Nancy Faeser

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! – Ich fände es schön, wenn der Innenminister zuhören würde.
Wir beraten heute in zweiter Lesung über einen Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD zur Schaffung eines Landesbeauftragten für die Polizei. Er soll zwei große Aufgabenbereiche wahrnehmen: einerseits als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger – um im Interesse der Polizei Vertrauen zu schaffen – und andererseits als unabhängiger Ansprechpartner für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zur Verfügung zu stehen.
Wir halten die Schaffung dieses Amtes für notwendig, weil über die Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde und den klassischen Rechtsweg hinaus in Hessen leider keine Möglichkeiten bestehen, sich über polizeiliches Fehlverhalten im Einzelfall zu beschweren. Deshalb wollen wir eine Stelle schaffen, die das Anliegen der Bürgerinnen und Bürger prüfen kann und einen entstandenen Konflikt zur Wahrung des Rechtsfriedens bereinigen kann.
In anderen Bundesländern ist man hier mit erfolgreichen Modellen schon sehr viel weiter. Wir hatten auch in Hessen in den letzten Wochen und Monaten schwierige Situationen und Diskussionen über vermeintliche Vorfälle von Polizeigewalt. Ich erinnere an den Fall Wevelsiep in Frankfurt, an den Iraner in Mainz-Kastel oder, erst kürzlich, an den Blockupy-Einsatz am 1. Juni in Frankfurt, über den wir viel diskutieren mussten. Es sind immerhin über 100 Klagen anhängig. Ich glaube, dass man die eine oder andere Klage hätte vermeiden können, wenn es eine Ausgleichsstelle bei der Polizei gegeben hätte.
Es würde uns allen gut anstehen, wenn wir viel mehr unternehmen würden, um zu verhindern, dass in Hessen ein Klima entsteht, in dem die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die Polizei verlieren könnten. Deshalb wäre es von großem Vorteil, wenn wir eine unabhängige Beschwerdestelle hätten. Ein solches niedrigschwelliges Verfahren würde dem Ansehen der Polizei dienen.
Frau Lannert, die hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten üben ihren Dienst sehr gewissenhaft und in Überein
stimmung mit Recht und Gesetz aus. Die SPD steht daher hinter ihnen. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind aber auch Menschen, und auch ihnen passieren manchmal Fehler. Es darf aber nicht sein – daran sollten Sie mitarbeiten –, dass sich das Fehlverhalten einiger weniger auf die anderen auswirkt. Deshalb dient eine solche Stelle dem Schutz der Polizei.
Wir wollen damit dem Rechtsfrieden dienen. Sie sollten sich einmal anschauen, wie die gesellschaftliche Entwicklung an dieser Stelle verläuft. Es gibt in vielen Bereichen der freien Wirtschaft Beschwerdestellen. Inzwischen gibt es eine Stelle bei der Landesärztekammer, wo man sich beschweren kann, wenn man im Verhältnis zu einem Arzt ein Problem hat. Überall gibt es solche Stellen, nur bei der hessischen Polizei nicht. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und ihnen eine Antwort darauf geben.
Vor allen Dingen soll das Instrumentarium der Mediation genutzt werden. Wir wollen einen unabhängigen Beauftragten, der beim Landtag angesiedelt wird – analog dem Datenschutzbeauftragten. Wir wollen aber auch, dass der Landespolizeibeauftragte eine zweite Funktion erfüllt. Wir wollen, dass er Ansprechpartner für die Polizeibeamtinnen und -beamten ist; denn leider ist es so, dass sich Beamtinnen und Beamte oftmals nicht trauen, ihre Anliegen innerhalb der Polizeihierarchie vorzutragen. Deshalb wäre es auch hier gut, einen unabhängigen Ansprechpartner zu haben. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Auch wir finden, dass Henning Möller als Ansprechpartner eine gute Arbeit macht, aber wir wissen auch, dass seine Anbindung an das Innenministerium nicht ideal ist. Deswegen wollen wir ihn unabhängig stellen, damit sich alle trauen, ihn anzusprechen.
Herr Kollege Bauer, weil Sie eben zugerufen haben: Wir haben es leider mit einer sehr schwierigen Führungskultur innerhalb der hessischen Polizei zu tun. Deshalb müssen wir Antworten geben, wenn Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Sorgen haben, ihre Anliegen innerhalb des Systems vorzutragen. Dann ist da nämlich ein Problem, und darauf brauchen wir eine Antwort: einen unabhängigen Beauftragten.
Die einzelne Beamtin bzw. der einzelne Beamte soll sich unabhängig vom Dienstweg und vom Dienstrang an diese neutrale Stelle wenden können.
Die Anhörung im Hessischen Landtag hat unseren Gesetzentwurf im Übrigen bestätigt, Herr Bellino. In SachsenAnhalt gibt es bereits eine Beschwerdestelle. Die Vertreterin des dortigen Innenministeriums hat in der Anhörung äußerst positive Erfahrungen beschrieben. Ich darf sie zitieren:
Die Erfahrungen in Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass der offene Dialog über tatsächliche oder vermeintliche Schwachstellen und Defizite positive
Auswirkungen hat. Kritik wird als Gesprächsangebot aufgefasst, um Schwachstellen zu erkennen und Polizeiarbeit täglich neu zu verbessern. Die Beschwerdestelle wird damit Teil eines modernen Polizeimanagements, das auch dazu beitragen soll, Vorurteilen und Akzeptanzverlusten entgegenzuwirken.
Bei der Einführung der Beschwerdestelle in Sachsen-Anhalt gab es übrigens ähnlich kontroverse Diskussionen wie in diesem Hause. Auch bei der dortigen Polizei war das sehr umstritten. Nach vier Jahren ist man in Sachsen-Anhalt mit diesem Institut aber sehr einverstanden und empfindet es als sehr positiv. Ich frage Sie daher: Warum sollten wir nicht auch in Hessen eine solche Beschwerdestelle einführen?
Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen, Rechtsanwalt Dr. Alexander Herbert, Transparency International und Amnesty International haben den vorliegenden Gesetzentwurf in der Anhörung ausdrücklich begrüßt.
Ich will Ihnen unseren Änderungsantrag noch einmal vorstellen. Wir haben alle Anmerkungen zu einzelnen Formulierungen, die in der Anhörung gemacht wurden, sowie redaktionelle Anmerkungen zur Klarstellung aufgenommen. Wir wollen Ihnen den Weg erleichtern, heute zuzustimmen. Deshalb haben wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD einen Änderungsantrag vorgelegt.
Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wer diese vertrauensbildenden Maßnahmen – versehen mit gegenseitigem Respekt bei den Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei – unterstützen möchte, der sollte diese Landesregierung am 22. September besser abwählen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für uns steht fest, dass der Innenminister Boris Rhein die
politische Verantwortung für die Ereignisse am 1. Juni rund um die Blockupy-Demonstration trägt.
Aus diesem Grund beantragen wir heute, dass der Ministerpräsident endlich Verantwortung in dieser Angelegenheit übernimmt und den Innenminister entlässt.
Hier geht es um eine sehr grundsätzliche Frage, nämlich nach der politischen Verantwortung. Herr Schaus, die anderen Sachverhalte werden nämlich gerade von Gerichten geklärt. Aus diesem Grund werden wir auch der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Wir werden dem Untersuchungsausschuss auch deshalb nicht zustimmen, weil der Einsetzungsantrag verfassungswidrig ist. Herr Schaus, auch Punkt 6 halte ich für fragwürdig, weil darin die kommunale Selbstverwaltung überprüft wird.
