Bevor man morgens twittert, sollte man erst nachdenken. Das sind so Geschichten, über die muss man gelegentlich einmal reden.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Es gibt doch einen Unterschied zwischen Schäfer und Gümbel! – Heiterkeit bei der CDU – Widerspruch bei der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein Herrenwitz! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Schäfer, erklären Sie uns einmal die 430 Millionen €!)
Ich kann jetzt erst noch einen Kaffee trinken gehen, wenn Sie sich erst ausmäandern wollen. Ansonsten würde ich jetzt weiterreden.
Man kann in der Frage „Abkommen mit der Schweiz“ der einen wie der anderen Auffassung sein. Wenn hier aber aus politisch-taktischem Kalkül der Eindruck zu erwecken versucht wird, die Verfolgung von Straftätern sei unter der Regierung von CDU und FDP nur die zweite Priorität, andere Motive stünden im Mittelpunkt,
Sie können ja nachher beim Gratulieren Karlheinz Weimar fragen, in welch einem Zustand er die hessische Finanzverwaltung vorgefunden hat, als er sie übernommen hat. Wenn Sie eine Adler-Schreibmaschine im Dienstgebrauch sehen wollten, mussten Sie nur entweder eine hessische Polizeistation oder ein hessisches Finanzamt besuchen.
All das wurde geändert. Wir haben mittlerweile die am modernsten ausgestattete Finanzverwaltung in Deutschland. Wir haben die Zahl der Betriebsprüfer und Steuerfahnder massiv aufgestockt.
Die Ergebnisse können sich sehen lassen: von etwas über 100 Millionen € als Mehrergebnis aus Steuerfahndung, Straf- und Bußgeldverfahren im Jahr 2008 auf 226 Millionen € im Jahr 2010 und 350 Millionen € im Jahr 2011. 2012 werden wir wahrscheinlich noch ein Stück mehr eingenommen haben. Im Verfolgen von Straftätern gibt es in Hessen an keiner Stelle irgendeine Form der Gnade, weder für herkömmliche Straftäter noch für Steuerstraftäter, um das ein für alle Mal klarzustellen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zuru- fe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Reden Sie einmal mit den Steuerfahndern!)
Lassen Sie mich hinzufügen: Eben hat Herr Kaufmann den Satz gesagt, es sei richtig, wenn sich der Landtag hinter die Steuerfahnder in Hessen stellte. Sprechen Sie einmal mit Personalvertretern der hessischen Finanzverwaltung. Dann erfahren Sie, wie sehr sich diese in der Zeit der Arbeit des Untersuchungsausschusses von Ihnen gewünscht hätten, dass Sie sich hinter die Arbeit der Steuerfahndung – die jeden Tag an der Front arbeiten muss – stellen würden, statt immer nur den Eindruck zu erwecken, die Finanzverwaltung sei so strukturiert, dass es flächendeckend Probleme gebe. Das ist die Wahrheit im Umgang mit den Steuerfahndern.
Es stellt sich die Frage: Wie kommt es zu diesem heutigen Setzpunkt? Geht es um ein jahrzehntelang verfolgtes Anliegen der hessischen Sozialdemokratie, oder hat dieser Punkt möglicherweise etwas damit zu tun, dass man sich im Hinblick auf den 22. September Themen zuwenden zu müssen meint, von denen man hofft, dass sie parteipolitisch einen Nutzen bringen?
Interessant ist das, was der Kollege van Ooyen vorgetragen hat. Bei den Haushaltsberatungen im Dezember waren Ihnen 100 Steuerfahnder noch nicht wichtig genug, als dass Sie dem Änderungsantrag der LINKEN zugestimmt hätten. Damals haben Sie sich entspannt enthalten. Plötzlich wird dieses Thema zum Gegenstand Ihres Antrags. Dabei haben Sie aber übersehen, dass wir in den Haushaltsplanentwürfen, die wir Ihnen als Regierung vorgelegt haben, die Umwandlung von 200 Angestelltenstellen in der hessischen Finanzverwaltung in Stellen des gehobenen Dienstes vorsehen, auf denen Menschen ausgebildet werden, die am Ende Betriebsprüfer und Steuerfahnder werden können.
