Bei jedem Einzelnen, der einen Arbeitsplatz hat bzw. aus der Arbeitslosigkeit wieder in ein Beschäftigungsverhältnis kommt, verringert sich die Gefahr, im Alter in Armut zu geraten. Insbesondere – auch darauf will ich hinweisen – müssen wir eine eigenständige Alterssicherung bei Frauen im Blick behalten. Derzeit beziehen Frauen durchschnittlich um 59,6 % geringere Alterseinkommen als Männer. Grund dafür ist oftmals eine Unterbrechung des Berufs wegen Kindererziehungszeiten oder wegen Familienpflegezeiten.
Wir müssen – das ist unser Ziel – für eine Rentengerechtigkeit für Mütter sorgen. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist unter anderem eine gute Vereinbarung von Familie und Beruf wichtig. Hier hat auch die Hessische Landesregierung bereits nachweislich große Anstrengungen unternommen. In den vergangenen Jahren wurde die Zahl der Kinderbetreuungsplätze deutlich ausgeweitet. Sozialminister Grüttner hat heute Morgen dazu Stellung genommen und neueste Zahlen genannt.
Meine Damen und Herren, eine wichtige Basis zur Vermeidung von Altersarmut ist auch, dass die Rente nicht nur die gesetzliche Rente umfasst, sondern nach wie vor auf drei Säulen basiert: der gesetzlichen Rente, der privaten Vorsorge und den Betriebsrenten. Die gesetzliche Rente wird sicherlich die wichtigste der drei Säulen bleiben. Sie wird aber aufgrund des demografischen Wandels mit immer weniger Beitragszahlern und immer mehr Rentenempfängern nicht mehr so leistungsfähig sein können wie bisher – auch wegen der Rentendämpfungsfaktoren, die zur Stabilisierung der Rentenversicherung eingeführt wurden.
Deshalb ist es wichtig, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen noch zusätzlich eine private Altersvorsorge aufbauen und möglichst auch eine betriebliche Altersvorsorge abschließen.
Meine Damen und Herren, auch die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters bis im Jahr 2029 auf 67 Jahre ermöglicht höhere Rentenbezüge und verhindert, dass die Rentenversicherungsbeiträge von immer weniger
Meine Damen und Herren, Voraussetzung dafür ist, dass genügend und bessere Beschäftigungsverhältnisse für ältere Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Aber auch hier haben sich die Zahlen in den letzten Jahren positiv entwickelt. Heute ist mehr als die Hälfte der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Vor zwölf Jahren war es nur ein Drittel.
Die Bekämpfung der Altersarmut wird insbesondere in den kommenden Jahren eine große Herausforderung sein, der wir uns stellen müssen. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung und die Hessische Landesregierung bereits erste notwendige Weichenstellungen vorgenommen haben und weitere Maßnahmen planen. Dazu gehören in Hessen auch Maßnahmen, die die Lebenssituation der älteren Generation verbessern, wie z. B. die Seniorenpolitische Initiative, mit der auf den demografischen Wandel und auf die Bedürfnisse älterer Menschen verstärkt reagiert werden soll.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die Seniorenpolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt.
Die Belange der heutigen und der zukünftigen Rentner werden von ihr gut vertreten und sind bei Sozialminister Grüttner in guten Händen. Die Älteren in Hessen wissen, dass sie sich auf die CDU-Landtagsfraktion und die schwarz-gelbe Landesregierung verlassen können. Wir wollen, dass es der älteren Generation auch künftig gut geht. Darauf ist unsere Seniorenpolitik ausgerichtet.
Schönen Dank, Herr Gerling. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Müller das Wort. Bitte schön, Frau Müller.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gefahr von Altersarmut ist zunehmend ein Problem. Daran gibt es nichts herumzudeuteln. Die durchschnittlich recht gute Situation – wir haben es eben gehört – der heutigen Rentnerinnen und Rentner darf uns keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass dies in der Zukunft wesentlich anders zu werden droht. Auch der Kollege Gerling hat eben darauf hingewiesen, dass die Erwerbsbiografien heutzutage – und die, die junge Menschen heute zu erwarten haben – wesentlich anders sind als die, die noch in meiner Generation gang und gäbe waren.
Für uns Sozialdemokraten ist ein gutes und selbstbestimmtes Leben im Alter ein Prüfstein für eine sozial gerechte Gesellschaft.
Das bedeutet auch eine ausreichende materielle Absicherung, um weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben
zu können. Ältere Menschen haben einen Anspruch auf Respekt vor ihrer Lebensleistung und ihrem Lebens abend. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt: Nied rige Löhne können zu Altersrenten führen, die unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegen. Nicht anders verhält es sich bei Teilzeitbeschäftigungen, die vornehmlich von Frauen ausgeübt werden. Das ist ein ganz spezifisches Problem; denn viele können sich gar nicht mehr aussuchen, ob sie in Teilzeit arbeiten wollen oder nicht.
