Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das würden wir doch nicht sagen!)

Das probateste Mittel, um die täglichen Staus zu den Rushhours zu vermeiden, ist die Bildung von Fahrgemeinschaften. Es gibt Pendlerportale im Internet, die die Pendler zusammenbringen.

Das ist richtig, und das ist zudem noch kostenlos. Ich empfehle, sich anzumelden und es weiterzusagen. Das wird von Ihnen viel zu wenig beworben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Ich habe es gerade eben erwähnt!)

Ja, Sie haben es erwähnt. – So weit die Pressemitteilungen.

Ihr Einsatz ist nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch noch teuer. Wir wollen mehr Mobilität und weniger Verkehr. Sie wollen mehr Verkehr und weniger Mobilität.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das tut nur noch weh!)

Ihr eigener Minister glaubt noch nicht einmal an das Projekt „Staufreies Hessen“. Als jetzt die Meldung über die Geisterfahrer kam, forderte er sofort Asphaltkrallen an jeder Autobahnauffahrt.

(Holger Bellino (CDU): Sie wollen nur Postkutschen!)

Nicht nur, dass das unrealistisch ist und auch keine Krankenwagen mehr auffahren können, sondern – –

(Minister Florian Rentsch: Sie können noch nicht einmal mehr lesen!)

Herr Rentsch, Sie können sich ja gleich melden.

Herr Ministerpräsident Koch hat im Jahr 2009 bereits im Rahmen des Projekts „Staufreies Hessen“ in einer Pressemitteilung erklärt: Schluss mit Geisterfahrten, Warnung vor dem Stauende. – Im Rahmen des „Staufreien Hessens“ stellte er das hessische Forschungsprojekt Diamant für die Verkehrssicherheit von morgen vor:

Das Leitmotiv von DIAMANT heißt Hochtechnologie zur Vermeidung von Unfallrisiken und Staus. Fährt ein Autofahrer beispielsweise beim Einbiegen auf die Autobahn auf die falsche Fahrbahn und wird somit zum Geisterfahrer, erkennt sein Auto künftig anhand von Daten, die es von einem automatischen Empfangs- und Meldegerät am Straßenrand empfängt, die gefährliche Situation und alarmiert den Fahrer, sodass er reagieren kann. Fahrzeuge und dynamische Infrastruktur wie digitale Schilder wiederum senden diese Information an Verkehrsteilnehmer auf der gleichen Route und informieren per Funk rechtzeitig über die Gefahr. Der Effekt: Nachfolgende Fahrer können sich auf die Verkehrssituation frühzeitig einstellen und entsprechend reagieren.

So weit das Zitat. Für Sie ist das alles Schnee von gestern und wird anscheinend nicht weiterverfolgt.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das stimmt doch gar nicht!)

Dieses Geld ist für Sie umsonst ausgegeben. Lieber investieren Sie in Autokrallen, um eine schnelle Meldung in der Zeitung zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie also ernsthaft Staus vermeiden wollen, etwas für den Klimaschutz und die Menschen tun wollen, müssen

Sie sich konsequent für eine Verkehrswende einsetzen, die Busse und Bahnen stärken und eine verbesserte Verknüpfung der Verkehrsträger gewährleisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ihr Weltbild ist immer noch geprägt von der freien Fahrt für freie Bürger. Ich hoffe, die Wähler werden Ihnen das nicht weiter goutieren, denn sie sind längst weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Sie haben eben nicht richtig zugehört!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Frankenberger das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nächste Woche beginnt wieder die Weihnachtszeit. Das ist die Zeit, in der sich die Menschen Gedanken über die Geschenke machen. In diesem Jahr sind Bücher wieder groß im Kommen. Fantasy und Märchen sind gefragt. Bei der CDU und der FDP ist ein Märchenbuch besonders gefragt: „Das Märchen vom staufreien Hessen 2015“.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Welch tolles Märchen. 2015 soll es endgültig so weit sein, keine Staus mehr auf hessischen Straßen behindern unseren Mobilitätsdrang. In Rekordzeit kann der Südhesse endlich nach Nordhessen fahren, am Frankfurter Kreuz rollt der Verkehr, Staumelder von hr3 und Staupiloten von FFH werden arbeitslos, weil sie ganz einfach nicht mehr gebraucht werden. – Das ist ein wunderschöner Traum. CDU und FDP wollen uns mit dem vorliegenden Antrag einreden: Wir sorgen dafür, dass Märchen wahr werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wunder!)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sprechen in Ihrem Antrag von der Erfolgsgeschichte „Staufreies Hessen“. Ich würde gerne zu dieser Erfolgsgeschichte diejenigen fragen, die gestern Abend im 7 km langen Stau auf der A 3 gestanden haben, was sie von der Erfolgsgeschichte „Staufreies Hessen“ halten.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Oder diejenigen, die heute Morgen im 8 km langen Stau auf der A 3 zwischen Würzburg und Frankfurt gestanden haben.

