Protokoll der Sitzung vom 19.03.2013

In der Tat ist Sport die größte Bürgerbewegung in Deutschland. In über 90.000 Vereinen sind rund 28 Millionen Menschen engagiert. In der Tat hat der Sport eine große gesellschaftspolitische Bedeutung. Im Sport werden Werte wie Toleranz und Fairness vermittelt. Er führt Menschen unterschiedlicher Kulturen und sozialer Hintergründe zusammen. Sport ist Teil eines gesunden Lebensstils und unterstützt Integration und Bildung.

Meine Damen und Herren, das kann jeder hier im Haus unterstreichen. Das ist gut so, denn das ist nicht falsch, sondern richtig. Das sollte unsere gemeinsame Leitlinie sein.

Zu Beginn will ich an die Tradition der Sportpolitik anknüpfen. Sie haben das am Schluss wenigstens noch partiell geschafft: Es gibt eine Tradition der Sportminister in Hessen: Herbert Günther, Gerhard Bökel, Volker Bouffier, Boris Rhein, mit unterschiedlichen Ausprägungen und Schwerpunkten. Der eine war ein starker Hammerwerfer, der andere wohl ein ordentlicher Basketballspieler. Die Parteizugehörigkeit spielt da keine Rolle. Das ist auch gut so. Deswegen, Herr Innenminister, bin ich froh, dass es einen breiten Konsens in weiten Teilen des Sports gibt.

Den muss und kann man bei tagespolitischen Auseinandersetzungen außen vor lassen, ohne deswegen nicht auf Problemlagen und unterschiedliche Lösungsansätze hinzuweisen. Denn alles zuzuschütten – das brauchen wir an dieser Stelle auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Innenminister, zu Beginn haben Sie den Rechnungshof erwähnt: Wir sind schon mit Ihnen der Meinung, dass der Rechnungshof seine Prüfarbeit unabhängig erledigt. Sie habe das in Ihrem Ressort auch schon erlebt: Das Präsidium für Logistik beispielsweise wurde vom Rechnungshof ordentlich geprüft. Das war für Sie nicht ganz erfreulich. Der Rechnungshof arbeitet in Unabhängigkeit, und das ist auch so in Ordnung.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Meine Damen und Herren, Aufgabe der Landespolitik ist es in der Tat, Rahmenbedingungen für die Sportpolitik eines Bundeslandes festzulegen. Zu Recht haben Sie darauf hingewiesen, dass der überwiegende Teil der sportlichen Aktivitäten in unseren Städten und Gemeinden stattfindet. Bund, Länder und Kommunen geben im Jahr fast 4 Milliarden € für den Sport aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Davon entfallen fast 80 % auf den Kommunalbereich.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben dabei Dinge angeschnitten, die unstrittig sind. Natürlich brauchen wir Rahmenbedingungen. Dazu gehören Sportstätten, dazu gehört die Möglichkeit, Übungsleiter zu beschäftigen. Sie haben dazu Programme aufgeführt, die in Ordnung sind und die auch unsere Zustimmung finden. Das ist überhaupt kein Problem – etwa, wenn wir in dem überparteilichen Gremium „Freunde des Sports“ Dinge besprechen. Das haben wir nicht zu kritisieren, und das haben wir übrigens auch nie kritisiert, und ich glaube, auch zu Zeiten unserer Regierung haben Sie das nicht kritisiert. Diese Traditionen sollten wir fortsetzen.

(Peter Beuth (CDU): Wann war das?)

Herr Kollege Beuth, da waren Sie noch nicht im Landtag, und das war auch kein Nachteil.

(Beifall bei der SPD)

Es gab auch schon vor 1999 Politik, denn man wurde gewählt – auch, wenn Sie das nie glauben.

Herr Innenminister, an einer Stelle bin ich entspannter als Sie heute. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten: Sie an Ihrem Wahlerfolg, wir an unserem. Es entscheiden schlicht und ergreifend die Wählerinnen und Wähler am 22. September in demokratischer Wahl.

