Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Ein Jahr später steht hier der alte Atom-Koch. Herr Ministerpräsident, vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie sagen, Sie würden beides machen. Ich stelle Ihnen dazu die Frage:Wo findet sich das in Ihrer realen Politik? Wo findet sich das in Ihrem Investitionsprogramm? Wo findet sich das in dem Entwurf dieses Landeshaushalts?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in der letzten Woche den Umweltatlas 2008 vorgestellt bekommen. In diesem Umweltatlas 2008 steht ein sehr interessantes Ergebnis. Zwischen 2008 und 2009 rechnen die Unternehmen der Umweltbranche in Deutschland mit einem Mitarbeiterzuwachs von 19 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nennen Sie mir irgendeine andere Branche, die im Jahr 2008 und im Jahr 2009 mit einem Mitarbeiterzuwachs von 19 % rechnet. Nennen Sie mir irgendeine andere Branche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die spannende Frage ist doch folgende. Sie könnten jetzt sagen: Okay, das ist irgendeine Nische. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist es aber nicht mehr. Dieser Bereich macht inzwischen 8 % des Bruttoinlandprodukts der Bundesrepublik Deutschland aus.

Es gibt Leute, die das inzwischen erkannt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht das Magazin von Greenpeace,

(Der Redner hält die „Wirtschaftswoche“ hoch.)

sondern das ist die „Wirtschaftswoche“. Die hat letzte Woche mit dem Titel aufgemacht:

Grün aus der Krise – Wie Öko-Technik die deutsche Industrie revolutioniert und eine Million neue Jobs schafft

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle haben es verstanden, nur die Mitglieder der Hessischen Landesregierung nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Langfristig gesehen, ist das, was hier passiert, ein wirtschaftspolitischer und ein arbeitsmarktpolitischer Skandal. Herr Ministerpräsident, es ist keine fünf Monate her, dass das Land mit Plakaten zugekleistert war, auf denen stand:

In Zeiten wie diesen kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz.

Die reale Politik ist: Blockade der erneuerbaren Energien.

(Zuruf)

Aber natürlich ist das so. – Der Herr Ministerpräsident hat gerufen: „Quatsch!“ Wie verhalten sich denn die Mitglieder der CDU und der FDP in den Regionalversammlungen real?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wie sieht denn dort die Realität aus? Wie können Sie es sich in Zeiten wie diesen leisten, Tausende Arbeitsplätze nicht entstehen zu lassen? Das ist mir unbegreiflich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, umzuschichten. Ich sage Ihnen: Hinsichtlich der Investitionen werden wir die Frage neu debattieren müssen, wie man die Prioritäten setzt.

Sie sind stolz darauf, den größten Straßenbauetat in der Geschichte des Landes Hessen zu haben. Ich sage Ihnen: Nach unserer Auffassung wäre es wirklich sinnvoll, die Hälfte dieses Rekordetats anders zu verwenden. Ganz nebenbei gesagt: So viele Firmen, die Straßen bauen, gibt es gar nicht. Angesichts der ganzen Konjunkturprogramme wage ich nicht, mir vorzustellen, was das für die Preise bedeuten wird, und zu fragen, ob Sie, Herr Arnold, noch genügend Bagger finden werden. Ich weiß, Sie finden immer welche. Aber Sie verstehen schon, was ich meine. Im Gegensatz zu anderen verstehen Sie etwas davon. Sie verstehen ganz genau, was ich meine.

Wir glauben, dass es sinnvoller ist, aus den eher kapitalintensiven Bereichen heraus in die Bereiche zu gehen, die erstens arbeitsplatzintensiver sind und bei denen man, zweitens, am Ende nicht Folgekosten, sondern Folgeeinsparungen aufgrund der höheren Energieeffizienz und Folgenutzen im Sinne zusätzlicher Arbeitsplätze hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir schlagen es Ihnen vor.Wie Sie im Haushaltsausschuss damit umgehen, das ist Ihre Sache. Aber wir werden an diesem Punkt nicht lockerlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Das wird doch auch gemacht, Herr Al-Wazir!)

Wir glauben, dass das zweite Megathema, nämlich die Bildungspolitik, auch nach zehn Jahren neu auf den Prüfstand kommt.

