Ich finde, deswegen dürfen wir nicht nur über die Frage reden, wie wir in diese Wirtschaftskrise geraten sind und wie wir wieder herauskommen, sondern wir müssen auch darüber reden, wie wir dafür sorgen, dass wir nach der
Überwindung der Wirtschaftskrise nicht noch eine Krise des Staats bekommen, weil wir mit unseren Ausgaben nicht mehr zurechtkommen.
Wir können jetzt nicht gegen diese Krise ansparen. Man muss investieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheit, man muss allerdings richtig investieren.
Aber wir müssen auch über die Frage reden, wie wir die Handlungsfähigkeit des Staats, auch des Landes Hessen, langfristig gewährleisten.
Die FDP nimmt in diesem Fragen niemand ernst. Deren Rezepte haben erst dafür gesorgt, dass die Wirtschaft an die Wand gefahren ist, und deren Rezepte würden dafür sorgen, dass danach auch noch der Staat an die Wand fährt.
Mit Ihren Steuerkonzepten können Sie sich selbst beschäftigen.An diesem Punkt nimmt Sie wirklich niemand mehr ernst, der sich mit der jetzigen Lage befasst.
Aber ich frage mich: Wo waren die Aufschreie des Hessischen Ministerpräsidenten,als in der CDU angesichts dieser Lage ernsthaft mit einer Steuersenkungsdebatte begonnen wurde? Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Wo ist Ihr Aufschrei?
Sie wissen doch, dass wir angesichts der größten Finanzlöcher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Steuersenkungen nicht nur nicht weiterkämen, sondern dass wir in letzter Konsequenz nach der Wirtschaftskrise auch eine Staatskrise hätten.
Sie haben gefragt, ob wir dafür seien, die Gesamtbelastung zu erhöhen. Herr Koch, ich bin nicht dafür, die Gesamtbelastung zu erhöhen.Aber im Prinzip ist es doch so: Das, was heute zu der Überschrift in der „Bild“-Zeitung geführt hat, bestätigt doch das, was gerade wir seit Jahren gesagt haben. Wir haben in Deutschland nicht das Problem einer zu hohen Steuerquote.Wir haben das Problem einer zu hohen Abgabenquote, einer zu hohen Lohnnebenkostenquote.
Herr Kollege Wagner, weil die Lohnnebenkosten nicht progressiv sind, sondern weil sie alle gleich treffen, haben wir das Problem, dass diese Abgabenquote besonders die Geringverdiener und nicht die hoch Verdienenden trifft.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Wir werden in diesem Land keine Debatte darüber führen müssen, wie wir die Steuer- und Abgabenquote insgesamt erhöhen, sondern wir werden eine Debatte darüber führen müssen, wie wir dafür sorgen, dass die Geringverdiener, die in Deutschland besonders betroffen sind, entlastet werden, und wie wir das darüber kompensieren, dass auch diejenigen, die in den letzten Jahren besonders entlastet worden sind,
und diejenigen – seien wir einmal ehrlich –, die von den sogenannten Finanzprodukten besonders profitiert haben, ihren Teil dazu beitragen, dass auch der Staat aus dieser Krise handlungsfähig hervorgeht. Darum geht die Debatte, die wir führen müssen.
Da würde ich mir wünschen, dass die Leute, die wissen, wie die Realität aussieht, endlich einmal zu einer wirklichen Einschätzung der Lage zurückkehren und sich von diesen Wolkenkuckucksheimdiskussionen, die auch in den USA und in Großbritannien niemand mehr führt, endgültig verabschieden. Irgendwann, wenn dieser Teil der Geschichte vorübergegangen ist, werden es auch die Mitglieder der FDP verstehen.
Deswegen sage ich Ihnen: Herr Koch, ich würde mir eines wünschen. Sie haben in der ersten Hälfte Ihrer Rede den Weltökonomen gegeben, um nicht über die bittere Realität des Landeshaushalts reden zu müssen.
Aber, erstens, endet das mit den selbst ernannten Weltökonomen meistens bitter. Ein Blick auf Oskar Lafontaine zeigt, wohin das führt.