(Beifall bei der SPD – Peter Beuth (CDU): So ist das!)

Wer dann regiert, werden wir danach sehen. Wenn wir es sind, dann freue ich mich, denn so wird es kommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind auch dran.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Das ist aber nicht sportlich! – Peter Beuth (CDU): Das ist jetzt eine neue Variante! – Weitere Zurufe)

Ja, aber ich finde sie ganz gut.

Dann reden wir einmal über Geld. Herr Rhein, nach meinem Eindruck bemessen Sie in Ihrer Regierungserklärung die sportlichen Aktivitäten der Landesregierung ausschließlich in Geld. Reden wir also einmal über Rahmenbedingungen.

Sie haben sich für die vielen Programme gelobt. Den Ausdruck „Leuchtturm“ haben Sie dabei nicht gebraucht. Das ist auch vernünftig, denn alle „Leuchttürme“ der Regierung Koch sind mittlerweile relativ abgebrannt und haben sich in Luft aufgelöst. Deswegen reden Sie nicht mehr von „Leuchttürmen“.

(Widerspruch bei der CDU)

Es gibt Programme wie den Sportstättenbau und das Hallenbadinvestitionsprogramm. Machen wir es doch jetzt ein bisschen konkreter: Wie sieht eigentlich die Realität in Hessen aus – Sein und Schein?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich eben sagte, 80 % der Investitionen in den Sport finden in den Städten und Gemeinden statt, dann frage ich jetzt: Wie sieht es denn in Hessen aus? Wir haben über 100 Kommunen, die dem Rettungsschirm unterworfen sind. Wenn sie das Geld des Landes bekommen wollen, müssen sie harte Sanierungseinschnitte hinnehmen.

Ich nehme das Beispiel Hallenbäder. Sie haben sich für das 50-Millionen-€-Programm gelobt. Nun gibt es die Gemeinde Wildeck im schönen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Die wollte ein kleines Hallenbad sanieren und hat dafür einen Zuschuss des Landes, aus dem Innenministerium, bekommen. Der oberste Dienstherr sitzt hier am Ministertisch. Aber die Kommunalaufsicht in Hersfeld-Rotenburg lehnt das ab, weil die Kommune nicht die finanziellen Möglichkeiten hat. Was also soll das? In der Hessischen Verfassung steht: Sport ist eine Pflichtaufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Nehmen wir die Stadt Darmstadt, eine Rettungsschirmkommune. Sie erhöht die Hallenbenutzungsgebühren.

Nehmen wir die Stadt Spangenberg im wunderschönen Schwalm-Eder-Kreis, eine der höchstverschuldeten Gemeinden – Herr Staatssekretär Weinmeister –, mit über 50 Millionen € Schulden. Die Gemeinde geht unter den Rettungsschirm. Jetzt werden Sie feststellen – der Bürgermeister hat es angekündigt –: Da stehen Hallenbänder, da steht das Freibad zur Disposition; die Vereinsförderung wird eingeschränkt oder abgeschafft.

Gehen Sie in die Gemeinde Nidderau im Main-KinzigKreis. – Ich könnte die Palette dieser Beispiele fortsetzen. Die Vereinsförderung wird reduziert oder auf null gesetzt. Es werden Hallenbenutzungsgebühren eingeführt. Die Rahmenbedingungen für ehrenamtlich Tätige, und damit für Vereine und Mitglieder, werden sich drastisch verschlechtern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, was heißt denn das? Können sich zukünftig nur noch die wenigen reichen Gemeinden eine adäquate Sportförderung leisten? Oder wie machen sie es?

(Beifall bei der SPD)

Diesen Widerspruch müssen Sie an dieser Stelle schon einmal auflösen.

In Frankfurt gibt es eine drastische Erhöhung der Eintrittsgebühren für den Besuch von Hallenbädern.

