Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte für die SPD das Minderheitsvotum vortragen, weil aus unserer Sicht der Mehrheitsbericht unrichtig ist. Er ist tendenziös, und er ist aus unserer Sicht auch diffamierend gegenüber den Steuerfahndern.
Herr Kollege Honka hat jetzt die 15 zusammenfassenden Punkte sehr nüchtern und sachlich vorgetragen. Wer den Mehrheitsbericht allerdings gründlich liest, wird feststellen, dass es viele Passagen gibt, wo man nur eines feststellen kann: Das Mobbing gegenüber den Steuerfahndern geht leider weiter durch die Mehrheit hier im Hause.
Unser Fazit lautet, dass die betroffenen Steuerfahnder infolge ihrer kritischen Haltung gegenüber ihrer Amtsleitung gezielt aus der Steuerfahndung entfernt wurden. Sie wurden faktisch strafversetzt, und sie wurden kaltgestellt. Meine Damen und Herren, die Steuerfahnder wurden infolge des Mobbings – übrigens hat erstmals der Kollege Irmer von der CDU den Mobbingbegriff verwendet –
schließlich krank. Aber anstatt den klaren Hinweisen des Betriebsarztes nachzugehen, der gesagt hat, dass es zu Erkrankungen aufgrund von Arbeitsplatzkonflikten gekommen sei, wurde dieser Diagnose des Betriebsarztes durch die Verwaltung nicht nachgegangen, sondern wurden die Steuerfahnder zum Psychiater geschickt, um dann auch die Zwangspensionierung einzuleiten. Das alles stinkt zum Himmel. Das ist das Ergebnis und Fazit aus unserer Sicht.
In unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Mobbingmaßnahmen steht aus unserer Sicht ein Schlüsseldokument, ein Vermerk des damaligen Amtsvorstehers, also des Vorgesetzten, in dem dieser an Oberfinanzdirektion geschrieben hat: „Die Verwaltung muss daher in der Personalangelegenheit Schmenger... eine Lösung finden, die... mir den Rücken stärkt. Außerdem sollten die von einer zu findenden Lösung ausgehenden Signale im Bereich der Fahnder/-innen nicht unterschätzt werden.“
Meine Damen und Herren, das ist das Schlüsseldokument. Darin kommen die Motivation und das Ziel des Vorgehens gegenüber Herrn Schmenger, einem der vier Fahnder, aber auch gegen die anderen Betroffenen deutlich zum Ausdruck.
Es ging darum, die kritischen Fahnder so zu behandeln, dass dadurch die Signalwirkung an die anderen Steuerfahnder ausgeht:
Verhaltet euch nicht so wie diese. Seid in Zukunft unkritisch, sonst passiert euch etwas. – Das war sozusagen der Inhalt.
Die Fahnder sollten in ihrer kritischen Haltung gebrochen werden. Sie sollten zu willfährigen Mitarbeitern degradiert werden. Das ist das Schlimme.
Die politische Verantwortung für diesen ungeheuerlichen Vorgang haben Herr Koch und Herr Weimar zu tragen. Sie waren über den Sachverhalt voll informiert. Aber sie handelten nicht. Das zeigt ein Aktenvermerk, aus dem ich Ihnen einmal vortragen möchte.
Am 21. Oktober 2004 regte die Bearbeiterin K 6 in der Staatskanzlei in einem Vermerk an den damaligen Ministerpräsidenten Koch und den Chef der Staatskanzlei an, mit dem Abteilungsleiter im hessischen Finanzministerium ein Gespräch zu führen. Sie wollte, dass die Hintergründe der Beschwerde des Fahnder Schmenger besprochen würden, und warum es nicht gelungen sei, die Differenzen auszuräumen. Sie halte – jetzt folgt ein Zitat – „eine demotivierte Finanzverwaltung für völlig inakzeptabel“. Sie fragt deshalb auf diesem Brief den Herrn Ministerpräsident schriftlich: „Sind Sie damit einverstanden?“ – Was schreibt der Ministerpräsident darauf? – Er schreibt „Nein“, schlichtweg „Nein“.
Ich glaube, damit kommt aber zum Ausdruck, wie die Haltung von Roland Koch war. Selbst massiven Vorwürfen wurde nicht nachgegangen. In diesem Brief hat Herr Schmenger seine Situation geschildert. Vielmehr sollten – um es mit den Worten der Mitarbeiterin aus der Staatskanzlei zu sagen – demotivierte Mitarbeiter der Finanzverwaltung einfach in Kauf genommen werden, nur um der Sache nicht nachgehen zu müssen. Denn dann hätte es möglicherweise zu einem Konflikt mit einem Mitglied der Landesregierung, nämlich mit Herrn Weimar, kommen können.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Der ehemalige Ministerpräsident und der ehemalige Finanzminister hatten natürlich eindeutig Kenntnis über die Situation der Steuerfahnder. Herr Weimar hat im Untersuchungsausschuss bestätigt, dass er sich mit Herrn Koch über die Angelegenheit verständigt habe. Aussagen zum Inhalt des Gesprächs hat er aber verweigert. Er hat sie schlichtweg verweigert.
Deswegen sage ich Ihnen: Die Fürsorgepflicht gegenüber „ihren“ Bediensteten – das „ihre“ sage ich in Anführungszeichen – wurde weder durch Herrn Koch noch durch Herrn Weimar wahrgenommen. Das ist das ganz Tragische daran. Denn daraus haben sich ganz tragische persönliche Schicksale entwickelt. Herr Weimar und auch Herr Koch, dafür tragen Sie die Verantwortung. Ich finde, das ist wirklich unglaublich.
