Der ADAC erhält die Daten, um diese Messungen vorzunehmen, unter anderem von Berufskraftfahrern, die mit einem Messsystem ausgestattet sind, und von der Polizei.
Seit 2011 – jetzt kommen wir auf die anderen Messungen zu sprechen – wird die Stausituation auch von der Verkehrszentrale Hessen erhoben. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Staustunden – ich rede jetzt von Staustunden: das ist die Zeit, in der ein bestimmter Autobahnabschnitt einen Stauzustand aufweist – um 80 % abgenommen hat. Gemessen wird von der Verkehrszentrale an 4.000 Induktionsschleifen, die in hessische Autobahnen und in Bundesstraßen integriert sind.
Jetzt stellt sich die Frage: Wo kommen die unterschiedlichen Wertungen und Zahlen her? Die Verkehrszentrale Hessen hat besonders hoch belastete Autobahnabschnitte mit Streckenbeeinflussungsanlagen ausgestattet, die verkehrsabhängig Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Lkw-Überholverbote anzeigen und die Verkehrsteilnehmer vor Staus, Baustellen, Unfällen usw. warnen. Zudem wurden 2003 die temporäre Seitenstreifenfreigabe und das Slotmanagementsystem für Baustellen eingerichtet. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Stauzeiten – insbesondere in den ersten beiden Projektjahren – stark verringert haben. Die Staus lösen sich in der Tat schneller auf. Darauf hat der Kollege Müller hingewiesen. Aber wenn sich die Staus schneller auflösen und gleichzeitig die Zahl der Staus zunimmt, wenn man also schneller in den nächsten Stau hineinfährt, dann hat man unter dem Strich nichts davon, lieber Kollege Müller.
Das ist das Problem. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Deswegen funktioniert der Trick mit den Staustunden nicht so richtig. Es geht um die Anzahl der Staus. Und da glaube ich – das ist jedenfalls auch meine Wahrnehmung – dem ADAC einfach ein bisschen mehr als Ihnen.
Ich will aber auch etwas zu dem in Ihrem Antrag beschriebenen Projekt sagen. Beim Projekt „Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland“ ziehen wir an einem Strang, weil es um ein besseres Verkehrsmanagement geht. Wir kritisieren auch nicht, dass Sie die Verkehrssteuerung in Hessen verbessert haben und weiter verbessern wollen. Da sind wir uns alle einig. An dieser Stelle sage ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hessen Mobil dafür den ausdrücklichen Dank der hessischen Sozialdemokraten.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Standstreifen auf den Autobahnen bei erhöhtem Verkehrsaufkommen freigegeben werden. Das sorgt für einen besseren Verkehrsfluss. Aber staufrei ist Hessen deswegen noch lange nicht. Wenn wir einmal ehrlich miteinander umgehen – der Kollege Müller hat es in seiner Rede eben zaghaft angedeutet –: Auch 2015 oder 2020 wird Hessen nicht staufrei sein. Es ist schon bezeichnend: Da Sie wissen, dass Sie Unmögliches versprochen haben, hat der Staatssekretär in der letzten oder vorletzten Ausschusssitzung damit begonnen, einen Rückzieher zu machen. Zumindest mussten wir vonseiten der Landesregierung zur Kenntnis nehmen, dass der Begriff „Staufreies Hessen“ das Problem ein bisschen un
(Große Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das wie bei brutto und netto?)
Das ist ein etwas schwieriger Begriff. Er erinnert mich aber – und damit komme ich zu einem sehr ernsten Thema – an das Nachtflugverbot. Als CDU und FDP beschlossen haben, dass sie ein der Region gegebenes Versprechen nicht einhalten wollten, wurde aus dem Nachtflugverbot flugs ein „rechtssicheres Nachtflugverbot“. Ein bisschen ist das auch hier der Fall. CDU und FDP merken, dass sie das Versprechen eines staufreien Hessens nicht halten können. Deswegen sprechen sie jetzt von einem „kapazitätsbedingt staufreien Hessen“.
Der politische Schaden ist doch ganz gering, wenn Sie einfach sagen: „Da haben wir den Mund ein bisschen voll genommen, aber wir strengen uns weiterhin an, ein vernünftiges Baustellenmanagement in Hessen zu haben, wir investieren in hessische Straßen.“ – Dann wäre die Sache erledigt, und das „Staufreie Hessen“ wäre Geschichte.
