Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairem Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Drucks. 18/6291, lautet:
Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und LINKEN bei Stimmenthaltung der GRÜNEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft und zur Vergabe öffentlicher Aufträge, Drucks. 18/6492, lautet:
Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, GRÜNEN und LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Dringlichen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge, Drucks. 18/6523, lautet:
Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimme der LINKEN bei Stimmenthaltung von SPD und GRÜNEN, den Dringlichen Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Wir kommen zur Aussprache in der Reihenfolge der eingegangenen Gesetzentwürfe. Ich erteile Herrn Abg. Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema öffentliche Auftragsvergaben begleitet uns während der ganzen zu Ende gehenden Legislaturperiode. Das Gesetz, das CDU und FDP heute beschließen wollen, wird das, fürchte ich, leider nicht ändern, denn Sie haben eineinhalb Jahre an einem Gesetz gestrickt, das letztlich ein zahnloser Tiger ist, und zwar deshalb, weil Sie nicht verstanden haben, dass das Vergaberecht nicht in erster Linie dazu da ist, es den Beschaffern – dem Land, seinen Behörden oder den Kommunen – besonders leicht zu machen oder die regionale Wirtschaft besonders zu fördern, sondern zuvorderst die Aufgabe hat, Transparenz und fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Herr Prof. Ronellenfitsch hat Ihnen in der Anhörung überdeutlich gesagt, dass es darum gehe, eine öffentliche Aufgabe im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu erfüllen – wirtschaftlich, aber zugleich unter fairen Rahmenbedingungen. Deshalb ist es völlig legitim, dass weitere Kriterien aufgestellt werden, z. B. Tariftreue sowie ökologische oder soziale Kriterien, die das öffentliche Wohl konkretisieren. Auch das hat Ihnen Prof. Ronellenfitsch in der Anhörung ins Stammbuch geschrieben. Sie selbst machen das im Übrigen in der Definition des Mittelstands, die Sie dem Gesetzentwurf voranstellen.
Damit sind wir direkt bei den erhöhten Vergabegrenzen. Es wird Sie nicht wundern, dass ich dieses Thema hier besonders anspreche. Sie wollen diese auf dem hohen Niveau der Konjunkturprogramme halten, und Sie haben den Schwellenwert für freihändige Vergaben auf 100.000 € verzehnfacht. Dort soll er jetzt bleiben.
Damit machen Sie die öffentliche Ausschreibung faktisch von der Regel zur Ausnahme. Gerade nach den Erfahrungen, die in Hessen gemacht wurden – Stichworte: HZD und die Autalhalle in Niedernhausen, wo Ihnen nachgewiesen wurde, dass gerade im Windschatten dieser erhöhten Schwellenwerte Aufträge in Millionenhöhe rechtswidrig vergeben wurden –, ist das ein völlig abwegiger Vorgang.
Schauen wir uns abgesehen davon einmal an, was die Praktiker sagen, also diejenigen, denen das angeblich nutzt. Herr Weimar hat als Finanzminister bei der Verabschiedung der Konjunkturprogramme versprochen, es werde eine seriöse Evaluation der Erfahrungen mit den erhöhten Wertgrenzen geben. Das Wirtschaftsministerium hat uns nach mehrfacher Nachfrage endlich etwas vorgelegt, was zusammengefasst so lautete: Die meisten Befragten haben die Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen mit „sehr gut“ bewertet. – Es ist also alles bestens.
Ich habe den begründeten Verdacht, dass Finanzminister a. D. Weimar mit einer seriösen Evaluation damals etwas anderes gemeint hat. Herr Weimar, ich empfehle Ihnen
Bei dieser Evaluation wurde nämlich unterschlagen, dass all die Praktiker aus dem Hessischen Competence Center, dem Hessischen Baumanagement und der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung – das sind die großen Beschaffungsstellen des Landes – die Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen für beschränkte Vergaben als „nicht gut“ bewertet haben. „Nicht gut“ war die schlechteste der drei angebotenen Kategorien. Diejenigen, die für das Land Hessen die meisten Waren und Dienstleistungen beschaffen, sagen also, die erhöhten Vergabegrenzen hätten sich in der Praxis nicht bewährt.
Vollends lächerlich wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass z. B. das Hessische Ministerium des Innern und für Sport in dieser Evaluation zwar bescheinigt, sehr gute Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen gemacht zu haben, es sich aber bei einer Nachfrage herausstellt, dass dieses Ministerium im Betrachtungszeitraum genau null Aufträge vergeben hat. Ihnen müssen wirklich alle Argumente fehlen, wenn Sie solche Taschenspielertricks nötig haben.
Auch der Bundesrechnungshof hat die erhöhten Vergabegrenzen evaluiert. Es waren 16.000 Vergabeverfahren an der Zahl. Er kommt zu folgendem Schluss: Die Dauer der Verfahren wurde nicht verkürzt. Der Wettbewerb wurde deutlich eingeschränkt. Der Einkauf von Leistungen wurde zum Nachteil der Auftraggeber beeinträchtigt. Zusammengefasst: Die Zunahme nicht öffentlicher Vergabeverfahren erhöht die Korruptions- und Manipulationsrisiken.
Ähnlich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, wenn er dafür plädiert, die Wertgrenzen zurückzuführen; denn sie hätten „zu Kirchturmpolitik, Preissteigerungen und einer schlechteren Korruptionsprävention geführt“.
Sie tun gerade so, als sei Hessen eine einsame Insel, auf der völlig andere Regeln gelten. Ihre eigenen Fachleute haben Ihnen das bescheinigt, die Industrie- und Handelskammern sehen das so, und auch das Urteil des Bundesrechnungshofs fällt eindeutig aus. Wer die öffentliche Ausschreibung von der Regel zur Ausnahme macht, erweist der Wirtschaftlichkeit, dem fairen Wettbewerb und auch den Unternehmen einen Bärendienst.
