Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kommt auch überraschend! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Anhörung hat eines gezeigt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sollten mit diesem Ritual aufhören, dass die Anhörungen immer nur eine Seite beleuchten. Diese Anhörung hat definitiv beide Seiten beleuchtet.

(Zuruf)

Herr Kollege Gremmels, beispielsweise haben Herr Ridinger vom Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, dessen starke Expertise zum Wohnungsbau Sie sicherlich gut kennen, und auch die Kommunalen Spitzenverbände den Gesetzentwurf gelobt.

Es gab auch Kritik. Das ist unbestritten. Aber natürlich ist es so, dass bei einer solchen Anhörung nicht immer nur eine einseitige Stellungnahme stattfindet. Es waren nicht wenige, die den Gesetzentwurf unterstützt haben.

Sie haben sich hierhin gestellt und gesagt, das alles sei eine Katastrophe. Dieses Ritual sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande nicht immer antun, nämlich zu sagen, dass das immer nur alles eine Katastrophe sei.

Das, was hier gemacht worden ist, ist handwerklich saubere Arbeit. Es wird das Wohnungswesen in Hessen deutlich stärker ordnen. Es wird es an das anpassen, was der Bund im Rahmen der Föderalismusreform vorgenommen hat. Insofern glaube ich, dass wir in diesem Rahmen eine ordentliche Gesetzgebung hätten, falls der Landtag diesen Gesetzentwurf verabschieden sollte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es hilft auch nicht, allein das Bundesrecht abzuschreiben, wie es die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getan hat. Vielmehr brauchen wir da passgenaue Regelungen für Hessen. Deswegen berücksichtigt der Gesetzentwurf der Landesregierung auch mit den Änderungen, die die Regierungsfraktionen eingebracht haben, gerade aufgrund der jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem Wohnungsmarkt genau die Schwerpunkte, die unserer Ansicht nach notwendig sind, wenn man den Wohnungsmarkt auch an den Versorgungsauftrag anpassen möchte, den die öffentliche Hand mit Sicherheit hat.

Wir haben in Hessen sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte. Nordhessen und Mittelhessen sind nicht mit dem Rhein-Main-Gebiet zu vergleichen. Wir haben gerade in Nord- und Mittelhessen trotz der hervorragenden wirtschaftlichen Entwicklung und der starken Investitionen in den letzten Jahren eine zurückgehende Zahl der Bevölkerung an vielen Stellen. Kassel ist eine der dynamischsten Städte überhaupt in Europa. Die Region zieht an. All das, was wir dort an Rahmenbedingungen geschaffen haben, hat sich gelohnt. Trotzdem muss man sagen, dass diese Rahmenbedingungen nicht dazu geführt haben, dass sich die demografische Entwicklung automatisch dem angepasst hat, was es an wirtschaftlicher Entwicklung es dort gegeben hat.

Deshalb werden wir nicht darum herumkommen, Nord-, Mittel- und Südhessen unterschiedlich zu bewerten und letztendlich eigene Instrumente zu nutzen, um dort jeweils verbesserte Wohnungssituationen herbeizuführen.

Deshalb kann ich nur eines sagen, obwohl es hier mehrfach kritisiert wurde. Das betrifft die Schaffung des Wohneigentums. Wohneigentum ist die beste Möglichkeit, sich gegen Altersarmut zu wappnen. Gerade in Nord- und Mittelhessen ist es natürlich sinnvoll, in Wohneigentum zu investieren. Das haben zum Teil auch Abgeordnete des Hessischen Landtags getan. Sie haben sich Wohneigentum geschaffen. Das ist keine andere Entwicklung. Beides gehört zusammen. Deshalb kann ich nur sagen: Diesen Teil gerade in Nord- und Mittelhessen zu fördern, ist eine der besten Initiativen, die man machen kann, um Altersarmut zu verhindern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber es reicht natürlich nicht aus, nur Wohneigentum zu fördern. Vielmehr sieht der Gesetzentwurf mit einem Zielkatalog zur Wohnraumförderung, den wir stark erweitert haben, vor, dass auch andere Tatbestände in die Förderung mit aufgenommen werden. Die Kollegen haben es schon gesagt: Das ist natürlich die Investition in barrierearme Wohnungen. Da geht es natürlich nicht nur um Menschen mit Behinderungen, sondern es geht auch um Menschen, die im Alter Probleme mit Barrieren haben. Deswegen heißt es, frühzeitig barrierearm zu bauen.

