Protokoll der Sitzung vom 06.09.2012

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Sie sollten sich die Fragen zumindest einmal anhören. Wenn Ihnen keine Antworten dazu einfallen, ist das Ihr Problem. Aber die Fragen sollten Sie sich wenigstens anhören.

(Zurufe von der SPD)

Zweitens. Brauchen Sie es für Ihren Wahlkampf wirklich, dass Steuerpflichtige auch in Zukunft in der Schweiz Steuern hinterziehen können, indem Sie verhindern, dass das Abkommen in Kraft tritt?

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Drittens. Brauchen Sie es für Ihren Wahlkampf wirklich, dass sozialdemokratische Finanzminister entgegen ihrer Fürsorgepflicht Beamte anweisen, Taten zu begehen, für die sie in der Schweiz strafrechtlich verfolgt werden?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Caspar, Ihre nächsten beiden Fragen müssen Sie sehr schnell stellen.

Viertens. Brauchen Sie für Ihren Wahlkampf wirklich das Fortdauern einer Situation, die dem Finanzplatz Frankfurt schadet, da die Geldanlage in der Schweiz für Steuerhinterzieher dadurch attraktiv bleibt?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Fünftens. Brauchen Sie für Ihren Wahlkampf wirklich die Aufrechterhaltung eines Unrechtszustands, wenn es doch jetzt möglich ist, bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu einer rechtlich einwandfreien Lösung zu kommen?

Um die Beantwortung dieser Fragen würde ich bitten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Das Wort hat der Abg. Al-Wazir, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Caspar hat es gerade auf die Spitze getrieben. Ein Mitglied der Landtagsfraktion und der Landes-CDU, die 1999 mit der Doppelpasskampagne und 2008 mit der Kampagne gegen kriminelle ausländische Jugendliche auf die niedrigsten Instinkte in der Bevölkerung gesetzt haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Vorsicht, mein lieber Freund!)

entdeckt jetzt, dass sich diejenigen, die darauf bestehen, dass hier Steuerehrlichkeit herrscht, rassistisch gegenüber der Schweiz verhalten. Herr Caspar, George Orwell hat einen würdigen Nachfolger gefunden.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sprechen Sie doch einmal von heute! – Judith Lannert (CDU): Ihnen fällt nichts Besseres ein, als alte Schubladen aufzuziehen!)

Also fangen wir doch einmal von vorne an. Vor zwei Jahren tauchten die ersten Steuer-CDs auf, und Gott sei Dank hat die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen zugegriffen und gekauft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Caspar, Herr Müller, ich stelle fest: Ohne diesen Ankauf der Steuer-CDs, gegen den Sie waren – worüber wir hier vor zwei Jahren im Landtag debattiert und Sie gesagt haben, das dürfe man nicht kaufen –, wäre die Schweiz doch niemals bereit gewesen, überhaupt über ein Abkommen zu verhandeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der FDP)

Ich stelle also erstens fest: Dieser Ankauf hat auf schweizerischer Seite immerhin für Bewegung gesorgt.

(Alexander Noll (FDP): Das ist doch unglaublich!)