Ein Untersuchungsausschuss – Herr Schaus, das sollten Sie eigentlich wissen – bringt zurzeit überhaupt nichts. Das hat heute Morgen auch die Debatte über den EBS-Untersuchungsausschuss sehr eindrucksvoll gezeigt. Er wurde letztes Jahr im Dezember eingesetzt. Im August werden die ersten Zeugen gehört.
Was soll denn da bis zum Ende der Legislaturperiode passieren? Sie wissen doch, wie hier Zeit geschunden wird, Unterlagen nicht herausgegeben werden, dass man Oppositionsrechte per Gerichtsbeschluss erst einklagen muss. Was soll dann dieser Antrag? Das ist reiner Populismus. Herr Schaus, Sie schüren damit Hoffnung auf Aufklärung, die nicht gegeben ist, obwohl Sie sehr wohl wissen, dass es nicht so funktioniert. Herr Schaus, Sie spielen mit der Enttäuschung der Menschen draußen.
Deshalb halten wir es für sinnvoller, die Betroffenen, und zwar beide Seiten, an einen Tisch zu holen. Wir wollen die friedlichen Demonstranten, die zu Unrecht beeinträchtigt wurden, mit der Polizei an einen Tisch bekommen. Dann kann es zu einem wahren Ausgleich zwischen den Betroffenen kommen.
Ein Untersuchungsausschuss kann das nicht leisten. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die von der Fraktion DIE LINKE und den Regierungsfraktionen aufgebaute Konfrontationsstellung würde sich nur zusätzlich verfestigen. Genau das wollen wir bei dieser Angelegenheit nicht.
Ich habe es gesagt: Für uns steht die Bewertung hinsichtlich der Verantwortung fest. Der Innenminister hat gestern selbst gesagt, dass er die Verantwortung trägt. Wir hatten zwei Sitzungen des Innenausschusses, in denen die Vorgänge analysiert wurden. Es gab jede Menge Augenzeugenberichte. Es gab eine umfangreiche Bewertung durch Journalisten, die vor Ort waren.
Es geht um nichts Geringeres als den Schutz des Grundrechts der Versammlungsfreiheit für sehr viele Menschen
in Hessen. Es geht um die Gewährung des Demonstrationsrechts für fast 10.000 friedlich demonstrierende Menschen.
Fest steht, dass die friedlichen Demonstranten neun Stunden lang nicht demonstrieren konnten. Das allein rechtfertigt weitreichende Konsequenzen politischen Handelns.
Ich betone im Nachgang zur gestern geführten Debatte, dass wir Sozialdemokraten jegliche Art der Gewalt ablehnen. Unserer Ansicht nach ist auch völlig klar, dass verbotene Gegenstände bei einer friedlichen Demonstration überhaupt nichts zu suchen haben.
Hier geht es nämlich auch um ein umfassendes Bekenntnis zur Gewaltfreiheit.
Herr Bauer, Ihr Kollege Blechschmidt hat geklatscht. Vielleicht sollten Sie sich überlegen, ob Sie an der Stelle hätten klatschen können.
Es geht uns aber auch darum, die Polizei zu schützen. Die Verantwortung darf nicht auf einzelne Beamte abgewälzt werden. Aber genau das hat Boris Rhein während seiner ersten Pressekonferenz und in der Sitzung des Innenausschusses gemacht. Er hat die Verantwortung beim Einsatzleiter abgeladen. Das ist schäbig.
Hier geht es um die Verantwortung insgesamt. Die trägt der Innenminister.
Der Innenminister ist in vielfältiger Art und Weise seiner Dienst- und Fachaufsicht nicht nachgekommen. Der Innenminister war im Vorfeld über die Einsatzplanung informiert und ließ sich über Kurznachrichten über die Abläufe am 1. Juni 2013 informieren. Nachdem der friedliche Demonstrationszug über Stunden stillstand, hätte der Innenminister angesichts der Beeinträchtigung der Grundrechte handeln müssen. Aber er duckt sich weg.
Der heutige Ministerpräsident Volker Bouffier hat angesichts eines mangelhaften Polizeieinsatzes in Fulda hier im Hessischen Landtag die Frage der politischen Verantwortung offensichtlich noch anders als der jetzige Innenminister beurteilt. Ich darf Herrn Bouffier zitieren:
Uns geht es nicht darum, einzelne Polizeibeamte zur Verantwortung zu ziehen. Das ist Sache der Dienstaufsicht. Uns geht es darum, Konsequenzen insgesamt zu ziehen.
Ich zitiere weiterhin:
Es stellen sich … grundsätzliche Fragen … der Leitung im Ministerium.
Diese Maßstäbe müssen auch hier gelten.
Es wird noch interessanter. Zur Verantwortung des damaligen Ministerpräsidenten hat Volker Bouffier Folgendes ausgeführt – ich zitiere –:
Der Ministerpräsident schweigt, obwohl die Vorgänge in der ganzen Welt … kommentiert werden.
Hat sich Ministerpräsident Bouffier eigentlich je zu Blockupy in Frankfurt geäußert?
Ich komme gleich zum Schluss meiner Rede. – Ich kann mich nicht erinnern, obwohl das Ansehen Hessens so sehr gelitten hat. Deswegen wollen wir, dass sich der Innenminister heute äußert.
Boris Rhein hat durch seine misslungene Fehlerkultur der hessischen Polizei großen Schaden zugefügt. Weil er am Anfang alles geleugnet hat, hat das zu einer zusätzlichen Demonstration geführt. Er hat zugelassen, dass wochenlang über das Verhalten der Polizei diskutiert wurde.
Das alles hätte verhindert werden können, wenn sich der Innenminister anders verhalten hätte. Zum Abschluss möchte ich noch einmal Volker Bouffier aus dem Jahr 1993 zitieren:
Sie, Herr Innenminister, tragen dafür die unmittelbare Verantwortung.
Ich will hinzufügen, dass der damalige Innenminister zur Zeit der Vorfälle in Fulda in Urlaub war. Boris Rhein war am 1. Juni 2013 zu Hause in Frankfurt.
Herr Ministerpräsident, wir gehen davon aus, dass Ihre Maßstäbe von damals immer noch gelten.
Wenn wir diesen Maßstab anlegen, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Entlassen Sie diesen Innenminister.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bellino, ich danke dafür, dass wir heute dieses wichtige Thema Verfassungsschutz noch beraten dürfen.
Meine Damen und Herren, die Aufarbeitung der rechtsterroristischen Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds und die Diskussionen rund um den Verfassungsschutz haben gezeigt, dass es für eine funktionierende wehrhafte Demokratie – –
Die furchtbaren Vorfälle um die rechtsterroristische Mordserie des NSU haben gezeigt, dass es für eine funktionierende wehrhafte Demokratie eines umfassend kontrollierten, modernen und transparenten Verfassungsschutzes bedarf. Allerdings ist sehr viel Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz und in die übrigen Sicherheitsbehörden verloren gegangen. Deswegen müssen auch wir als Gesetzgeber diese breite Verunsicherung aufgreifen und den Verfassungsschutz neu ausrichten. Wir brauchen mehr Transparenz, Kontrolle und verbindliche gesetzliche Regelungen für den Einsatz von sogenannten Vertrauensleuten und umfangreiche Informationspflichten.
Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der diesen Vorgaben entspricht. In diesem Gesetzentwurf haben wir vor allem – das ist erstmals geschehen – den Einsatz der nachrichtendienstlichen Mittel im gewaltorientierten Extremismus als Schwerpunkt geregelt. Denn vom gewaltorientierten Extremismus gehen die größten Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus. Aus diesem Grund muss der Verfassungsschutz auch hierauf den größten Teil seiner Ressourcen verwenden.
Dabei wird der hessische Verfassungsschutz zu einem intensiven Informationsaustausch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz verpflichtet. Der Verfassungsschutz sollte aber auch seine Rolle als gesellschaftliches Frühwarnsystem durch Präventionsmaßnahmen wahrnehmen.
Aufklärung und Prävention haben die Funktion, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Gefahren, die von Extremisten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehen, zu stärken. Deswegen muss das auch ein Teil der Arbeit des Verfassungsschutzes sein.
Die Befugnisse des Verfassungsschutzes werden in unserem Gesetzentwurf den Anforderungen höchstrichterlicher Rechtsprechung angepasst und mit einem umfassenden Kernbereichsschutz versehen. Ist der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen, sind die Datenerhebungen in jedem Fall unzulässig.
Wir rechnen eigentlich mit einer breiten Zustimmung. Herr Staatssekretär Koch, Sie werden es vielleicht nachher sagen, die IMK, auf der sich der Minister heute befindet, beschäftigt sich mit der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. Das tun sie schon seit Dezember, es braucht also
auch nicht abgewartet zu werden, wie der Bundestags-Untersuchungsausschuss entscheidet.
In unserem Gesetzentwurf regeln wir sehr umfangreiche Informationspflichten, nämlich in § 4 des Gesetzentwurfs.
In der Nachbetrachtung der furchtbaren Morde des NSU fiel vor allen Dingen auf, dass sich die Behörden gegenseitig über ihre Maßnahmen leider nicht informiert hatten. Wir brauchen dringend eine Informationspflicht des Landesamts für Verfassungsschutz an das Bundesamt für Verfassungsschutz, und zwar nicht nur generell über Aktivitäten, sondern auch über die Frage, wo und für welche Themenbereiche V-Leute eingesetzt werden. Wir brauchen aber auch eine gegenseitige Informationspflicht der hessischen Sicherheitsbehörden. Die Bildung eines rechtsextremen Netzwerkes aus der JVA Hünfeld heraus hat gezeigt, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass die Justizvollzugsanstalten wissen, wen sie da aufnehmen, welchen rechtsextremistischen Hintergrund der gegebenenfalls hat.
Herr Justizminister, die Idee, demnächst die Tattoos der Gefangenen zu fotografieren, geht völlig an der Sache vorbei. Bereits jetzt gibt § 479 Strafprozessordnung die Möglichkeit des Informationsaustauschs. Offenbar wird davon aber nicht genügend Gebrauch gemacht, weshalb wir in diesem Gesetzentwurf umfassende Informationspflichten zwischen den hessischen Behörden regeln. Ich glaube, dass das nach den gemachten Erfahrungen dringlich geboten ist.
Im Zuge der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Verfassungsschutzgesetzes haben wir nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung umgesetzt, sondern auch bei der Bestandsdatenauskunftsregelung einen Richtervorbehalt formuliert. Das hat übrigens auch die SPD im Deutschen Bundestag am Gesetzentwurf der Bundesregierung geändert und zusätzliche Benachrichtigungspflichten durchgesetzt. Meine Damen und Herren, wir wollen in Hessen doch nicht hinter der Bundesregelung zurückbleiben, sondern eher vorne sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt unseres Gesetzentwurfs ist, dass wir erstmals gesetzliche Regelungen für den Einsatz von V-Leuten formulieren. Der Einsatz darf künftig nicht mehr vom Landesamt für Verfassungsschutz alleine entschieden werden, sondern bedarf der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, also die Fachabteilung des Innenministeriums. Auch das dient zusätzlicher Transparenz und Kontrolle. Gleichzeitig haben wir auch die Kriterien für die Auswahl von V-Personen definiert. Künftig sollen Menschen mit bestimmten Vorstrafen in Hessen überhaupt nicht mehr als V-Leute eingesetzt werden.
Ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wichtig für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Verfassungsschutz ist eine Öffnung. Deswegen wollen wir
auch, dass der Innenausschuss regelmäßig über die Arbeit des Verfassungsschutzes informiert wird. Wir fordern Transparenz und eine verbesserte Ausbildung der Verfassungsschutzmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.
Meine Damen und Herren, das sind die wichtigen Punkte, um einen modernen, transparenten Verfassungsschutz in Hessen umzusetzen. Bitte unterstützen Sie unser Gesetzesvorhaben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich bin der Meinung, es gebietet sich am Anfang einer Rede über dieses furchtbare Thema, nämlich das Attentat in Boston, der Menschen zu gedenken. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten zunächst einmal den Opfern des furchtbaren Anschlags und deren Angehörigen.
Das ist in der Tat richtig. Ich will das aufgreifen, was Herr Kollege Frömmrich gesagt hat. Ein solch furchtbares Ereignis, ein solches Bombenattentat, bei dem drei Menschen starben und über 180 Menschen zum Teil schwerst verletzt wurden, ist für eine Aktuelle Stunde sicherlich kein gutes Thema.
Herr Kollege Blechschmidt hat das sehr besonnen gemacht. Das will ich ausdrücklich loben. Aber ich glaube nicht, dass das der richtige Anlass ist. Ich glaube, wenn man die Reflexe nach diesem furchtbaren Bombenanschlag sieht, auf die ich gleich noch eingehen werde, lohnt es sich in der Tat, vertieft darüber zu diskutieren und die Frage zu stellen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wir sollten uns die Freiheit wegen solch furchtbarer Ereignisse nicht einschränken lassen und gleich reflexhaft nach neuen Sicherheitsvorkehrungen rufen. Das sollten wir in der Tat nicht tun. Aber ich glaube nicht, dass die Aktuelle Stunde dafür geeignet ist. Herr Kollege Blechschmidt, sie ist dafür einfach zu kurz.
Ich bin etwas verwundert, dass die FDP in Hessen dieses Thema anspricht. Aus meiner Sicht kann das nur so sein: Die restlichen Mitglieder des Hauses sehen es so wie Sie, die Abgeordneten der FDP, dass man besonnen reagieren sollte. Insofern verstehen wir das als ein Stück weit Warnung in Richtung des Koalitionspartners CDU. Denn es waren in den letzten Wochen nur die Mitglieder der CDU und der CSU, die sich bei dieser Debatte sehr unsäglich verhalten haben.
Herr Bauer, ich will das einmal sagen: Es waren Bundesminister Friedrich, CSU, und der Vorsitzende des Innenausschusses, Bosbach, CDU, die in der Tat versucht haben, dieses schreckliche Ereignis politisch zu nutzen und Ängs
te zu schüren. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat in der letzten Woche vor einer Verharmlosung der terroristischen Gefahr gewarnt. Ich zitiere:
Unsere freie westliche Welt ist in Gefahr, da hilft es nicht, zu verharmlosen …
Herr Bellino, das hat meines Erachtens niemand getan. Er forderte mehr Videoüberwachung in Deutschland. Das ist genau die falsche Reaktion auf ein solch schlimmes Ereignis.
