Kai Klose

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Ich frage die Landesregierung:
Wie wird sichergestellt, dass FSJ-Leistende bei der „Offensive Junger Christen“ nicht in Berührung mit dem von der „Offensive“ betriebenen „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“ kommen?
Herr Minister, wie erklären Sie sich vor dem Hintergrund des eben Gesagten, dass die Offensive Junger Christen im „Darmstädter Echo“ vom 5. November damit zitiert wird, ihr seien keine Auflagen erteilt worden?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lenders, von Ihrem Wortbeitrag eben war ich ein wenig überrascht,
und zwar deswegen, weil Sie von der „Mietpreisbremse von Herrn Siebel“ gesprochen haben.
Wenn ich mich richtig erinnere, ist es ziemlich genau vier Monate her, da hat der Herr Ministerpräsident höchstpersönlich bei Frau Illner auf dem Sessel gesessen und über die Entwicklung der Mietpreise in Deutschland diskutiert. Da hat er verkündet, er wolle Mieter beim Abschluss eines neuen Mietvertrags vor überhöhten Mieten schützen,
und er werde auch die Möglichkeiten zum Schutz von Bestandsmieten in seinem Land einsetzen. Damit meinte er nichts anderes als die Mietpreisbremse, über die wir heute diskutieren.
Herr Ministerpräsident, um das klar zu sagen: Ja, wir müssen die seit Mai bestehenden Möglichkeiten nutzen und die Mieterhöhungen bei Bestandsmieten in Gebieten mit Wohnungsnot auf maximal 15 % in drei Jahren begrenzen. Und ja, gerade bei den Neuvermietungen besteht höchster Handlungsdruck. Das haben Sie bei Frau Illner übrigens, ich darf das zitieren, „bedrückend“ genannt. Aber außer diesen salbungsvollen Worten ist seitdem in Hessen in Sachen Mietpreisbremse leider nichts passiert.
Herr Lenders hat sich für seine Fraktion gerade eben davon auch maximal distanziert.
Das hat einen ganz einfachen Grund: Die CDU lässt sich zum ich-weiß-nicht-wievielten Male am wohnungspolitischen Gängelband der FDP durch die Arena führen.
Herr Hahn hat gesagt, ich darf aus seinem „hr online“-Interview zitieren, eine Mietpreisbremse werde es mit der FDP nicht geben, weil sie „illiberal“ sei. Dazu muss ich wirklich sagen: Bei diesem Verständnis von Freiheit ist es wirklich an der Zeit, dass wir uns die Freiheit zurückerobern.
Fakt ist, dass diese Landesregierung zum Ende ihrer Amtszeit vor einem wohnungspolitischen Scherbenhaufen steht. Erst haben Sie jahrelang überhaupt kein Interesse an öffentlicher Wohnungspolitik gehabt. Da haben Sie noch davon gesprochen, das sei ein Relikt der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Dann haben Sie den Verkauf der Nassauischen Heimstätte betrieben und konnten erst durch ein breites gesellschaftliches und politisches Bündnis gestoppt werden.
In Erinnerung bleiben wird das übrigens vor allem als einer der wesentlichen Beiträge der Hessischen Landesregierung zum Scheitern Ihres OB-Kandidaten in Frankfurt. Des Weiteren haben Sie vor zwei Jahren die Fehlbelegungsabgabe gegen den erbitterten Widerstand der Kommunen abgeschafft und ihnen so verlässliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau entzogen.
Schließlich haben Sie zu einem Zeitpunkt, zu dem das Problem der Wohnungsnot im Ballungsraum nun wirklich für jeden offensichtlich war, der nicht gerade Tomaten – meinetwegen, die sind Ihnen ja sympathischer, auch Fleischtomaten – auf den Augen hatte,
hier ein Wohnraumfördergesetz durch den Landtag gepeitscht, das der Eigenheimförderung ausdrücklich Vorrang vor der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus einräumt: ein von FDP-Ideologie durchtränktes Gesetz, das – gerade auch angesichts historisch niedriger Hypothekenzinsen – völlig am Bedarf vorbeigeht.
Wo stehen wir heute? – Der hessische Wohnungsmarkt gerät in eine immer größere Schieflage. In den ländlichen Regionen stehen Häuser und Wohnungen leer. Dafür herrscht im Ballungsraum und in den Uni-Städten akuter Wohnraummangel.
Statt endlich auf diese dramatische Entwicklung zu reagieren, hat Schwarz-Gelb die Wohnungspolitik immer weiter zurückgefahren. Jährlich läuft in Hessen für rund 3.000 bis 4.000 Wohnungen die Sozialbindung aus. Etwa 40.000 Haushalte in Hessen suchen eine Sozialwohnung. Demgegenüber hat die Landesregierung im gesamten Jahr 2011 gerade einmal 565 neue Wohnungen vorzuweisen.
Weil dann doch irgendjemand gemerkt hat, dass dieses wohnungspolitische Versagen im bevorstehenden Wahlkampf ein Problem ist, haben Sie dieses Sonderprogramm erfunden, um wenigstens ein bisschen Aktivität vorzutäuschen.
