Protokoll der Sitzung vom 19.03.2013

(Peter Beuth (CDU): Das war ungewöhnlich!)

ich habe da doch gar keine Scheu –, ohne bestimmte Punkte auszusparen, die natürlich einer Lösung bedürfen. Wir haben doch keine Stunde null und können nicht das Ruder einfach herumwerfen und plötzlich alles anders machen.

Ich kann mich erinnern, in der Landesregierung hatten wir immer Minister, die dem Sport äußerst verbunden waren. Es beginnt mit Herbert Günther. Ich erinnere mich an Armin Clauss und an Gerhard Bökel. Was dann kam, nach 1999, das wurde hier schon aufgeführt. Mit dem ehemaligen Finanzminister Karlheinz Weimar hatten wir jemanden, der ebenfalls mit dem Sport sehr eng verbunden war – und das hat dem Sport in diesem Lande nicht geschadet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich will Ihnen einmal etwas aus der Praxis erzählen, denn hier entsteht der Eindruck, wir wären bei der Integration in diesem Lande geradezu hinter dem Mond.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das gilt nur für einige in Ihrer Fraktion!)

Ach, Herr Schaus, mit Ihrem Beitrag befasse ich mich schon gar nicht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Helmut von Zech (FDP) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))

Ich weiß noch ganz genau, dass im Jahr 2009 das heutige SPD-Mitglied Benedetto, Ausländerbeirat, ausdrücklich die Anstrengungen zur Integration in diesem Land gelobt hat. Daran brauchen wir auch nicht zu rütteln.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, denn ich bin nahe am Vereinsleben: Ich kenne einen Verein, der hat 370 Kinder und Jugendliche als Mitglieder, davon sind etwas über 70 % Kinder von Eltern mit ausländischen Wurzeln. Bei den Betreuern finden Sie von Portugal über Spanien, BosnienHerzegowina bis nach Ghana alle Farben und alle Sorten. Im Vorstand dieses Vereins ist ein Türke in einer sehr verantwortlichen Funktion und ebenfalls ein Grieche. Wenn ich Integration abbilden will, dann kann ich nicht dabei bleiben, Kinder zu betutteln, sondern ich muss das im Gesamtverein abbilden: Das muss eine gelebte Integration sein. Dafür werbe ich immer wieder, und das wird auch von dieser Sportpolitik des Landes Hessen gesehen und gefördert.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vereine, die ein solches Programm auflegen – ohne dass man ihnen beständig Integrationspapiere vorliest, sondern die das machen, weil das aus ihrem Stadtteil heraus die Lebenswirklichkeit ist –, können sich über den Rahmen öffentlicher Förderung auch der Unterstützung versichern. Das ist der richtige Weg: Man muss das zusammen sehen.

Sie haben das Thema G 8/G 9 angeschnitten, die Ganztagsschule. Das Thema Sport ist bei der Ganztagsschule noch nicht befriedigend gelöst. Wir brauchen um 15 Uhr oder um 15:30 Uhr das verlässliche Ende der Ganztagsschule, und am besten haben die Kinder dann auch schon die Hausaufgaben gemacht, sodass sie sich dann musischen oder sportlichen Interessen zuwenden können. Das ist auch die Aufgabe von Bildungspolitikern.

Da will ich mich gar nicht hineinhängen. Bei den Bildungspolitikern bin ich für das Konklave,

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Das wird nichts!)

aber wie ich die Bildungspolitiker kenne, sterben die lieber, statt dass weißer Rauch kommt.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Zurufe – Günter Rudolph (SPD): Ich klatsche wenigstens!)

Das Protokoll vermerkt: verstärkter Beifall des Kollegen Rudolph.

(Heiterkeit – Günter Rudolph (SPD): Der Rest traut sich nicht! – Minister Jörg-Uwe Hahn: Ich klatsche da mit!)

Die Debatten, die wir im Hessischen Landtag hatten, waren aus den Themen der Landessportkonferenz und den Treffen der Freunde des Sports abgeleitet. Bei diesen Treffen sitzt nicht die Presse am Tisch, sondern dort orientiert man sich ausschließlich an der Sache. Dort hält man keine Fensterreden. Für mich war das heute vorgezogener Wahlkampf, in besonderer Weise vom Kollegen Mack. Vielleicht geht es dabei auch noch um einen besseren Listenplatz – was weiß ich. Der Grund ist mir auch egal. Aber das war an den eigentlichen Realitäten vorbei.

Beim Thema Sportpolitik kommt doch zum Ausdruck, dass wir die Gemeinsamkeiten betonen und dass bei den Vereinen draußen die Parteipolitik keine Rolle spielt. Es geht ausschließlich darum, seine Vereinsarbeit daran zu orientieren, wie man Unterstützung erhält: Gibt es den Nulltarif in den Gemeinden? Sind die Schwimmbäder noch da? Sind noch Wasserflächen vorhanden?