Das Verhalten des Bundesinnenministers ist in der Sache nicht hilfreich. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Es verunsichert die Menschen dieses Landes. Meines Erachtens ignoriert es auch, dass die Videoüberwachung heute schon an gefährlichen Plätzen möglich ist. Gerade bei solchen großen sportlichen Ereignissen wie einem Marathon ist es in Deutschland möglich, dass am Start und am Ziel per Video überwacht wird. Das wird auch gemacht. Wie Herr Kollege Frömmrich schon gesagt hat, hilft es leider nicht, ein solch furchtbares Ereignis zu verhindern. Aber es hilft bei der Aufklärung. So war es auch in Boston.
Aber es gibt überhaupt keine Veranlassung, mehr Videoüberwachung zu fordern. Denn es gibt sie bereits. Sie wird auch gut eingesetzt. Ich glaube, da gibt es nichts zu kritisieren.
Ich bin schon überrascht, wie die Debatte in der letzten Woche geführt wurde. Denn es sind dem Bundesinnenminister, Gott sei Dank, eine Reihe an Menschen aus der Gesellschaft entgegengetreten, was ich sehr gut fand. Unter anderem hat Ihre Bundesjustizministerin von der FDP mehr Besonnenheit eingefordert.
Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Voßkuhle, hat mehr Besonnenheit in der Debatte gefordert. Er hat noch hinzugefügt, dass man seiner Ansicht nach in Deutschland die Herausforderungen, die es nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 gegeben hat, insgesamt sehr überzeugend bewältigt habe. Die Aufarbeitung in diesem Land sei weniger hysterisch als in manch anderen Ländern erfolgt. Auch seien die Bürger bis heute erstaunlich gelassen geblieben.
Das hat Herr Voßkuhle ausdrücklich betont. Ich glaube, das ist in unserer Gesellschaft ein hoher Wert. Da sollte nichts durch eine seltsame Diskussion verschoben werden.
Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat gewarnt. Er hat gesagt:
„Ich warne vor solchen reflexhaften Forderungen.“ Es komme auf die Verhältnismäßigkeit der Sicherheitsmaßnahmen an. Außerdem dürfe der Wert von Videoaufzeichnungen auch nicht überschätzt werden.
Ich finde es schon erstaunlich, dass Bundesinnenminister Friedrich auf all diese besonnenen Reaktionen im Hinblick auf den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Voßkuhle, mit der Bemerkung reagiert – ich zitiere –:
Wenn Verfassungsrichter Politik machen wollen, mögen sie bitte für den Deutschen Bundestag kandidieren.
Das ist nicht nur eine Ausnutzung der furchtbaren Situation gewesen. Er hat diejenigen, die in der Debatte besonnen reagiert haben, auf diese Art übel kritisiert. Da hat der Bundesinnenminister seinen Job verfehlt.
Die Mitglieder der SPD wollen keine totale Kontrolle der öffentlichen Räume. Es kann sinnvoll sein, Videoaufnahmen an kritischen und potenziell gefährlichen Orten zuzulassen, bei denen die Gefahr von Anschlägen besteht. Das deckt sich unserer Auffassung nach mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – das ist auch die Auffassung der FDP –, das die Videoüberwachung an gefährlichen Orten zulässt.
Dem entspricht auch, dass die Ordnungsbehörden in Hessen befugt sind, Kriminalitäts- und Gefahrenschwerpunkte im öffentlichen Raum per Videotechnik zu überwachen. Das wird gut gemacht.
Ich war vor Kurzem in Limburg in einer Polizeistation. Da waren die Bilder, z. B. vom Bahnhofsvorplatz oder von einer Unterführung im öffentlichen Raum, sofort aufgeschaltet.
Herr Präsident, das mache ich. – Das ist sicherlich eine sinnvolle Sache. Es gibt keinen Grund, ein solch furchtbares Ereignis so auszunutzen, wie es gemacht wurde.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich einen Hinweis an die Mitglieder der FDP geben. Ich hätte mir gewünscht, dass das liberale Gedankengut, das heute hier angesprochen wurde, auch in den letzten Jahren vorhanden gewesen wäre. Wo war es denn während der Debatte über die Stärkung der Kontrollrechte des Verfassungsschutzes? Wo war es denn, als es um Regelungen im HSOG ging? Wo war es denn, als es um die Absenkung der Quoren beim Volksentscheid und beim Bürgerbegehren ging?
Hessen braucht mehr liberales Gedankengut. Das gilt gerade für die Sicherheitspolitik. Das geht aber nur mit RotGrün und nicht mit Schwarz-Gelb.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen heute einen Gesetzentwurf vor, der die Schaffung eines Landespolizeibeauftragten vorsieht. Der Gesetzentwurf hat das Ziel, für die hessische Polizei ein umfassendes Beschwerdemanagement, sowohl nach innen als auch nach außen Ansprechpartner für die Polizei zu schaffen.
So wollen wir dem Umstand Rechnung tragen, dass über die Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde und des klassischen Rechtswegs hinaus in Hessen für die Bürgerinnen und Bürger keine Möglichkeiten existieren, sich an eine unabhängige Stelle zu wenden, um polizeiliches Fehlverhalten zu problematisieren. Wir wollen dies ändern und mit dem Landespolizeibeauftragten eine Stelle schaffen, die die Anliegen der Bürger prüft und die entstandenen Konflikte zur Wahrung des Rechtsfriedens erledigen kann.
Nicht nur in Hessen, sondern in der gesamten Bundesrepublik gab es Diskussionen über Fälle vermeintlicher Anwendung von Polizeigewalt gegenüber Bürgern. Diese Fälle wurden öffentlich diskutiert. Das war für die Polizei nicht sehr erfreulich. Ich erinnere daran, dass der Fall Wevelsiep in Frankfurt und der Fall des Iraners Syrus Kar in MainzKastel wochenlang zu Spekulationen geführt haben.
Beide Fälle und auch die Berichterstattung darüber haben in großen Teilen der Bevölkerung zu Verunsicherung geführt, die darin gipfelte, dass in der „Frankfurter Rundschau“ vom 1. Februar 2013 von einem „Klima der Angst und des Misstrauens gegenüber der Polizei“ gesprochen wurde. Solchen Entwicklungen in der Öffentlichkeit sollten wir entschieden entgegentreten.
Die hessischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten üben ihren Dienst nämlich gewissenhaft und in Übereinstimmung mit Recht und Gesetz aus.
Die Polizei ist bei ihren Tätigkeiten auch auf das Vertrauen und die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Herr Beuth, wir freuen uns, dass Sie uns an der Stelle unterstützen. Auch Polizeibeamte sind aber nur Menschen, und natürlich passieren auch ihnen Fehler. Es darf aber nicht sein, dass das Fehlverhalten einiger weniger das Ansehen der Polizeibeamten insgesamt beeinträchtigt.
In jedem Unternehmen, Herr Beuth, gibt es ein umfassendes Beschwerdemanagement. Bislang gibt es ein umfassendes Beschwerdemanagement bei der Polizei leider nur in den Bundesländern Berlin und Sachsen-Anhalt. Wir hätten hier und heute die Gelegenheit, eine unabhängige Stelle zu schaffen, an die sich die Bürgerinnen und Bürger wenden können. Das wäre einmalig in der Bundesrepublik.