In einer Zeugenaussage wurde festgestellt, dass Herr Weimar in der Sache keine Anrufe haben wolle, weil ihn die Steuerfahnder geärgert hätten.
Die Steuerfahnder haben ihn geärgert. Das war die Stimmung, die sich natürlich auch im Ministerium und in der Verwaltung durchsetzte. Diese Haltung wurde zur Handlungsorientierung im Umgang mit den Steuerfahndern. Das ist Obrigkeitsverwaltung. Das ist Fürstentum. Das hat mit moderner Personalführung nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sigrid Erfurth, Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Ich will eines einräumen. Anders als vermutet konnten wir keinen Beleg dafür finden, dass der Gutachter, also der berühmte Herr Dr. H., gezielt ausgesucht wurde. Das konnten wir nicht feststellen. Es gab in der Öffentlichkeit die Vermutung, dass im Vorfeld der Untersuchung das Ergebnis mit ihm praktisch schon abgesprochen worden sei, dass das Ergebnis also schon festgestanden habe.
Das können wir nicht nachweisen, obwohl es bei der Beauftragung von ihm einige ungeklärte Vorgänge gibt. Entgegen der gesamten Praxis wurde das per Fax gemacht. Bisher unbegründet wurde auch Eilbedürftigkeit im Fall der Begutachtung unterstellt, zumindest bei Herrn Schmenger. Das alles bleibt ungeklärt.
Das will ich hier deutlich machen: Den Nachweis, dass Herr Holzmann da willfährig gehandelt hat, können wir nicht erbringen. – Ich glaube, es ist viel einfacher: Er hat einfach schlechte Gutachten gemacht. Er hat sich die Arbeit zu leicht gemacht. – Das hatte allerdings für die betroffenen Steuerfahnder ganz tragische Folgen.
Da setzt ein zentraler Kritikpunkt an. Ihnen, meine Damen und Herren von der Mehrheit, kann ich nur raten, das für die Zukunft zu ändern.
Die Landesregierung stellt sich auf den Standpunkt, solche Gutachten seien vom Ministerium nicht zu überprüfen. Auf Deutsch gesagt heißt das: Da kann von einem Arzt jeder Unsinn geliefert werden, aber sie gehen da nicht heran, sie überprüfen das nicht.
Dazu gibt es andere Rechtsauffassungen. Zum Beispiel vertritt der Richter am Bundesverwaltungsgericht Herr Deisenroth die Auffassung, solche Gutachten müssten natürlich geprüft werden. Das ist unsere Auffassung. Man kann sich dabei nicht nur auf formelle Aspekte berufen, sondern muss so etwas auch materiell prüfen. Es hätte dann auffallen müssen, dass dieser Gutachter für vier unterschiedliche Personen nahezu die gleichen Gutachten ausgestellt und die gleichen Diagnosen gestellt hat.
Ich will noch einmal kurz streifen, wie es mit der Möglichkeit der Wahrheitsfindung in einem Untersuchungsausschuss aussieht. Auch der Gutgläubigste müsste angesichts dessen nachdenklich werden, was ein Zeuge in dem Untersuchungsausschuss geschildert hat, den es vor einigen Jahren gab und der sich ebenfalls mit der Steuerfahnderaffäre befasst hat. Dieser Zeuge wurde kurz vor seiner Aussage ins Ministerium bestellt.
Ihm wurde dann ein Job im Innenministerium angeboten. Plötzlich hatte dieser Mensch einen Blackout. So hat er das gegenüber seinen Kollegen dargestellt.
Da wird man sehr nachdenklich. Gibt es da nicht einen Komplex, der systematisch verhindert, dass wir die Wahrheit herausfinden? – Das ist übrigens nicht nur in diesem Ausschuss der Fall.
Das geschah nicht nur in diesem Untersuchungsausschuss. Das Gleiche bildet sich jetzt bei dem aktuell laufenden Untersuchungsausschuss zur Polizeichefaffäre heraus.
„Das ist das gleiche Raster.“ – Ich komme zu den Konsequenzen. Denn die sind natürlich wichtig. Wir glauben, dass das Verfahren der Inruhestandversetzung, also der Pensionierung, neu geregelt werden muss. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass geprüft wird, wie die ärztlichen Gutachten aussehen. Da muss materiell prüfend hineingeschaut werden.
Zweitens – das ist ganz zentral – muss es eine unabhängige Beschwerdeinstanz geben, die Mobbingvorwürfen nachgehen kann. Das ist momentan in der hessischen Finanzverwaltung, aber auch in vielen Bereichen der restlichen Landesverwaltung nicht der Fall. Bei der Polizei hat man versucht, das aufzugreifen. Ich kann nur raten, dass auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung endlich eine solche unabhängige Beschwerdeinstanz – gemeint ist ein Ombudsmann – eingerichtet wird.
Die eigentlich politisch Verantwortlichen, Roland Koch und Karlheinz Weimar, sind nicht mehr in der Regierungsverantwortung. Das hätte eigentlich bei der CDU und der FDP ermöglichen können, den Weg einer ehrlichen Aufklärung ohne falsche Rücksichtnahme einzuschlagen.
Meine Damen und Herren, aber einmal mehr haben CDU und FDP Mehrheit über Wahrheit und Parteiinteressen vor Aufklärungsinteressen gestellt. – Herzlichen Dank.