Wir haben es mit vielen Erwerbsbiografien zu tun, die von Phasen unverschuldeter Arbeitslosigkeit, Brüchen und Schwankungen gekennzeichnet sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang ganz besonders an die SchleckerFrauen. Es handelt sich also um ein Problem, das die Frauen in besonderer Weise trifft. Wir benötigen deshalb – quasi als Sofortmaßnahme – einen gesetzlichen Mindestlohn und das Ende der Unkultur der mehrfach befristeten Beschäftigungen.
Um einem Wettbewerb um die schlechtesten Arbeitsbedingungen keine Anreize zu setzen, ist es außerdem nötig, die Wochenarbeitszeiten bei Minijobs zu begrenzen und Leiharbeiter und Stammbeschäftigte gleich zu entlohnen.
Auch müssen Instrumente entwickelt werden, wie Zeiten geringen Verdienstes und Arbeitslosigkeit bei der Rente höher bewertet werden können.
Bei den gegenwärtigen Seniorinnen und Senioren fallen noch weitere Problemfelder ins Auge. So ist die Zahl der geringfügig Beschäftigten über 65 Jahre in Hessen zwischen 2000 und 2010 um 58 % gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass diese Steigerung vornehmlich auf schwierige wirtschaftliche Verhältnisse verweist. Es ist nämlich nicht nur einseitig nach den durchschnittlichen Beträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu fragen; zur Vermeidung von Altersarmut gehört auch, für ausreichenden sozialen Wohnungsbau zu sorgen. Für die Städte und Ballungsräume ist dies sogar elementar. Es ist nicht die Vorstellung der SPD, dass Menschen im Alter ihre vertraute Umgebung bzw. ihre Stadt verlassen müssen, weil sie von Wohnkosten erdrückt werden. Rentnerinnen und Rentner, die in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, müssen zudem aktiv und sensibel über ihre Rechtsansprüche auf Grundsicherung im Alter oder Wohngeld aufgeklärt und ermutigt werden, diese auch zu realisieren. Verschämter Altersarmut darf in unserem Sozialstaat kein Vorschub geleistet werden.
Neben den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt sind die Bedingungen der gesetzlichen Rente und des sogenannten Dreisäulenmodells entscheidend. Tatsächlich sind diese drei Säulen höchst unterschiedlich tragfähig. Über eine betriebliche Altersvorsorge verfügen längst nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer. Selbst wenn die Zahl der Menschen mit privater Vorsorge steigt – etwa durch die stärkere Inanspruchnahme der Riester-Renten –, bleibt doch ein Problem bestehen: Untersuchungen zeigen, dass private Vorsorgeformen vor allem von Personen mit gehobenen-mittleren und gehobenen Einkommen genutzt werden. Bei vielen Menschen mit geringem Einkommen oder solchen, die Kinder zu versorgen haben, übersteigt die private Vorsorge schlicht ihre finanziellen Möglichkeiten. Wie soll jemand mit einem Niedriglohn
auch noch Sparbeträge einer privaten Rentenversicherung finanzieren, wie eine Familie, die Kosten für Betreuung, Lernmaterial und Freizeitaktivitäten der Kinder aufbringen muss? Wie soll das eine alleinerziehende Mutter schaffen? Nicht wesentlich anders verhält es sich mit den Betriebsrenten. Wenige haben das Glück, eine Anstellung bei einem großen Betrieb oder in einer Branche zu finden, wo eine private Altersvorsorge angeboten wird. Das geht längst nicht allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so.
Hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung stehen meine Fraktion und ich auf dem Standpunkt, dass die Entscheidung über deren Zukunft nicht von der Situation am Arbeitsmarkt abgekoppelt werden darf. Wir bleiben dabei: Der Einstieg in die Erhöhung der Altersgrenze auf 67 Jahre ist nicht durchzusetzen, weil die Voraussetzungen für eine Erhöhung gegenwärtig nicht gegeben sind. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters ist erst dann möglich, wenn die rentennahen Jahrgänge zu mindestens 50 % sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Auch davon sind wir weit entfernt.
Für Berufe, in denen besondere Belastungen gegeben sind, z. B. im Baugewerbe und in der Pflege, muss es möglich sein, ohne Abschläge früher in den Ruhestand zu gehen.
Meine Damen und Herren, wir wollen vermeiden, dass Altersarmut zu einem gravierenden Zukunftsproblem wird. Wir müssen jetzt die Weichen dafür stellen – am Arbeitsmarkt und in der Rentenversicherung. Die vorsorglichen Maßnahmen für ein materiell abgesichertes Leben beginnen weit vor dem Erreichen des Alters. Die beste Vorsorge gegen Altersarmut – neben einer Rente bzw. einer Altersversorgung, die ein Leben in Würde und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen – ist ein erfülltes Berufsleben und der Aufbau eines sozialen Netzwerkes.