Eine solche unabhängige Instanz würde auch dem Erhalt des Rechtsfriedens dienen. In manchen Fällen handelt es sich nämlich um Missverständnisse, die im Vorfeld gemeinschaftlich ausgeräumt werden können. Solche Ausgleichsmechanismen gibt es in der Justiz schon längst. Ich habe auch schon erwähnt, dass es in jedem Unternehmen ein Beschwerdemanagement gibt – nur nicht bei der hessischen Polizei. Deswegen weiß ich nicht, warum Sie sich gegen den Gesetzentwurf sperren.
Sie sehen, es geht bei alledem um das Verhältnis zwischen Bürger und Polizei.
Die Definition des Begriffs Beschwerde ist in unserem Gesetzentwurf weit zu fassen. Als Beschwerde gilt grundsätzlich eine artikulierte Unzufriedenheit, die darauf gerichtet ist, die Ursache der dargelegten Situation zu ergründen und so weit wie möglich abzustellen. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden und dass sie schnell eine Antwort erhalten, wenn sie unzufrieden sind. Auch soll das Instrumentarium der Mediation zu einem guten Ausgleich zwischen Bürgern und Polizei in Konfliktfällen dienen. All dies vermögen die klassischen Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde, des zivilrechtlichen Klageverfahrens oder des Strafrechts nach den zurückliegenden Erfahrungen leider nicht. Deswegen brauchen wir eine solche unabhängige Stelle.
Der Landesbeauftragte für die Polizei soll direkt beim Landtag angesiedelt werden, analog dem Datenschutzbeauftragten. Damit sollen seine Unabhängigkeit und Neutralität gewährleistet werden. Der Landespolizeibeauftragte soll aber auch – ich hoffe, das nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Beuth – eine unabhängige Anlaufstelle für die Polizeibeamtinnen und -beamten darstellen. Oftmals trauen sich nämlich die Beamtinnen und Beamten in Hessen innerhalb der Polizeihierarchie nicht, ihre Anliegen vorzutragen. Deswegen wäre es gut, wenn sie sich an einen unabhängigen Beauftragten wenden könnten. Das hat der Innenminister vor ein paar Jahren erkannt und die Stelle eines Landesbeauftragten der hessischen Polizei geschaffen. Landesbeauftragter für die hessische Polizei ist Herr Möller. Wir streiten nicht über Herrn Möller. Er macht gute Arbeit. Wir streiten nur darüber, dass diese Stelle unabhängig angebunden sein sollte – nämlich beim Landtag, nicht beim Innenministerium.
Für einige Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ist die Anbindung beim Ministerium eine Hürde. Deswegen wollen wir für die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten streiten. Wir haben es nach wie vor mit einer sehr schwierigen Führungskultur innerhalb der Polizei zu tun. Schließlich haben sich die Führungspersonen und der Führungsstil in der Polizei in den letzten zwei Jahren nicht verändert.
Außerdem ist zu bedenken, dass das System, wenn es Hinweise auf ein Fehlverhalten eines Polizeibeamten gibt, nun einmal so ist, dass der Dienstvorgesetzte gar nicht anders handeln kann, als ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder möglicherweise sogar ein Strafverfahren in Gang zu setzen. Auch deshalb wäre es gut, wenn man die Konflikte vorweg lösen könnte und es möglicherweise einen anderen
Weg gäbe, der nicht ganz so lange dauert, wie es bislang der Fall ist.
Die einzelne Beamtin bzw. der einzelne Beamte können sich also unabhängig von Dienstweg und Dienstrang an diese neutrale Stelle wenden. Dabei soll der Landesbeauftragte für die Polizei im Wesentlichen folgende Befugnisse haben. Er soll Auskunft von allen Polizeidienststellen oder dem Innenministerium verlangen können. Er gibt den Dienststellen Gelegenheit zur Stellungnahme. Er kann den jeweiligen Vorgang an die für die Einleitung eines Disziplinar- oder Strafverfahrens zuständige Stelle weiterleiten. Er soll ein Recht zu unangemeldeten Besuchen auf den Dienststellen erhalten, und er kann Berichte des Innenministeriums zu einzelnen Vorgängen anfordern. Er soll auch an den Sitzungen des Innenausschusses und des Landtags teilnehmen und jährlich einen Bericht erteilen, damit wir auch politisch darauf reagieren können, wenn irgendwo Fehlentwicklungen zu beobachten sind.
Der neu zu schaffende Landespolizeibeauftragte kann sich also aufgrund seiner besonderen Stellung zeitnah und effizient mit den Einzelfällen und sogar mit den strukturellen Problemen innerhalb der Polizei beschäftigen.
Diese unabhängige Stelle war schon einmal Gegenstand der Beratungen in diesem Hause, zumindest was die Polizei betrifft. Sie wurde in der Anhörung, die damals stattgefunden hat, von allen gelobt, weil sie nämlich mit der Anbindung an den Landtag die notwendige Neutralität und Diskretion am besten gewährleisten kann. Das haben übrigens alle Polizeigewerkschaften damals einmütig bestätigt.
Insgesamt gesehen bietet deshalb der von uns vorgelegte Gesetzentwurf ein umfassendes System zur Konfliktbewältigung im Interesse der hessischen Polizei, sodass ich davon ausgehe, dass unser Gesetzentwurf die Zustimmung dieses Hauses finden wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir nach der Bemerkung von Herrn Stephan vorhin in der Tat überlegt, ob ich zur Windkraft reden soll; denn das, was er zur Windkraft gesagt hat, hatte, glaube ich, etwas mit der inneren Sicherheit zu tun. Aber ich werde darauf verzichten und sachlich über den Gesetzentwurf sprechen.
Herr Greilich und Herr Schaus haben es schon gesagt: Es wäre hilfreich gewesen, wenn Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2012 gelesen hätten.
Dann hätten Sie nämlich gewusst, warum dieser Gesetzentwurf heute vorgelegt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr präzise Vorgaben gemacht: Wenn solche manuellen Auskunftsverfahren nach dem Telekommunikationsgesetz durchgeführt werden und die Auskünfte erteilt werden sollen, sind auch die Fachgesetze in den Ländern zu ändern, und zwar bis zum 30. Juni. Dann hätte man fast eher fragen können, warum erst jetzt, und nicht umgekehrt. Das hätten Sie allerdings im Urteil lesen können.
Das Gericht hat zum einen die Abfragen von Auskünften über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse, wie Herr Greilich schon erwähnt hat, und zum anderen das Auslesen von Daten als verfassungswidrig eingeordnet, sodass diese Umsetzung jetzt erfolgen muss. Es war zum einen ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und zum anderen ein Eingriff in Art. 10 Grundgesetz. Deshalb muss der Gesetzgeber bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens Rechtsgrundlagen sowohl für die Übermittlung als auch für den Abruf der Daten schaffen. Insbesondere sollte klarer und konkreter geregelt werden, wie und in welcher Form die Unternehmen Bestandsdaten an die Behörden weitergeben müssen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat Auswirkungen auf die Bestandsdatenauskunft, d. h. die Auskunft über Namen und Anschrift der Anschlussinhaber, zugeteilte Rufnummern und andere Anschlusskennungen. Dies werten wir als unverzichtbares Ermittlungselement in
der Strafverfolgung für die Sicherheitsbehörden. Deswegen halten wir die Änderung auch für erforderlich.
