Aber das, Frau Kollegin Müller, was Sie gemacht haben – und Tarek, ich sage das ganz persönlich, das, was der Fraktionsvorsitzende und Landesvorsitzende anscheinend nicht gelesen hat, was ihr dort habt durchgehen lassen –, ist für mich der Tiefpunkt in zehn Jahren parlamentarischer Debatte gewesen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Ich würde die Kollegen bitten, noch gar nicht zu klatschen, weil ich das einmal im Gesamten vorführen möchte. Ich möchte das hier einmal im Gesamtkontext erklären. Im Jahr 2012 sind 36 Menschen auf Autobahnen ums Leben gekommen. 2011 waren es 41. Das sind fünf weniger. Ich will den Text der Pressemeldung der GRÜNEN vorlesen, da Herr Kollege Caspar schon die Überschrift genannt hat, bevor wieder Zwischenrufe gemacht werden. Vielleicht hören die Kollegen einfach einmal zu.
„Das ist jetzt schon das zweite Jahr in Folge, dass in Hessen die Zahl der Menschen, die bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen, steigt. Allein im Jahr 2012 kam es zu einer Steigerung um 8 %. In Deutschland wurde im Gegensatz dazu zeitgleich ein historischer Tiefststand erreicht. Der Trend in Hessen muss gestoppt werden.
Frau Müller sagte vorhin in ihrer Rede, sie wolle nicht von einem Trend sprechen; das sei alles dahingestellt. – Jetzt Achtung:
Die Aufhebung von Tempolimits auf Autobahnen führt eben zu mehr Unfällen und damit leider auch zu mehr Todesfällen. Hier zeigt sich mal wieder, wie verantwortungslos die schwarz-gelbe Politik der ‚freien Fahrt für freie Bürger‘ ist“, …
Frau Müller, Sie sagen mit dieser Aussage, dass die Entscheidungen von Kollege Posch und mir zu mehr Todesfällen auf Autobahnen geführt haben. Die Zahlen widerlegen das. Eine solch unanständige Meldung habe ich in diesem Landtag noch nicht erlebt.
Herr Kollege Al-Wazir, sich dann hierhin zu stellen und vielleicht in Unkenntnis der Meldung, die Frau Müller von sich gegeben hat, eine solche Rede zu halten, das habe ich noch nicht erlebt. Ich verstehe vieles. Hier geht es manchmal drunter und drüber. Liebe Kordula, an der Stelle verstehe ich überhaupt nicht mehr, dass die GRÜNEN, auch aus moralischen Gesichtspunkten, so etwas durchlaufen
Von 2000 bis 2010 sind die Unfalltoten in Hessen um 53 % zurückgegangen. Das ist in unserer Regierungszeit. Wir haben in dieser Regierungszeit – Kollege Rhiel, Kollege Posch und jetzt auch ich – Tempolimits auf Autobahnen zurückgenommen. Die Zahl der Toten ist nicht gestiegen, sondern – ich habe die Zahl genannt – sie ist sogar gesunken.
Kollege Frömmrich, ich muss sagen, ich weiß gar nicht, warum ständig dazwischengerufen wird. Meine Frage ist, ob ein solcher Vorwurf, dass eine politische Entscheidung zu Toten führt, wirklich ein Vorwurf ist, den ihr als GRÜNE erheben wollt, ob das wirklich ein Vorwurf ist, der politisch erhoben werden soll. Das ist unglaublich.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Vizepräsident Heinrich Heidel übernimmt den Vorsitz.)
Ich sage ganz offen: Es fällt mir wirklich schwer, an dieser Stelle weiterzumachen, weil ich eigentlich gedacht habe, dass Frau Müller in der Lage ist – –
Frau Kollegin Wissler, Sie sollten sich ruhig weiter disqualifizieren; denn anscheinend kann das Niveau der GRÜNEN noch von den LINKEN unterboten werden, ein interessanter Tatbestand.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Beantworten Sie die Fragen! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Herr Kollege Müller hat genauso wie Kollege Caspar gesagt, und das zeigt auch unser Antrag: Wir müssen uns Gedanken darüber machen, dass die Zahl der Verunglückten auf den Landstraßen gestiegen ist. Dort gibt es übrigens feste Tempolimits, wie Sie vielleicht wissen. Aber ich weiß nicht, ob Ihnen dieser Tatbestand bekannt ist. Insofern scheint der Kontext: „Tempolimit führt zu weniger Toten“ auf Landstraßen nicht zu stimmen. Aber ich weiß, das interessiert Sie alles nicht.
Wir geben im Landesstraßenbauhaushalt 100 Millionen €, das sind 200 Millionen DM, aus. Im letzten Jahr der rotgrünen Landesregierung betrug er 24 Millionen DM, um nur eine Vergleichszahl zu nennen. Das sind Maßnahmen, die wir durchführen, um zu Verkehrssicherheit zu kommen. Wenn wir uns die Unfallursachen anschauen, dann steht an erster Stelle aller Unfallursachen in Hessen bei Unfällen mit Personenschäden die Missachtung der Vorfahrt. Auf Platz 2 und 3 kommen Abstand, Abbiegen und Wenden, und auf Platz 4 ist die Geschwindigkeit, also nur Platz 4. Diese ist übrigens im Vergleich zu vorher noch einmal um 9 % gesunken. Also kann der Kontext: „Geschwindigkeitsaufhebungen führen zu mehr Unfällen“ widerlegt werden.