Wir brauchen ein solidarisches Rentensystem. Wir brauchen eine gerechte Arbeitsmarktpolitik, zum Leben ausreichende Löhne und eine Einschränkung des ausufernden Leiharbeitswesens sowie der Befristung von Arbeitsverträgen. Wir brauchen verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen für junge Familien und besonders für Frauen. Wir brauchen kein Betreuungsgeld, sondern eine umfassende, gute und liebevoll gestaltete Betreuung und Bildung im Vorschulalter, eine hervorragende schulische Bildung und Hochschulbildung für junge Menschen, auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir brauchen eine gesicherte medizinische Versorgung, auch im ländlichen Raum. Wir brauchen eine Lebens- und Wohnsituationsgestaltung nach den spezifischen Bedürfnissen der Menschen im städtischen und ländlichen Raum. Wir brauchen den Ausbau von Netzwerken für den Fall der Hilfebedürftigkeit, auch zur Vermeidung der Aufnahme in Alters- und Pflegeheime.
All das ist nur mit einem System der solidarischen Absicherung, einer vorausschauenden Familien- und Bildungspolitik, durch besondere Berücksichtigung der Interessen von Frauen, mit einem solidarischen Rentensystem sowie einer verlässlichen, würdevollen und qualifizierten Betreuung und Pflege bei Hilfebedürftigkeit zu erreichen.
Für all das wollen wir sorgen. Für uns ist eine sozial gerechte und solidarische Absicherung des Ruhestandes
Meine Damen und Herren! Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband schätzt, dass im Jahr 2030 rund 10 % der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland von Armut betroffen sein werden. Das werden vor allem Menschen mit geringem Einkommen und Personen sein, die nicht ununterbrochen erwerbstätig waren; das werden in großem Umfang Frauen sein. Ich glaube, wenn man sich umschauen würde, könnte man diese 10 % der Rentnerinnen und Rentner fast schon mit Namen benennen, weil alle Voraussetzungen dafür, warum man in die Altersarmut gerät, eigentlich bekannt sind.
Eine verkürzte Sichtweise in Form der Betrachtung der Rentenbezüge, wie sie hier zum wiederholten Male stattgefunden hat, halte ich nicht für zielführend. Wenn wir uns die Beantwortung der Großen Anfrage zur Grundsicherung anschauen, sehen wir, die aktuellen Zahlen in Hessen zeigen, dass Altersarmut für die Gesellschaft ein geringes Problem ist. Für die wenigen, die schon jetzt von Altersarmut betroffen sind, ist es aber ein gravierendes Problem. Sie leben in Vereinsamung, sie leben in einer schlechten Wohnsituation, sie haben eine mangelhafte medizinische Versorgung, sie leiden unter Beschränkungen bei Ernährung, Kleidung und Mobilität, und ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist weitgehend ausgeschlossen.
Ich finde, wir sollten eine Gesellschaft haben, in der sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass sie als langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte – auch als Geringverdiener, als Teilzeit erwerbstätige oder mit unterbrochenen Erwerbsbiografien – im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Wir brauchen eine Rentenpolitik, die es allen erlaubt, in Würde zu altern, und einen Rentenbezug, der vor Armut schützt.
Die heutige Rentenversicherung mit ihrer Umlagefinanzierung ist das Kernstück. Sie muss aber weiterentwickelt werden, um nicht nur den heutigen, sondern auch den zukünftigen Rentnerinnen und Rentnern ein Alterseinkommen zu sichern und sie vor Armut zu schützen. Davon ist die Politik der CDU/FDP-Bundesregierung leider weit entfernt.
Wir wissen, dass die Zahl älterer Menschen steigt, und wir wissen, dass auch die Zahl armer älterer Menschen steigen wird, wenn wir die Ursachen nicht heute massiv angehen. Niedrige Einkommen während des Erwerbslebens und eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit sind die Hauptursachen für die Altersarmut von morgen, und deshalb brauchen wir heute Ausbildungsprogramme für Jungen und Mädchen, die eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen.
Neben einem Mindestlohn ist die Reduzierung von geringfügiger und prekärer Beschäftigung die Grundlage
für ein existenzsicherndes Einkommen und für existenzsichernde Renten. Wir brauchen eine Familienpolitik, die es Männern und Frauen ermöglicht, Berufstätigkeit und Familienleben miteinander zu vereinbaren, so, wie wir GRÜNE es in unserem Konzept „Geschlechtergerechtigkeit“ deutlich aufgezeigt haben.
Aber auch bei der hiesigen CDU/FDP-Regierung ist kaum ein Konzept dafür zu erkennen, wie man der Altersarmut vorbeugen kann. Man hat bisher nichts erreicht und hat auch nichts mehr vor. Es kommt aber darauf an, heute zu handeln, um auf morgen vorbereitet zu sein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Das Beste war die Länge der Rede!)
Schönen Dank, Frau Schulz-Asche von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Ich rufe jetzt Herrn Mick, FDP-Fraktion, auf.