Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Gericht untersagte es dem Dienstherrn deshalb, vor Durchführung eines neuen Auswahlverfahrens die Stelle mit dem ausgewählten Bewerber Langecker zu besetzen.

Im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport wurden die sich aus der Entscheidung des VGH vom 1. Dezember 2008 ergebenden Konsequenzen ausführlich untersucht und bewertet. Dabei kamen Fachebene und Hausspitze zu dem Ergebnis, dass die Schließung von Beurteilungslücken, wie sie der VGH ohne nähere Begründung für durchführbar hielt, mit unüberwindbaren rechtlichen und tatsächlichen Problemen verbunden sein würde.

Zudem hätte sich die Besetzung dieser wichtigen Führungsposition, die zu dem Zeitpunkt nur vertretungsweise durch einen unmittelbar vor dem Ruhestand stehenden Beamten übernommen wurde, weiter verzögert. Als alternative Möglichkeit wäre noch eine Umsetzung innerhalb der Führungsebene der hessischen Polizei in Betracht gekommen, die der Minister allerdings nicht weiterverfolgte, um die Stabilität in der hessischen Polizeiführung nicht durcheinanderzubringen.

Deshalb wurde ein neues Auswahlverfahren eingeleitet und durchgeführt, wie es der VGH gefordert hatte. Auf eine förmliche Ausschreibung wurde dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verzichtet, da unverändert nur die bisherigen drei Bewerber als geeignete Kandidaten in Betracht kamen. Auch in diesem zweiten Auswahlverfahren gelangte die Hausspitze zu dem Ergebnis, dass der Bewerber Langecker der am besten geeignete Kandidat für die vakante Stelle des Präsidenten des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums sei.

Staatssekretär Rhein führte während des Auswahlverfahrens auch persönliche Gespräche mit Vizepräsident Ritter. In einem solchen persönlichen Gespräch am 19. Mai 2009 sagte Herr Staatssekretär Rhein Herrn Ritter – so hat er es in seiner Zeugenvernehmung deutlich geschildert –: „Sie werden es nicht.“

(Günter Rudolph (SPD): Das wird bestritten!)

Da sich Vizepräsident Ritter damit einverstanden erklärte, dass für ihn statt der Behördenleiterposition bei der Bereitschaftspolizei eine andere, gleichwertige Ersatzstelle gefunden werde, konnte Staatssekretär Rhein davon ausgehen, dass Vizepräsident Ritter die Entscheidung, im zweiten Auswahlverfahren nicht ausgewählt worden zu sein, akzeptiert habe.

Staatssekretär Rhein teilte im Anschluss an dieses Gespräch im Mai 2009 dem Minister mit, dass Vizepräsident Ritter nicht mehr länger Bewerber um die Präsidentenstelle bei der Bereitschaftspolizei sei, sondern sich damit einverstanden erklärt habe, dass für ihn nach einer gleichwertigen Ersatzstelle gesucht werde. Damit war auch das neue, zweite Auswahlverfahren beendet, weil Hans Günter Langecker als einziger in Betracht kommender Bewerber – der dritte Bewerber Mai hatte erklärt, dass er an dem neuen Verfahren nicht mehr teilnehmen wolle – im Stellenbesetzungsverfahren verblieb.

Dass sich diese Verfahrensschritte im Nachhinein nicht als ausreichend schriftlich dokumentiert erwiesen, hat der Staatssekretär im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuss ausdrücklich als Nachlässigkeit eingeräumt. In dem nun folgenden Teil des Stellenbesetzungsverfahrens, in dem eine Auswahlentscheidung

nicht mehr getroffen war, gab Herr Staatsminister Bouffier am 2. Juli 2009 dem Landespolizeipräsidium den Auftrag, eine entsprechende Kabinettsvorlage zu fertigen, um eine Entscheidung des Kabinetts noch in der letzten Sitzung vor der Sommerpause herbeizuführen.

Das zuständige Referat im Landespolizeipräsidium erledigte diesen Auftrag noch am 2. Juli 2009. Am 6. Juli 2009 wurde das Kabinett in einem ordnungsgemäßen Verfahren mit der Vorlage befasst und stimmte der Vorlage zu. Das ordnungsgemäß durchgeführte Stellenbesetzungsverfahren fand schließlich damit seinen Abschluss, dass der Minister am folgenden Tag, dem 7. Juli 2009, die unter dem 6. Juli 2009 vom Hessischen Ministerpräsidenten gegengezeichnete Ernennungsurkunde an Hans Günter Langecker übergab.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Landesregierung das Parlament und die Öffentlichkeit über all das auch wahrheitsgemäß und ordnungsgemäß informiert hat. Die Aussagen der Zeugen Bouffier und Rhein im Rahmen ihrer Vernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss waren die schlüssige Ergänzung ihrer Sachverhaltsdarstellungen, wie sie bereits zuvor im öffentlichen Teil der Sitzung des Innenausschusses am 11. März 2010 zur Beantwortung der Fragen aus dem Schreiben der Fraktion der SPD vom 9. März 2010 geliefert und auf Befragen der Abgeordneten im Innenausschuss näher erläutert worden waren.

So weit zu dem Bericht zum zweiten Untersuchungsausschuss der 18. Legislaturperiode. Ich darf mich stellvertretend für diesen Ausschuss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier in der Verwaltung und bei der Ausschussgeschäftsführung, insbesondere stellvertretend nämlich Frau Heike Schnier, ganz herzlich bedanken, die die Arbeit des Untersuchungsausschusses hervorragend begleitet haben,

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt!)

umfassende Protokolle in schnellstmöglicher Zeit zur Verfügung gestellt haben – und das parallel zum laufenden Geschäftsbetrieb.