Meine Damen und Herren, das, was wir machen, hat nur mit Sicherheit und Akzeptanz zu tun. Das Land Hessen hat in den letzten Jahren so viel wie kein anderes Land in Tele
matik, Tempoleitsysteme investiert, weil die Steuerung des Verkehrs durch intelligente Systeme zu höherer Akzeptanz führt. Es hilft uns nichts, starre Tempolimits auf die Straßen zu stellen, die dann von den Menschen nicht akzeptiert werden, sondern die Tempoleitsysteme sorgen dafür, dass nur dann zugeschaltet und der Verkehr gedrosselt wird, wenn die Verkehrsdichte dies erfordert.
Das ist ein System, um das uns viele andere Bundesländer beneiden. Darin werden wir weiter investieren. Ideologische Gängelung wird es mit uns nicht geben.
Zweitens. Wir sind Modellversuchsland für das sogenannte SIM-TD-Verfahren. SIM-TD bedeutet die intelligente Kommunikation zwischen Fahrzeugen. Gerade bei verkehrswidrigen Situationen, kritischen Situationen, starkem Abbremsen, hoher Verkehrsdichte, zu geringem Abstand werden diese Systeme in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Fahrzeuge untereinander kommunizieren und dass Sicherheitssysteme aktiviert werden, wenn es zu brenzligen Situationen kommt.
Dieses Versuchsfeld hat hoffentlich nicht nur für Hessen positive Auswirkungen, sondern wird hoffentlich die Zahl der Todesfälle in Deutschland insgesamt noch einmal deutlich reduzieren. Ich glaube, es lohnt sich, in dieses Verfahren gemeinsam zu investieren und aktiv zu werden.
Dritter Punkt. Wir haben es beim sogenannten Slotmanagement für Baustellen geschafft, dass Baustellen nur dann eingerichtet werden, wenn sie keine übermäßigen Staus erzeugen. Das ist ein schwieriges Problem. Denn natürlich sind Baustellen durch die engere Fahrbahnbreite, durch die gedrosselte Geschwindigkeit bei einem erhöhten Verkehrsaufkommen immer eine Schwachstelle in einem System.
An dieser Stelle möchte ich aber auch daran erinnern, dass wir in den letzten Jahren in Hessen sinkende Todeszahlen hatten, gerade auf Autobahnen, über die wir hier reden, obwohl der Verkehr deutlich zugenommen hat. Das zeigt, wie intelligent unsere Systeme in diesen Bereichen in den letzten Jahren waren.
Herr Kollege Frankenberger, natürlich kann man darüber diskutieren, ob alles richtig ist, ob wir alles optimal machen, ob die Systeme, die sich Hessen Mobil gemeinsam mit unseren Fachleuten ausdenkt, überall funktionieren. Aber die Aussage zu treffen – es ist schade, dass sich die Sozialdemokraten da weggeduckt haben –, die Aufhebung von Tempolimits führe zu mehr Toten, ist nicht nur unmoralisch, sondern es ist aus meiner Sicht auch wirklich der Tiefpunkt einer parlamentarischen Debatte.
Wir sind im Forschungsprojekt „Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland“. Wir haben dort ein Projekt auf den Weg gebracht, das von vielen Bundesländern beäugt wird, weil wir versuchen, genau diese verschiedenen Strukturen zusammenzuführen. Ich glaube, das hat sehr viel mit Verkehrssicherheit zu tun, wenn man es schafft, die Akzeptanz der Autofahrer für Regeln zu erhöhen, wenn die Autofahrer wissen, dass sie durch diese Regelungen nicht gegängelt werden.
Neben der Tatsache, dass wir von Frau Müller heute ein Tempolimit von 130 km/h gehört haben, die GRÜNEN auf Bundesebene 120 km/h wollen und die SPD dazu keine
Meinung hat, stelle ich fest: Der Straßenverkehr ist keine grüne Erziehungsanstalt. Der Straßenverkehr ist keine Erziehungsanstalt, wo Staatsbürger erzogen werden sollen.
Die Menschen haben einen Anspruch auf sichere und gut ausgebaute Straßen. Deshalb investieren wir im Vergleich zu den Ländern, wo die GRÜNEN wieder die Verantwortung übernommen haben, so viel in Straßen. Wir investieren in den Zustand von Straßen, in intelligente Systeme und in Telematik. Wir setzen nicht auf starre Verkehrsregeln wie Baden-Württemberg oder auch andere Länder. Wir wollen nicht zurück in die Steinzeit.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, „in die Steinzeit“!)
Her Kollege Al-Wazir, man kann dazu unterschiedlicher Meinung sein. Das ist völlig okay; für mich ist das so. Der Unterschied ist aber, dass wir vielleicht unsere Meinung akzeptieren sollten, ich Ihnen aber nicht so etwas vorwerfe, was moralisch in der Liga liegt, wie es Frau Müller formuliert hat. Das ist der Unterschied, und diesen Unterschied nehme ich für mich in Anspruch.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ihre Belehrungen reichen mir so langsam! Sie sind Minister und nicht Abgeordneter!)
Frau Kollegin Wissler, wir kennen vieles. – Ich glaube, das Thema erfordert wirklich etwas mehr Anstand und nicht ständige Zwischenrufe.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Es reicht mir jetzt langsam mit Ihren Belehrungen! Sie sind kein Abgeordneter!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe bei diesem Thema viel erlebt. Aber das, was die GRÜNEN hier gemacht haben, übersteigt das normale Maß einer parlamentarischen Auseinandersetzung bei Weitem, Frau Kollegin Müller. Deshalb sage ich zum Schluss gern noch einmal: Vielleicht schalten Sie das nächste Mal Ihren Verstand ein, bevor Sie solche Pressemitteilungen formulieren.
Ich gehe einmal davon aus, dass alle Mitglieder dieses Parlaments mit Verstand arbeiten und ihn auch einschalten, Herr Minister.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Außer der Flegel von der Regierungsbank! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU), zu den GRÜNEN gewandt: Wie bitte? – Holger Bellino (CDU): Unverschämtheit!)