Das ist eine Maßnahme der Zukunftssicherung für die hessische Finanzverwaltung. Irgendwelche abgeschriebenen Anträge, die Sie am Ende doch nicht ernst meinen, sind es nicht.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel aus dem praktischen Leben in der nationalen Politik vortragen. Von den Sozialdemokraten wird flächendeckend das Lied gesungen – das auch hier vorgetragen wurde –, wir müssten gegen die Steuerhinterziehung mehr tun. Was passierte im Dezember im Deutschen Bundestag, im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss? Das war ein Vorgang, der mich persönlich ärgert, weil Staatssekretärin Luise Hölscher und ich eine Menge Zeit investiert haben, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen auf der A-Seite ein Paket zum Jahressteuergesetz zu schnüren, in dem sieben oder acht Vorschläge zum Schließen von Steuerschlupflöchern enthalten waren. Es waren zumeist hessische Vorschläge, diese Steuerschlupflöcher zu schließen, vom RETT-Blocker über Cash-GmbHs bis zur Monetarisierung von Verlusten. Ich könnte Ihnen das im Einzelnen vortragen.
Wir waren uns einig, die Vorschläge wären in das Gesetz eingeflossen, die Steuerschlupflöcher wären geschlossen worden. Das hätte in diesem Jahr wahrscheinlich einen dreistelligen Millionenbetrag ausgemacht. Dann fiel RotGrün aber nichts anderes ein, als in der Endphase der Arbeit des Vermittlungsausschusses die Frage der steuerlichen Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften über den gerade gefundenen Kompromiss zu stülpen, um ja sicherzustellen, dass der gefundene Kompromiss nicht in das Gesetzblatt kommt. Wieder einmal haben die Steuerhinterzieher die Sektkorken knallen lassen, weil durch das Verhalten der Sozialdemokraten und der GRÜNEN ein weiteres Jahr gesetzlich nichts passiert.
Das ist nichts anderes als der Versuch, von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Sie sind diejenigen, die dafür sorgen, dass die Sektkorken bei den Steuerhinterziehern in diesem Lande knallen.
Das sollten Sie sich einmal überlegen. Das ist die falsche Strategie. Wir brauchen Klarheit im Kampf gegen den Steuergestaltungsmissbrauch und gegen Steuerhinterzieher. Dafür stehen wir, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Dr. Schäfer. – Wir treten in eine zweite Diskussionsrunde ein. Herr Schmitt hat sich für die SPDFraktion zu Wort gemeldet. Mögliche Redezeit für die Fraktion: fünf Minuten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Ministers gibt mir Gelegenheit, das eine oder andere richtigzustellen.
Herr Caspar, mir ist aufgefallen, dass bei Ihrer Rede die am lautesten geklatscht haben, die Sie als finanzpolitischen Sprecher Ihrer Fraktion haben durchfallen lassen.
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass Sie ein paar Zahlen durcheinanderbringen. Sie haben behauptet, Hessen habe 1.000 Steuerfahnder. Hessen hat nicht einmal ein Viertel der Zahl, die Herr Caspar genannt hat. Das zu der Frage „Kompetenz in der Diskussion“.
Meine Damen und Herren, Herr Caspar und der Finanzminister haben sich hierhin gestellt und die Auffassung vertreten, dass in Hessen bei der Steuerermittlung, beim Erlass der Steuerbescheide, bei der Steuerfahndung und der Betriebsprüfung alles in Ordnung sei. Sie müssten spätestens nach der gestrigen Diskussion mit Finanzbeamten aus Frankfurt, auf die der Kollege van Ooyen Bezug genommen hat, einen ganz anderen Eindruck haben. Wissen Sie, was die uns vorgetragen haben? – Dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, die Steuerbescheide vertieft zu prüfen. Wissen Sie, was die machen? – Sie nehmen die Angaben in den Steuererklärungen, die die Steuerzahler abgegeben haben, und machen einen Haken daran, weil sie überhaupt keine Zeit mehr haben, zu ermitteln. Die Finanzbeamten haben dargestellt, dass sie gar nicht die Zeit haben, selbst dem, was draußen ermittelt worden ist, intern noch einmal nachzugehen. – Das ist eine Schilderung aus der Praxis. Es ist schade, dass nur fünf Kollegen an den Gesprächen teilgenommen haben. Auch der Kollege Noll war dabei. Ich meine, dieses Gespräch müsste doch zum Nachdenken darüber führen, wie die Praxis wirklich aussieht.