Zweitens. Laut Auskunft des hessischen Finanzministers Dr. Thomas Schäfer haben diese CDs nicht nur durch die Daten, die darauf waren, sondern auch durch die Angst, die sie bei den Steuerhinterziehern, wie ich finde richtigerweise ausgelöst haben, allein in Hessen zu über 4.000 Selbstanzeigen geführt. Diese Selbstanzeigen haben laut Auskunft des Finanzministers Dr. Schäfer zu Mehreinnahmen für das Land Hessen von fast 440 Millionen € geführt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Müller, dieses Geld wollten Sie nicht haben. Ich finde es schon abenteuerlich, dass Sie heute einen Antrag einreichen, wo drinsteht – ich zitiere –, dass für das Land Hessen „... jedes Jahr voraussichtlich mit zweistelligen Millionenbeträgen...“ an Steuereinkommen zu rechnen ist, wenn Ihr eigener Finanzminister gesagt hat, dass wir allein durch die Selbstanzeigen in den letzten zwei Jahren 440 Millionen € mehr eingenommen haben. Sie müssen sich einmal entscheiden, auf wessen Seite Sie stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das ist aber weniger, als wir könnten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung ist asoziales Verhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil es nämlich Leute gibt, die die aus Steuermitteln bezahlten Straßen und Schienen in diesem Lande finanzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es gibt Leute, die freuen sich daran, dass Deutschland eines der sichersten Länder der Welt ist, wissen aber wohl offensichtlich nicht, dass sowohl die Polizei, unser soziales Sicherungssystem als auch Kriminalprävention aus Steuergeldern bezahlt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die schicken ihre Kinder auf gute öffentliche Schulen, wollen aber nicht ihren Teil dazu beitragen, dass dieses System finanziert ist. Die gehen hier ins Theater und ins Konzert und schieben gleichzeitig ihr Geld in andere Länder, weil sie sich an der Finanzierung des Gemeinwesens nicht beteiligen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, dass dieses asoziale Verhalten geistige Väter hat. Ich kann mich erinnern, dass in den Neunzigerjahren mal irgendein Beisitzer in den FDP-Bundesvorstand gewählt worden ist, der zur ersten Sitzung mit einem TShirt kam, auf dem stand: „Steuern sind Diebstahl“. Wer so denkt, der muss sich einmal überlegen, von wem er eigentlich bezahlt wird, wenn er z. B. hier im Landtag sitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch eine verkehrte Welt. Es soll sogar der FDP angehörende Steueranwälte geben, in deren Kanzlei die Besprechungsräume „Monaco“, „Liechtenstein“ und „Bahamas“ heißen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch bei der FDP – Minister Jörg-Uwe Hahn: Mannomann!)

Sie müssen sich entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie auf der Seite der ehrlichen Steuerzahler stehen oder ob Sie die Schutzmacht der Steuerhinterzieher sein wollen. Das ist Ihre Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): Das ist voll daneben!)

Ich war in den letzten Jahren sehr pragmatisch. Herr Kollege Müller hat Herrn Eichel angesprochen. 2005 gab es ein Gesetz, die sogenannte „Brücke in die Steuerehrlichkeit“. Ich war dafür, dass wir das machen, weil ich gesagt

habe: Okay, lasst uns diese Brücke bauen. – Das Problem ist nur, diese Brücke wurde von den Steuerhinterziehern nicht genutzt, weil sie gedacht haben: Uns erwischt ja keiner. – Dann kam Herr Steinbrück und hat die Abgeltungssteuer eingeführt und gesagt: 25 % von x sind besser als 45 % von nichts. – Damit hat er theoretisch recht gehabt, wenn die 25 % gekommen wären. Sie kamen aber nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wer sagt Ihnen denn, dass wir mit diesem Abkommen auch eine Möglichkeit haben, an die sogenannten Abschleicher heranzukommen, wenn Sie sich das Abkommen mit der Schweiz einmal genau anschauen, wenn Sie sich anschauen, dass es die Abfragemöglichkeit eben nicht gibt, dass die Namen eben nicht genannt werden und dass es für die sogenannten „Abschleicher“, wie das in der Schweiz heißt, keine Lösung gibt, d. h. für die Leute, die deutsche Staatsbürger sind, die in Deutschland wohnen und ihr Geld vielleicht schon längst von der Züricher Filiale ihrer schweizerischen Bank auf die Hongkonger Filiale ihrer schweizerischen Bank übertragen haben? Dieses Abkommen würde es, wenn es nicht verändert wird

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Herr Müller –, schlimmer machen, als es jetzt ist. Deswegen sage ich Ihnen: So kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen ist es gut, dass der Bundesrat dieses Abkommen nicht passieren lässt, und es ist gut, wenn man sich das Abkommen in der ersten Version anschaut, dass – – Nein, machen wir es von Anfang an:

Erstens. Sie wollten nicht, dass die CDs gekauft werden; wenn sie nicht gekauft worden wären, hätte es dieses Abkommen überhaupt niemals gegeben.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das ist absurd!)

Zweitens. Wenn Sie die erste Variante des Abkommens, die Ihre Bundesregierung ausgehandelt hat, mit dem jetzigen Abkommen vergleichen, dann werden Sie feststellen

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))