Protokoll der Sitzung vom 31.05.2012

Dieses Ärgernis treibt Sie dazu, die Debatte so zu führen, wie Sie sie jetzt führen. Wir jedenfalls sind stolz darauf, als erste Landesregierung eine richtige Europäerin als Staatssekretärin zu haben. Herzlich willkommen im Kabinett.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Staatsminister Hahn. – Herr Kollege Grumbach von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet.

(Günter Rudolph (SPD): Sie hätten einfach sagen müssen, Sie teilen das!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie reden an der Sache vorbei. Das ist das Hauptproblem in dieser Geschichte.

(Beifall bei der SPD)

Sie erwarten von dem Hessischen Landtag, dass er in der Tradition, die er hat, auch jenseits der Frage der politischen Zuneigung, eine Entsendung bestätigt, die in der Person ein Problem ist, nicht in der Herkunft.

(Karlheinz Weimar (CDU): Wieso denn? Das ist absurd! Absurdistan!)

Es ist völlig gut, dass jemand, der EU-Bürgerin ist, Staatssekretärin einer deutschen Regierung wird. Es ist gut, dass jemand seine Qualifikation einbringen kann. Jeder, der aber ein solches Amt hat, das im Prinzip so etwas Ähnliches wie eine Botschafterfunktion für dieses Land hat, muss mit seinen Äußerungen so umgehen, dass es passt, dass es auch zu diesem Lande passt. Ich will dazu dreierlei sagen; die Europäische Union hat wegen der Verletzung der EU-Verträge Verfahren gegen Ungarn eingeleitet; sie begründet diese Verfahren, es sind genau drei, mit:

Erstens. Man zweifelt die Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank an.

Zweitens. Die Europäische Union zweifelt die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz an.

Drittens. Sie zweifelt, das ist ein kleinerer Punkt, die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde an.

Das heißt, wir sind zumindest bei der Unabhängigkeit der Justiz in einem Kernbestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Punkt ist aber einer, der von Herrn Orbán über eine Verfassungsänderung gerade eingeführt worden ist.

Es gibt mit Verlaub einen zweiten Punkt – der Kollege Dr. Reuter hat das schon gesagt –, wo ich die Kolleginnen und Kollegen der CDU einmal bitte, zu überlegen, was sie tun. Wir haben im Hessischen Landtag die lange Tradition, dass wir uns in Fortfolge des Kontaktes mit den Herkunftsländern der Menschen, die vertrieben worden sind, um die Situation deutscher Minderheiten in anderen Ländern kümmern. Die Europäische Union ist inzwischen in ihrer Grundsatzpolitik unserer Position gefolgt, dass es solche Minderheiten gibt und dass mit ihnen ordentlich umgegangen werden muss.

Ein Teil der Verfassungsänderung, über die in Ungarn gestritten wird, sieht das Ungarische als zentralen, einzigen zu pflegenden Kulturbereich, und alles, was es vorher an Rechten für Minderheiten wie Sprachausübung und Unterricht gab, wird abgeschafft. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir können im Unterausschuss nicht immer über die Rechte der Minderheiten reden und dann jemanden als Botschafterin auswählen, die sagt: Diese Regierung, die so etwas macht, ist sozusagen in allen Punkten demokratisch. – Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das hat sie nicht gesagt! – Karlheinz Weimar (CDU): Wo hat sie das denn gesagt?)

Nun gibt es zwei Auswege. Der Ausweg Nr. 1 wäre: Man stellt sozusagen fest, dass das, was wir hier aus diesen Äußerungen der Staatssekretärin gelesen haben, nicht ihrer Meinung entspricht. Dann muss sie das erklären und sagen: Das ist mit Verlaub nicht meine Meinung, sondern als Vertreterin Hessens trete ich für die Rechte der deut

schen Minderheit, für klare Gewaltenteilung, für klaren Umgang mit dem Datenschutz und für klare Pressefreiheit ein.

Wenn sie das tut, dann gibt es hier keine Debatte mehr. Was uns nur irritiert, ist: Genau diese Sätze kommen nicht. Ich hätte auch kein Problem, wenn der Minister im Namen seiner Staatssekretärin hier erklärte: Als Minister sage ich, diese Staatssekretärin ist nicht der Meinung, die Sie sozusagen haben, sondern sie ist für klare Gewaltenteilung, für die Unabhängigkeit der Justiz usw. usf. – Das wäre schön. Das hat er aber auch nicht gemacht. Er hat um das Thema herumgeredet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karlheinz Weimar (CDU): Wo hat sie das denn gesagt? Belegen Sie das!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist es ganz einfach: Wenn man so etwas macht, statt eine klare Antwort, die völlig normal und einfach wäre, zu geben, und so drum herumredet, dann wären wir keine Opposition, wenn wir nicht misstrauisch würden. Insofern haben Sie noch einmal eine Chance, Herr Minister. – Vielen Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Karlheinz Weimar (CDU): Dann zitieren Sie einmal, wo sie das gesagt hat!)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Als nächster Redner hat sich Herr Al-Wazir, der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gemeldet. Bitte schön, Herr Al-Wazir.

