Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Sie haben aber dagegen geklagt. So viel ist Ihr Versprechen wert.

Das Letzte: Die Fracht braucht die Nacht. – Das hat die Lufthansa über Jahre hinweg erzählt. Sie hat immer gedroht, man müsse die Fracht verlagern und der gesamte Standort Frankfurt sei gefährdet. Was jetzt? Jetzt baut die Lufthansa ein neues Frachtzentrum und begründet das sogar noch mit dem Nachtflugverbot.

Das waren alles Märchen, um den Flughafenausbau durchzusetzen. Was ich wirklich unerträglich finde, ist die „Ja zu FRA“-Kampagne, die die Fraport gerade macht. Eine solche Kampagne ist für ein Unternehmen, das sich mehrheitlich im öffentlichen Besitz befindet, wirklich unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Müller, Sie fordern, man müsse alle Verkehrsmittel gleich fördern und gleich behandeln. Das tun Sie doch gar nicht. Das stimmt doch nicht. Das ist doch auch eine Mär. Der Flugverkehr wird doch privilegiert. Warum gibt es denn keine Kerosinsteuer? Setzen Sie sich doch als FDP einmal dafür ein, dass Kerosin besteuert wird. Das wäre ein Beitrag zur Gleichbehandlung der Verkehrsmittel.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Wir stecken insgesamt viel Geld in den ÖPNV, in die Straße usw.!)

Wer zahlt denn jetzt die Kosten für den Lärmschutz? Die Kosten für den Lärmschutz zahlen doch nicht die Verursacher, sondern die Kosten für den Lärmschutz zahlen zu allererst einmal wieder der Steuerzahler und die Leute, die durch den Lärm geschädigt sind.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Es geht auch um die Frage von Klimaschutz. Natürlich muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass es hier nicht nur um Lärm geht. Es geht um Schadstoffe, es geht um Klimaschutz. Wir wissen doch, dass Fliegen die umweltfeindlichste Form der Fortbewegung ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie tragen doch dazu bei, Frau Kollegin!)

Man muss doch einmal eine Diskussion darüber führen, ob es nicht sinnvoll ist, gerade innerdeutsche Flüge auf die Bahn zu verlegen, weil wir die Klimaerwärmung aufhalten müssen und weil es natürlich ein sinnvoller Schritt hin zu einer Verkehrswende ist.

(Clemens Reif (CDU): Fahren Sie doch demnächst mit dem Zug nach Kuba!)

Meine Damen und Herren, am letzten Montag fand die 35. Montagsdemonstration am Flughafen statt. Ich habe Hochachtung vor der Ausdauer. Es zeigt natürlich aber auch, wie verzweifelt die Menschen sind. Herr Staatssekretär, Sie irren sich gewaltig, wenn Sie glauben, die Menschen hätten ihren Frieden mit dem Flughafenausbau gemacht.

Was die Menschen im Terminal immer wieder sagen: Sie geben so lange keine Ruhe, bis sie endlich wieder Ruhe haben. – Diese Menschen fordern vollkommen zu Recht, dass an der Lärmquelle angesetzt werden muss. Wie soll es denn leiser werden, wenn 200.000 zusätzliche Flugbewegungen dazukommen? Man baut einen Flughafen aus, um mehr Flugbewegungen zu haben. Das bedeutet mehr Lärm. Wir brauchen also natürlich eine Reduzierung der Flugbewegungen. Wir sind auch der Meinung, dass wir die Stilllegung der Landebahn brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie erwidern, das sei nicht realistisch. Gehen Sie doch bitte in die Schulen nach Sachsenhausen, nach Niederrad und nach Flörsheim und schauen sich an, welcher Lärmbelastung die Kinder dort ausgesetzt sind, die morgens um fünf aus dem Bett geworfen werden. Alles das bringt gesundheitliche Schäden.

(Zurufe von der CDU)

Herr Arnold, ich bin der Meinung, dass Sie den Menschen Sand in die Augen streuen, wenn Sie die Illusion von leisen Flugzeugen schüren. Es gibt keine leisen Flugzeuge. Wenn man einen Flughafen ausbaut, dann sorgt das für mehr Lärm.

Frau Kollegin Wissler, Sie müssten zum Ende kommen.

Letzter Satz. Herr Grumbach, Sie haben gesagt: „Man muss nur wollen“ reicht nicht. – Das ist nicht richtig. Natürlich ist das ein Ergebnis von politischen Entscheidungen. Politische Entscheidungen müssen zurückgenommen werden, wenn sie solche verheerende Auswirkungen haben. Die Menschen brauchen keine Vertreibungsprämien. Es kann doch nicht sein, dass die Lufthansa und die Fraport Priorität vor der Lebensqualität und der Gesundheit der Menschen in der Region haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als nächster Redner hat sich Kollege Kaufmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Kaufmann, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der CDU: Jetzt wollen wir mal hören, was da los war! – Michael Boddenberg (CDU): Wir sind für das strikte Nachtflugverbot!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Staatssekretär, das, was Sie gerade vom gestrigen Abend berichtet haben, der jetzt eine gewisse Bedeutung zu erlangen scheint, ist das Gegenteil erstens von Wahrhaftigkeit und zweitens von Bemühungen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Beweise!)

zu einer Deeskalation beizutragen. Das Gegenteil von Wahrhaftigkeit können genügende Anwesende bezeugen, die dabei gewesen sind und gehört haben, was ich gesagt habe. Sie können es jederzeit bekunden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich will es Ihnen auch gerne noch einmal erklären. Wir haben alle noch in Erinnerung, wie uns Herr Kratky fast zu Tränen getrieben hat, wie schlecht es doch der Lufthansa geht.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, wir wollten schon sammeln gehen! – Michael Boddenberg (CDU): Der macht seinen Job!)