Herr Schaus, genau deshalb gibt es Handlungsbedarf, zum einen bei der Datenermittlung, der sogenannten ersten Tür, wie es auch im Gesetzentwurf steht, und zum anderen im Hinblick auf eine Abrufnorm, die sogenannte zweite Tür. Das heißt, es gibt zwei Arbeitsaufträge. Der eine Arbeitsauftrag liegt in der Tat beim Bund; denn die Datenermittlung ist im Telekommunikationsrecht des Bundes zu regeln. Der Bundesgesetzgeber befindet sich derzeit in der Beratung und hat just heute im Innenausschuss des Deutschen Bundestages mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD die Novellierung der Bestandsdatenauskunft geregelt. Insofern ist es ein schöner Anlass, dass wir heute, also am gleichen Tag, darüber reden, an dem auch der Innenausschuss des Bundestages darüber geredet hat.
Künftig sollen im Telekommunikationsgesetz aber nur noch die datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis für die Telekommunikationsanbieter sowie die Verfahrensregeln geregelt werden. Die eigentlichen Erhebungsbefugnisse sind nach Abfragezweck spezifisch in den Spezialgesetzen der Strafverfolgungsbehörden zu regeln.
Die SPD hat – darauf sind wir stolz – in einem Änderungsantrag mit CDU und FDP erreicht, dass zukünftig der heimliche Zugriff auf Daten unter dem Richtervorbehalt steht – das ist etwas mehr rechtsstaatliche Kontrolle – und dass die Benachrichtigungspflicht geregelt wird. Ich glaube, das sind zwei gute Dinge, wenn es um sehr sensible Daten geht, dass man dann einen Richtervorbehalt und auch die Benachrichtigungspflicht hat.
Herr Greilich, ich darf das sagen: Es ist erfreulich, dass Sie an der Stelle anscheinend für die Sicherheitsbehörden mit entscheiden, weil wir bis heute ein rechtskonformes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vermissen. Insofern ist die FDP auf Bundesebene offensichtlich in diesem Bereich nicht handlungsfähig.
Die Schaffung der Norm für den Abruf der Daten richtet sich nach den Fachgesetzen in den Bundesländern, deren Änderung wir heute in erster Lesung beraten. Herr Greilich hat es gesagt: Es ist zum einen eine Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es ist in der Tat richtig, wenn man regelt, wie Polizeibehörden auf die Telekommunikationsdaten Zugriff haben sollen, dass man dann auch Schranken einzieht. Da ist es sicherlich gut, wenn auch von „gegenwärtiger erheblicher Gefahr“ die Rede ist, dass das als Hürde für den Eingriff gewertet wird. Auch das sehen wir bislang positiv. Wir werden sehen, wie sich das in der Anhörung entwickelt. Aber das scheint ein guter Ansatz zu sein.
Im Gesetzentwurf für das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz sind die Eingriffsbefugnisse ähnlich geregelt. Auch da werden wir die Anhörung abwarten.
Meine Damen und Herren, ich will es aber nicht versäumen, am Ende noch darauf hinzuweisen: Da wir heute das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz ändern, wäre es eigentlich eine gute Idee gewesen, das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz heute umfangreicher zu regeln und zu novellieren. Denn ich glaube, da haben wir noch sehr viel zu tun. Da will ich Nordrhein-Westfalen
als Vorbild nennen. Herr Innenminister Jäger hat vor wenigen Tagen, auch um diese Fragen mit zu regeln, einen umfassenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegt.
Ich komme zum Schluss. – Er hat ein transparentes und modernes Gesetz vorgelegt, um den Verfassungsschutz besser zu kontrollieren. Er hat auch gesetzliche Regelungen für V-Leute eingeführt. Ich denke, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Da ist leider eine Chance verpasst worden. Meine Damen und Herren, da haben wir noch Hausaufgaben im Hessischen Landtag zu erledigen.
Ich frage die Landesregierung, inwieweit das ein erster Schritt in eine Verbundlösung sein soll, wie Sie eben gesagt haben. Können Sie das noch einmal ausführen und sagen, ob die Landesregierung in irgendeiner Form daran beteiligt ist?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Besetzung der Stelle des hessischen Bereitschaftspolizeipräsidenten war rechtswidrig.
Das ist keine Erkenntnis von SPD und GRÜNEN, sondern die Feststellung eines unabhängigen Sachverständigen, Prof. Dr. Pechstein, der einstimmig – also auch mit den Stimmen von CDU und FDP – ausgewählt wurde.
Die rechtliche Bewertung des Vorgehens des heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ist an Klarheit und Deutlichkeit nicht mehr zu überbieten.
Ich darf Ihnen aus dem Gutachten zitieren:
Die Auswahlentscheidung ist auch aus diesem Grunde materiell rechtswidrig.
Ich darf weiter zitieren:
Der fehlende Versuch einer Schließung der Beurteilungslücken verletzt geltendes Recht, da bei gleicher Beurteilung zunächst weitere leistungsbezogene Kriterien geprüft werden müssen.
Meine Damen und Herren, aus diesem rechtswidrigen Handeln folgt, dass der unterlegene Bewerber Ritter in seinen Rechten aus dem Grundgesetz verletzt ist.
Und das ist auch keine Erkenntnis von SPD und GRÜNEN, sondern ich zitiere Ihnen aus dem Gutachten:
Mit der Ernennung Langeckers am Tag nach der Kabinettsentscheidung wurde die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Wartefrist nach Auswahlentscheidung nicht eingehalten und damit der Rechtsanspruch des unterlegenen Bewerbers Ritter verletzt.
So das Zitat des unabhängigen Gutachters, meine Damen und Herren.
Damit steht fest, dass eindeutig Recht verletzt wurde. Da der Hessische Ministerpräsident im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, dass er das Verfahren geleitet hat, liegt die Verantwortung für die Rechtsverletzung auch ausdrücklich und persönlich bei ihm.
Die CDU behauptet, das sei doch alles nichts Neues. Meine Damen und Herren der CDU, für uns und die Öffentlichkeit war dies aber neu. Es war zu Beginn des Untersuchungsausschusses nicht klar, wie massiv und mit welchen Mitteln der Verantwortliche Bouffier die Rechte des Mitbewerbers Ritter verletzt hat. Es war auch nicht erkennbar, mit welchen Mitteln hier versucht worden ist, dies gegenüber dem Landtag und der Öffentlichkeit zu vertuschen.
Wir wissen jetzt, dass der heutige Ministerpräsident Bouffier seinen CDU-Kollegen, Herrn Langecker, bereits 2007 zum Präsidenten der Bereitschaftspolizei ernennen wollte, das sogenannte nullte Verfahren. Aber dieser Besetzungsversuch scheiterte schon damals, weil der Vizepräsident der hessischen Bereitschaftspolizei, das ist nämlich der unterlegene Bewerber Ritter, ebenfalls sein Interesse anmeldete. Deshalb wurde von der Ernennung damals abgese
hen. Das war vor dem Untersuchungsausschuss alles nicht bekannt.
