Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Deshalb: Wenn das Urteil vorliegt, werden wir es prüfen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Bund beraten. So viel zu Ihren allfälligen Bemühungen, sozusagen am Anfang zu fordern, dass man ohne Rücksicht auf Verluste sofort alles stilllegt, und zwar auf Dauer, um zwei Jahre später pharisäerhaft zu erklären: „Wir haben schon immer Bedenken gehabt.“ Gerade in einem Wahljahr werden wir öfter miteinander zu diskutieren haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Recht und Gesetz gilt immer, nur bei Ihnen nicht!)

Aber seien Sie sicher: Wir lassen Ihnen Ihre Halbwahrheiten nicht durchgehen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das Wort hat der Kollege Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.

(Günter Rudolph (SPD): Aber an Recht und Gesetz darf man sich schon halten! Das ist nicht verboten! – Zuruf von der CDU: Wenn wir geprüft hätten, was wäre denn dann gewesen? Eine Lachnummer!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, in Oberhessen würde man sagen: So was kommt von so was. – Die Hinweise der Kollegen Al-Wazir und Schmitt in der Debatte darauf, dass das, was wir am gestrigen Tag erlebt haben, das Ende einer Entwicklung ist, die nur möglich gewesen ist, weil Sie den Atomausstieg so, wie er von Rot-Grün im Jahr 2001 beschlossen und eingeführt wurde, wieder außer Kraft gesetzt haben, können Sie am heutigen Tage nicht wegwischen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ohne Ihre Rücknahme des Atomausstiegs wären wir nicht bei dem Urteil von gestern angekommen.

Dabei ist völlig unzweifelhaft, dass gerade auch nach den Ereignissen von Fukushima alle, und zwar insbesondere diejenigen auf dieser Seite des Hauses, eine Neupositionierung der Atomenergie vorgenommen und Konsequenzen gezogen haben. Ich sage das in aller Klarheit: Dieser Teil des Hauses hat Fukushima nicht gebraucht, um zu verstehen, dass ein Atomkraftwerk ein nicht verantwortbares Risiko umfasst. Deswegen haben wir vorher den Atomausstieg eingeleitet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Wer hat denn die Kernkraftwerke in Deutschland gebaut?)

Dennoch haben wir ausdrücklich gesagt: Die Stilllegung von Biblis A und Biblis B ist am Ende richtig und notwendig. Deswegen geht es in dieser Debatte nicht um die Frage: „Ja oder Nein zur Stilllegung?“, sondern es geht um zwei Dinge: Erstens, ist das ordentlich gemacht worden, und zweitens, mit welchen Instrumenten?

Jetzt sage ich sehr klar, Herr Ministerpräsident: Sie haben eben gesagt, wir wollten die sofortige Stilllegung. Das war sozusagen die Spitze Ihrer Unwahrheiten am heutigen Tage.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

Normalerweise funktioniert ja Ihre Gegnerbeobachtung. Sie hätten vielleicht auch diesmal ein bisschen genauer hinschauen sollen. Ich will das auch in Richtung von Herrn Stephan sagen.

Es gibt eine Pressemeldung vom 20. März 2011, in der ich erkläre:

„Wir brauchen eine eindeutige Ausstiegsstrategie und keine Klientelpolitik zugunsten der AKW-Betreiber.“

Die Aussagen der Umweltministerin Puttrich zur Zukunft der Blöcke A und B seien „viel zu vage“. – Als wachsweich und rechtlich fragwürdig bezeichnete er

gemeint bin ich –

die Abschaltung der Kraftwerke auf Grundlage des § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes.

Deutschland brauche ein Abschaltgesetz als rechtlich belastbare Grundlage und müsse zurück auf den Kurs des Atomausstiegs.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Nichts von „sofort“ und „übereilt“, sondern es ging um rechtssicher, es ging aus unserer Sicht um ein Atomausstiegsgesetz, um diesen Mist, den Sie gerade gestern fabriziert haben, zu verhindern.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Deswegen sage ich es in aller Klarheit: Herr Ministerpräsident, das, was Sie hier versucht haben, ist Heuchelei.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Es ist der Versuch, ein Bild zu bauen, das mit der Realität nichts zu tun hat. Wir haben Sie damals, im März 2011, vor der Rechtswidrigkeit, vor der Fragwürdigkeit Ihres eingeschlagenen Wegs gewarnt. Deswegen sind Sie für das, was gestern passiert ist, verantwortlich und sonst niemand.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweite Bemerkung. Ich will das in aller Klarheit sagen: Die Informationen von Frau Wissler habe ich nicht gekannt, was den Anwalt des Landes angeht. Ich erwarte hier von der Ministerin Aufklärung darüber, wie es zu dieser Vertretung durch den Anwalt kommen konnte. Wussten Sie vorher, welche Positionen er vertritt, und ist das Absicht gewesen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen mit Blick auf das Verfahren in aller Klarheit sagen: Das, was gestern passiert ist, ist mit dem Verweis darauf, dass es nicht einmal eine Anhörung gegeben hat, nicht das Ergebnis von: „Wir wollen den Ausstieg, oder nicht“, sondern es ist das Ergebnis von Schlamperei, Stümperei und Unfähigkeit. Deswegen ist Ihr Rücktritt zwangsläufig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Ismail Tipi (CDU): Billiger Wahlkampf!)

