Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Benachteiligung beseitigen – Kinder besserstellen – Drucks. 18/6743 –

Es ist der Setzpunkt der Fraktion. Als Redezeit wurden zehn Minuten je Fraktion vereinbart.

Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Schulz-Asche zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stellen hiermit heute einen Antrag zur Abstimmung, der die Landesregierung auffordert, im Bundesrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die steuerliche Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnerschaften beseitigt und gleichzeitig in der Besteuerung der Familien die Existenz von Kindern besser berücksichtigt, als es heute der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem solchen Entwurf würde zunächst das Ehegattensplitting auf eingetragene Partnerschaften übertragen. Uns geht es aber vor allem darum, dass auch im Steuerrecht das Vorhandensein von Kindern endlich zur Leitlinie unseres modernen Staatswesens gemacht wird.

Seit August 2001 können, wenn sie es denn wollen, in Deutschland homosexuelle Paare heiraten, also eine sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Laut Statistischem Bundesamt lebten im letzten Jahr rund 27.000 Menschen in einer solchen Partnerschaft. Immer wieder hat das Bundesverfassungsgericht unterstrichen, dass die Gleichstellung von Ehe und Partnerschaften der Intention des Grundgesetzes entspricht.

Dafür wurde es von den ideologischen Hardlinern, ganz besonders aus der Hessen-CDU, gerügt. Der Fraktionsvorsitzende, Dr. Wagner, sagte in einem Interview, das Bundesverfassungsgericht höhle nach und nach den Wesensgehalt des Art. 6 GG aus. – Glücklicherweise entscheidet nach wie vor das Bundesverfassungsgericht, wie das Grundgesetz zu verstehen ist, und nicht Kollege Dr. Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Benachteiligungen von eingetragenen Lebenspartnerschaften bestehen zurzeit noch im Steuer- und im Adoptionsrecht. Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Benachteiligung im Steuerrecht. Es ist zu vermuten, dass es weder dem überholten Familienbild eines Christean Wagner, eines CDUKreisverbands Fulda noch der Mehrheit des CDU-Bundesparteitags folgen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns doch einmal die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts genauer an, so wie es der Antrag der sogenannten „Wilden 13“ auf dem CDU-Parteitag in der Begründung bestens zusammenfasst:

Die Rechtfertigung der Privilegierung der Ehe liegt in der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner. Das Ehegattensplitting ist insofern kein besonderer Steuervorteil oder eine besondere Förderung der Ehe, sondern wurde vom Bundesverfassungsgericht 1958 eingefordert, weil Ehegatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat.

Meine Damen und Herren, auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften übernehmen zwei Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander. Die eingetragene Lebenspartnerschaft begründet eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so das Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So sind Lebenspartner dem jeweils anderen gesetzlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet. Bei einer Trennung findet ein Ausgleich bei den erworbenen Altersvorsorgeansprüchen und beim Zugewinn statt. Das Bundesverfassungsgericht stellt insofern klar:

In diesem Punkt unterscheiden sich eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe aber nicht. Beide sind auf Dauer angelegt und begründen eine gegenseitige Einstandspflicht.

Meine Damen und Herren, es entspricht unserer Überzeugung, aber auch der der Antragsteller auf dem CDU-Parteitag, dass gleiche Pflichten auch gleiche Rechte nach sich ziehen müssen. Es kann dabei nicht darauf ankommen, ob es sich um eine heterosexuelle oder um eine homosexuelle Partnerschaft handelt. In der eingetragenen Partnerschaft wird wie in der Ehe wechselseitig Verantwortung füreinander übernommen. Dadurch wird wie in der Ehe die Gemeinschaft entlastet. Es werden auch wie in der Ehe konservative Werte gelebt. Die Schlechterstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften durch den Ausschluss von der Begünstigung des steuerlichen Splittingverfahrens ist daher nicht zu rechtfertigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die steuerliche Schlechterstellung wird auch nicht durch den Aspekt des Fehlens von Kindern oder der Belastung durch die Kindererziehung begründet, denn das Ehegattensplitting knüpft hieran gerade nicht an. Das ist übrigens auch einer der Kritikpunkte, die wir am Ehegattensplitting haben.

Das Bundesverfassungsgericht sagt:

Die Zusammenveranlagung kann von allen Ehegatten in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sie unterhaltsberechtigte Kinder haben oder nicht. Die Zusammenveranlagung setzt in einer Ehe nicht einen kindbedingten Bedarf voraus.