Aber genauso geht es um Menschen, die mit Kindern in einer solchen Situation sind. Sie müssen die Wohnung mit Kinderwagen und anderen Vehikeln nutzen. Es ist also ganz klar, dass das vom Alter bis hin zur Jugend geht oder von der Jugend bis ins Alter. Ich glaube, das Thema Barrierearmut ist deswegen ein ganz zentraler Punkt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Mir ist aufgefallen, dass nicht nur die Kollegen geklatscht haben, die älter sind, sondern auch die jüngeren. Das zeigt, wie altersübergreifend das Thema Barrierearmut ist.

Natürlich ist aber auch das Thema energetische Sanierung ein wichtiger Punkt. Das haben Herr Kollege Caspar genauso wie Herr Kollege Lenders gesagt: Auch die energetische Sanierung ist ein wichtiger städtebaulicher Beitrag zur qualitativen Hebung dieser Wohnquartiere. Auch das ist wichtig. Das sieht man, wenn man sich diesen Bereich anschaut.

Einen Punkt möchte ich herausgreifen, den Herrn Kollege Siebel genannt hat. Herr Kollege Siebel hat auf die speziell schwierige Wohnungsmarktlage im Rhein-Main-Gebiet hingewiesen. Herr Kollege Siebel, ich sage ausdrücklich: Ich teile Ihre Auffassung. – Ich glaube, dass das RheinMain-Gebiet aufgrund der überdurchschnittlich hohen Löhne, die dort gezahlt werden, so eine Art Magnetfunktion hat. Als Spiegelbild davon hat es eine andere Struktur am Wohnungsmarkt. Das ist unbestritten.

Aktuell erhalten wir Meldung vom Wohnungsmarkt, dass sehr verstärkt Eigentum gekauft wird. Die Preise steigen noch einmal. Das wirkt sich natürlich auf den Wohnungsmarkt und die Mieten aus. Das ist unbestritten.

Richtig ist auch, dass wir meiner Ansicht nach gemeinsam versuchen sollten, mit den Instrumenten zu arbeiten, die uns zur Verfügung stehen. Das ist z. B. die Förderbank des Landes Hessen. Das betrifft aber auch die Wohnungsbaugesellschaften, die sich im öffentlichen Eigentum befinden. Das Land ist als Gesellschafter bei der Nassauischen Heimstätte beteiligt. Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende.

Wir haben Kommunen, die bei Wohnungsbaugesellschaften aktiv sind. Wir sollten dort bündeln und uns überlegen, wie wir mehr Wohnungen auf die Straße bekommen. Ich habe das jetzt einmal einfach ausgedrückt.

Eines der hauptsächlichen Probleme besteht darin – das wissen auch Sie –, dass Grundstücke im Rhein-Main-Gebiet natürlich äußerst knapp sind. Die Kommunen sind bei der Verwaltung ihrer Grundstücke teilweise hinsichtlich der Frage sehr zurückhaltend, wie man mit diesen Grundstücken umgehen soll.

Deshalb wird es eine der zentralen Aufgaben sein, dass wir, erstens, überlegen, mit welchen Förderinstrumenten wir in die Debatte mehr Schwung hineinbekommen, damit mehr Wohnungen gebaut werden.

Zweitens geht es um die Frage, wie wir die Kommunen und die öffentliche Hand anhalten können, ihren Teil dazu beizutragen.

Drittens – das sage ich ganz klar – müssen wir uns natürlich aber auch überlegen, wie man als Gesetzgeber mehr Dynamik da hineinbekommt. Das haben wir mit diesem Gesetzentwurf getan.

Die Verkürzung der Bindungswirkung ist natürlich ein Teil davon. Viele investieren zurzeit nicht in den Bau der Sozialwohnungen, weil die Bindungswirkung zu lange ist. Das, was die Fraktionen als Änderungsantrag vorgelegt haben, ist der Versuch, mehr Dynamik in diesen Bereich zu bekommen und einen Übergang zu gewährleisten. Es ist ganz klar eine Übergangsregelung vorgesehen. Ich weiß gar nicht, wie lange sie gelten soll. Weiß es jemand? – Das soll die nächsten Jahre so gehen.