(Günter Rudolph (SPD): Das kann nicht sein! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ist der letzte! – Zuruf von der CDU: Das glaube ich nicht!)

Das glaube ich einfach nicht, was nicht wahr sein darf, darf nicht wahr sein. Das Märchen geht also weiter.

Ich würde auch gerne einmal wissen, was die Fahrbereitschaft des Landtags und der Ministerien zu Ihrem staufreien Hessen sagen. Das wären sicherlich ganz interessante Beiträge, die wir da zu hören bekommen würden.

(Günter Rudolph (SPD): Wir machen die nächste Anhörung mit den Fahrern!)

Meine Damen und Herren, ich bin wirklich baff, Sie haben es tatsächlich gemacht. Das Thema „Staufreies Hessen“ zu einem Setzpunkt im Hessischen Landtag zu machen, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut, und ich traue Ihnen viel zu. Das muss ich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Da schneidet das Bundesland Hessen im Mobilitätsindex der Allianz pro Schiene auf Platz 16 ab, rote Laterne.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Dann legen CDU und FDP einen Antrag vor mit dem Titel: „Staufreies Hessen“ – für die Mobilität von morgen. Ich kann das alles nicht mehr zusammenbringen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ihre Ideenlosigkeit wegen politischer Erfolge hat sogar die Fantasie der Sozialdemokraten eingeholt. Das haben wir uns schlichtweg nicht vorstellen können.

Wenn Sie die Menschen in Hessen fragen – wir machen das mittlerweile bei Veranstaltungen von Sozialdemokraten, da ist es mittlerweile zu einem geflügelten Satz geworden, wenn jemand zu spät kommt: ich habe gerade „Staufreies Hessen“ genossen –, ob sie wahrgenommen haben, dass sich in den vergangenen Jahren auf den hessischen Straßen die Anzahl der Staustunden – so steht es im Antrag, zu dem kleinen, feinen Unterschied komme ich noch – um 80 % reduziert haben, dann gucken Sie 98 % erst einmal an, als wären Sie von einer anderen Welt.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, warum wir diese Frage gestellt haben. Als Antwort kommt dann ein klares Nein.

Der ADAC kommt aufgrund seiner Messungen zu anderen Ergebnissen als das Bundesland Hessen mit seinen eigenen Messungen. Das ist doch erst einmal ein Widerspruch, und darüber sollte man auch hier einmal miteinander reden.

Woran liegt es denn, dass offenbar die Wahrnehmung der Menschen in Hessen oder auch die Ergebnisse von ADAC so ganz anders sind als das, was CDU und FDP uns mit ihrem Antrag einreden wollen?

Deutschlandweit nehmen laut ADAC die Staus auf den Autobahnen und Bundesstraßen zu. CDU und FDP wollen uns einreden: Aber in Hessen sind wir auf der Insel der Glückseligen. – Laut ADAC gab es in Hessen im Jahr 2011 ca. 14.700 Stauereignisse. Ich will gleich ein Argument wegputzen, das vielleicht kommt: Der ADAC ist keine Vorfeldorganisation der Sozialdemokratie. Das können Sie getrost glauben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Es gab im Jahr 2011 in Hessen 14.700 Stauereignisse. Das sind – man höre und staune – 1.500 mehr als im Jahr 2010, obwohl doch angeblich alles viel besser geworden ist. Damit liegt Hessen im Vergleich der Bundesländer auf Platz 5. Zu den am stärksten betroffenen Strecken gehören die A 5, die A 7 und die A 3. Das werden die meisten von uns unterschreiben können. Im Jahr 2011 gab es in Hessen 43 Staus mit einer Länge von über 10 km.

Der ADAC erhält die Daten, um diese Messungen vorzunehmen, unter anderem von Berufskraftfahrern, die mit einem Messsystem ausgestattet sind, und von der Polizei.