Das Einzige, was dagegen zu sagen ist – und das werde ich heute Nachmittag ausführlicher darlegen –, ist, dass Sie damit ein Problem lösen, das nach unserer Meinung so überhaupt nicht besteht. Wir lehnen Sicherungsverwahrung ab. Deswegen lösen Sie hier etwas, wogegen wir sind.
Wir werden uns an den Beratungen beteiligen, aber ich glaube nicht, dass wir am Ende zustimmen können. – Danke sehr.
Es ist die Überweisung an den Rechts- und Integrationsausschuss vorgesehen. – Dagegen gibt es keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
a) Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzverbände (Tier- schutzVMG Hessen) – Drucks. 18/6729 zu Drucks. 18/4376 –
b) Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über das hessische Tierschutzklagerecht und die Mitwirkungsrechte für anerkannte Tierschutzorganisationen – Drucks. 18/6730 zu Drucks. 18/4511 –
Berichterstatterin zu beiden Gesetzentwürfen ist die Frau Kollegin Feldmayer. Frau Kollegin Feldmayer, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzverbände:
Der Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und LINKEN bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über das hessische Tierschutzklagerecht und die Mitwirkungsrechte für anerkannte Tierschutzorganisationen:
Der Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung von SPD und LINKEN, den Gesetzentwurf abzulehnen.
In der Aussprache hat sich als Erste Frau Dr. Pauly-Bender für die SPD-Fraktion gemeldet. Die Redezeit beträgt 7,5 Minuten. Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Mit ihrem Gesetzentwurf für ein hessisches Landesverbandsklagerecht für den Tierschutz hat die SPDFraktion dieses Hauses eines der wichtigsten Anliegen des hessischen Tierschutzes aufgegriffen und zu ihrem Anlie
gen gemacht. Die SPD-Fraktion wünscht die Komplettierung der Staatszielbestimmung Tierschutz durch ein Verbandsklagerecht. Kann man in anderen Rechtsbereichen darüber streiten, ob erst das Verbandsklagerecht den Rechtsstaat komplett macht, so liegen die Dinge bei den Tieren klar erkennbar anders: Ob das Bundestierschutzgesetz im Interesse der Tiere zum Tragen kommt, entscheidet sich im Prozess des Verwaltungshandelns und auf dem Gerichtsweg leider sehr einseitig. Derzeit können nur Tierhalter und -nutzer gegen tierschutzfreundliche behördliche Entscheidungen nach § 18a Tierschutzgesetz gerichtlich vorgehen.
Wir meinen, in einem Rechtsstaat wie dem unseren kann das nicht weiter anstehen. Meine Damen und Herren, es ist gar nicht ersichtlich, was es rechtfertigen könnte, ausgerechnet den Bereich des Tierschutzes und der Tierschutzentscheidungen hiervon auszunehmen.
Verwaltungsakte und Rechtsakte zulasten Dritter, hier zulasten von Mitgeschöpfen, müssen selbstverständlich auch gerichtlich überprüft werden können, in diesem Fall treuhänderisch vorgetragen durch anerkannte Verbände. Die in Art. 20a normierte Staatszielbestimmung Tierschutz läuft leer, wenn nicht endlich sichergestellt ist, dass Verwaltungsakte mit zum Teil erheblichen Folgen auf Leben und Lebensumstände von Tieren immer dann von unabhängigen Verwaltungsgerichten untersucht werden können, wenn Zweifel bestehen, dass eine geltende Tierschutzregel ausreichend beachtet wurde.
Meine Damen und Herren, dass wir in Hessen Anlass haben, die Landestierschutzklage einzuführen, wissen wir aus den beiden letzten Berichten der Landestierschutzbeauftragten dieser Landesregierung. Sie benennt konkrete tierschutzrechtsrelevante Behördenentscheidungen, daneben auch konkretes Unterbleiben tierschutzrechtlicher Behördenentscheidungen, in denen es darauf angekommen wäre, treuhänderisch für die stimmlose Seite der Tiere die Tierschutzverbandsposition zum Vortrag kommen zu lassen. Kein Kollege von CDU und FDP hat diesen Vortrag der Landestierschutzbeauftragten im Ausschuss bestreiten können. Jeder Kollege dieses Hauses kann das Ausschussprotokoll sowie die Berichte der Landestierschutzbeauftragten persönlich nachlesen.