Damit komme ich zur letzten Bemerkung. Herr Ministerpräsident, wenn Sie hier erklären, wir hätten Schadenfreude, dann ist das schon ein ziemlich starkes Stück. Wir haben Staatsverantwortung. Deswegen haben wir damals für ein Atomausstiegsgesetz plädiert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Führung und Verantwortung gehören zusammen. Das ist etwas, was bei Ihnen völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Führung und Verantwortung haben bei Ihnen überhaupt nichts mehr miteinander zu tun. Deswegen sage ich Ihnen sehr klar: Wenn man Führung und Staatsverantwortung ernst nimmt, dann hätte man dieses Verfahren erstens anders geführt, und zweitens würde man, wenn man so grandios scheitert wie am gestrigen Tag, am heutigen Tag Verantwortung übernehmen und nicht so eine lächerliche Erklärung abgeben, wie das die Ministerin am heutigen Tage getan hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Zuruf von der CDU)

Letzter Satz. Ich will Ihnen in aller Klarheit sagen – wir werden das gleich noch einmal diskutieren –: Die Antwort auf das Desaster von gestern, und es ist ein Desaster, kann sicherlich nicht die Perspektive sein, die Frau Steinbach mit Blick auf andere Urteile in diesem Land getroffen hat, jetzt das Gericht zu beschimpfen. Jetzt ist völlig klar: Wenn der Rechtsstaat entschieden hat, und Sie haben sich gestern eine Klatsche geholt, dann muss man daraus die Konsequenzen ziehen, und das erwarten wir am heutigen Tag von Ihnen, Frau Puttrich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Lachen und Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat mich angesprochen und erklärt, die Opposition würde falsche Tatsachen behaupten. Er hat dann erklärt, es sei falsch, dass Biblis A und B nicht mehr am Netz gewesen wären, wenn es beim rot-grünen Atomausstieg geblieben wäre.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Doch!)

Herr Ministerpräsident, ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Das ist fachlicher Unsinn, den Sie da erzählt haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

weil der Atomkonsens – und in der Folge das Atomgesetz – aus dem Jahr 2001 für jedes einzelne Kraftwerk Reststrommengen in Terawattstunden festgelegt hat und das Instrument der Reststrommengenübertragung dem Prinzip „von alt auf neu“ gefolgt ist, und weil es, bezogen auf die Reststrommengen des abgeschalteten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich, eine Vereinbarung gab, dass auf Biblis A nichts und auf Biblis B nach meiner Erinnerung höchstens 20 % übertragen werden dürfen.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Das bedeutet, wenn Sie damals gesagt hätten: „In Ordnung, wir haben verstanden, Deutschland steigt aus“, dann wäre meine Prophezeiung gewesen, dass RWE nicht mehr die Hoffnung auf eine andere Bundesregierung gehabt und diese Reststrommengen höchstwahrscheinlich schon sehr viel früher auf jüngere Atomkraftwerke übertragen hätte, anstatt Geld in Nachrüstungen für ein Atomkraftwerk mit sehr geringen Reststrommengen zu investieren.

Die hätten diese auch an andere Betreiber verkaufen können wie an Neckarwestheim II oder an wen auch immer, an im Zweifel jüngere. Meine Prophezeiung vor der Wahl war – wenn es dann im Jahre 2009 nicht dazu gekommen wäre, dass Sie mit Ihrer Position, dass Sie den Atomausstieg rückgängig machen wollen, die Bundestagswahl gewonnen hätten –, dass RWE am Tag nach der Wahl erklärt hätte, dass sie keinen Cent mehr in Biblis A und B investieren, die Dinger stilllegen und die Reststrommengen auf andere übertragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)