(Allgemeiner Beifall)

Ausdrücklichen Dank. Und ich möchte mich auch bei dem als wissenschaftlicher Mitarbeiter hier abgeordneten Dirk Liebermann ganz herzlich für seinen Einsatz und sein Engagement bedanken. Ihnen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Dr. Blechschmidt. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Faeser gemeldet. Zehn Minuten Redezeit pro Fraktion. Bitte schön, Frau Faeser, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Besetzung der Stelle des hessischen Bereitschaftspolizeipräsidenten war rechtswidrig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das ist keine Erkenntnis von SPD und GRÜNEN, sondern die Feststellung eines unabhängigen Sachverständigen, Prof. Dr. Pechstein, der einstimmig – also auch mit den Stimmen von CDU und FDP – ausgewählt wurde.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Die rechtliche Bewertung des Vorgehens des heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ist an Klarheit und Deutlichkeit nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich darf Ihnen aus dem Gutachten zitieren:

Die Auswahlentscheidung ist auch aus diesem Grunde materiell rechtswidrig.

Ich darf weiter zitieren:

Der fehlende Versuch einer Schließung der Beurteilungslücken verletzt geltendes Recht, da bei gleicher Beurteilung zunächst weitere leistungsbezogene Kriterien geprüft werden müssen.

Meine Damen und Herren, aus diesem rechtswidrigen Handeln folgt, dass der unterlegene Bewerber Ritter in seinen Rechten aus dem Grundgesetz verletzt ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Und das ist auch keine Erkenntnis von SPD und GRÜNEN, sondern ich zitiere Ihnen aus dem Gutachten:

Mit der Ernennung Langeckers am Tag nach der Kabinettsentscheidung wurde die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Wartefrist nach Auswahlentscheidung nicht eingehalten und damit der Rechtsanspruch des unterlegenen Bewerbers Ritter verletzt.

So das Zitat des unabhängigen Gutachters, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Damit steht fest, dass eindeutig Recht verletzt wurde. Da der Hessische Ministerpräsident im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, dass er das Verfahren geleitet hat, liegt die Verantwortung für die Rechtsverletzung auch ausdrücklich und persönlich bei ihm.

Die CDU behauptet, das sei doch alles nichts Neues. Meine Damen und Herren der CDU, für uns und die Öffentlichkeit war dies aber neu. Es war zu Beginn des Untersuchungsausschusses nicht klar, wie massiv und mit welchen Mitteln der Verantwortliche Bouffier die Rechte des Mitbewerbers Ritter verletzt hat. Es war auch nicht erkennbar, mit welchen Mitteln hier versucht worden ist, dies gegenüber dem Landtag und der Öffentlichkeit zu vertuschen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das glauben Sie selber nicht!)

Wir wissen jetzt, dass der heutige Ministerpräsident Bouffier seinen CDU-Kollegen, Herrn Langecker, bereits 2007 zum Präsidenten der Bereitschaftspolizei ernennen wollte, das sogenannte nullte Verfahren. Aber dieser Besetzungsversuch scheiterte schon damals, weil der Vizepräsident der hessischen Bereitschaftspolizei, das ist nämlich der unterlegene Bewerber Ritter, ebenfalls sein Interesse anmeldete. Deshalb wurde von der Ernennung damals abgese

hen. Das war vor dem Untersuchungsausschuss alles nicht bekannt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch versuchter Rechtsbruch!)

Das Landespolizeipräsidium sah sich dann gezwungen, im Dezember 2007 ein – ich betone – ordentliches Ausschreibungsverfahren einzuleiten. Es gab drei Bewerber. Bei diesem Verfahren, das seltsamerweise als erstes Verfahren bezeichnet wird, erfolgte auch eine umfangreiche Dokumentation. Wir hatten mehrere DIN-A4-Ordner vorliegen. Allerdings war auch dieses rechtsfehlerhaft und führte dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Innenministerium die Ernennung des vom Ministerpräsidenten protegierten Bewerbers Langecker untersagte.

(Holger Bellino (CDU): Was heißt hier „protegiert“? – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Die Personalauswahl des Ministeriums wurde aufgehoben, weil das Gericht schwerwiegende Auswahlfehler monierte. Es stellte fest, dass der unterlegene Bewerber Ritter sogar eine um Nuancen bessere Beurteilung als Langecker hatte – so viel zur Qualität der Bewerber, die immer gern hier von der Koalition vorgeschoben wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Aber was ist als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss dann passiert? – Die Fachabteilung hat in einem Vermerk vom 28.01.2009 dem heutigen Ministerpräsidenten dringend empfohlen, die Stelle neu auszuschreiben. Und was macht der Verantwortliche Bouffier?

(Holger Bellino (CDU): Der Innenminister!)

Er setzt sich darüber hinweg. Der heutige Ministerpräsident zog das gesamte Verfahren an sich, schloss die Fachabteilung von allen nachfolgenden Verfahrensschritten aus. Warum hat der heutige Ministerpräsident und für das Personal zuständige Fachminister eigentlich einen solchen Weg beschritten? – Es wird noch seltsamer. Das vormals transparent geführte und vorbildlich dokumentierte Stellenbesetzungsverfahren wurde plötzlich zu einem Closed Shop – anders ausgedrückt: zu einer geheimen Kommandosache des Ministers und seines Staatssekretärs.

Außer Bouffier und Rhein und Frau Gätcke, der Leiterin des Ministerbüros, wusste keiner, was tatsächlich passierte. Und nichts, aber auch gar nichts wurde in den folgenden fünf Monaten in den Akten des Ministeriums dokumentiert – nichts.

(Günter Rudolph (SPD): Papierlose Verwaltung!)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Dokumentationsmängel. Es gibt zwischen Februar und Anfang Juli 2009 gar keine Dokumente – also ein Dokumentationsausfall.