Marktwirtschaft bedeutet, dass die Schlechten aussortiert werden und die Guten übrig bleiben. Das ist es, was die Marktwirtschaft ausmacht.
Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass von einem Teil der Linken in diesem Haus – sowohl bei der SPDFraktion als auch bei der Fraktion DIE LINKE – vor einem Jahr dazu aufgerufen worden ist, Schlecker zu boykottieren. Heute vergießen Sie Krokodilstränen über den Niedergang von Schlecker.
Sie sollten demnächst redlich und aufrichtig argumentieren. Die Leute werden sehr wahrscheinlich alle im Einzelhandel unterkommen. Das zeichnet sich zurzeit ab. – Vielen herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Reif. – Als Nächste hat sich Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Wissler, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Reif, ich finde, sich hierhin zu stellen und zu sagen, Schlecker sei ein – wie sagten Sie es? – bedauerliches Beispiel für das Versagen der Marktwirtschaft – –
(Zurufe von der CDU: Das hat er nicht gesagt! – Ju- dith Lannert (CDU): Haben Sie was mit den Ohren?)
Er hat gesagt, das sei ein bedauerliches Versagen, so etwas passiere in der Marktwirtschaft. Das hat er so gesagt.
Ich finde, das ist zynisch angesichts der Tatsache, dass wir über die Arbeitsplätze von 1.700 Frauen in Hessen reden.
Dann will ich noch etwas zu der Boykottkampagne sagen. Für DIE LINKE will ich sagen, dass wir nie zum Boykott aufgerufen haben.
Das haben wir gemacht: Wir haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Schlecker darin unterstützt, Betriebsräte aufzubauen, was verdammt schwierig war, weil das wirklich ein Arbeitgeber ist, der alles tut, um die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten zu verhindern. Wir haben die Beschäftigten dabei unterstützt. Das ist das, was wir getan haben.
Ich finde es, ehrlich gesagt, wirklich perfide, dass es jetzt irgendwie so hingestellt wird, als ob die Gewerkschaften und die Beschäftigten daran schuld wären, dass Schlecker pleitegegangen ist.
Das ist in diesem Haus schon ein paar Mal gesagt worden, beispielsweise vom Kollegen Lenders. – Im Umkehrschluss würde das nämlich heißen, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die miesesten Bedingungen gefallen lassen müssten und sich nicht wehren dürften; denn für ihren Arbeitgeber könnte das eine wirtschaftliche Bedrohung darstellen.
Ich will sehr klar sagen, dass sich im Zusammenhang mit Schlecker natürlich auch die Frage stellt, wie man den Wegfall eines solch großen Arbeitgebers abfedern kann. Wir reden bei Schlecker schließlich nicht nur über die Arbeitsplätze, sondern auch über einen Teil der Infrastruktur. In vielen ländlichen Gebieten ist Schlecker die einzige Drogeriekette, die mit einer Filiale präsent ist.
(Holger Bellino (CDU): Weil der Schlecker alle Drogerien kaputt gemacht hat! Das hat Sie auch nicht interessiert!)
Deswegen bin ich der Meinung, dass die Politiker die Aufgabe haben, hier für eine Abfederung zu sorgen, statt achselzuckend danebenzustehen und zuzusehen, wie 1.700 Arbeitsplätze vernichtet werden.
Ich will noch etwas zu einer zukunftsfähigen Industriepolitik sagen. Ich glaube, wir müssen darüber reden, dass die Form des Wirtschaftens, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, auf die Dauer nicht zukunftsfähig ist, sondern dass wir so etwas wie einen sozial-ökologischen Umbau brauchen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Ölvorräte zur Neige gehen und dass wir eine sich verschärfende Klimakrise haben, die es nicht zulässt, dass wir so weitermachen wie bisher.
Ich bin der Meinung, dass es angesichts der Klimakrise und angesichts der zur Neige gehenden Ölvorräte absolut absurd ist, eine Verkehrspolitik zu machen, die immer weiter darauf setzt, Straßen auszubauen und den Flugverkehr zu fördern, während gleichzeitig die Mittel für den ÖPNV gekürzt werden, was völlig kontraproduktiv ist, wenn man eine Politik betreiben will, die Klimaschutz und Ressourcenschutz beinhaltet.
Herr Rentsch, ich finde, Sie haben wieder mit Arroganz über die Anwohner von Flughäfen gesprochen. Diesmal waren es die Anwohner des Münchner Flughafens, die gerade ein Bürgerbegehren gewonnen haben, wozu ich ihnen herzlich gratuliere.
Ja, Sie haben das vorgelesen. Aber Sie hätten auch sagen können, dass darin die Bedenken und die Sorgen, die die
Anwohner haben, überhaupt nicht ernst genommen werden. Sie haben sich das stattdessen zu eigen gemacht. Das ist dieselbe Arroganz, mit der Sie auch mit den Anwohnern des Frankfurter Flughafens umgehen: Sie nehmen es überhaupt nicht ernst, dass das Menschen sind, die sich um ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität Sorgen machen. Das mit dem Zitieren aus einem „Focus“-Artikel wegzuwischen, finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen armselig.
