Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Herr Wagner, wir geben in Hessen ganz explizit diese Wahlfreiheit. Wir wollen auch diese Wahlfreiheit, während in anderen Bundesländern, z. B. im grün-rot regierten Baden-Württemberg, diese Wahlfreiheit nicht besteht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In Baden-Württemberg gibt es gerade einmal 22 Schulen von 378,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 44!)

22 dieses Jahr, 44 nächstes Jahr. Aber selbst die 44 sind im Verhältnis zu 378 öffentlichen Gymnasien in Baden-Württemberg „geschenkt“.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind mehr als in Hessen!)

Dort gibt es keine Ausweichmöglichkeit hin zu den Gesamtschulen.

(Beifall bei der CDU – Günter Schork (CDU): Hört, hört!)

Das ist Wahlfreiheit nach Grün-Rot, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt noch einmal zurück zum ganz konkreten Fall, weil es wirklich keine einfache Abwägung ist. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass sowohl die Kinder und ihre Eltern, die G 9 favorisieren – auch in den Jahrgangsstufen 5 und 6 –, als auch die Kinder und Eltern, die ganz bewusst G 8 favorisieren, und die gibt es in unseren Schulen auch, zu ihrem Recht kommen müssen.

Dementsprechend müssen wir schauen, wie wir den 8.500 Schülerinnen und Schülern in den jetzt 38 Gymnasien, die demnächst G 9 anbieten wollen, am besten gerecht werden. Es sind mit diesen 8.500 Schülerinnen und Schülern keine 100 %. Herr Wagner, das ist doch völlig unrealistisch, wenn Sie sich anschauen, was für Diskussionen an den einzelnen Schulen stattgefunden haben und wie viele Briefe uns erreichen – Frau Habermann hat nur von der einen Seite zitiert –, die sagen: Wird uns das jetzt weggenommen? Wir werden vor Ort unter Druck gesetzt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie viele denn?)

Da kann es keine freie Entscheidungsmöglichkeit zu 100 % gegeben haben. Das halte ich für eine reine Fiktion.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

8.500 Schülerinnen und Schüler, wo wir ganz genau abwägen müssen, wie wir der größten Zahl dieser Schülerinnen und Schüler gerecht werden.

Wahr ist auch, alle die Schülerinnen und Schüler, die heute in einem G-8-Gymnasium in der Klasse 5 oder 6 sind, sich zu einem speziellen Zeitpunkt genau für dieses Gymnasium entschieden haben, möglicherweise trotz G 8. Aber sie haben sich dafür entschieden, weil sie glaubten, dass das die beste Schule für sie ist. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, alternativ in unseren Gesamtschulen ein G-9-Angebot wahrzunehmen. Auch unsere Gesamtschulen machen eine hervorragende Arbeit. Das heißt, es war ihnen wichtiger, an dieser Schule, an diesem Gymnasium eingeschult zu sein, als ein G-9-Angebot in Anspruch zu nehmen.

Auf der anderen Seite haben wir Schülerinnen und Schüler, die sich bewusst für ein G-8-Angebot entschieden haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben keine Ausweichmöglichkeit, weil dieses G-8-Angebot an diesen Schulen angeboten wird und nicht an den G-9-Gesamtschulen. Von daher ist hier schon einmal eine unterschiedliche Möglichkeit, auf die Ansprüche dieser Kinder zu reagieren.

Deswegen sagen wir: Wenn der Wunsch so dringend ist, nun auch in Klasse 5 und 6 etwas zu verändern, dann kann man die Möglichkeit des Schulversuchs wählen, weil man im Schulversuch beiden Gruppen gerecht werden kann. Das heißt, alle 22.396 Eltern, die Frau Habermann erwähnt hat, haben die Möglichkeit, ihr Kind über den Schulversuch entweder in dem einen oder in dem anderen Zweig beschulen zu lassen.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Genau diese Möglichkeit gibt es. Zehn Schulen in Hessen haben sich schon für den Schulversuch entschieden. Ich biete jedem der 38 Gymnasien an, mit uns darüber zu diskutieren, ob sie diesen Prozess auch entsprechend gehen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wagner?

(Ministerin Nicola Beer: Wenn ich dann nachher noch fortfahren darf!)

Ja, ja, das machen wir schon.

Frau Ministerin, wie verhält sich die Aussage, die Sie eben gemacht haben, zu Ihrer schriftlichen Antwort auf unsere Kleine Anfrage, ob alle Schulen, die das wollen, in diesen Schulversuch können? In Ihrer Antwort haben Sie gesagt– ich zitiere Sie wörtlich –:

Es kann jedoch aufgrund der bestehenden Kapazitäten nicht garantiert werden, dass allen Elternwünschen entsprochen werden kann.

Es kann doch nur eines von beiden stimmen.

Frau Ministerin.