Das bestehende Modell der Normdurchsetzung ist suboptimal, a) weil die geschützten Lebewesen selbst zur Durchsetzung des Schutzrechts nichts beitragen können, b) weil die Durchsetzung des verfassungsmäßig gebotenen und im Gesetzesrecht näher ausgestalteten Schutzes derzeit allein in der Hand der Behörden liegt, c) weil diese Behörden notorisch überlastet und selbst bei bestem Willen nur unzureichend in der Lage sind, entgegenstehenden ökonomischen Interessen angemessen Paroli zu bieten, d) weil es gar nicht angebracht ist, auf das Engagement der gemeinnützigen Verbände und auf ihre Expertise bei der verfahrensmäßigen Durchsetzung des Schutzrechtes auch weiterhin zu verzichten, e) weil der Staat vielmehr gut beraten ist, die zivilgesellschaftlichen Potenziale zu nutzen, um damit einen wichtigen Beitrag zur Effektivierung des Verfassungsziels Tierschutz zu leisten.
Hervorhebenswert erscheint mir an dieser Stelle besonders, dass eine Tierschutzverbandsklage kluge Teilhabepolitik
ist, da sie den frühen Interessenausgleich will und gerade deshalb keine Klageflut produziert. Unser Entwurf will Mitwirkungsrechte, aber auch Mitwirkungspflichten des zivilgesellschaftlichen Tierschutzes. Es geht um die Transparenz tierschutzrelevanten Behördenhandelns, und es geht um die Unterstützung der für Tierschutz engagierten Behördenvertreter. Es geht um die Beseitigung bestehender tierschutzrelevanter Kollisionen zwischen den Rechtsgebieten und Verwaltungsebenen.
Ihren größten Nutzen entfaltet die Tierschutzverbandsklage somit vorbeugend. Sie will Beteiligung und AufeinanderZugehen im Prozess der Entscheidungsfindung. Sie ist das geeignetste Mittel gegen unfruchtbare Konfrontation zwischen Tierschützern und Tiernutzern.
Verwaltungsverfahren im Sinne des Tierschutzes sollen dadurch sicherer gemacht werden, dass alle damit rechnen, dass anerkannte Tierschutzverbände eine unabhängige Verwaltungsgerichtsentscheidung einholen dürften, wenn sie nicht ausreichend gehört worden wären. Das Gesetz soll durch die Beteiligung des Tierschutzes an den Verwaltungsverfahren präventiv wirken und die Interessen von Tierschutz und Tiernutzung zum Ausgleich bringen. Insofern dient das Gesetz dem Interessenausgleich gerade des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Hessen.
Alles in allem: Unsere Initiative will das Engagement der für den Tierschutz verantwortlichen Verwaltungskräfte sowie der ehrenamtlich Tätigen unterstützen. Das ist der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und unserer politischen Haltung. Uns reichen Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden nicht. Wir sind der Auffassung, dass die aktive Stärkung der bürgerschaftlichen Teilhabe und eine größtmögliche Transparenz im Regierungs- und Verwaltungshandeln das politische Gemeinwesen nur stärken können.
Wir sind nach sorgfältiger Auswertung der parlamentarischen Anhörung in unserer Haltung bestärkt worden, dass die von den Regierungsfraktionen in den Verbänden der Tiernutzer wider besseres Wissen lancierten Horrorszenarien, dass durch die Einführung des Verbandsklagerechts die hessische Landwirtschaft sowie Hessen als Wirtschaftsund Wissenschaftsstandort infrage gestellt würden, jeglicher Grundlage entbehren, die sich auch nicht mit an den Haaren herbeigezogenen Verweisen auf Klagen gegen Windräder verbessern lässt.
Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion bedankt sich für die Unterstützung ihrer Initiative durch die Landestierschutzbeauftragte, die Tierrechtsvertreter anerkannter Verbände sowie den ehrenamtlichen Tierschutz.
Mit ihnen sind wir der Auffassung, dass das Staatsziel Tierschutz des Grundgesetzes die Politik zu mehr verpflichtet als zu gelegentlichen Appellbeschlüssen und folgenlosen Deklarationen in Ausschüssen und Parlamenten. Die Tiere müssen die Fortschritte fühlen können.
Am Schluss dieses Gesetzgebungsprozesses bleibt zu hoffen, dass sich in der neuen Legislaturperiode Tüchtige finden, die dieses Anliegen unter besseren politischen Vorzeichen zu einem guten Abschluss führen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass das Thema 2013 in der Mitte der Gesellschaft steht, zeigt uns in diesen Tagen das Beispiel des Saarlandes. Dort will eine schwarz-rote Regierung mit einem Tierschutzverbandskla
gerecht eine bundesweite Vorreiterrolle beim Tierschutz einnehmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Schönen Dank, Frau Dr. Pauly-Bender. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Kollegin Hammann gemeldet. Bitte schön, Frau Hammann.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir GRÜNE nehmen im Gegensatz zur Regierungskoalition den Verfassungsauftrag im Tierschutz sehr ernst.