Herr Koch, wenn man jetzt zehn Jahre und einen Monat im Amt ist – ich erinnere mich manchmal gern zurück an Koalitionsrunden zwischen Rot und Grün, an Streitigkeiten zwischen Hartmut Holzapfel und Maria Marx. Ich habe mich gestern nett mit Hartmut Holzapfel unterhalten und mit ihm auch einen Kuchen gegessen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Wagner, manchmal erinnere ich mich sogar daran, dass Sie Kultusminister waren. Da war ich noch in der Schule.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Wagner, sehen Sie, das wollte ich ja gerade sagen: Das sind alles Geschichten aus dem Kartoffelkrieg.Wir leben nämlich im Jahr 2009.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die spannende Frage ist, ob das, was wir jetzt real in dieser Situation im Haushalt 2009 machen – es ist etwas aus mir geworden, trotz Ihnen als Kultusminister, Herr Wagner –,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

wirklich die Schulen zukunftsfähig macht. In einem müssten wir uns einig sein. Dieses Land kann es sich nicht leisten, diese Republik kann es sich nicht leisten, jedes Jahr 80.000 Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss von der Schule gehen zu lassen – übrigens in der jetzigen Situation noch viel weniger als vorher.

Das war schon vor Jahren ein Skandal. Aber wenn man sich jetzt anschaut, wie die Arbeitsmarktsituation der Zukunft aussieht, wie die Anforderungen der Zukunft aussehen werden, können wir es uns noch viel weniger leisten. Die spannende Frage ist, ob aus dieser Erkenntnis irgendwann auch einmal folgt, dass man seine Ideologie über Bord wirft und sich um die realen Probleme kümmert. Genau da ist im Haushalt 2009 leider nichts zu erkennen. Auch bei dieser Koalition ist leider nichts zu erkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen nur einmal die Zeitungen von gestern lesen.In Frankfurt kämpfen die Hauptschulen ums Überleben – nicht, weil ihnen irgendwelche Ideologen den Hahn zudrehen wollen, sondern weil die Eltern mit den Füßen abstimmen.Selbst wenn einen das wie ein Mantra sozusagen seit den Zeiten von Dregger und von Friedeburg auf der einen Seite im Schützengraben geprägt hat, muss man irgendwann einmal feststellen und den Mut haben, zu sagen: Die Zeit hat gezeigt, was funktioniert und was nicht.

Dann muss man aus dieser Erkenntnis auch irgendwann eine Konsequenz ziehen. Das heißt, Sie müssen in diesem Bereich endlich mutiger werden,den Elternwillen respektieren und die Ergebnisse einmal zur Kenntnis nehmen, die wir in diesem Land haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir stimmen bei der Frage 105 % Lehrerversorgung, bei der Frage Autonomie von Schule mit Ihnen überein. Das Problem ist nur, in diesem Haushalt 2009, den wir gerade debattieren, findet sich davon überhaupt nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Das Einzige, was sich findet, sind 1.000 Lehrerstellen. So weit, so gut. Nur werden die teilweise gebraucht, um die 100 % Versorgung, Herr Ministerpräsident, die Sie schon im Wahlkampf 2003 als gegeben angesehen haben, im Schuljahr 2009/2010 herzustellen. So sieht die Wirklichkeit an hessischen Schulen aus. Es muss dringend eine andere Politik gemacht werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Bereich: Sozialpolitik. Nachdem das Ministerium jetzt nicht mehr so heißt, was ich immer noch für eine skandalöse Namensgebung halte: Dass man in Zeiten wie diesen als einziges Land kein Ministerium mehr hat, in dessen Titel das Wort „sozial“ vorkommt, das ist wirklich ein Armutszeugnis im wahrsten Sinne des Wortes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir müssen in der Arbeitsmarktpolitik überlegen, was funktioniert und was nicht.Auch da warte ich auf den Aufschrei der Hessischen Landesregierung. Herr Ministerpräsident, Sie haben jahrelang gesagt: Das Optionsmodell ist das einzig wahre, mehr Freiheit für die Kommunen bei der Arbeitsförderung. – Wir haben gemeinsam über die

Frage gestritten, wie wir Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen.

Es war allen klar, es geht in diesem Zusammenhang auch um das Fördern. Herr Banzer, ich warte. Frau Lautenschläger, vielleicht könnten Sie aus alter Verbundenheit im Kabinett etwas sagen. Herr Ministerpräsident, ich warte auf Sie. Wo bleibt Ihr Aufschrei, wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Großen Koalition verhindert,dass die Jobcenter eine gesicherte Zukunft haben? Wo bleibt Ihr Aufschrei?