Ich könnte noch viel zum Zustand der hessischen Straßen sagen. Aber es würde mich freuen, wenn Sie zumindest an diesem Punkt einmal Einsicht zeigen würden, damit es unter den Autofahrern nicht immer heißt, wenn die Rede auf „Staufreies Hessen“ kommt: Morgen erzählt uns die liebe Landesregierung ein anderes Märchen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die Landesregierung überhaupt keine Ideen mehr hat, dann reichen die Regierungsfraktionen hier in der Regel irgendwelche inhaltslosen Jubelanträge ein, um die Regierungspolitik zu feiern. Wenn es wirklich nichts mehr zu feiern gibt, weil ein Leuchtturm nach dem anderen zusammenbricht, dann reden wir wieder einmal über so etwas wie das „Staufreie Hessen“; Sie machen hier viel Lärm um nichts und loben sich für eine Sache, die man zwar einmal in einer Presseerklärung erwähnen kann, über die der Landtag aber sicher nicht eine Stunde lang diskutieren müsste.
Die ständige Ausweitung des motorisierten Straßenverkehrs ist angesichts der ökologischen, sozialen und auch der wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht zukunftstauglich. Er ist teuer. Ich finde es immer wieder entlarvend, wie bereitwillig die Regierungsfraktionen für den Straßenverkehr und für den Flugverkehr jederzeit Steuergelder locker machen, während für andere Politikbereiche angeblich kein Geld da ist. So leichtfertig wie für den Straßenverkehr geben Sie anderswo kein Geld aus.
Das stimmt. Aber neben der EBS wurde sofort eine Tiefgarage gebaut. Auch hier also eine Koppelung zur Automobilindustrie.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Man kann von einem EBS-Studenten doch nicht erwarten, dass er hier in Wiesbaden einen Parkplatz sucht. Das wäre ja der Horror. Deshalb war bei der Planung auch gleich der Bau einer Tiefgarage vorgesehen. Da waren Sie ganz großzügig, ohne Rücksicht auf Verluste.
Die Allianz pro Schiene, auf die von meinen Vorrednern bereits hingewiesen wurde, hat im „Bundesländerindex Mobilität 2012“ festgestellt, dass Hessen im Bereich der nachhaltigen Mobilität im Länderranking auf Platz 16 liegt. Schwarz-Gelb führt Hessen also auch auf diesem Feld sehr sicher an die Schlussposition. Herr Müller, das nennen Sie dann „Musterland Mobilität“. Wenn „Musterland Mobilität“ ungefähr so etwas ist wie „Bildungsland Nummer eins“ oder „Musterland erneuerbare Energien“, dann schwant mir Übles, was Sie in Zukunft in der Verkehrspolitik noch planen.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Zurufe von der CDU)
Von einem „Staufreien Hessen“, heißt es in der Bewertung weiter, kann ebenfalls noch nicht die Rede sein. Beim Indikator „Stau pro Kilometer Autobahn“ kommt Hessen im Bundesländerranking nur auf den 12. Platz. Der tagtägliche Stau auf hessischen Autobahnen ist aber eine Vergeudung von Ressourcen und vor allem eine Vergeudung der Lebenszeit der Betroffenen.
Wer meint, man könnte das Problem des wachsenden Verkehrs dadurch lösen, dass man die Seitenstreifen zeitweise für den Verkehr freigibt, der irrt. Das mag eine sinnvolle Einzelmaßnahme sein, aber das grundsätzliche Problem wird dadurch überhaupt nicht gelöst. Deswegen frage ich mich, ob man eine Landesregierung wirklich dafür bejubeln muss, dass sie die Standstreifen zeitweise freigibt. Das zeigt, dass Sie gar keine Erfolge haben, die Sie hier feiern können.
Sie freuen sich? Das ist schön. – Die Bundesregierung geht von einer Steigerung der Verkehrsleistung beim motorisierten Verkehr um 19,4 % bis 2025 aus. Den allergröß
ten Teil macht der motorisierte Individualverkehr aus. Dafür macht der Bund die Vergrößerung des Pkw-Bestands und auch die Entwicklung der Siedlungsstrukturen verantwortlich.
Wenn wir nicht im Verkehr und in den Abgasen untergehen wollen, brauchen wir – Frau Kollegin Müller hat das angesprochen; ich meine das ebenfalls – einen völlig neuen Zugang zur Verkehrspolitik.
Ja, Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Aber Mobilität ist nicht mit dem Autofahren gleichzusetzen, und Mobilität muss auch für alle Menschen bezahlbar sein und bleiben. Mobilität darf nicht zum Luxusgut werden. Aber heute ist ein großer Teil der Mobilität erzwungene Mobilität, die überhaupt nicht dazu dient, die Lebensqualität in irgendeiner Form zu erhöhen, sondern ganz im Gegenteil mit Stress und Zeitverlust verbunden ist.