(Ulrich Caspar (CDU): Bis Ende 2022!)

Herr Kollege Caspar sagt: „bis Ende 2022“. Er hat es vorhin noch einmal ausgerechnet. Bis dahin wird ein Übergang gewährt. Das zeigt eines natürlich eindeutig. Wir haben beispielsweise Briefe von Herrn Kollegen Cunitz aus Frankfurt bekommen, der sich genau für eine solche Übergangsregelung eingesetzt hat.

Wir wollen jetzt eben keinen Schnitt machen und nicht sagen, ab dem 1. Januar 2013 sei alles anders. Vielmehr wollen wir mit einer fairen Übergangsregelung, die wirklich langfristig ist, den Versuch unternehmen, gemeinsam mit den Kommunen einen fairen Übergang zu erreichen. Das wird uns auch gelingen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das zeigt doch, dass das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden wird. Vielmehr wird das eine sehr vernünftige und vorsichtige Art sein, Änderungen herbeizuführen. Der Gesetzgeber unternimmt aber auch den Versuch, das zu machen, was er machen kann, um mehr Dynamik hineinzubekommen.

Gestatten Sie mir noch, einen Punkt anzusprechen, der immer wieder eingebracht wird und der auch teilweise in den Gesetzentwürfen vorhanden ist. Dabei geht es um die Fehlbelegungsabgabe.

Wenn die Fehlbelegungsabgabe immer so eingesetzt worden wäre, wie sie eigentlich gedacht war, nämlich dass die Mittel daraus gerade im sozialen Wohnungsbau reinvestiert werden sollen, wäre die Situation in einigen Kommunen mit Sicherheit anders. Dabei zeigt sich etwas in allen anderen Ländern. Wir wären nicht die Letzten, wenn es alle anderen Länder so viel schlechter als wir wüssten.

Die Fehlbelegungsabgabe hat gezeigt, dass sie zu sozialpolitischen Verwerfungen führen kann. Wie Herr Kollege Lenders gesagt hat, kann sie auch zu einer sehr einseitigen Wohnqualität und -struktur letztendlich führen. Ich glaube, es ist richtig, dass wir bei dem bleiben, was der Landtag beschlossen hat. Dafür, dass wir andere Instrumente nutzen, dafür ist dieses Wohnraumförderungsgesetz eine Grundlage.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir damit jedenfalls einen gesetzlichen Rahmen haben, der in den nächsten Jahren zu einer Strukturveränderung führen wird.

Letzter Punkt. Ich nehme den Kollegen Siebel beim Wort. Wir sollten gemeinsam überlegen, gerade in den Institutionen, in denen wir gemeinsam Verantwortung tragen, wie man dieses Thema in den nächsten Jahren mit intelligenten Programmen in den Griff bekommen kann. Da gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Kollege Caspar hat das Thema studentischer Wohnraum angesprochen. Mit Sicherheit ist das nicht das einzige Thema, aber es ist ein wichtiges Thema.

Wir werden uns diese Themen anschauen müssen: Wo ist der Bedarf am größten? Im Rhein-Main-Gebiet ist die Situation anders als im Rest des Landes. Wir werden intelligent agieren müssen.

Ich glaube, dass diese Debatte, die heute relativ sachlich war, vielleicht den Versuch begründet, dieses Thema gemeinsam anzugehen. Ich jedenfalls würde mich darüber freuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Minister, vielen Dank.

Wir sind am Ende der Debatte. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Hierzu gibt es zwei Änderungsanträge, zunächst den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/6769. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – DIE LINKE. Dagegen? – CDU, FDP. Enthaltungen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Dann gibt es den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucks. 18/6785. Wer ist dafür? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – DIE LINKE. Enthaltungen? – Der Rest: SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag beschlossen.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung über ein Gesetz über die Förderung von sozialem Wohnraum in Hessen, Drucks. 18/6682 zu Drucks. 18/5832. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Dagegen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit beschlossen und zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 15 b auf: Zweite Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessisches Gesetz über die soziale Wohnraumförderung usw., Drucks. 18/6683 zu Drucks. 16/5878. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – SPD und DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Landesplanungsgesetz – Drucks. 18/6684 zu Drucks. 18/5833 –

mit dem

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP – Drucks. 18/6790 –

Der Berichterstatter ist der Kollege May. – Sei so lieb.