Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäfer-Gümbel, Sie wissen, dass Sie an genau dieser Stelle eine offene Flanke haben. Ich muss es hier wiederholen, auch wenn ich es schon so oft gesagt habe; wir haben auf der Tribüne immer neue Gäste, und die wissen es vielleicht noch nicht: Was Sie hier vortragen, ist mit dem, was Sie in den letzten zehn Jahren politisch vertreten und wie Sie gehandelt haben, überhaupt nicht in Einklang zu bringen. Sie haben immer anders gehandelt, als Sie geredet haben.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), sich auf den Beifall beziehend: Da sind Sie sich alle einig! Es wächst zusammen, was zusammengehört! – Weitere Zurufe)
Herr Kollege, bitte einen Moment. – Meine Damen und Herren, lassen Sie dem Redner doch wenigstens bitte eine Minute, bevor Sie ihn beschimpfen. Überlegen Sie noch ein bisschen, was Sie mit ihm machen, aber lassen Sie ihm doch einmal zumindest die erste Minute, in der er friedlich vortragen kann. Dann können wir ja in andere Dinge einsteigen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich will Sie doch nur einmal daran erinnern – und manchmal tut Erinnerung womöglich ein bisschen weh –: Es war Schwarz-Gelb, die das Entsendegesetz gemacht haben und die den ersten branchenspezifischen Mindestlohn überhaupt, im Bauhauptgewerbe, eingeführt haben.
Dann kamen Sie. Sie haben das SGB II geändert. Sie haben – ich verkürze es jetzt einmal – Hartz IV gemacht. Das Resultat von Hartz IV ist eine ganz andere Überlegung als die, die Sie jetzt vortragen. Zu dieser Überlegung stehen wir. Und wenn wir in Deutschland die letzte Partei sind, die zu dieser Überlegung steht, dann stehen wir trotzdem dazu. Die Überlegung war, dass jemand, der arbeiten kann, arbeiten geht – auch dann, wenn er nicht genügend Geld verdient, um davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten bzw., darum geht es ja meistens, seine gesamte Familie zu ernähren. Besser aber geht er arbeiten, statt komplett von Sozialhilfe zu leben. Darum ist die Überlegung der Aufstockung richtig.
Das vertreten wir, und das haben Sie, GRÜNE und SPD, in Deutschland mit CDU und FDP mit den Hartz-Reformen auf den Weg gebracht. Dieser Arbeitsmarkt funktioniert. In Europa sind alle neidisch auf die Erfolge des deutschen Arbeitsmarkts. Die Zahlen sind auch unwiderlegbar. Die müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Gerade auf dem Arbeitsmarkt ist diese im großen Konsens in Deutschland umgesetzte Politik erfolgreich. Das müssen Sie auch einmal akzeptieren. Sich durch die Hintertür hinauszustehlen, ist unredlich.
Diese Politik haben Sie einmal gemacht – mit Herrn Trittin. Ich glaube, heute will der davon auch nicht mehr viel wissen. Herr Schröder war das damals.
Aus dieser Politik heraus ist eine neue Partei entstanden: DIE LINKE. DIE LINKE hat gesagt: Wir fordern politische Löhne. Wir durchbrechen das, was in Deutschland erfolgreich ist, wir wollen einen politischen Lohn für ganz Deutschland, für jeden, der hier arbeitet.
Das ist eben der Unterschied. Wir wollen in dem Bereich bleiben, in dem wir immer waren: dass die Tarifpartner erfolgreich die Löhne verhandeln. Das ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes. Das müssen Sie doch akzeptieren.
Ich will Sie wirklich noch einmal dazu aufrufen, die Augen zu öffnen. Wir haben in Europa doch die Beispiele. Schauen Sie nach Spanien. In Ländern, die Mindestlohn haben, entstehen Barrieren für Menschen, die Zugang zum Arbeitsmarkt suchen: 50 % Jugendarbeitslosigkeit. In Frankreich können Sie das rot-grüne Wirtschaftswunderprogramm und Arbeitsmarktprogramm beobachten.
Ich rufe jeden Bürger auf: Schauen Sie einmal nach Frankreich, wie hervorragend dort alles funktioniert. Die setzen um, was Sie fordern. In Frankreich wird die Politik umgesetzt, die Sie fordern. Wir können alle schauen, was in der nächsten Zeit in Frankreich herauskommt, welche erfolgreiche Politik dort gemacht werden wird: ob die Arbeitslosigkeit steigt, ob das Wirtschaftswachstum zunimmt – oder ob womöglich Frankreich der neue „kranke Mann“ Europas wird. Da können wir einmal sehen, wohin rot-grüne Politik führt.
Wir lehnen das ab. Sie aber führen immer Ihre ideologischen Reden. Sie machen einen Beschluss, 8,50 € – dann ist die Welt in Ordnung.
Dieses Land hat einen dermaßen gut ausgebauten Sozialstaat. Dieses Land kümmert sich um jeden einzelnen Arbeitslosen, damit er wieder den Weg in den Arbeitsmarkt findet. In einer wirklich vorbildlichen Art und Weise ver
sucht man in den Arbeitsagenturen, die Menschen geeignet zu vermitteln. Jede Zugangsbarriere zum Arbeitsmarkt behindert diese Menschen und macht ihnen den Gang in den Arbeitsmarkt
und damit vielleicht auch wieder in ein selbstbestimmtes Leben, in ein Leben, bei dem man sein Geld selbst verdient, schwieriger. Das ist einfach der falsche Weg. Am Ende ist Ihre Politik unsozial.
Herr Decker, auch wenn Ihr Fraktionsvorsitzender Sie indirekt dazu gezwungen hat, heute eine solch scheußliche Krawatte zu tragen, und man da mit Ihnen ein bisschen Mitleid haben muss – aber das muss ich Ihnen ganz deutlich sagen:
Wenn Sie einen Mindestlohn festsetzen, der über dem Marktlohn liegt, dann werden Sie Arbeitsplätze verlieren. Wenn Sie aber einen Mindestlohn setzen, der unter dem Marktlohn liegt, dann wird der keine Auswirkungen haben, weil der Marktlohn sowieso darüber liegt.
Es gibt neun branchenspezifische Mindestlöhne. Wir, Schwarz-Gelb, haben die Zeitarbeit geregelt, nicht Sie. Sie reden, wir handeln. Wir nehmen die Menschen ernst. Wir haben dafür gesorgt, dass wir heute die beste Arbeitsmarktlage seit 20 Jahren, seit der Wiedervereinigung, haben. Das ist das Resultat von guter schwarz-gelber Politik und nicht von Ihrem dauerhaften Gezeter über das Thema Mindestlohn.
Man muss wirklich mit Augenmaß sehen, wo es Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gibt. Da wollen wir han