Insbesondere auch die rigide Regelung der Grenze des Nachtflugverbots sei für die Lufthansa erheblich belastend.

(Unruhe bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Man sollte eben nicht zur Lufthansa gehen!)

Das hat er uns erklärt, dazu gab es diverse Bemerkungen. Er hat dringend verlangt, gerade was die Grenze gegen 23 Uhr angeht, müsse man flexibler sein.

Ich habe in einer von mehreren Erwiderungen, andere haben auch etwas gesagt, den Vorschlag gemacht, den ich übrigens mit Herrn Dr. Schulte auch schon einmal erörtert hatte – das hatte ich auch erwähnt –: Flexibilität ist gut, er soll sein Angebot vorlegen. Wenn man flexibel sein wolle und sagt, man lasse auch einmal eine Verspätung zu, dann müsse man den lärmgeplagten Menschen aber auch ihrerseits einen Gewinn geben. Das bedeutet irgendwann einmal vor 23 Uhr. – Mein erster Diskussionsvorschlag lautete: die doppelte Zeitspanne vorher. Wenn ich also um 23:10 Uhr noch fliegen will, muss ich an einem anderen Abend um 22:40 Uhr Schluss machen.

(Unruhe bei der CDU und der FDP)

Darüber war zu reden, nämlich über die Frage, ob die Flexibilität ehrlich gemeint war oder nicht. Das hat der Staatssekretär völlig anders dargestellt, aber das ist sein Problem und nicht meins.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

Was im Augenblick geschieht, und dabei bleibe ich, ist ein hamsterartiges Immer-weiter-Beißen an der Nachtflugverbotsgrenze.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, Sie sagen, Sie machen immer alles rechtmäßig. Die Beurteilung, ob etwas rechtmäßig ist oder nicht, obliegt am Ende aber den Gerichten. Das muss insoweit dort geklärt werden. Ich persönlich halte es nicht für rechtmäßig, auch nicht im Sinne dessen, was im Planfeststellungsbeschluss steht, dass Sie das machen, was Sie mir

auf meine Kleine Anfrage, Drucks. 18/5975, geantwortet haben, dass nämlich Umlaufverspätungen ein Grund für Ausnahmegenehmigungen sein können. „Umlaufverspätungen“ heißt: Das gleiche Fluggerät fliegt über tags verschiedene Destinationen an, kommt – z. B. wegen einem Gewitter – zu spät nach Frankfurt und kann seinen letzten, ursprünglich geplanten Umlauf nur dadurch vollziehen, dass eine Ausnahmegenehmigung für einen Start nach 23 Uhr erteilt wird. Sie haben hier erläutert, dass das ein Grund für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei.

Dazu sage ich: Das kann kein Grund sein, weil die Dispositionsmöglichkeiten der Luftverkehrswirtschaft unter anderem darin bestehen, für Fälle der Verspätung Ersatzgerät zur Verfügung zu halten, um genau das zu vermeiden.

An dieser Stelle wird wie an vielen anderen Stellen wieder einmal deutlich, dass es Ihnen mit dem tatsächlichen Schutz der Nachtruhe überhaupt nicht ernst ist, sondern dass für Sie die Verkehrswünsche – von mir aus auch die Verkehrsbedürfnisse – der Luftverkehrswirtschaft immer Priorität haben. Deswegen sage ich zu Recht: Das ist nicht nur eine laxe Praxis, sondern meiner Ansicht nach an einigen Punkten sogar nicht rechtmäßig, was nach wie vor gemacht wird.

Mit dem Thema verspätete Landungen werden wir uns noch befassen. Die Antwort auf die Kleine Anfrage liegt noch nicht vor, weil Sie, wir haben es am Dienstag ja gehört, für alles ewig brauchen. Sie haben die Entscheidung zwar schon getroffen, aber die Begründung können Sie nicht innerhalb von sechs Wochen formulieren, sondern brauchen dafür ein Vierteljahr. Ich nehme auch das zur Kenntnis. Wir werden es am Ende ja noch klären.

Ich kann nur noch einmal unterstreichen: Wir wollen den Menschen tatsächlich helfen. Das fängt im Kleinen an, hört dort aber nicht auf. Unsere Zielsetzungen sind vielmehr eine Deckelung und Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen und die Gewährleistung der Ruhe in der ganzen Nacht. Das sind unsere politischen Ziele, denn wir wollen mit dem Flughafen auf Dauer in Frieden leben und nicht mit dem unfriedlichen Zustand, der zurzeit herrscht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Herr Kollege Boddenberg hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich wollte eine Frage stellen!)

Sorry, das war das Zeichen für eine Meldung zur Geschäftsordnung. Sie hätten aber die Möglichkeit, für die CDU-Fraktion fünf Minuten lang zu reden.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, ich will die Frage, die ich Ihnen stellen wollte, in dieser Form – –

(Günter Rudolph (SPD): In welcher Funktion reden Sie?)

Herr Boddenberg, reden Sie jetzt als Abgeordneter oder als Staatsminister?