Das hätten wir gern gesehen, Herr Bellino. Sie haben auch noch die Chance dazu, weil wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Dem können Sie heute zustimmen, dann würden wir Ihre Ersthaftigkeit auch erkennen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen eine seit vielen Jahren bestehende Regelungslücke im Tierschutz endlich schließen. Der Tierschutz hat Verfassungsrang. Aber die Tiere haben keine Vertreter, die ihre Rechte anderenorts einklagen können. Dies ist ein Defizit, dies ist ein Manko, und dies gilt es zu beheben.
Wir wollen auch nicht weitere Klagemöglichkeiten eröffnen, wie Sie das immer wieder behaupten, meine sehr geehrten Damen und Herren vonseiten der CDU. Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen, dass den Tieren das Recht zugestanden wird, dass Dritte in ihrem Namen klagen können, wenn Missstände zu verzeichnen sind.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Situation im Tierschutz, die einfach nicht zu rechtfertigen ist: eine Situation, die den Nutzern von Tieren – das muss man so deutlich sagen – ein Klagerecht gibt, aber den Schützern von Tieren ein Klagerecht verwehrt. Man kann es auch sehr kurz sagen: Ein vermeintliches Zuviel an Tierschutz kann beklagt werden, ein bestehendes Defizit dagegen nicht.
Das hört sich erst einmal sehr trocken an. Deshalb will ich das an einem Beispiel deutlich machen, das man auch wirklich in der Praxis finden kann: Sie haben einen Pseudo-Hundezüchter. Die Tiere befinden sich in einem verwahrlosten Zustand. Ein Amtstierarzt schreitet ein, erteilt eine Auflage oder ein Haltungsverbot. Der Züchter kann dagegen klagen. – Wenn aber aus unerfindlichen Gründen ein Amtstierarzt nicht oder zu spät reagiert, heißt das, die Tiere bleiben in diesem Zustand, und das Elend dieser Tiere zieht sich weiter hin.
Hier wäre eine Verbandsklage absolut angebracht. Sie hätte auch eine abschreckende Wirkung. Auch das ist etwas, was die Tierschutzorganisationen immer wieder betonen. Denn sie wollen nicht klagen um der Klage willen, sondern sie wollen Missständen entgegentreten, und sie sagen, es hat eine abschreckende Wirkung.
Dass das so ist, beweist doch die Praxis in Bremen. Schon seit dem Jahr 2007 gibt es dort ein Verbandsklagerecht. Glauben Sie, die Tierschutzorganisationen klagen dort dauernd? Nein, seit 2007 gab es noch keine einzige Klage. Das bedeutet, man geht sehr verantwortungsvoll mit diesem Instrument um. Man vertritt die Interessen der Tiere, wägt aber sehr wohl ab, wo etwas für die Tiere erreicht werden kann.
Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf erreichen, das Dritte, damit meinen wir anerkannte Tierschutzorganisationen, nicht irgendwelche Vereine, die Interessen der Tiere auf Einhaltung gültiger – ich betone: gültiger – Schutznormen von Verwaltungsgerichten überprüfen lassen können. Das Recht auf Überprüfung der Einhaltung von Schutznormen ist im Grundgesetz niedergelegt und findet sich daher auch in vielen anderen Bereichen, z. B. im Behindertenrecht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sind keine Anwälte der Tiere. Wir hatten eine Anhörung, aus der Sie leider nichts gelernt haben. Es gab eine breite Unterstützung für die beiden Gesetzentwürfe, über die heute in zweiter Lesung diskutiert wird, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und unseren Gesetzentwurf für die Einführung eines Verbandsklagerechts.
SPD und GRÜNE sind sich in den Zielrichtungen absolut einig. Wir wollen, dass diese Rechtslücke endlich geschlossen wird. Die Gesetzentwürfe unterscheiden sich dennoch. Unser Entwurf geht an einigen wenigen Stellen weiter als der der SPD. Ich will sie benennen: Es geht darum, wer klagen kann. Wir wollen, dass auch Stiftungen ein Klagerecht bekommen. Sie wissen, dass wir GRÜNE seit Langem eine hessische Landesstiftung für den Tierschutz fordern. Auch diese Stiftung muss die Möglichkeit haben, Klage zu erheben.