Zweitens, finde ich, muss man schon einmal genau hinschauen und fragen: Was machen Sie denn jetzt konkret? – Denn Sie geben immer nur den Weltökonomen.Aber in der Realität, da wo Sie selbst Verantwortung tragen, machen Sie genau das Gegenteil. Das lassen wir Ihnen nicht mehr durchgehen. Das lässt Ihnen auch die Bevölkerung nicht mehr durchgehen.
Heute ist der 13.Mai 2009.Sie sind jetzt zehn Jahre und etwas über einen Monat im Amt.Herr Ministerpräsident,da müssen Sie es sich schon gefallen lassen,dass Sie die Frage gestellt bekommen: Was haben Sie denn gemacht? – Diese Frage stellen wir. Die werden wir Ihnen immer wieder stellen.
Ich glaube, die Wiederkehr des Keynesianismus ist gerade für die Hessische Landesregierung etwas ganz Besonderes. Gerade jetzt in der Krise rächt es sich, dass Sie in den Jahren, in denen wir exorbitant hohe Steuermehreinnahmen hatten, es nicht geschafft haben, den Haushalt auszugleichen. Wir hatten im Jahr 2006 in Hessen Steuermehreinnahmen in Höhe von 15,3 %. Im Jahr 2007 hatten wir Steuermehreinnahmen in Höhe von 13,1 %.In diesen Jahren haben Sie nicht nur den Haushaltsausgleich nicht geschafft, sondern Sie haben gleichzeitig noch Landesvermögen verschleudert, um das Ausmaß der Krise zu verschleiern. Das rächt sich jetzt, und zwar ganz bitter.
Herr Koch, Sie rufen ständig: Holt mich hier raus. – Sie hatten das Pech, dass der Müllermeister Glos Ihnen den Sessel nicht lange genug warmgehalten hat. Herr Koch, Sie werden noch eine Zeit lang mit der hiesigen Situation leben müssen.
Ja, ich werde hier noch eine Zeit lang leben. Aber der Unterschied zwischen Roland Koch und mir besteht darin,
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Vol- ker Hoff (CDU): Oh!)
Wir werden da sehr konkret werden. Wir werden Ihnen zwischen der zweiten und der dritten Lesung Änderungsantrag für Änderungsantrag vorlegen, die zeigen, wie wir auch im hessischen Landeshaushalt dazu kommen könnten, eine Änderung der Richtung zu erzielen.
Natürlich gibt es ein großes Investitionsprogramm. Herr Finanzminister, die 2,5 Milliarden c Nettoneuverschuldung, die jetzt noch im Haushaltsplan stehen, werden am Ende nicht die Realität sein. Das hat in Wahrheit auch nichts mit den 2,4 Milliarden c für Investitionen zu tun. Hinsichtlich des Investitionsprogramms haben wir das zusätzliche Problem, dass die Aufnahme der Schulden in die Zukunft verschoben wurde. Was uns heute aber an Einnahmen fehlt, ist jetzt schon Realität. Das heißt, unser strukturelles Defizit ist eigentlich noch viel größer als das, was wir momentan im Entwurf des Haushaltsplans lesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man schon Geld ausgibt, dann muss wenigstens die Richtung stimmen. Hinsichtlich des Themas Bildung und hinsichtlich des Themas Schulbauten sind sich hier alle einig.Ich habe niemanden getroffen, der da eine andere Auffassung vertritt.
Aber bei dem, was es nebenher noch so gibt, muss schon die Frage erlaubt sein: Stimmt die Richtung eigentlich, oder ist es nicht noch viel mehr von der Medizin, die nicht wirkt? Mit Ihrem „Hurra, noch mehr Straßenbau“ kommen Sie mir manchmal vor wie ein Arzt im Mittelalter. Wenn der Aderlass nicht gewirkt hat, hat er noch etwas mehr Blut abgelassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht zukunftsfähig. Da stimmt die Richtung nicht.
Deswegen sage ich Ihnen ausdrücklich: Wir reden über die Frage, ob die Richtung der von Ihnen getätigten Investitionen stimmt. Herr Ministerpräsident, ich war Ihnen geradezu dankbar für Ihren Ausflug in die Energiepolitik. Denn das hat eines deutlich gemacht. Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, dass Sie hier standen und gesagt haben, Sie würden Hessen zum Musterland der erneuerbaren Energien machen.