Herr Wagner, Sie haben etwas gemacht, was Sie gerne machen. Sie haben nämlich aus dem Zusammenhang gerissen. Die Sache ist die, wir haben von vornherein gesagt, die Schulen können sich für den Schulversuch bewerben. Es ist klar, dass wir nicht flächendeckend alle 107 Gymnasien

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

in den Schulversuch nehmen können. Aber bislang haben wir zehn, die das machen wollen. Wir haben 38, die G 9 machen wollen. Das heißt, wenn von den 38 noch eine Anzahl in den Schulversuch wechseln will, sind wir weit davon entfernt, einen flächendeckenden Schulversuch zu haben. Dementsprechend ist das jederzeit möglich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gerade auch die Schulen, von denen die Petitionen ausgegangen sind, haben die Möglichkeit. Wir beraten gern über unsere Staatlichen Schulämter, um ihnen aufzuzeigen, wie sie noch in den Schulversuch einsteigen und damit beides vor Ort anbieten können. Das wäre auch die faire Variante, wenn es nicht doch hintenherum darum geht, den G-8Schülerinnen und -Schülern ihren Anspruch zu nehmen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen weiteren Hinweis machen, weil hier immer so getan wird, als ob G 8 das Ende der Kindheit bedeutet. Meine Damen und Herren, ich verwahre mich gegen solche Aussagen, weil ich weiß, dass unsere Schulen G 8 sehr verantwortungsvoll umgesetzt haben, dass in unseren Schulen – Frau Habermann – Bildung und nicht nur Pauken geboten wird, dass hier Persönlichkeitsentwicklung stattfindet

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

und dass wir die Voraussetzungen für alle Schulen, aber gerade auch für die G-8-Schulen, noch weiter verbessern.

Wir führen sukzessive immer mehr Schulcurricula ein. Wir werden die Lern- und Übungszeitkonzepte der G-8-Gymnasien explizit unterstützen, nicht nur durch drei Regionaltagungen, sondern auch durch 50 dafür reservierte Lehrerstellen. Auf dem Weg zu 105 % ist für den flexiblen Einsatz von Lehrkräften und anderem pädagogischen Personal vor Ort noch mehr möglich, sodass niemand, weder Eltern noch Schülerinnen und Schüler, befürchten muss, dass sich die Hinführung zum Schulabschluss über G 8 oder G 9 in irgendeiner Weise negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.

Nur, dann muss man die Zeiten auch sinnvoll nutzen, meine Damen und Herren. Ich bin das Wehklagen, dass für nichts anderes mehr Zeit sei, ein bisschen leid, vor allem seit ich die neueste JIM-Studie gelesen habe. Ich weiß nicht, ob Sie die JIM-Studie kennen. Sie setzt sich schon seit Jahrzehnten – ich glaube, seit 15 Jahren – mit der Mediennutzung von Jugendlichen auseinander. Die letzte Studie vom Dezember 2012 hat gezeigt, dass Gymnasiasten zwischen zehn und 19 Jahren in Deutschland round about fünf Stunden pro Tag mit der Nutzung von Fernsehen, Computerkonsolen und Videospielen verbringen. Wenn neben dem Gymnasium hierfür im Durchschnitt fünf Stunden möglich sind, dann ist auch viel Zeit für andere qualitative Angebote übrig. Die wollen wir an unseren Schulen gern bieten. Deswegen sollten wir allen Gruppen von Schülerinnen und Schülern gerecht werden und nicht nur denen, die besonders laut sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt keine Wortmeldungen mehr. Damit ist der Antrag unter Tagesordnungspunkt 54 behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (G-8-Murks, Landesschulamt, Blockade beim Ganztagsschulausbau: Schwarz-Gelb hält an ei- ner Bildungspolitik gegen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Beschäftigte in Hessen fest) – Drucks. 18/6913 –

Das Wort hat Frau Kollegin Cárdenas.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es reicht. Frau Kultusministerin, Ihre Bildungspolitik ist nicht mit und für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen gemacht, Ihre Bildungspolitik ist vor allem eine Bevormundung aller Betroffenen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, ist grotesk. An der Stelle möchte ich den Deutschen Beamtenbund zitieren, der in seiner schriftlichen Stellungnahme zu G 8 im November letzten Jahres einleitend schrieb – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:

… dem dbb Hessen ist derzeit der Stellenwert von Stellungnahmen und mündlichen Anhörungen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen der Hessischen Landesregierung, der sie tragenden Landtagsfraktionen und der Ministerien nach dem Ergebnis der Landtagsanhörung zur Reform der Schulaufsicht nicht klar.

Treffender kann Ihre Bildungspolitik von außen stehender Seite meines Erachtens nicht beschrieben werden.

Über G 8 haben wir eben schon gesprochen, aber es ist nicht so, als würden mir die Beispiele ausgehen. In aller Eile wurde ein Gesetz zum Aufbau des Landesschulamtes durchgepeitscht. Auch hierzu gab es eine Anhörung, auch hierzu waren die Proteste groß. Den Sinn dieser Monsterbehörde können Sie uns auch nach Monaten noch nicht erläutern, Frau Ministerin.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Doch!)