Das Landespolizeipräsidium sah sich dann gezwungen, im Dezember 2007 ein – ich betone – ordentliches Ausschreibungsverfahren einzuleiten. Es gab drei Bewerber. Bei diesem Verfahren, das seltsamerweise als erstes Verfahren bezeichnet wird, erfolgte auch eine umfangreiche Dokumentation. Wir hatten mehrere DIN-A4-Ordner vorliegen. Allerdings war auch dieses rechtsfehlerhaft und führte dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Innenministerium die Ernennung des vom Ministerpräsidenten protegierten Bewerbers Langecker untersagte.
Die Personalauswahl des Ministeriums wurde aufgehoben, weil das Gericht schwerwiegende Auswahlfehler monierte. Es stellte fest, dass der unterlegene Bewerber Ritter sogar eine um Nuancen bessere Beurteilung als Langecker hatte – so viel zur Qualität der Bewerber, die immer gern hier von der Koalition vorgeschoben wird.
Aber was ist als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss dann passiert? – Die Fachabteilung hat in einem Vermerk vom 28.01.2009 dem heutigen Ministerpräsidenten dringend empfohlen, die Stelle neu auszuschreiben. Und was macht der Verantwortliche Bouffier?
Er setzt sich darüber hinweg. Der heutige Ministerpräsident zog das gesamte Verfahren an sich, schloss die Fachabteilung von allen nachfolgenden Verfahrensschritten aus. Warum hat der heutige Ministerpräsident und für das Personal zuständige Fachminister eigentlich einen solchen Weg beschritten? – Es wird noch seltsamer. Das vormals transparent geführte und vorbildlich dokumentierte Stellenbesetzungsverfahren wurde plötzlich zu einem Closed Shop – anders ausgedrückt: zu einer geheimen Kommandosache des Ministers und seines Staatssekretärs.
Außer Bouffier und Rhein und Frau Gätcke, der Leiterin des Ministerbüros, wusste keiner, was tatsächlich passierte. Und nichts, aber auch gar nichts wurde in den folgenden fünf Monaten in den Akten des Ministeriums dokumentiert – nichts.
Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Dokumentationsmängel. Es gibt zwischen Februar und Anfang Juli 2009 gar keine Dokumente – also ein Dokumentationsausfall.
Wissen Sie, man hat schon einmal davon gehört, dass irgendwo Akten geschreddert wurden. Aber dass gar keine Akten angelegt wurden, ist selbst in Hessen eine neue Stufe des Regelbruchs.
Ich darf daran erinnern, dass Herr Prof. Dr. Pechstein dies als Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, als Verfassungsverstoß wertete.
Und das war der für Beamtenrecht zuständige Minister, der hierfür verantwortlich gewesen ist. Meine Damen und Herren, jeder kleine Beamte in Hessen, der gegen das Gesetz verstößt, wird sofort vom Dienst suspendiert. Und Volker Bouffier? Welches Vorbild gibt der Ministerpräsident denn ab, wenn er aus diesem eigenen Fehlverhalten keine Konsequenzen zieht?
Herr Ministerpräsident, haben Sie sich eigentlich nie gefragt, warum es so viele Untersuchungsausschüsse gegen Sie gibt? Was für ein Vorbild für die gesamte Landesverwaltung sind Sie?
Wie ging es nach der Kabinettsentscheidung im Juli 2009 weiter?
Ich weiß, es tut weh, Herr Bellino.
Am 6. Juli 2009 tagte das Kabinett, und am nächsten Morgen um 8 Uhr wurde Herrn Langecker bereits die Ernennungsurkunde ausgehändigt. Der unterlegene Bewerber wurde eine halbe Stunde später darüber informiert, dass Herrn Langecker die Urkunde ausgehändigt wurde.
Dieser ging sofort zum Gericht und hat einen Stoppantrag gestellt, der deshalb vom Verwaltungsgericht abgelehnt werden musste, weil die Urkunde schon ausgehändigt wurde. Normalerweise gibt es eine vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene 14-tägige Wartefrist, meine Damen und Herren. Hier waren es wenige Stunden.
Dieses ungeheuerliche Vorgehen fand das Verwaltungsgericht offenbar so schlimm, dass es dem Land Hessen die gesamten Verfahrenskosten auferlegt hat und dem Innenministerium – ich zitiere – grob rechtswidriges Verhalten vorwarf. – Die zweite Gerichtsentscheidung.
Jetzt wird es noch einmal spannend: CDU und FDP, Ministerpräsident Bouffier und der heutige Innenminister Rhein stellen das Bild, das alles sei doch gar nicht so wichtig, weil das Gericht gar nicht gewusst habe, wie es wirklich gewesen ist. Es habe nicht gewusst, dass Herr Ritter kein Bewerber mehr gewesen sei, und niemand habe es dem Gericht mitgeteilt.
Denn dieser Umstand hätte selbstverständlich Auswirkungen auf die Kostenentscheidung gehabt, die so das Land Hessen zu tragen hatte.
Das Problem ist: Niemand wusste davon. Das Landespolizeipräsidium wusste es nicht, auch Herr Ritter wusste nichts von seinem eigenen Bewerbungsverzicht.
Warum hätte er sonst einen Stoppantrag vor dem Gericht stellen sollen, Herr Bellino?
Für die Legende des Bewerberverzichts gibt es in den gesamten Akten keinen einzigen Beleg, Herr Bellino.
Es gibt lediglich einen eilig nach der Sitzung des Innenausschusses im März 2010 – fast ein Jahr später – von Boris Rhein gefertigten Erinnerungsvermerk.
Deswegen gehen nicht nur wir, SPD und GRÜNE, davon aus, dass Herr Ritter noch im Verfahren war – Herr Bellino, hören Sie mal zu, vielleicht sollten Sie die Sachen einmal lesen –, sondern auch der unabhängige Gutachter ging davon aus, dass Herr Ritter noch Bewerber war. Ich darf zitieren: „Für eine Rücknahme der Bewerbung Ritters in dem Gespräch mit Sts. Rhein am 19.05.2008 fehlt es an jedem Anhaltspunkt.“
Alles andere macht auch überhaupt keinen Sinn. Warum sollte Herr Ritter nach zwei Jahren Streitverfahren auf einmal verzichten? Wer glaubt das? – Niemand, außer vielleicht der CDU und deren treue Vasallen, die FDP hier im Hause. Für Sie stand schon von Anfang an fest, dass jede Legende, wahrscheinlich jede Ausrede zutreffend ist, wenn es nur Ihrem Machterhalt dient. Offenkundig geht hier wieder einmal Macht vor Recht, was sogar der Staatsgerichtshof bescheinigt hat.
Ich fasse noch einmal zusammen: Aufgrund eines unabhängigen Gutachters steht fest, dass das Besetzungsverfahren rechtswidrig war und der unterlegene Bewerber in seinen Rechten nach dem Grundgesetz verletzt wurde. Hier liegen also massive Rechtsverstöße vor, die in einem noch andauernden Schadenersatzprozess sehr teuer für das Land Hessen werden könnten. Wer die Verantwortung des Verfahrens trägt, ist klar: Der Ministerpräsident hat selbst erklärt, er habe das Verfahren geleitet.
Der Ministerpräsident hat sich sehenden Auges über geltendes Recht hinweggesetzt. Er hat seinen Amtseid verletzt, der ihn verpflichtet, Verfassung und Gesetz im demokratischen Geiste zu befolgen und zu verteidigen. Rechtsbruch durch einen Minister ist keine Lappalie, das ist Unrecht, meine Damen und Herren.
