Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Auf der sozialdemokratischen Seite ist das sehr klar. Da gibt es einfach keine Wahlfreiheit, sondern es gibt ein Korsett namens G 9, in das alle hineingezwungen werden sollen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Die Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden haben deutlich genug unterstrichen, dass allein schon der Gedanke an Wahlfreiheit und an die möglichen Schwierigkeiten, die sich aus einer solchen Wahlfreiheit ergeben, für Sozialdemokraten in diesem Haus ein Gräuel sind.

Für uns ist das aber nicht unbedingt eine Überraschung, denn wir wissen: Am Ende Ihrer Träume steht sowieso die Einheitsschule.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen das nicht. Wir setzen auf Vielfalt im hessischen Schulsystem.

Aber auch die GRÜNEN trauen unseren Schulen – hier geht es um die Schulgemeinden, die Schulkonferenzen; es handelt sich nicht um individuelle Entscheidungen einzelner Schulleiterinnen oder Schulleiter – offensichtlich nicht viel zu. Dankenswerterweise unterstützen sie zwar diesen Gesetzentwurf und damit das Prinzip der Wahlfreiheit. Es ist schön, dass wir uns in diesem Punkt treffen. Aber Ihr Entschließungsantrag zeigt, dass Sie doch nicht wirklich dahinterstehen.

Er zeigt auch noch etwas mehr: Er zeigt nämlich, dass Sie gar nicht wirklich daran glauben, im Jahr 2014 in die Regierungsverantwortung zu kommen; denn sonst würden Sie daran denken, wie Ihnen dieses Versprechen einer völlig unbedingten Wahlfreiheit für die Eltern, die Erfüllung jedes einzelnen Elternwunsches, im Einzelfall auf die Füße fallen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP)

Es ist das, was Ihre Parteifreunde in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen schon erlebt haben. Sie können nicht gewährleisten, dass jeder einzelne Elternwunsch erfüllt wird, egal ob es sich auf G 8, G 9, kooperative oder integrierte Gesamtschule oder Gymnasium bezieht. Warum sollte man das überhaupt auf die Gymnasien begrenzen? Wie steht es, wenn die Präferenzen wechseln? Geht es dann rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln?

Sie können die Schulen und Schulträger nicht zwingen, sich nach jedem einzelnen Wunsch zu richten. Ich verstehe den Impuls, es ist aber einfach nicht leistbar. Letzten Endes meinen Sie das nicht wirklich ernst, sonst würden Sie nicht nur einen Entschließungsantrag stellen, sondern Sie würden eine Änderung des Schulgesetzes beantragen und die Wahlfreiheit, die wir heute schon gewährleisten, auf den entscheidenden Punkt, die Wahl des Bildungsgangs und der Schul- und Organisationsform, erweitern.

Das tun Sie aber dann vorsichtshalber doch nicht. Für SPD und LINKE ist es an dieser Stelle ganz einfach mit den Elternwünschen. Da kommt es auf den einzelnen Elternwunsch sowieso nicht an, die Eltern haben alle dasselbe zu wünschen. Das ist Wahlfreiheit auf sozialdemokratisch. Das wollen wir auch nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich daher noch einmal festhalten: Wir stehen zu dem Recht der Eltern auf die Wahl des Bildungsgangs und die Gewährleistung eines wohnortnahen Angebots dafür. Wir tun alles dafür, auch die sonstigen Wünsche der Eltern, was beispielsweise die Organisationsform betrifft, zu erfüllen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Schäfer-Gümbel, es ist die Freiheit, die die Vielfalt schafft. Es ist die Vielfalt, die uns letztlich auch in die Lage versetzt, den Elternwünschen gerecht zu werden. Die Signale, die wir aus unseren einzelnen Schulbezirken bekommen, deuten darauf hin, dass sich genau dieser Effekt einstellt, dass wir ein vielfältiges System mit vielfältigen Angeboten bekommen werden.

Da, wo es vielleicht im Einzelfall Schwierigkeiten gibt, brauchen wir keine zentrale Moderation, so wie Sie das nennen, Herr Wagner, des Kultusministeriums. Das machen unsere Schulämter vor Ort schon lange, das ist auch ihre Aufgabe. Das werden sie auch weiter machen und diese Aufgabe erfüllen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das werden wir nächstes Schuljahr sehen!)

Ich habe Ihnen versprochen, auch noch zu dem Schulversuch Stellung zu nehmen. Wir wollen uns noch einmal auf den Sinn dieses Schulversuchs zurückbesinnen. Dieser Schulversuch wird allzu oft nur unter dem Aspekt der Optionserweiterung diskutiert.

Ja, das ist auch ein willkommener Effekt dieses Versuchs. Aber warum man so einen Versuch macht – so ist es im Übrigen auch im Gesetz definiert –, ist, weil man innovative Konzepte ausprobieren will, weil man Neuland betreten will. Dieser Schulversuch ist Neuland. Der Gedanke, es mit der G-8-Stundentafel auch mit der zweiten Fremdsprache probieren zu können, auch ohne den Druck der Versetzungsrelevanz bereits in Klasse 6, d. h., G 8 kennenzulernen und dann die Wahl zu treffen, ist etwas, das so in Deutschland noch nicht ausprobiert worden ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Schon wieder Versuchskaninchen!)

Dafür einen Schulversuch zu machen, lohnt sich mit den Schulen, die sich das zutrauen – da sind wir wieder bei dem Aspekt des Vertrauens – und die bereit sind, das zu leisten. So einen Schulversuch brauchen wir beispielsweise nicht für die Turboklassen. Das ist ein Modell, das wir kennen. Das muss nicht erprobt werden.