Wenn die Landesregierung heute hier vorträgt, welche Leistungen sie erbracht hat, dann muss man doch die Größe haben, einfach einmal zu sagen: Jawohl, das ist der richtige Weg in die richtige Richtung. – Mit Sicherheit ist es nicht genug.

Heute habe ich von irgendjemandem Wahlprüfsteine bekommen. Wenn ich einmal addiere, was die alles wollen und was in den nächsten Monaten noch auf uns zukommt, dann muss der Haushalt doppelt so hoch sein. Das wird er aber sicher nicht werden.

(Zurufe von der SPD – Willi van Ooyen (DIE LIN- KE): Sie müssen die Einnahmen erhöhen!)

Darum müssen Prioritäten gesetzt werden.

Zum Thema Breiten- und Leistungssport will ich deutlich sagen: Beide leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Die Stärkung der Gemeinsamkeiten, eingeübte, praktizierte Fairness und menschliches und demokratisches Miteinander sind erstrebenswerte und gewollte Ziele. Menschen unterschiedlicher Herkunft, sozialer Schichten, Kulturen, Religion, unterschiedlichen Geschlechts, mit oder ohne Behinderungen finden in der sportlichen Betätigung Verbindungen, die für ihr Leben einen unverzichtbaren Wert haben. Mit diesen Idealen ist der Sport angetreten. Vielleicht sind das alte Kamellen, aber das ist heute noch so richtig und wichtig, wie das vielleicht vor Jahrzehnten formuliert wurde.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Über Generationen hinweg wird das freiwillige Engagement junger und älterer Sportbegeisterter gefördert. Meine Damen und Herren, oft wird das Wort von der Erschwernis des Ehrenamtes geprägt, und was alles damit zusammenhängt. Auch die Förderungsprogramme der Verbände, wie Ehrenamtler geschult werden, reichen dann nicht hin, wenn sie nicht genug Leute haben, die bereit sind, eine solche Aufgabe zu übernehmen. In unserer Event-Gesellschaft haben viele Tausend andere Beschäftigungen – ich denke nur an die Medien, an Facebook und Twitter; ich habe keine Freunde bei Facebook, und das ist gut so. Sie beschäftigen sich mit diesen Dingen und haben für anderes, manchmal sogar für eine normale Unterhaltung, keine Zeit. Darum werden die Leute von diesen Dingen abgelenkt.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Wenn Sie heute jungen Menschen gegenüberstehen, die im Verein groß werden, und sie fragen, ob sie eine ehrenamtliche Aufgabe übernehmen, dann sind manche dazu bereit – partiell, aber nicht so langfristig, wie wir das in Vereinen und Verbänden brauchen. Es muss sich nämlich ein Erfahrungsschatz ansammeln, wie man einen Verein oder eine Gruppe führt oder wie man die Jugend betreut – und zwar in einer Gesellschaft, die heute auch davon geprägt ist, dass sie eine Leistungsgesellschaft ist und dass zum Teil die Leistung, die Spitzenleistung überdreht wird. Ich kenne ein Presseorgan, das zu lesen ich nicht bevorzuge, das den Medaillenspiegel der Olympischen Spiele bereits zu einem Zeitpunkt vermeldet, zu dem diese noch gar nicht angefangen haben.

Ich will damit sagen, welcher Eindruck bei solchen Dingen erzeugt wird. Diesem Leistungsdruck ist nicht jeder gewachsen. Wer junge Menschen fördern will, der muss auch auf die Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen und muss ihnen ein Angebot machen. Ich habe kein Problem mit den Leistungszentren, weder bei Eintracht Frankfurt noch bei Wehen Wiesbaden. Aber die Jugendarbeit machen die kleinen Vereine, weil die großen in den Leistungszentren Auslese für den einen oder anderen Jahrgang betreiben, festgeschrieben von der deutschen Fußballliga; und alle, die nicht in das Konzept passen, werden in die Wüste geschickt.

Wenn Sie in einem Verein mit Kindern arbeiten, die neun oder zehn Jahre alt sind, und sie sich ansehen, wenn sie das erste Mal üben, dann stellen Sie schon fest, dass viele beim

besten Willen nie Fußballer werden. Aber diese Kinder suchen das Gemeinschaftserlebnis, das Miteinander mit den anderen. Da sind auch Dicke dabei, die werden es nie schaffen, aber sie sind froh, dass sie kommen können, auch sie tragen Trikots mit den Namen Lionel Messi oder Özil oder von sonst jemandem und freuen sich, wenn sie dabei sind. Teilweise sind die Trikots länger als die Kerle selbst.

