Mir war diese Bemerkung vor der Generaldebatte wichtig, weil es Dinge gibt, die uns nicht trennen sollten.
Nun will ich aber in der Tat zum Kern unserer Debatte kommen. Ich will den ersten Satz aufnehmen: Man hat den Eindruck gewinnen können, dass in den letzten Tagen eine Inszenierung stattgefunden hat nach dem Motto: Es geht um Volker Bouffier und mich. – Diesem Eindruck will ich ausdrücklich widersprechen.
Es geht in dieser Generaldebatte ausdrücklich nicht um Sie und mich. Es geht in dieser Generaldebatte um die Grundlinien.
Meine Vermutung ist, dass es gar nicht die Absicht ist, mich verstehen zu wollen. Dazu kommen wir gleich.
Diese Grundsatzdebatte dient dazu, die Grundlinien der sozialen, der ökologischen, der ökonomischen und der gesellschaftlichen Entwicklungen des Landes zu beschreiben.
Es geht um die Frage von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Es geht um Miteinander, und es geht um Ellenbogen. Es geht um reale Probleme realer Menschen statt um den reinen Machterhalt. Es geht in dieser Generaldebatte um Standpunkte, Haltungen und Entscheidungen. Das zieht sich durch eine Vielzahl von Themen.
Ich will mit dem wichtigsten landespolitischen Thema beginnen, nämlich der Bildungspolitik. Für uns ist klar, dass Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit nach wie vor unser zentraler Anspruch ist.
(Peter Beuth (CDU): Damit sind Sie ziemlich allein! – Ulrich Caspar (CDU): Siehe Unterrichtsausfall während der SPD-Regierung!)
Ich will zu Beginn dieser Debatte noch einmal darauf verweisen, was wir hier immer und immer wiederholen, was wir seit der ersten PISA-Studie, die sich mit dem Bildungserfolg in den OECD-Ländern beschäftigt, immer und immer wieder ins Stammbuch geschrieben bekommen: dass es nahezu kein anderes Land gibt, in dem die soziale Herkunft so sehr über den Bildungserfolg entscheidet wie in Deutschland.
Ja, ich akzeptiere und konstatiere, dass Sie viele Lehrerinnen und Lehrer eingestellt haben. Aber diesen Kernumstand, dass die soziale Herkunft den Bildungsabschluss bestimmt, haben Sie bis heute nicht geändert.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Peter Beuth (CDU): Sagen Sie die Wahrheit, sagen Sie, was Sie wollen! – Weitere Zurufe von der CDU)
Das Bildungssystem in Hessen ist durchlässig, aber nur nach unten. In einer aktuellen Untersuchung der Bertelsmann Stiftung wird Ihnen doch dokumentiert, dass die Durchlässigkeit nach unten entschieden größer ist als nach oben. Einer von zehn steigt auf, neun von zehn steigen ab. Das ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
Deswegen sage ich Ihnen: In Hessen geht die Durchlässigkeit nur in eine Richtung, und zwar nach unten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Absicht.
Anders ist Ihre G-8-Positionierung in der Vergangenheit auch nicht zu verstehen gewesen. G 8 ist ein Thema, das uns in den letzten Monaten rauf und runter beschäftigt hat.
Die Positionierung zu G 8, die Sie in den letzten Tagen versuchen zu entwickeln, ist nicht der Erkenntnis geschuldet, sondern einzig und allein taktischen Überlegungen, weil Sie wissen, dass Sie in Hessen mit G 8 gescheitert sind. Sie sollten die Kraft haben, das endlich einzuräumen.
Frau Beer steht heute vor dem Scherbenhaufen, den ihr der Ministerpräsident angerichtet hat. Sie treiben das Schulchaos in Hessen konsequent weiter. Sie erfinden für jedes Problem eine neue Schule. Da gibt es z. B. SchuBKlassen.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wollen Sie die SchuBKlassen, oder wollen Sie sie nicht? Sie müssen dazu Stellung nehmen!)
Dann gibt es Förderschulen, dann kommt G 8, dann kommt G 8/G 9 im Y-Modell, dann kommen die Turboklassen, dann kommen die selbstständigen Schulen, und dann kommt Hansenberg.
Sie sind von dem hessischen Schulfrieden, den Sie propagieren, meilenweit entfernt. Ihr Gesetzentwurf zu G 8 ist in der Anhörung durchgerauscht.
Lassen Sie mich ein paar Überschriften vorlesen. „Wiesbadener Kurier“: Verriss für schwarz-gelbe Schulpläne. „Frankfurter Rundschau“: Großes Interesse an Rückkehr zu G 9. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Kritik an G-8-Reform überwiegt. „HNA“: Nur wenige sprechen für G 8. „Darmstädter Echo“: Schulversuch fällt bei Experten durch. „Frankfurter Neue Presse“: Rufe nach Aus für G 8 – viel Kritik an Bouffiers Schulplänen.
Ich sage Ihnen: Ziehen Sie die Konsequenzen, und kehren Sie zur sechsjährigen Mittelstufe zurück. Das ist die einzige richtige Konsequenz aus der Anhörung.
Ich will daran erinnern, dass die Angebote der Opposition zu einem hessischen Schulfrieden von Ihnen ausdrücklich ausgeschlagen wurden.
Wir werden nicht nachlassen, in der Debatte um G 8 auf Vielfalt zu setzen. Wir wollen Vielfalt in der Schule. Herr Irmer, wir wollen, dass das Kind endlich in das Zentrum gerückt wird. Wir wollen, dass die persönliche Leistungsfähigkeit gefördert wird, statt Kinder ständig in Schubladen einzuteilen.
Herr Irmer, die Frage, ob ein Kind nach zwölf, nach 13 oder nach 14 Jahren Abitur macht, darf keine Frage von vier Schubladen sein, sondern es muss eine Frage der individuellen Leistungsfähigkeit sein. Jedes Kind entscheidet das einzig und allein durch seine eigene Leistungsfähig
keit. Das ist das Gebot der Stunde, und nicht die erneute Einteilung in Schubladen, die Sie schon wieder vorschlagen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Sie haben das „Systemwechsel“ genannt!)