Am Anfang dieser Debatte muss zumindest von unserer Fraktion gesagt werden: Es besteht unter allen Fraktionen dieses Hauses Einigkeit – abgesehen von der Linkspartei –, dass das, was die Linkspartei als Gesetzentwurf vorgelegt hat, so auf keinen Fall geht. Das muss man vor der Klammer feststellen.
Beim Extremismus – ob das Rechts- oder Linksextremismus, islamistisch, salafistisch oder sonst etwas ist – brauchen wir eine wachsame und wehrhafte Demokratie. Die Frage, die sich unterm Strich stellt, ist: Brauchen wir die
Darüber ist eine breite Diskussion entstanden. Der Innenminister hat gestern in seiner Regierungserklärung schon einiges dazu gesagt, was er sich vorstellt, insbesondere zu den Themen Mitarbeiter, der V-Leute, Ausbildung und Qualifizierung. Über diese Punkte sollten wir weiterreden. – So viel vor der Klammer.
Zweiter Punkt. Meine Damen und Herren, weswegen wir eigentlich in diesem Zusammenhang über Gesetzentwürfe und parlamentarische Kontrolle reden, ist die Tatsache, dass wir eine rechtsterroristische Mörderbande in Deutschland hatten, die eine Blutspur durch das gesamte Land gezogen hat. Neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin in Herborn sind dieser rechtsextremistischen Mörderbande zum Opfer gefallen.
Alle, die sich mit innerer Sicherheit und mit Sicherheitspolitik beschäftigen, waren darüber entsetzt, dass diese Taten über Jahre – fast ein Jahrzehnt lang – nicht aufgeklärt werden konnten und dass gewisse Zusammenhänge und gewisse Bezüge nicht berichtet wurden und dass es Befunde darüber gibt, dass die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, von Polizeibehörden, Landesbehörden und Staatsanwaltschaft nicht funktioniert hat und man diese Arbeit neu organisieren muss.
Ein Befund ist ganz deutlich und wird bislang von keinem bestritten – außer vom Ministerpräsidenten Volker Bouffier und vom Innenminister dieses Landes –: dass es Fehler gegeben hat. Alle geben zu, dass es bei der inneren Sicherheit, bei der Zusammenarbeit der Behörden Fehler gegeben hat, eklatante Fehler. Die Einzigen, die das nicht zugestehen, sind dieser Innenminister und sein Vorgänger, der heutige Ministerpräsident.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Nancy Faeser und Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was den Zusammenhang der Aufklärung dieser Umstände angeht, ist uns in Hessen sehr deutlich geworden, dass die parlamentarische Kontrolle versagt hat. Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission – also der Kommission, die damit beauftragt ist, den Geheimdienst zu kontrollieren – wurden über wichtige Tatsachen und Ereignisse nicht oder erst nachträglich informiert.
Erst durch einen Bericht in der „Bild“-Zeitung wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes am Tatort in Kassel anwesend war. Das stand in der „Bild“-Zeitung. Am Tag danach hat der jetzige Ministerpräsident und damalige Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission über etwas informiert, das am Vortag in der Zeitung gestanden hat. Das muss man sich vorstellen.
Danach hat der Innenausschuss des Hessischen Landtags getagt und wurde ebenfalls über diesen Sachverhalt informiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, parlamentarische Kontrolle kann nur funktionieren, wenn die Exekutive ihrer Bringschuld nachkommt und der Kontrollkommission das berichtet, das wichtig ist, das für ihre Arbeit entscheidend ist.
Das wurde eben nicht gemacht. Aus der Erkenntnis heraus, dass diese Kontrolle nicht funktioniert hat, muss man doch der Überlegung beitreten und sagen: Wenn das nicht funktioniert, dann stimmt offensichtlich an der Organisation der parlamentarischen Kontrolle etwas nicht.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht haben, und den unterstützen wir nachdrücklich.
Welche Rückschlüsse ziehen aber CDU und FDP aus der Tatsache, dass unsere Parlamentarische Kontrollkommission nicht informiert worden ist, dass die parlamentarische Kontrolle nicht stattgefunden hat? Welche Rückschlüsse ziehen CDU und FDP daraus?