Das ist übrigens eines der Probleme des Ehegattensplittings. Das ist die aktuelle Rechtslage, bei der wir Gleichstellung fordern.

Die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften führt übrigens auch nicht dazu, dass dem Institut der Ehe geschadet wird. Auch hier hat sich das Bundesverfassungsgericht eindeutig geäußert. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, gerade wegen der Gleichgeschlechtlichkeit in der eingetragenen Lebenspartnerschaft konkurriert diese nicht mit der Ehe. Daher kann sie dem Institut der Ehe auch nicht abträglich sein.

Die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften führt schließlich auch nicht dazu, dass andere Partnerschaften gleichgestellt werden müssten. Auch hier hat sich das Bundesverfassungsgericht eindeutig geäußert: Partnerschaften, die nicht in vergleichbarer Weise wie die Ehe organisiert sind, haben eben auch keinen Anspruch auf die Gleichstellung im Ehegattensplitting.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da das Ehegattensplitting in seiner heutigen, auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnten Ausgestaltung gerade nicht an das Vorhandensein von Kindern in der Ehe anknüpft, wir aber anerkennen, dass Partnerschaften mit Kindern besondere Unterstützung seitens des Staates verdienen, sprechen wir uns für eine bessere steuerliche Berücksichtigung von Kindern aus. Dabei übernehmen El

tern, ob in der Ehe, allein oder in Form einer Partnerschaft, eine große Verantwortung, nicht nur finanziell, sondern auch persönlich. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag für unser Gemeinwesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, so weit aus der Begründung des leider auf dem CDU-Parteitag unterlegenen Antrags, den wir sehr begrüßt haben, der leider nicht verabschiedet wurde. Ich habe die gesellschaftliche Entwicklung und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt, sie gehen eindeutig in die richtige Richtung. Deswegen ist es schade, dass die CDU nach wie vor in ihrer Gänze solche gesellschaftlichen Entwicklungen nicht nachvollziehen kann.

Ich habe sehr viel Respekt vor allen, die sich öffentlich dazu geäußert und sich für die steuerliche Gleichsetzung von eingetragenen Lebenspartnerschaften eingesetzt haben. Dazu gehört nicht nur die aus Hessen stammende Familienministerin Schröder, sondern auch die Kolleginnen Wolff und Wiesmann und der Innenminister Rhein. Das ist ein Zeichen dafür, dass es offensichtlich auch in der CDU Bewegung gibt und die überkommenen Vorstellungen eines Dr. Wagner langsam, aber sicher nach hinten gedrängt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dieser öffentlichen Meinungsäußerung und auch vor der Unterstützung des Antrags auf dem CDU-Parteitag habe ich sehr viel Respekt. Keinen Respekt habe ich aber vor denen, die ideologisch verbohrt sind, die die Freiheit des Einzelnen und der Einzelnen nicht respektieren, die die gegenseitige Übernahme von Verantwortung in homosexuellen Lebenspartnerschaften als nicht gleichwertig mit der Familie diskreditieren.

Was mich ärgert, ist, dass Sie immer von der Ehe als Keimzelle des Staates reden, wie Herr Dr. Wagner das auch wieder in einem „Spiegel“-Interview gemacht hat,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

aber in den eigenen Lebensumständen sehr weit von der Bürgerlichkeit entfernt sind, die Sie einfordern.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist eine ausgesprochene Unverschämtheit! Das ist völlig unter Niveau!)

Was finden Sie eine ausgesprochene Unverschämtheit?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Der Sache gehe ich nach! Das ist völlig unter Niveau!)

Was meinen Sie denn?

Herr Wagner, bitte.

Ich habe kein Problem. Ich habe heute meinen 27. Hochzeitstag und habe überhaupt kein Problem damit. Ich weiß nicht, welches Sie haben.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist an der Zeit – –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ohne jegliche Kultur und Niveau!)

Meinen Sie jetzt mich oder sich?

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Bitte keinen Dialog.

Lieber Herr Dr. Wagner, Sie reden von der Ehe als Keimzelle des Staates.

(Holger Bellino (CDU): Sie sollten lieber zur Sache reden!)

Ich finde, wenn man solche Äußerungen macht, dass man dann auch tatsächlich sagen muss, dass das auch für Lebenspartnerschaften gilt, die die gleichen Anforderungen eingehen. Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich aufregen.