(Zuruf von der CDU: Jetzt kommt wieder die Be- lehrung! Besserwisser!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen sagen, dass mich der Wortbeitrag des Kollegen und Staatsministers Hahn eher noch einmal mehr ins Nachdenken gebracht hat, weil: Herr Hahn, es ist richtig, was die Staatssekretärin Breier sagt, dass in allen postkommunistischen Gesellschaften die politische Situation eine zerrissene ist – zwischen denen, die sozusagen zur sozialistischen Seite gehören, manchmal auch postkommunistische Parteien sind, und denen, die bürgerliche Parteien sind. Ich kenne auch den Unterschied zwischen den Fidesz- und den Jobbik-Leuten.

Ich muss aber feststellen, dass wir in Ungarn in den letzten Jahren eine Radikalisierung auch der politischen Mitte erlebt haben, wie man sie in kaum einem anderen europäischen Land und in keinem postkommunistischen Land erlebt hat. In Polen gibt es nach diesen Ausfällen, die dort teilweise ins Religiöse gingen, inzwischen wieder eine neue Regierung – in Ungarn leider noch nicht.

Und ich muss feststellen, wenn Sie sich die Debatte in Rumänien, in der Slowakei und in der Vojvodina einmal genauer betrachten, dass wir dort eine Regierung haben, die ganz offensichtlich mit Nationalismus und nationalistischen Wallungen Politik macht, und zwar sowohl was die Minderheiten in Ungarn als auch die ungarischen Minderheiten außerhalb Ungarns angeht. Wenn das jetzt am Ende etwas ist, wo wir eine Äußerung hören, und dann gesagt wird, das käme aus einer liberalen Tradition, dann

muss ich sagen: Das ist schlicht und einfach falsch. Das ist keine liberale Tradition.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wissen Sie, Herr Hahn, Sie haben gesagt, dass der Herr Ministerpräsident Bouffier in einer Diskussion mit Herrn Orbán gesagt habe, dass die Hessische Landesregierung mit den Entwicklungen in Ungarn nicht zufrieden sei. Dann stellt sich für uns natürlich die spannende Frage: Wenn das so ist, wird diese Position in Zukunft auch von der Vertreterin der Hessischen Landesregierung in Europa so vertreten, ja oder nein?

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Ja!)

Herr Hahn, ich muss Ihnen sagen: Vielleicht müssen Sie das noch mal etwas deutlicher sagen.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das hat er doch deutlich gesagt!)

Nein. – Herr Hahn, nach Ihrer Rede bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Vorschlag hier abzulehnen, weil wir

(Widerspruch bei der CDU – Karlheinz Weimar (CDU): Das ist absurd!)

den Eindruck haben, dass der Minister wortreich versucht hat, vom eigentlichen Kern des Problems abzulenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Vizepräsident Heinrich Heidel über- nimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal: Ich finde, eine Regierung, die jetzt im Nachhinein, viele Jahrzehnte später, ihre Verehrung für irgendwelche Pfeilkreuzler wiederentdeckt, deren Urnen exhumiert und dann noch in Nachbarländern bestatten will, ist mit größter Vorsicht zu genießen. In diesem Sinne bitte ich darum, dass die liberale Tradition der Europapolitik des Landes Hessen auch ihre Fortführung findet. Daher müssen wir ganz sicher sein, dass dem auch wirklich so ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Greilich, der Fraktionsvorsitzende, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! An sich war alles gesagt, als Jörg-Uwe Hahn hier gesprochen hat,

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

weil er genau beschrieben hat, in welchem Kontext diese Debatte stattfindet, worum es einfach geht. Er hat Ihnen auch das zitiert, worüber man diskutieren kann, wenn man das will. Das ist aber etwas anderes als das, worüber Sie hier diskutieren. Deswegen habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet, insbesondere aufgrund der Bemerkung des Kollegen Grumbach, die ich in der Tat erörternswert finde.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Grumbach, ich habe es nicht wörtlich aufgeschrieben, aber sinngemäß haben Sie gesagt: Das Problem sei nicht die Nation oder die nationale Herkunft, sondern das Problem liege in der Person. Das reiht sich ein in das, was Sie heute Morgen zu Beginn dieser Plenarsitzung schon einmal abgeliefert haben, nämlich ein absolut stilloses Herangehen daran, dieser Regierung am Zeug zu flicken, um irgendwo mit Dreck zu schmeißen, ohne dass dort etwas dran ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Da sind Sie der Richtige!)

Ich sage Ihnen das sehr deutlich: Wir werden das als Regierungsfraktion nicht zulassen.

(Zurufe von der SPD)

Wann immer Sie solche Versuche hier starten werden, werden wir dem entschieden entgegentreten, weil wir es nicht zulassen, dass Sie mit Halbwahrheiten und mit entsprechenden Verschränkungen hier versuchen, Menschen am Zeug zu flicken. Wenn Herr Kollege Grumbach sagt, das Problem liege in der Person, dann möchte ich gern wissen, wo in der Person das Problem liegt.