Das Erlernen des Schwimmens ist gerade für junge Menschen wichtig. Sie haben zu Recht auf die gesundheitliche Problematik hingewiesen, dass viele Kinder mittlerweile übergewichtig sind. Deshalb müssen wir ein Interesse daran haben, dass sie sich sportlich betätigen können. Dann ist aber auch die Frage, ob sich die Eltern den Besuch solcher Einrichtungen leisten können.

Ich will damit darauf hinweisen, dass die Welt eben nicht ganz so rosarot ist. Es gibt in der Praxis vor Ort das Problem, dass die Städte und Gemeinden eine so wichtige Aufgabe nicht mehr wahrnehmen können. Wenn der Satz gilt, dass Prävention wichtig ist und dass der Sport hierzu einen wichtigen Beitrag leistet, müssen Sie die Vereine und die Kommunen allerdings auch in die Lage versetzen, solche gesellschaftspolitischen Aufgaben in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Herr Innenminister, dazu kein Wort von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf einen zweiten Punkt hinweisen, der sicherlich auch etwas mit Geld zu tun hat. Sie haben zu Recht den Landessportbund angesprochen. Der Landessportbund ist die Dachorganisation des organisierten Sports in Hessen mit rund 2 Millionen Mitgliedern. Sie waren ja gestern beim Landesportbund zu Gast. Ob es dem Sport in Hessen tatsächlich hilft, wenn das Kabinett beim Landessportbund tagt und Herr Bouffier mit Erfolg Tischtennis spielt, darüber können wir streiten.

(Zurufe von der CDU)

Das habe ich zur Kenntnis genommen. Ich werde mir den Bericht in der „Hessenschau“ noch einmal anschauen. Wenn Sie mich vorhin dafür beschimpft haben, habe ich es richtig gemacht. Auch das habe ich verstanden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Der Landessportbund hat am Wochenende die sogenannte Gründauer Erklärung abgegeben. Herr Innenminister, ich nehme an, Sie kennen die Gründauer Erklärung. Sie haben sie gestern wahrscheinlich erörtert. Wenn Sie sagen, der Sport brauche Unterstützung, dann ist insbesondere für den organisierten Sport wichtig, dass er planen kann. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages eingebracht, mit dem wir dem Sport, aber auch den Destinatären, die in anderen gesellschaftspolitischen Bereichen in genauso wichtiger Funktion tätig sind – das haben Sie völlig ignoriert –, Planungssicherheit geben wollen, indem wir ihnen eine Mindestsumme an Zuwendungen gewährleisten.

(Minister Boris Rhein: Wer zahlt das?)

Wer das zahlt? Herr Innenminister, Sie führen in der gedruckten Version Ihrer Regierungserklärung aus, dass Sie darüber nachdenken, das Darlehen in Höhe von 800.000 €, das der Landessportbund bekommt, in einen verlorenen Zuschuss umzuwandeln, wenn die Mittel in den nächsten Jahren nicht ausreichen sollten. Wer zahlt denn diesen verlorenen Zuschuss in Höhe von 800.000 €, Herr Innenminister? Darauf erwarten wir hier im Hessischen Landtag von Ihnen eine Antwort. Was machen Sie mit den anderen Destinatären, die ebenfalls finanzielle Probleme haben?

Bekommen auch die einen verlorenen Zuschuss? Wird auch bei denen das Darlehen umgewandelt? Was ist das für eine merkwürdige Argumentation?

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es bisher abgelehnt, unserem Änderungsantrag zum Glücksspielstaatsvertrag zuzustimmen. Der Landessportbund schreibt in seiner Gründauer Erklärung, man gehe davon aus, der organisierte Sport sei nur zu finanzieren, wenn es in Zukunft Zuwendungen in Höhe von 21,1 Millionen € gibt. Nach unserem Vorschlag wären wir bei 18,6 Millionen €. Wir wissen, dass die Geldmenge endlich ist – jedenfalls die meisten in diesem Hause wissen es –, aber Planungssicherheit ist für den Landessportbund ganz wichtig.