Die Rückschlüsse, die sie ziehen, sind: Zuerst verlangen sie von den Abgeordneten, die in dieses parlamentarische Gremium gehen und die Kontrolleure über den Verfassungsschutz sind, dass sie ihre Handys, ihre Notizen und Aufzeichnungen abzugeben haben. Die Kontrolle der Kontrolleure ist also der Mittelpunkt dessen, was CDU und FDP hier beschäftigt – nicht das Thema Reform der parlamentarischen Kontrolle.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Alexander Bauer (CDU): Was sagt Bayern dazu?)
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben Dinge vorgeschlagen, die Bestandteil der parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestags und vieler Bundesländer sind – also nichts, was über das Geheimschutzinteresse des Verfassungsschutzes hinausgeht. Vielmehr haben die Kolleginnen und Kollegen in ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben, dass gewisse Regelungen, die im parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestags üblich sind, auch Eingang in unsere Gesetzgebung finden. Es sollen die Befugnisse verändert werden. Wir sollen Sachverständige mit gewissen Aufträgen versehen können. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sollen sich mit Eingaben an die Kontrollkommission wenden können. Die Mitglieder dieses Gremiums sollen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt werden können. Es soll eine Berichterstattung geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind also keine Regelungen, die irgendwelche Spinner erfunden haben, sondern die stehen im Gesetzblatt für die Bundesrepublik Deutschland: Die sind Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle im Deutschen Bundestag. Das aber wollen Sie in Hessen nicht umsetzen. Das ist geradezu absurd.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Alex- ander Bauer (CDU))
Es ist wirklich erstaunlich, wie Sie mit dieser Frage umgehen. Wenn man sich beispielsweise die veröffentlichte Meinung anschaut, dann stellt man fest: Diese veröffentlichte Meinung sagt eigentlich sehr deutlich, dass in diesem Bereich mehr Transparenz und mehr Offenheit hergestellt werden müssen. Ich kann Ihnen dazu ein Zitat aus der „FAZ“ vorlesen:
Die schwarz-gelbe Koalition in Wiesbaden will es vielmehr bei einigen kleinen Veränderungen belassen, die nicht wirklich für mehr Transparenz und Offenheit sorgen, sondern die Einflussmöglichkeiten von Abgeordneten an einigen Stellen sogar noch verringern.
Das sagt selbst die „FAZ“. Das sagen nicht irgendwelche Spinner, sondern das sagt die veröffentlichte Meinung in Hessen.
Noch einen Punkt verstehe ich nicht. Herr Kollege Beuth, zur Qualität Ihrer Zwischenrufe habe ich gestern schon etwas gesagt, aber wenn Sie das heute gerne nochmals im Protokoll haben wollen, kann ich es gerne wiederholen.
Berlin. Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer, CDU, fordert eine bessere Kontrolle der Geheimdienste durch den Bundestag. Die Arbeit des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums, PKG, müsse effizienter und aktiver werden, sagte Grosse-Brömer am Dienstag in Berlin.
Grosse-Brömer machte seinen Unmut deutlich, dass das Gremium sich oft erst im Nachhinein mit Vorgängen befassen kann.
Das sagt jemand, der auf der Grundlage eines Gesetzes arbeitet, das Sie im Hessischen Landtag ablehnen wollen.
Er sagt sogar, wir müssen mehr machen, wir müssen sogar die Kontrolle im Bundestag verbessern. Sie aber lehnen sogar das ab, was zurzeit Gesetz ist. Das ist geradezu absurd.
Ich habe es im Innenausschuss gesagt und wiederhole es hier: Ich kann Sie nur dazu auffordern und an Sie appellieren: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück. Machen Sie das, was beispielsweise im Bayerischen Landtag – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: im Bayerischen Landtag – üblich war: Bei der Organisation der parlamentarischen Kontrolle im Bayerischen Landtag haben alle Fraktionen zusammengearbeitet und sich auf ein gemeinsames Gesetz geeinigt.
Nehmen Sie sich das zum Vorbild. Ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück, und setzen Sie sich mit allen Fraktionen dieses Hauses zusammen. Dann verbessern wir wirklich die parlamentarische Kontrolle. Letztendlich sind wir das wirklich den Opfern dieser schrecklichen Taten des NSU schuldig.