Herr Ministerpräsident, in jedem anderen Bundesland würde man die Verantwortung übernehmen. Dazu fehlen Ihnen bislang die Kraft und das Amtsverständnis. Ich sage Ihnen: Ihr Rücktritt ist längst überfällig.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Die Wählerinnen und Wähler werden über diese Art des Amtsmissbrauchs im Herbst schon richtig entscheiden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bellino, Sie haben es leider immer noch nicht verstanden, dass es hier um Rechtsverletzungen durch den Hessischen Ministerpräsidenten geht.
Ich habe mich deshalb gemeldet, weil Sie hier ein Bild von jemandem stellen, das so nicht stehenbleiben kann. Sie stellen sich hier vorne hin und diskreditieren denjenigen, nämlich den unterlegenen Bewerber Ritter, den Sie selbst,
dieser Ministerpräsident, ins Amt gewählt hat. Herr Ritter war nämlich der amtierende Vizepräsident der hessischen Bereitschaftspolizei.
Er war von Ihnen ausgewählt. Herr Bellino, was Sie auch völlig ignoriert haben, ist die Tatsache, dass der VGH in Kassel nach dem ersten Verfahren das Verfahren aufgehoben hat, weil die Bewertung von Herrn Ritter die in Nuancen bessere war als die von Herrn Langecker.
Sie diskreditieren hier eine Person, die derzeit wirklich nichts anderes macht, als ihr Recht nach dem Gesetz durchzusetzen. Dieser Mann klagt, weil er von diesem Ministerpräsidenten in seinen Rechten aus der Verfassung verletzt wurde.
Herr Bellino, Sie haben zwar das Pechstein-Gutachten genannt, aber leider nicht die Ergebnisse des Gutachtens von Herrn Pechstein vorgetragen.
Ich erinnere noch einmal daran, dass dieses Gutachten leider nicht „einfach so“ entstanden ist. Ich will etwas zur Historie des Gutachtens sagen. Als wir unter dem Vorsitz von Herrn Wintermeyer mit der Arbeit im Untersuchungsausschuss begonnen haben, war noch klar, dass man in schwierigen beamtenrechtlichen Fragen ein Sachverständigengutachten einholen kann. Als der Vorsitz an Herrn Beuth wechselte, ging das plötzlich nicht mehr. Was mussten wir machen, um ein unabhängiges Gutachten zu bekommen? Wir mussten vor den Staatsgerichtshof ziehen. Wir haben dort recht bekommen: Es war angemessen, einen unabhängigen Gutachter einzuschalten.
Nur noch ein Zitat zum Schluss, da meine Redezeit ausläuft.
Herr Müller, an Ihrer Stelle würde ich mich schämen, einen solchen Ministerpräsidenten zu haben.
Ich zitiere noch einmal aus dem Pechstein-Gutachten: „Die Auswahlentscheidung ist auch aus diesem Grunde materiell rechtswidrig.“ Das heißt, meine Damen und Herren, der amtierende Ministerpräsidenten hat eine Rechtsverletzung begangen.
Herr Präsident, Herr Greilich! Sie geben mir noch einmal Gelegenheit, über die damalige Sitzung des Innenausschusses im Jahr 2010 zu reden. Denn Sie sagten, das sei alles bekannt. Ich will einen Umstand ansprechen, den ich ungeheuerlich finde. Wir haben damals den damaligen Innenminister Volker Bouffier im Innenausschuss gehört und haben ihn dezidiert gefragt, ob Schadensersatzansprüche vom unterlegenen Bewerber Ritter vorliegen. Was hat der jetzt amtierende Ministerpräsident dazu gesagt? „Nein, nach seinem Wissen nicht.“ Heute wissen wir durch den Untersuchungsausschuss, dass Volker Bouffier zum damaligen Zeitpunkt wenige Tage zuvor über seine Fachabteilung Informationen darüber bekommen hat, dass Schadensersatzansprüche vorliegen. – Das war glatt gelogen.
Wir können auch gern noch über andere Dinge reden, die im Untersuchungsausschuss herausgekommen sind. Herr Kollege Greilich, wir waren sehr erstaunt, als plötzlich E-Mails aus dem Jahr 2008 von Herrn Langecker auftauchten, die an das Landespolizeipräsidium gerichtet waren, unter denen stand – ich zitiere –: „PS: Diese E-Mail existiert nicht!“
Das ist wirklich ein Nachweis für ein sehr ordentliches Verfahren in Ihrem Sinne, Herr Greilich. Es ist unerhört, was in diesem Verfahren insgesamt passiert ist.
In Ihrer Verteidigungsstrategie ziehen Sie immer gern den heutigen Innenminister Boris Rhein heran. Ich werde Ihnen hier einmal vortragen, was er im Untersuchungsausschuss zu der Frage gesagt hat, wer das vermeintlich zweite Auswahlverfahren überhaupt geleitet hat. Ich zitiere:
Abg. Nancy Faeser: Herr Staatssekretär Rhein, wer hat denn das vermeintlich zweite Verfahren im Ministerium geleitet? Waren Sie das?
Z Rhein: Auch das sind wieder so fantastische Worte: geleitet.
Ja, ich gebe ja eine klare Antwort. – Ich will Ihnen meine Rolle in diesem Verfahren darstellen. …
Bla, bla, bla, immer weiter, immer weiter, nichts dazu gesagt.
Dann frage ich noch einmal nach:
Abg. Nancy Faeser: Herr Staatssekretär, Sie sagen ja, dass es ein internes Auswahlverfahren gab. So bezeichnen Sie das ja immer. Ich übernehme jetzt einmal Ihre Formulierung. Wer hat das denn geleitet? …
… Aber geleitet haben Sie es nicht.
Z Rhein: Das ist eine Interpretation dessen, was ich gesagt habe. Bei dem, was ich getan habe, war selbstverständlich ein Leitungsanteil vorhanden.
Es ist aber das Wesen eines Ministeriums bzw. eines M-Büros, dass alle Menschen, die dort sind, gewisse Dinge leiten.
Abg. Nancy Faeser: Wer hatte die Federführung für diesen Vorgang?
Z Rhein: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
Meine Damen und Herren, das sind die klaren Aussagen in diesem Verfahren gewesen.
Hier ging es um einen Verfassungsbruch des heutigen Ministerpräsidenten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Prof. Ronellenfitsch, es war wie immer ein Vergnü
gen, Ihnen zuzuhören. Das ist jedes Jahr so. Vielen Dank dafür.
Ich glaube, der Kernthese Ihrer Rede, dass wir uns nämlich der europäischen Entwicklung entgegenstellen und den Datenschutz als deutschen Exportschlager nehmen sollten, sollten wir uns alle anschließen.
Sie haben es angesprochen. Sie haben von Willi Birkelbach gesprochen. Hessen ist das Bundesland, das das erste Datenschutzgesetz weltweit hatte. Ich denke, das ist ein Grund, stolz zu sein. Das sollte man immer wieder einmal hervorheben und auch verteidigen.
Heute gilt in erster Linie unser Dank Ihnen, dem Hessischen Datenschutzbeauftragten, und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Denn sie haben hervorragende fachliche Arbeit geleistet, wie wir in dem Bericht lesen können.