(Heiterkeit)

Aber sie haben Spaß. Man muss im Vereinsleben natürlich auch zur Offenheit bereit sein. Wir haben bei uns auf der Homepage einen Satz, der lautet: Ob eine Mutter mit Kopftuch oder ohne ihr Kind zu uns bringt, ist uns egal; die Hauptsache ist, das Kind will Fußball spielen. – Das ist unsere Botschaft in Richtung Integration, denn wir brauchen jeden in diesem Land.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sollten einmal sehen, mit welcher Freude die Kinder dabei sind, wie sie sich freuen, dass sie zu uns kommen. Und wenn wieder einmal eine Weltmeisterschaft oder eine Europameisterschaft ansteht, bedrängen sie ihre Eltern, anzurufen und zu fragen: „Wann können wir denn unser Kind zu Ihnen bringen?“ Dann frage ich: „Wie alt ist es denn?“ – „Fünf Jahre alt. Aber er lässt uns von morgens bis abends keine Ruhe, er will Fußball spielen.“ – Das müssen wir einfach anbieten. Ich weiß, dass die Situation in den Ballungszentren eine völlig andere ist als auf dem Land. Das ist ganz klar. Dort ist es bei den Geburtenzahlen, die wir heute haben, schwierig, das alles abzubilden. Dabei geht es nicht nur um den Fußball, sondern auch um andere Sportarten.

Zum Thema Schule und Verein will ich etwas sagen. Es kommt ja immer das Schlagwort, die Vereine sollen in die Schulen gehen und sollen das mit den Schulen hinbekommen. Das funktioniert an der einen oder anderen Stelle in der einen oder anderen Sportart. Aber bei Mannschaftssportarten und bei einem Schulsystem, bei dem die Kinder aus allen Ecken und Enden einer Stadt kommen, geht das nicht. Es gibt auch keine Ehrenamtler, die schon um 15 Uhr oder um 15:30 Uhr zur Verfügung stehen. Die Leute schaffen ja alle ihre Arbeit.

Ich will aber ein Plädoyer für das halten, was die Landesregierung an Förderungsmaßnahmen in Absprache mit den Verbänden und mit dem Landessportbund macht, und ich will gar nicht geringreden, was der Kollege Rudolph in Richtung Glücksspielstaatsvertrag gesagt hat. Zu diesem Staatsvertrag haben wir im Innenausschuss eine Anhörung beschlossen. Ich bin immer noch optimistisch und hoffe, dass wir das hinbekommen, dass wir das Thema durchhacken, dass wir das lösen. Mein Ziel ist das auf jeden Fall. Ich weiß aber nicht, ob ich die Kraft habe, die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Es muss uns aber daran gelegen sein, eine einvernehmliche Lösung zu bekommen. Das haben wir in den letzten Jahren immer geschafft. Ich bin auch der Meinung, das ist des Schweißes der Edlen wert.

Ich will noch etwas zu den Fanprojekten und zum Thema Gewalt sagen. Ich will davon aus der Praxis berichten. In Wiesbaden hat kürzlich ein Fußballspiel zwischen zwei Verbandsligisten stattgefunden – alles friedlich, alles schiedlich, gar kein Problem. 20 Minuten vor Schluss in einer Ecke: elf junge Leute mit Bengalos, Feuerwerkskör

pern usw. Gott sei Dank waren zwei Polizeibeamte in Zivil anwesend, weil wir ein Fußballspiel vorbereiten, das am Samstag stattfindet, und zwar gegen Kickers Offenbach. Die Polizeibeamten haben sofort zugegriffen, haben ein Handy beschlagnahmt, wo sie die Adressen der elf Leute gefunden haben. Wir haben dann festgestellt bzw. es wurde uns von der Polizei gemeldet, dass niemand dieser elf Leute mit den beiden Vereinen, die damals gegeneinander gespielt haben, irgendetwas zu tun hatte. Diese elf Leute sind von einem Verein in der Nachbarschaft nach Wiesbaden gekommen, ausschließlich mit dem Ziel, Randale zu machen. Es ist jetzt gelungen, dass der Verein diesen elf Leuten, die er zum Teil schon kannte, ein Stadionverbot erteilt hat. Ich halte das für absolut richtig. Wer sich so verhält, hat auf dem Sportplatz nichts verloren. Man weiß vorher, was man da macht.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn ich daran denke, was uns am Samstag erwartet: Ein kleiner Verein muss einen Sicherheitsdienst ordern. Der kostet rund 2.000 €. Die Polizei wird eine starke Präsenz zeigen – alles nur deshalb, weil inzwischen bekannt ist, dass 600 Offenbacher kommen. Ich habe nichts gegen Offenbacher im Allgemeinen,

(Heiterkeit)

und der Kollege Lortz ist ja auch nicht da – zumindest im Moment.

(Große Heiterkeit)

Der hätte mir sofort einen Zwischenruf präsentiert.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Herr Grüttner ist doch da!)

Herr Grüttner ist Wiesbadener. Er ist nur Leih-Offenbacher.