Wir haben uns die Zahl der Steuerfahnder bundesweit noch einmal angesehen. Da kann man einen Pro-Kopf-Vergleich anstellen, wie es Herr Schick getan hat. Man kann den Vergleich aber auch auf das Bruttoinlandsprodukt beziehen. Das ist nach meiner Meinung der entscheidende Maßstab: Wie viel an Steuern, wie viel an Wirtschafts- und Warenumsatz ist in diesem Land vorhanden? Bei einem solchen Vergleich kommt man zu dem Ergebnis, dass Hessen bei der Zahl der Steuerfahnder ziemlich weit hinten liegt.
An einer Stelle lag der Kollege van Ooyen falsch. Er hat behauptet, wir hätten nur 50 Steuerfahnder beantragt. Nein, wir haben insgesamt 100 Stellen beantragt, nämlich für 50 Steuerfahnder und für 50 Betriebsprüfer. Der Kollege Noll, der Noll-Noll-Sieben der FDP-Fraktion in der Finanzpolitik,
hat gefragt, woher wir die Zahlen genommen haben. Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort. Wir haben mit der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Landesverband Hessen, darüber gesprochen. Von denen kommen diese Zahlen.
Herr Minister, Sie haben jetzt den Vorwurf erhoben, wir hätten einen Antrag der Linkspartei auf Aufstockung um 100 Steuerfahnder abgelehnt. Die Linkspartei hat unterstellt, dass wir 100 Millionen € einnehmen würden. Die
Antwort, auch der Steuer-Gewerkschaft, war: Rein theoretisch ist das schon möglich, aber das ist nicht die Praxis. – Die Steuer-Gewerkschaft hat zu Recht gesagt: Man darf nicht nur auf den Außendienst schauen – das war das, was die Praktiker gestern vorgetragen haben –, sondern das muss man dann im Innendienst nacharbeiten und mit vorhandenen Unterlagen vergleichen.
Deswegen sage ich, wer hier über Sachkompetenz verfügt, der kann eigentlich nur so agieren, wie wir das in dem Antrag konkretisiert haben: Wir müssen die Zahl der Ausbildungsstellen erhöhen und dann Schritt für Schritt – denn es ist ja kein Ausbildungsberuf – Steuerfahnder und Betriebsprüfer, die sich in der Praxis bewährt haben, aufstocken, damit wir endlich dahin kommen. Das ist das eine, der formale Vollzug der Steuergesetze. Da ist in Hessen einiges im Argen.
Der Minister hat gesagt, der Kampf um Steuergerechtigkeit, gegen Steuerhinterziehung habe in Hessen Priorität. Gerade der Steuerfahnder-Untersuchungsausschuss hat doch gezeigt, dass Sie vier hessische Steuerfahnder kaltgestellt haben, weil sie ermitteln wollten. Das ist doch die Tatsache. Bis zum heutigen Tag sind sie übrigens nicht rehabilitiert.
Herr Caspar hat die Frage der Selbstanzeigen angesprochen; jetzt reden wir über unseren Antrag. Hier gibt es im Steuerstrafrecht eine Privilegierung, die wir im sonstigen Strafrecht überhaupt nicht kennen. Sinnvoll wäre, wenn jemand tätige Reue zeigt und Wiedergutmachung leistet, das bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Aber dass jemand eine Straftat begeht und dann sagt: „Ich mache es wieder gut, aber ich muss dann nicht mehr mit Konsequenzen rechnen“, das ist exklusiv im Steuerstrafrecht. Darin sehen wir einen Konstruktionsfehler.