Herr Rentsch, ich möchte noch etwas zu den Problemen sagen, die Sie angesprochen haben. Sie haben gesagt, die größten Probleme der hessischen Wirtschaft seien der Fachkräftemangel und die Energiepreise. Jetzt möchte ich Ihnen nicht absprechen, dass Sie einen guten Draht zu den Vertretern der hessischen Wirtschaft haben. Aber ich habe gesehen, dass in der IHK-Umfrage als der größte Risikofaktor für die Unternehmen – auf Platz 1 gesetzt – die Binnennachfrage genannt wird. Das ist offensichtlich das, was die hessischen Unternehmen selbst als den größten Risikofaktor ansehen.
Man muss sagen, das ist ein bisschen so, als ob der Bäcker erklären würde: Mir schmecken die Brötchen nicht. – Wer jahre- oder sogar jahrzehntelang Lohnzurückhaltung fordert und sinkende Reallöhne produziert, darf sich nicht darüber wundern, dass die Binnennachfrage sinkt.
Nichtsdestotrotz halte ich die Frage, wie man die Binnennachfrage stärken kann, für einen wichtigen Punkt. Das ist es, worüber wir auch gestern schon geredet haben: Es ist ein Problem, dass Hessen eine sehr einseitige Exportstrategie verfolgt, die die hessische Wirtschaft enorm verwundbar macht. Auch das muss man sehen.
Es gibt ganze Broschüren und Homepages zu Ihrer Außenwirtschaft und zu den Delegationsreisen, die Sie alle naselang machen.
Letzter Satz. Sie haben gesagt, die jungen Arbeitnehmer in Spanien wollten auch einmal woanders arbeiten.
Ehrlich gesagt, ich finde das ein bisschen zynisch. Das sind nicht Leute, die einfach einmal woanders arbeiten oder ein Erasmus-Stipendium wahrnehmen wollen, sondern das sind Menschen, die tief verzweifelt sind und ihre Heimat verlassen müssen, um irgendwo anders wirtschaftlich überleben zu können. Deswegen finde ich das, ehrlich gesagt, eine ziemlich zynische Bemerkung.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Mir liegt eine Wortmeldung des Kollegen Müller, FDP-Fraktion, vor. Bitte schön, Herr Müller, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss eines sagen: Ich bin froh, dass wir im Plenum gestern und auch heute einmal sehr intensiv über die wirtschaftspolitischen Grundfragen diskutiert haben; denn da haben sich die unterschiedlichen Positionen klar gezeigt, und es ist sehr deutlich geworden, dass weder die SPD noch die GRÜNEN in diesem Bereich Konzepte haben, die wirklich zukunftsfähig und tragfähig sind.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Sagen Sie, was Sie wollen!)
Es ist auch sehr deutlich geworden, dass Sie den Grundsätzen und den Rahmenbedingungen, die die Redner von CDU und FDP aufgezeigt haben, nichts entgegenzusetzen haben. Das hat sich insbesondere daran gezeigt, dass der Kollege Al-Wazir jedes Mal danach ans Rednerpult gestürmt ist und, ohne auf die Inhalte einzugehen, versucht hat, mit kräftiger Rhetorik irgendetwas dagegenzusetzen.
Ich muss sagen, es bereitet einem fast ein bisschen Sorge, wenn man hier hört, wie sich die SPD positioniert, die sich, wie Herr Grumbach hervorgehoben hat, als Industriepartei versteht. Meine Güte, es ist echt lange her, dass Sie etwas von Industriepolitik verstanden haben. Die Sanierung von Philipp Holzmann ist etwas, was man noch mit der SPD verbindet: Das hat „hervorragend“ geklappt. Es ging – auf Deutsch gesagt – richtig in die Hose.
Meine Damen und Herren, Sie haben kein Konzept. Dass von Herrn Klose und Herrn Al-Wazir als Konzept im Wesentlichen die Forderung kommt, die Blaumänner künftig grün zu machen, finde ich sehr bezeichnend. Wenn das Ihre Vorstellung von der zukünftigen Industriepolitik ist – das ist der O-Ton; das haben Sie gerade gesagt –, muss ich sagen: Das ist wirklich sehr schwach.
Herr Al-Wazir, ich glaube, es hilft auch nicht, wenn Sie einen Abstecher in die Mobilitätspolitik wagen. Bevor Sie so etwas machen, sollten Sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Dann wüssten Sie auch, dass in keiner anderen Legislaturperiode so viel Geld in den ÖPNV investiert wurde wie in dieser: 3,2 Milliarden €.
Das, was Sie sagen, ist, wie in vielen anderen Bereichen, doppelzüngig. Man hört z. B., dass Vertreter der GRÜNEN beim RMV dafür sorgen, dass die Ticketpreise für eine Fahrt zwischen Offenbach und Frankfurt nicht gesenkt werden. All solche Sachen treten dann in den Vordergrund, werden nach außen deutlich.
Ich muss sagen, ich wundere mich schon etwas darüber, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, wir würden den ÖPNV vernachlässigen. Das Gegenteil ist der Fall. Reden Sie einmal mit den Experten; dann werden Sie das auch zu hören bekommen.