Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Es war allen klar, es geht in diesem Zusammenhang auch um das Fördern. Herr Banzer, ich warte. Frau Lautenschläger, vielleicht könnten Sie aus alter Verbundenheit im Kabinett etwas sagen. Herr Ministerpräsident, ich warte auf Sie. Wo bleibt Ihr Aufschrei, wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Großen Koalition verhindert,dass die Jobcenter eine gesicherte Zukunft haben? Wo bleibt Ihr Aufschrei?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man kann sagen: Na gut, nach der Bundestagswahl machen wir das irgendwie. – Aber für die Qualität ist es jetzt, jeden Tag, schon ein Riesenproblem. Wenn Sie gute Arbeitsvermittler und gute Förderer suchen und nur befristete Verträge bis Ende 2009 oder höchstens Ende 2010 anbieten können, gehen gerade die guten Leute oder kommen erst gar nicht. Herr Ministerpräsident, was Sie als Schwerpunkt der Politik wollten, und zwar egal, ob Optionskommune oder Jobcenter – passgenaue Vermittlung –, das gefährdet gerade die CDU auf Bundesebene mutwillig. Wo ist Ihr Aufschrei?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir machen Ihnen konstruktive Vorschläge, wie man hier etwas verändert. Wir brauchen so etwas wie einen sozialen Arbeitsmarkt jetzt noch viel mehr als vor zwei Jahren, weil wir die Situation haben, dass jetzt, wenn die Unternehmen mit Mühe ihre Stammbelegschaft halten, der Sprung aus der Langzeitarbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt sehr, sehr schwierig ist und es nicht sein kann, dass die Betroffenen von Warteschleife zu Warteschleife gehen.

Wenn man einmal das Geld von Kosten der Unterkunft, Regelsatz, Arbeitslosengeld plus die Mehraufwandsentschädigung, also der sogenannte 1 c oder 1,50 c plus den Aufwand für den sozialen Träger zusammenzählt, dann kommen Sie in die Nähe der Summe für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Deswegen sage ich Ihnen ausdrücklich: Wir schlagen Ihnen etwas vor. Aber dazu müsste man sich für das Thema wirklich einmal interessieren und etwas tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich habe ein gewisses Verständnis für die Amtsmüdigkeit und auch für den Ärger darüber, dass niemand ruft.Aber dann muss man eben im wahrsten Sinne des Wortes aus der Karrierekrise eine Chance machen und sich wieder auf seinen eigentlichen Job konzentrieren. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Sie, nachdem zweimal hintereinander die CDU bei Landtagswahlen absolut an Stimmen verloren hat, sich zuerst einmal um den Aufstand in Ihrem eigenen Laden kümmern müssen.

Aber irgendwann muss es auch gut sein.Ich verstehe auch – die magische Zahl vier scheint in diesem Hessischen Landtag eine komische Bewandtnis zu haben –, wenn einem bei der Wahl zum Ministerpräsidenten vier Stimmen fehlen, dass man sich Gedanken macht und einmal nach innen schaut.

Aber ich glaube, dass am Ende des Tages, egal, wer die Mehrheit und die auch noch viereinhalb Jahre hat, die Frage erlaubt sein muss und von uns als Opposition immer wieder gestellt wird: Ist das, was Sie hier tun, dazu geeignet, am Ende das Land Hessen nach vorne zu bringen, oder verwalten Sie sich hier nur selbst?

Wir können es uns in dieser Zeit nicht leisten, dass wir eine Regierung haben, die sich nur selbst verwaltet und sich selbst genug ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden Ihnen in jedem einzelnen Punkt,in jedem einzelnen Einzelplan dieses Haushalts immer wieder vier Fragen stellen und danach die Politik dieser Regierung bewerten. Kriegen wir den notwendigen Aufbruch in der Bildungspolitik? Antwort im Haushalt 2009: leider nein.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Unfug!)

