Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Ungleichverteilung zwischen Arm und Reich in diesem Lande weiter zunimmt. Die untere Einkommenshälfte verfügt gerade noch über 1,2 % des Nettovermögens. Das war einmal deutlich mehr. Die obersten 10 % verfügen über 50 % des Nettovermögens in Deutschland.
Meine Damen und Herren, natürlich ist es richtig und angemessen, dass die, die breitere Schultern haben, auch mehr dazu beitragen, um die darniederliegende öffentliche Infrastruktur – z. B. im Bereich der Kindergärten, im Bereich der Bildung, bei den öffentlichen Einrichtungen – gegenzufinanzieren. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich das Engagement des Bündnisses „UmFairTeilen“.
Meine Damen und Herren, zum ersten Mal sagen die Träger sozialer Dienstleistungen, die Sozialverbände – vom VdK über den Sozialverband Deutschland bis zur AWO, die Gewerkschaften, attac, Bürgerbewegungen, inzwischen auch die Kirchen, Caritas, Diakonie usw. – nicht nur, dass sie mehr Mittel brauchen, sondern sie machen auch Vorschläge, wie das zu erreichen ist. Sie beteiligen sich also als Bürgerbewegung an der demokratischen Debatte. Das müsste sogar die FDP freuen. Selbst wenn sie das Ergebnis inhaltlich nicht freut, so müsste sie sich doch darüber freuen, dass die politische Debatte, an der sich jedermann beteiligen kann, eine neue Qualität erreicht, weil sich die Sozialverbände in die inhaltliche Diskussion nicht nur über die Probleme, sondern auch über die Lösungsvorschläge begeben.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband, der diese Initiative gestartet hat, der für die Organisation der Demonstration am Samstag die Federführung übernommen hat, der diese Bewegung herbeigeführt hat, will parteipolitisch ausdrücklich nicht vereinnahmt werden.
Er wollte ausdrücklich als Teil einer Basisbewegung agieren, um die Breite des Bürgerwillens von unten zu demonstrieren; denn die Menschen müssen sich überhaupt erst wieder mit der Tatsache beschäftigen, dass es nicht nur darum geht, zu klagen, sondern auch darum, konkrete Lösungen zu präsentieren.
Das haben auch fast alle verstanden, nur nicht DIE LINKE im Hessischen Landtag. Die hat nichts Besseres vor, als diese Bewegung wieder einmal parteipolitisch zu vereinnahmen und so zu tun, als würde nur DIE LINKE für Umverteilung eintreten.
Offenkundig hat DIE LINKE im Hessischen Landtag immer noch nicht verstanden, dass sie in solchen Fällen Adressat und nicht Initiator ist: dass eine Bürgerbewegung, die sich an das Parlament wendet, möchte, dass dieses handelt. Die SPD weiß, wie man damit umgeht. Sie legt einen Antrag vor, in dem konkrete Umsetzungen der Forderungen vorgeschlagen werden, mit denen man etwas anfangen kann. Wir versuchen gerade nicht, so zu tun, als ob wir die Bürgerbewegung wären, sondern wir sehen uns als ihr Adressat.
Die Usurpierung der Bürgerbewegung, die ein Umverteilen fordert, durch DIE LINKE gefährdet das Projekt. Das entspricht gerade nicht dem Willen derer, die es initiiert haben.
Meine Damen und Herren, die einfache Frage an dieser Stelle ist: Wer hat es erfunden? Nicht die Schweizer, aber ganz bestimmt auch nicht die Linksfraktion im Hessischen Landtag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen hier eine Debatte über einen Bericht, den es in seiner endgültigen Fassung noch gar nicht gibt. Der Entwurf des Armutsund Reichtumsberichts der Bundesregierung befindet sich in der Ressortabstimmung.
Glaube ich nicht. – Damit ist es für eine inhaltlich fundierte Diskussion deutlich zu früh. Sie brechen eine Debatte vom Zaun und nutzen diesen Entwurf als Vehikel, um linke Ideologie klischeehaft, aber möglichst publikumswirksam zu verbreiten.
Es verwundert daher nicht, dass Sie die Notwendigkeit übergehen, auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse und einer durch die Bundesregierung festgestellten Conclusio zu argumentieren. In der aktuellen „Wirtschaftswoche“ wird die Bewertung des Entwurfs durch Ihren Bundesgeschäftsführer und in der Folge auch durch Sie als „Hang zur politischen Parapsychologie und Beweis für die Existenz von Parallelwelten“ bewertet. Dem schließe ich mich ausdrücklich an.
Kurz vor der Sommerpause hatten wir Gelegenheit, über den ersten Hessischen Landessozialbericht zu diskutieren. Er liefert umfassende Daten zur Lebenssituation der hessischen Bevölkerung. Eine Phantomdiskussion wie die heutige dient nicht der sachlichen Auseinandersetzung, sondern sie trägt bewusst zur Panikmache bei.
Bedauerlich finde ich, dass die SPD-Fraktion glaubt, sich an Ihre Fersen heften zu müssen, und sich vorschnell an ihr Wahlkampfansinnen erinnert, die Vermögensteuer wiederzubeleben und die Einkommensteuer heraufzuschrauben.
Bedenken Sie, dass hierdurch auch die vielen mittelständischen Unternehmen betroffen sein könnten, die wirtschaftlich das Rückgrat Deutschlands bilden. Welches Interesse sollten wir daran haben, diese Unternehmen von Investitionen an ihren jeweiligen Standorten abzuhalten oder sie sogar zu Überlegungen anzuregen, unser Land zu verlassen?