So einen Schulversuch braucht man auch nicht für eine flexible Oberstufe, jedenfalls dann nicht, wenn es im Sinne einer verkürzten Oberstufe ist. Dann kann man nämlich direkt sagen, dass ein solches Modell nicht funktioniert.

Das ist ein ganz einfaches Rechenexempel. Die Schülerinnen und Schüler müssen bis zum Abitur 265 Wochenstunden absolvieren. Das ist einfach die Rechtslage, an die wir uns halten müssen. Bei einer sechsjährigen Mittelstufe mit jeweils 30 Wochenstunden bedeutet das: Es bleiben 85 Wochenstunden für die Oberstufe.

Wenn das bei verkürzter Oberstufe in zwei Jahren geschafft werden soll, dann haben Sie 42 Wochenstunden für alle Schülerinnen und Schüler pro Jahr plus Hausaufgaben plus Vorbereitung auf Klausuren. Das alles zählt bereits fürs Abitur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen, das ist keine Erprobung eines zukunftsweisenden Modells, das ist einfach Unsinn.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb möchte die Landesregierung ein Modell für ein Parallelangebot erproben, das eine sinnvolle Weiterentwicklung des gymnasialen Bildungsgangs garantiert. Egal, für welchen Weg sich die Schulen entscheiden und wie sie ihre Wahlfreiheit nutzen, wir werden alle notwendigen Maßnahmen treffen, um sie sowohl beim Diskussions- und Entscheidungsprozess als auch bei ihrer Umsetzung zu unterstützen.

Wir informieren sie über die aktuellen Entwicklungen und Möglichkeiten. Wir geben ihnen Leitfäden zur Unterstützung. Sie werden durch die Staatlichen Schulämter und das Kultusministerium beraten und begleitet. Sie können bereits, wenn sie wollen, im nächsten Schuljahr zu G 9 wechseln. Sie können sich damit aber auch Zeit lassen.

Die Schulen, die sich dafür entscheiden, bei G 8 zu bleiben, werden wir bei der Umsetzung auch noch intensiver unterstützen. Sie werden die Möglichkeit haben, zusätzliche Ressourcen zur Optimierung ihrer Lern- und Übungszeitkonzepte zu beantragen. Wir stellen gute Praxisbeispiele vor. Wir werden dafür extra drei Regionaltagungen im Frühjahr organisieren. Wir werden sie durch Unterrichtentwicklungs- und Ganztagsberater unterstützen.

Wir werden im Rahmen dieses Schulversuchs auch, das ist bereits angesprochen worden, die Möglichkeit der einzügi

gen Führung von G 8 oder G 9 eröffnen. All das machen wir, um eine möglichst große Variationsbreite zu erreichen. Es geht hier um das Ausprobieren eines innovativen Konzepts. Es geht nicht darum, einfach alles freizugeben.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir die Ergebnisse dieses Schulversuchs haben, lassen Sie sie uns zusammen evaluieren. Dann werden wir sehen, was davon Sinn macht und was nicht, was wir in den Regelbetrieb überführen, was wir zusätzlich an dieser Stelle noch ausprobieren können. Das ist etwas, weil es so neu ist, worauf man wirklich nur die Schulen setzen sollte, die sich auch in eigener Verantwortung darauf einlassen.

Ich möchte Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Mit diesem Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags von CDU und FDP erhalten die Schulen alle Freiheiten für eine eigenverantwortliche und qualitätsvolle Entwicklung im Interesse ihrer Schülerinnen und Schüler. Deswegen bitte ich sehr herzlich um Ihre Unterstützung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Es wurde die dritte Lesung beantragt. Das heißt, wir überweisen den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP für ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes an den Kulturpolitischen Ausschuss.

Ebenso überweisen wir den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend echte Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 sicherstellen an den Kulturpolitischen Ausschuss.

Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 68:

Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu Petitionen – Drucks. 18/6542 –

Ich wurde von der Fraktion DIE LINKE gebeten, die Beschlussempfehlung zu Petition 3757/18 gesondert abzustimmen. Es geht um die Ortsumgehung Frankfurt A 66/ A 661 Riederwaldtunnel. Über diese Beschlussempfehlung lasse ich jetzt abstimmen. Wer ist für die Annahme dieser Beschlussempfehlung? – Das sind die Fraktionen CDU, SPD, FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Damit ist diese Beschlussempfehlung angenommen worden.

Nun lasse ich über den Rest der Petitionen abstimmen. Wer den Beschlussempfehlungen der Drucks. 18/6542 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus. Damit sind die Beschlussempfehlungen angenommen. Ich danke Ihnen.

Kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungen ohne Aussprache.

Tagesordnungspunkt 63:

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend der „Dritte Weg“ dient zur Lohnabsenkung – gemeinsame tarifliche Standards für den sozialen Bereich – Drucks. 18/6679 zu Drucks. 18/6379 –

Wer ist für die Annahme dieser Beschlussempfehlung? – CDU und FDP. Wer ist gegen die Beschlussempfehlung? – DIE LINKE. Wer enthält sich? – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Beschlussempfehlung so angenommen.

Tagesordnungspunkt 64:

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Abg. Dr. Spies, Merz, Decker, Müller (Schwalmstadt), Roth (SPD) und Fraktion betreffend Ausbau der Kinderbetreuung sichert Zukunft – Landesregierung hat Thema verschlafen – Drucks. 18/6680 zu Drucks. 18/6489 –

Wer ist für die Annahme der Beschlussempfehlung? – Das sind die Fraktionen CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Die Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Tagesordnungspunkt 65: