrauch bis Energiereduzierung, klimaaktive Schulen und vieles andere. Wir werden daraus eine Bewegung machen, aber wir werden natürlich immer noch die Herausforderung haben, Leitentscheidungen zu treffen, was in welcher Reihenfolge wie geschieht.

Ich sage auch ganz klar:Wir bleiben z. B. bei der Energiepolitik dabei, dass wir glauben, dass es einen Energiemix geben muss.Wir glauben,dass wir die regenerativen Energien entwickeln können. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir das mit den heutigen technischen Möglichkeiten an bestimmten Stellen ambitionierter tun können, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Frau Ministerin Lautenschläger wird dazu in den nächsten Monaten ein Konzept erarbeiten und vorlegen. Ich sage aber auch: In einem Land, in dem 90 % der Elektrizitätsproduktionskapazität die beiden Nuklearanlagen in Biblis und die Anlage Staudinger sind, muss man sich immer überlegen – –

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Dass ein Werk in die Revision geht, wollen wir doch gemeinsam hoffen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie doch selbst nicht, dass RWE momentan eine Revision macht!)

Das würde an der Stelle auch nichts ändern. Dafür sind sie mit ihrer Kapazität da. Sie sind in der Revision, und

man wird sie wieder anfahren. Insofern ist die Sache völlig in Ordnung.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in dieser Frage glauben wir nicht – und wir sagen es den Bürgern offen –, dass wir uns mitten in einer Wirtschaftskrise, in der der gesamte Rest der Welt den Energiemix beibehält, eine teurere Variante leisten und gleichzeitig vergleichbar erfolgreich sein können.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt doch gar nicht!)

Deshalb glauben wir und unterstütze ich sehr, was Frau Ministerin Lautenschläger vorgeschlagen hat. Lasst uns vernünftig darüber reden. Wir haben heute noch Kraftwerke, die sicherer sind als manche, die in der Welt zurzeit neu gebaut werden.Wir haben ein hohes Wissen. Solange die Wissenschaftler uns das für jedes einzelne Kraftwerk bestätigen – ohne Pauschalierung, sondern jeweils Tag für Tag geprüft –, mit der Erwartung von Milliardeninvestitionen der Elektrizitätsindustrie in diese Werke, wenn sie sie weiter betreibt, lasst uns darüber reden, lasst uns zur Elektrizitätsindustrie gehen und sagen: 50 % des Mehrgewinns, den ihr habt, gehen nicht an eure Aktionäre, sondern an einen gemeinsamen Fonds.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )

Wir nehmen das Geld für regenerative Energien.Wir nehmen das Geld dafür,dass wir die Forschung beschleunigen können. Wir nehmen das Geld dafür, dass wir Dinge machen können, ohne es jeweils dem einzelnen Stromkunden auf seine Rechnung zu schreiben, weil wir es auf die Rechnung der Produzenten schreiben. Das ist doch eine vernünftige Politik.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, in Zeiten der Krise muss man zum Nachdenken in der Lage sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich wird es die Auseinandersetzung weiterhin geben, und es wäre gut, wenn sich das Gesetz nach der Bundestagswahl an dieser Stelle verändert.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich habe auch gar nichts dagegen, deshalb sage ich es so. Ich könnte den Teil in der Rede auch weglassen, Herr AlWazir.Ich will,dass wir die Menschen – darauf komme ich beim Haushalt gleich zu sprechen – nicht hinters Licht führen bei der Frage, was die Alternativen sind. Zu den Alternativen in diesem Land gehört, ob wir es schaffen können, einen Weg zu finden, auf dem wir die neue Zeit wirtschaftlich an der Spitze erreichen, oder ob wir unsere Chance, wirtschaftlich an der Spitze zu sein, verloren haben, bevor wir die neue Zeit erreicht haben. Mit dieser Frage hat die ideologische Festlegung von Ihnen zu tun, die Kernkraftwerke dichtzumachen, auch wenn alle anderen Länder in Europa gerade neue bauen. Das ist ersichtlich eine ideologische Festlegung, bei der Sie,

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

meine Damen und Herren von den GRÜNEN – ihr Sozis lauft hinterher, aber die GRÜNEN haben es gemacht; ihr macht es nur, weil ihr Angst vor den GRÜNEN habt – –

(Weitere Zurufe von der SPD)

Diese Fragestellung ist nach wie vor entscheidend, denn Sie als GRÜNE haben den Bürgern eine Annahme gegeben. Sie haben gesagt:Wenn wir Deutschen vorausgehen, dann wird der Rest der Welt folgen. – Jetzt haben wir es zehn Jahre überprüfen können, und wir stellen fest, dass das exakte Gegenteil richtig ist.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsch!)

Niemand, nicht einmal die engagiertesten Kernkraftbefürworter hätten vor zehn Jahren vorausgesagt, dass eine so große Anzahl von Kernkraftwerken heute in Bau ist,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo denn?)

dass Schweden seine Entscheidung aufhebt – z. B. in Schweden, wenn ich es richtig sehe –, dass ein Land wie die Niederlande per Gesetz entschieden hat, was ich nie gemacht hätte, dass die Laufzeit des Kraftwerks um 30 Jahre verlängert wird – so ist der Atomausstieg in den Niederlanden –, und dass jetzt die Amerikaner, die Russen und die Briten alle gleichzeitig in einem Wettlauf sind, wer als Erster die Kraftwerke bestellt. Unsere Kraftwerkskonzerne sind inzwischen selbst Teil des Wettbewerbs. Um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern, kaufen sie sich teilweise dort ein, weil sie in Deutschland die notwendigen Genehmigungen nicht bekommen.