Uns GRÜNE hat bei der Abfassung unseres Gesetzentwurfs der Wille geleitet, ein Gesetz zu schaffen, das für wirklich fairen Wettbewerb bei maximaler Transparenz sorgt, das es aber auch Land und Kommunen ermöglicht, soziale und ökologische Kriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen, und das es Unternehmen, die für öffentliche Auftraggeber in Hessen tätig sind, verbietet, Dumpinglöhne zu zahlen. Das ist übrigens in den meisten anderen Bundesländern bereits der Fall. Das alles – wir werden das wahrscheinlich gleich wieder hören – nennen Sie inzwischen „vergabefremd“.
Vor zwei Jahren gab es, geleitet vom hessischen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „Hessen: Vorreiter für eine nachhaltige und faire Beschaffung“. Diese Arbeitsgruppe hat Ziele definiert und ausdrücklich fixiert, dass es für die konkrete Beschaffungs
praxis klarer rechtlicher Vorgaben bedarf. Herr Minister, was für Kriterien hat diese Arbeitsgruppe aufgeschrieben?
sollen soziale Aspekte einfließen und zusätzliche Anforderungen an die Auftragnehmer gestellt werden.
Als Beispiel sind „existenzsichernde Löhne (Tariftreue, Mindestlohn …)“ angeführt. Ja, was denn jetzt, Herr Finanzminister? Ist das vergabefremd, oder ist es geboten?
Zweitens: ökologische und soziale Kriterien. Auch dazu finden sich im Schäfer-Papier ganz andere Aussagen. Es wird nicht auf eine angebliche Vergabefremdheit hingewiesen. Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung im Lande Hessen sollen demnach unter anderem faire Preise, Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Produzenten, sozial verträgliche Arbeitsbedingungen sowie ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit sein. Das alles soll jetzt vergabefremd sein. Der hessische Finanzminister hat damals sogar Folgendes festgehalten – ich darf nochmals zitieren –:
Die einschlägigen vergaberechtlichen Grundlagen lassen die Berücksichtigung von umwelt- oder sozialbezogenen Aspekten bei der öffentlichen Beschaffung zu.
Da steht kein Wort von Vergabefremdheit. Herr Schäfer, nichts von dem, was Sie ganz persönlich in Aussicht gestellt haben, wird mit diesem schwarz-gelben Gesetz Realität in Hessen. Im Gegenteil, Sie sollten Ihr Gesetz lieber „Gesetz gegen Wirtschaftlichkeit im Beschaffungswesen und zur Behinderung des fairen Wettbewerbs“ nennen. Das beschreibt jedenfalls weit besser, was in diesem Gesetzentwurf real steckt. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach gesagt, dass der Entwurf der CDU und der FDP für ein Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz zumindest im Vergabeteil reine Makulatur ist. Notwendige Regelungen gegen Dumpingkonkurrenz und Dumpinglöhne sowie für Tariftreue und Mindestlöhne sucht man vergebens. Aber das war auch nicht anders zu erwarten.
Herr Dr. Arnold, meine Einschätzung hat sich in der Anhörung bestätigt. Viele Anzuhörende, z. B. Prof. Dr. Kempen und Rechtsanwalt Kröcher sowie alle Vertreter der Gewerkschaften und andere, haben dem CDU/FDP-Entwurf, was die Tariftreue angeht, eine rein deklaratorische Wir
kung attestiert; denn er bezieht sich lediglich auf die Einhaltung von Allgemeingültigkeitserklärungen von Tarifverträgen und das Arbeitnehmerentsendegesetz. Das ist, mit Verlaub, eine Selbstverständlichkeit; denn an anderer Stelle ist das längst geregelt.
Rechtsanwalt Kröcher vertrat in der Anhörung sogar die Auffassung, dass die rein deklaratorische Wirkung des CDU/FDP-Entwurfs ausdrücklich gewollt ist; denn der Unterschied zu den Oppositionsentwürfen ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Ich füge hinzu: So sehe ich das auch; schließlich sind wir im Wahljahr.
Stefan Körzell vom DGB Hessen-Thüringen weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen des CDU/ FDP-Entwurfs, der uns heute vorliegt, noch weit hinter die des Vergabegesetzes zurückfallen, das 2008 unter der CDU-Alleinregierung eingebracht und verabschiedet worden ist. In dem Vergabegesetz von 2008 wurde beispielsweise die betriebliche Erstausbildung gewürdigt, und auch Sanktionen und die Nachunternehmerhaftung waren hier geregelt. Mit der FDP in Hessen scheint das heute nicht mehr möglich zu sein.
Im Gegensatz zu uns haben Sie nämlich in Ihrem Entwurf weder Sanktionen noch Kontrollen, noch die Nachunternehmerhaftung geregelt. Selbst der kleine Versuch in Ihrem Ursprungsentwurf wurde mit dem gestern eingebrachten Änderungsantrag wieder aufgehoben. Auch das hat die Anhörung deutlich gemacht: Ein Gesetz, das keine Sanktionen und Kontrollen vorsieht, entfaltet keine Wirkung.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf eine eigenständige Prüfbehörde wie in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll macht ihre Arbeit, ist aber offensichtlich personell nicht ausreichend ausgestattet. Auch das haben wir in der Anhörung gehört.
Unsere Landesregierung weiß noch nicht einmal, wie viele Beamte in Hessen bei dieser Einheit Schwarzarbeit ihren Dienst tun; zumindest konnte sie meine dahin gehende Frage nicht beantworten. Prof. Dr. Kempen – hier bin ich bei dem Thema vergabefremde Kriterien – bezog sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ausdrücklich auf die im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzipien abzielt.