Machen wir in dieser Legislaturperiode endlich den dringend nötigen Aufbruch in der Energiepolitik? Antwort: leider nein. Hier gilt: „Zurück in die Zukunft“, Teil drei. Das können wir uns wirklich nicht leisten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werden wir, wenn man in diesen Haushalt hineinschaut, ein gerechteres Bundesland gerade in der Krise mit mehr Teilhabechancen für alle haben? Ich sage Ihnen: bisher leider Fehlanzeige. Machen wir eine wirklich zukunftsfähige Wirtschaftspolitik, oder sorgen wir in der Krise mit noch mehr Medizin von der,die nicht gewirkt hat,sondern die Krise teilweise erst hervorgerufen hat, eigentlich genau für das Gegenteil dessen, was wir machen müssen?

Herr Ministerpräsident, diese Regierung und dieser Koalitionsvertrag haben von Anfang an einen so uninspirierten Geist ausgeatmet. Das setzt sich bis zum heutigen Tag fort.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Im Gegensatz zu Ihrem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag!)

Herr Wagner, sehen Sie, man konnte sich über den Koalitionsvertrag, den wir ausgehandelt haben, wenigstens streiten,weil er wenigstens etwas wollte.Herr Wagner,das war der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Karlheinz Weimar: Was Sie für einen Un- sinn reden! – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das ist genau Ihr Problem. Ich frage mich die ganze Zeit: Wo kommt denn die Selbstzufriedenheit dieser Mehrheit her?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Von den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen!)

Herr Wagner, nein. Mir ist irgendwann klar geworden, woran es liegt und woher es kommt. Wenn man keine Ziele hat,dann ist jeder Weg der richtige.Das genau ist Ihr Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Ich sage Ihnen, dieses Land hat es verdient, dass sich alle miteinander konstruktiv darüber streiten, wie wir diese vier Punkte erreichen:Aufbruch in der Bildung, zukunfts

fähige Energiepolitik, ein gerechteres Hessen und eine wirklich zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. Aber bei diesen vier Punkten haben bisher leider weder dieser Haushalt noch die ersten 98 Tage dieser Regierung etwas gebracht.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Herr Arnold, es gibt ein einzig Gutes: Wir werden in diesem Jahr nochmals Haushaltsberatungen haben,und dann schauen wir einmal, ob Sie dann die konstruktiven Verbesserungsvorschläge zum Haushalt 2009 nutzen und beim Haushalt 2010, zu dem es nicht mehr weit hin ist, endlich Ihre Aufgaben machen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Die Perspektiven, um die es geht, sind nicht erkennbar, außer dass dieser Haushalt allein nach dem Motto „Weiter so“ vorgelegt wird. Es ist nicht erkennbar, dass der Gedanke, dass wir uns heute in einer Krisensituation befinden, in irgendeiner Weise bei der Regierung, bei der Mehrheit angekommen ist,sondern es werden alle Instrumente weiter so betrieben, als wären wir noch vor der Krise. Wahrscheinlich wird die nächste Krise jetzt vorbereitet, auch mit diesem Haushalt.

Nach unserer Auffassung findet diese Haushaltsberatung unter einem schlechten Stern statt. Nicht, dass ich Sternseher wäre, sondern die sozialen und ökonomischen Umstände dieser Wirtschafts- und Finanzkrise sind für viele von uns kaum vorstellbar. Diese Krise spüren die Menschen – diejenigen, die heute in der „Bild“-Zeitung erwähnt sind, vor allen Dingen aber diejenigen, die überhaupt keine Steuern zahlen. Die Hälfte der Bundesbürger zahlt keine Einkommensteuer,weil sie zu wenig verdienen.