Wen wird denn eine stärkere Besteuerung von Vermögen noch treffen? Das wird über Löhne und Mieten in erster Linie die arbeitende Mittelschicht sein, aber auch minderqualifizierte Arbeitnehmer werden aufgrund des Wegfalls von Arbeitsplätzen davon betroffen sein. Das ist nicht in unserem Sinn.
Vermögende tragen gesellschaftliche Verantwortung. Heute schon werden mehr Steuern und Abgaben gezahlt,
wenn der entsprechende Reichtum vorhanden ist. Mit Blick auf freiwillige Spenden und Stiftertätigkeiten ist festzustellen,
dass es gut ist, wenn es auch stärkere Schultern gibt. Statt den Blick nur auf das Mittel der staatlichen Umverteilung zu richten und sich damit in die sozialistische Sackgasse zu begeben, ist es richtig, die Erfolge zu betrachten, die auf dem Weg zur Bekämpfung der Armut erzielt wurden, und Maßnahmen weiter auszubauen, um Armut nachhaltig zu verhindern. Hilfe zur Selbsthilfe und Qualifizierung sind Rezepte gegen Armut; der Ruf nach staatlichem Dirigismus ist es nicht.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sagen Sie das mal den 2.000 Neckermann-Beschäftigten, die jetzt entlassen werden!)
Seit dem Jahr 2005 haben mehr als 2 Millionen Menschen zusätzlich Arbeit gefunden. Wir erfreuen uns der niedrigsten Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist seit 2007 um 40 % gesunken. Die Jugendarbeitslosigkeit ist geringer als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise; innerhalb der EU ist die Quote am niedrigsten. Im Jahr 2011 konnten wir mit 41 Millionen Erwerbstätigen einen Höchststand bei der Beschäftigung feststellen.
Dabei ist die Erwerbsquote Älterer überdurchschnittlich stark gestiegen, und erfreulicherweise hat sie bei den Zugewanderten stärker als bei den Inländern zugenommen. Sichere Arbeitsplätze sind der Garant für weniger Kinderarmut, und eine gute Kinderbetreuung führt zu einer Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit.
Auch wenn noch viel zu tun ist, dürfen wir die Erfolge nicht kleinreden. Die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder ab dem ersten Lebensjahr hat sich seit 2006 verdoppelt, ebenso wie die Quote bei der Ganztagsbetreuung von Grundschülern. Betrachten wir die Hilfequoten nach dem SGB II, so ist festzustellen, dass seit 2011 236.000 Kinder und 662.000 Erwerbstätige weniger im Leistungsbezug sind. So kann Armut bekämpft und den Betroffenen ein besseres Selbstwertgefühl vermittelt werden. Eine Umverteilung kann dies alles nicht bewirken.
Führen Sie sich vor Augen, dass z. B. in der Schweiz mit einer deutlich niedrigeren Staats- und Steuerquote ein ähnliches Niveau an öffentlichen Leistungen geboten und damit der Beweis geführt wird, dass weniger Staat nicht zwangsläufig weniger Wohlstand bedeutet. So gesehen ist es eine gute Nachricht, dass der Staat zwar ärmer gewor
den ist, die privaten Vermögen aber größer werden. Denken Sie auch darüber einmal nach. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Klaff-Isselmann. – Das Wort hat Herr Abg. Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Klaff-Isselmann, lassen Sie es mich so formulieren: Ein wenig enttäuscht mich das selektive Lesen des Entwurfs für einen Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung. Sie haben den LINKEN und der SPD – uns haben Sie nicht namentlich erwähnt – Panikmache vorgeworfen und behauptet, dass wir den Bericht zu einem „Vehikel linker Ideologie“ machen. Darauf möchte ich entgegnen, dass Sie den Bericht nicht umfänglich zur Kenntnis genommen haben.
Wir sind der Meinung, dieser Bericht bescheinigt uns, dass wir in Deutschland zwar in einer zufriedenstellenden Situation sind im Vergleich zu deutlich ärmeren Ländern, gerade was die Sozialsysteme betrifft, es aber gleichzeitig alarmierende Zeichen gibt, die darauf hinweisen, dass die Kluft zwischen ärmeren und reicheren Gruppen größer geworden ist. Frau Klaff-Isselmann und die anderen Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
So zeigt der Bericht auf, dass die Einkommensunterschiede größer werden – der Kollege hat es schon angedeutet; ich will es nur noch einmal kurz sagen –: Die obersten 10 % der Bevölkerung verfügen über 53 % des gesamten Privatvermögens. Das kann man nicht einfach wegdiskutieren. Die untere Hälfte der Haushalte verfügt dagegen nur über gut 1 % des Nettoeinkommens. Aber diese Nettoeinkommen – das wissen wir alle – sind in den letzten zehn Jahren auch noch einmal gesunken. Frau Kollegin, das zwingt uns doch zu einer Auseinandersetzung darüber, wie wir uns als Politiker dazu positionieren.
Ich will es noch einmal sagen: Die Armut, die Armutsbekämpfung und die soziale Gerechtigkeit hängen nicht nur, aber auch mit dem finanziellen Einkommen zusammen. Natürlich hängen sie auch mit der Teilhabe an Bildung, am Erwerbsleben, an gesundheitlicher Versorgung sowie am kulturellen, sozialen und politischen Leben zusammen. In all diesen Bereichen – das stellen Sie fest, je genauer Sie in diesen Armuts- und Reichtumsbericht hineinschauen – kommt dieser Bericht zu eindeutigen Aussagen.