Angesichts dessen, aber auch angesichts des Klimawandels müssen wir darüber diskutieren, wie wir perspektivisch dahin kommen, dass Menschen nicht mehr gezwungen sind, jeden Tag etliche Kilometer mit dem Auto zur Arbeit zu pendeln. Ich denke, ein Punkt, über den man in diesem Zusammenhang auch reden muss, ist bezahlbarer Wohnraum in Arbeitsnähe, damit die Menschen nicht gezwungen sind, auf dem Land zu wohnen und tagtäglich in die Städte zu pendeln, weil sie die hohen Mieten dort nicht mehr bezahlen können. Das zieht ein enormes Verkehrsaufkommen nach sich und bedeutet letztendlich auch überhaupt keinen Gewinn an Lebensqualität.
Meine Damen und Herren, man braucht Autos umso mehr, je weniger Alternativen es gibt. Eine Alternative wäre ein bezahlbarer und flächendeckender ÖPNV mit häufig verkehrenden Bussen und Bahnen. Dessen Finanzierung käme die meisten Menschen auch billiger als die Finanzierung eines Autos.
Der hessische ÖPNV landet im bundesweiten Ranking aber auf dem 14. Platz von 16. Immerhin ist er auf diesem Platz gelandet, könnte man jetzt angesichts anderer Ergebnisse sagen. Ich will an der Stelle aber auch betonen, dass das sicherlich nicht an den beim ÖPNV Beschäftigten liegt. Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass die Stundenlöhne derjenigen, die in Hessen Busse und Bahnen fahren, an der offiziellen Niedriglohngrenze liegen. Ich bin der Meinung, es ist wirklich ein Skandal, dass Menschen, die eine solch verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben, so schlecht bezahlt werden und teilweise gezwungen sind, zwei Jobs anzunehmen, weil sie von diesem Lohn überhaupt nicht leben können.
Sie machen hier Werbung für sich – nicht einmal besonders glaubwürdig, wie man feststellt, wenn man sich die Untersuchung der Allianz pro Schiene anschaut – als Parteien der Autofahrer und der Straße. So wollen Sie sich profilieren. Aber ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept müsste die Bedingungen dafür schaffen, dass der Verkehr, insbesondere der Straßenverkehr, reduziert wird. Wir brauchen Strategien zur Verkehrsvermeidung und keine zum weiteren Ausufern des Verkehrs.
Nun rede ich einmal über die schlimmen Folgen des Lärms. Das ist immer wieder ein Thema. Ich fand es sehr richtig, dass Frau Staatssekretärin Müller-Klepper im
Rheingau auf der Demonstration gegen den Bahnlärm gesagt hat: Lärm ist die moderne Form der Folter. – Aber, Frau Müller-Klepper, Sie wissen natürlich, dass das nicht nur für den Bahnlärm, sondern auch für den Fluglärm und den Straßenlärm gilt. Ich denke, dass wir, wenn wir über Verkehrsvermeidung reden, das auch unter dem Aspekt der Lärmreduzierung machen müssen. Frau Müller-Klepper, deswegen finde ich, Sie haben völlig recht, dass Sie das auf dieser Demonstration so deutlich angesprochen haben.
Es geht nicht nur um Lärm, sondern auch um die Abgase – den Feinstaub –, die die Gesundheit belasten. Autofahren ist darüber hinaus in jeder Hinsicht teuer, zum einen für den Einzelnen, und zum anderen sind auch hohe gesellschaftliche Kosten damit verbunden. Es ist, auch wenn Sie die Augen davor verschließen, absehbar, dass das Auto und das Flugzeug nicht mehr die Rollen werden spielen können, die sie heute spielen. Sie fördern Verkehrsarten, die allein aufgrund der Rohstoffverknappung nicht immer weiter ausgebaut werden können.
Deshalb ist Ihr Eigenlob, dass Sie in Hessen nachhaltige Mobilität sicherstellen, ehrlich gesagt, nicht viel mehr als ein schlechter Witz. Nachhaltig ist an Ihrer Verkehrspolitik eigentlich überhaupt nichts, abgesehen von der Tatsache, dass Sie damit einen nachhaltigen Schaden anrichten.
Ich bin der Meinung, wir müssen hier darüber diskutieren, wie wir es schaffen können, die Zahl der Pendler, die sich jeden Tag z. B. nach Frankfurt hineinkämpfen müssen, auch im Interesse der Lebensqualität der Betroffenen zu reduzieren.
Mir ist, ehrlich gesagt, nicht ganz klar, was den Menschen ein Warnsystem bringen soll. Was ändert es an den grundlegenden Problemen, wenn sich die Fahrzeuge gegenseitig vor Staus und Unfällen warnen können? Das löst doch das grundlegende Problem, das wir haben, nicht. Den größten Teil der morgendlichen Radionachrichten nehmen ohnehin schon die Staumeldungen ein. In Zukunft können sie per Funk von Fahrzeug zu Fahrzeug gesendet werden.