In Hessen gibt es erkennbare Vorzeichen für die Vertiefung der Krise. Im Januar 2009 wurden im hessischen verarbeitenden Gewerbe ca. 4 Millionen Arbeitsstunden weniger als im Vorjahresmonat geleistet. Die Anzahl der Ausbildungsplätze in Hessen ist im März um 10 % rapide gesunken. Die Zahl der zu besetzenden Stellen auf dem hessischen Arbeitsmarkt ist im April im Jahresvergleich um 25 % eingebrochen. Schon jetzt prognostizieren führende Ökonomen für die kommenden Jahre einen Anstieg der Arbeitslosenzahl um mehr als 1 Million.

Ein dramatischer Einbruch der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von 40 Milliarden c – möglicherweise wird sich heute Abend diese Prognose auf 48 Milliarden c erhöhen – sowie eine Kernschmelze in den Sozialversicherungssystemen sind zu erwarten. Allein die Bundesagentur für Arbeit wird in diesem Jahr mehr als 15 Milliarden c Verlust einfahren und allein in diesem Jahr die Rücklagen der letzten Jahre verpulvern.

Doch was tut diese Regierung? Sie macht weiter so, als ob nichts geschehen wäre.

Abgesehen vom Sonderinvestitionsprogramm ist dieser Haushalt eine Politik des ideologischen und konzeptio

nellen „Weiter so“. Man begibt sich auf die Suche nach einem industriepolitischen Leuchtturmprojekt – und betoniert die hessischen Landschaften zu. An das von Ihnen verschuldete soziale und Bildungsdesaster will ich, wie das schon meine Vorredner getan haben, nur erinnern.

Herr Koch, gleichzeitig zur höchsten Neuverschuldung Hessens und zu den neu in Aussicht gestellten Steuergeschenken von CDU und FDP verkünden Sie eine Schuldenbremse, eine getarnte Kreditsperre.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Keine Etatsperre, eine Kreditsperre?)

Nein, es geht um die Kreditsperre.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Tarnen und Täuschen, das war früher in der DDR!)

Herr Wagner,darin sind Sie uns völlig überlegen,das haben Sie jahrzehntelang bewiesen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wer auf der Gehaltsliste von Erich Honecker stand, der sollte sich da zurückhalten!)

Dort stand ich ja nicht, da haben Sie ganz andere Gehaltslisten gesehen.

Es geht darum, dass diese Kreditsperre die kommenden Generationen und den Landesparlamenten ab dem Jahr 2020 bei Investitionen in Bildung,Umwelt oder beim antizyklischen Ankämpfen gegen konjunkturelle Einbrüche Fesseln anlegen soll. Zeitgleich legen Sie heute Investitionsprogramme auf, die die Finanzen von Land und Kommunen über das Jahr 2020 hinaus neu belasten. Wer wie Sie agiert, der handelt scheinheilig auf dem Rücken kommender Generationen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb bringen wir einen Antrag ein, der dieser staatlich verordneten Kreditsperre ein Ende bereiten soll. Meine Damen und Herren, wir lassen es nicht zu, dass durch die Entscheidungen von Länderregierungen und Bundestag das Haushaltsrecht der Länderparlamente beschnitten wird. Statt Kreditsperren brauchen die öffentlichen Haushalte Steuersenkungsbremsen, die öffentliche Haushalte in eine solidarische Steuerpolitik mitnehmen.

Mit Mehreinnahmen in Höhe von 1,8 Milliarden c bei Vermögenden und Großerben in Hessen hätten wir eine andere Voraussetzung für einen vernünftigen Haushalt 2009. Es gibt also Alternativen.

Nun aber zum Haushaltsentwurf. Dass das Land Hessen in diesem Jahr mehr als 2,5 Milliarden c an Neuverschuldung aufnehmen soll, kann auch für DIE LINKE kein Grund zum Jubeln sein. Denn wir nehmen diese Schulden auf, um nicht nur das Versagen von Managern, Aufsichtsräten und Politikern zu bezahlen, sondern weil dieser Kapitalismus schlichtweg versagt hat. Das Versagen dieses Systems darf jetzt die Allgemeinheit reparieren.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sagen Sie doch einmal etwas zu den Schulden der DDR!)