Meine Damen und Herren, Sie hinterlassen eine verheerende wohnungspolitische Bilanz. Jedenfalls der Ministerpräsident weiß das auch. Er hat sich sogar neulich dafür so geschämt, dass er die Annahme von mehr als 100.000 Unterschriften für mehr bezahlbaren Wohnraum verweigert hat. Sie können sich nicht gegen die FDP durchsetzen. Vielleicht wollen Sie das auch gar nicht. Und Sie lassen es zu, dass die sich auch noch auf dem Rücken der Menschen, die sich Wohnraum kaum noch leisten können, profiliert.
Das zeigt: Die hessische Wohnungspolitik braucht einen völligen Neuanfang. Der ist nur mit einem Regierungswechsel möglich. Hessen wechselt zu fairen Mieten, und zwar ohne Sie.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war genau gestern vor 60 Jahren, dass die Europäische Konvention für Menschenrechte in Kraft getreten ist; auch Russland hat sie unterzeichnet und ratifiziert. Heute müssen wir leider feststellen, dass sich die Menschenrechtslage in Russland in den letzten Jahren dramatisch zum Schlechteren entwickelt hat. Was seit Glasnost und Perestroika, seit dem Ende der Sowjetunion, an Positivem erreicht wurde, wird von der Regierung Putins nicht nur gefährdet, sondern in Russland werden die Menschenrechte heute leider häufig mit Füßen getreten.
Ich bin deshalb allen Fraktionen ausdrücklich dankbar – da kann ich mich anschließen –, dass sie sich, trotz der Tatsache, dass wir uns nun unstreitig in der heißen Phase des Wahlkampfes befinden, unserer Initiative angeschlossen haben und es möglich war, einen Antrag auf die Beine zu stellen, den alle in diesem Haus unterstützen können.
Meine Damen und Herren, die Unterdrückung der Opposition und des zivilgesellschaftlichen Engagements, aber auch die Gerichtsverfahren gegen prominente Oppositionelle deuten nicht darauf hin, dass Russland auf dem Weg in Richtung Demokratie und zum Rechtsstaat fortschreitet, eher auf das Gegenteil. Das dürfen wir, gerade weil uns die Entwicklung in Russland und damit auch in unserer Partnerregion Jaroslawl am Herzen liegt, nicht unbeantwortet lassen.
Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist leider auch das am 11. Juni von der Duma beschlossene Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda. Dieses Gesetz verbietet generell die Information über Homosexualität und stellt öffentlich gezeigte Zuneigung unter Lesben und Schwulen unter Strafe. Konstantin Yablotskyi, ein russischer Eiskunstläufer, hat kürzlich in einem sehr eindrücklichen Artikel in der „Zeit“ beschrieben, welche Folgen dieses Gesetz konkret hat. Veranstaltungen, bei denen mit der Regenbogenflagge ein Bekenntnis zur Vielfalt abgelegt wird, sind seither verboten. Ein Frauenpaar beispielsweise, das in der St. Petersburger U-Bahn Händchen hielt, wurde denunziert und verhaftet.
Das ist aber leider nur die Spitze des Eisbergs. Nicht erst seit diesem Gesetz, aber seitdem massiv verstärkt, sind Lesben und Schwule in Russland zum Freiwild geworden. Russische Neonazigruppen jagen schwule Männer, teils noch Schüler, schlagen, treten und foltern sie und zwingen sie zu demütigenden Handlungen und Aussagen, die dann als Video ins Netz gestellt werden.
Inzwischen warnt sogar das Auswärtige Amt Homosexuelle vor Reisen nach Russland. Gleichzeitig soll Russland 2014 Gastgeber der Olympischen Spiele und 2018 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft sein. Was heißt das denn dann nicht nur für lesbische oder schwule Athletinnen und Athleten, sondern auch für die Besucherinnen und Besucher? Soll nicht gerade der Sport Menschen stärker machen und vereinen, statt auszugrenzen und zu trennen? Der Sport lebt doch gerade von seiner Vielfalt, von der Vielfalt der Sportlerinnen und Sportler, aber eben auch von der Erfahrung des Einzelnen, dass gemeinsam Kämpfen stark macht.
Mich hat es empört, dass der Leichtathletikweltverband der schwedischen Hochspringerin Emma Green verboten hat, regenbogenfarben lackierte Fingernägel zu tragen und damit ein Zeichen für die Menschenrechte zu setzen.
Menschenrechte sind universell, sie stehen über politischen Auseinandersetzungen. Deswegen können die großen Sportverbände ein Eintreten für sie auch nicht als Verletzung der politischen Neutralität verbieten. Das war ein absurder Vorgang, der sich nicht wiederholen darf.
Einen Maulkorb in Sachen Menschenrechte kann niemand verhängen, auch nicht das Internationale Olympische Komitee.
Ebenso erbärmlich war die Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbunds. Ich habe dort um eine offizielle Aussage zu dem Vorgang gebeten. Die Antwort lautete: Schauen Sie auf unsere Website, wir haben dort etwas unter
„Frage und Antwort“ bereitgestellt. – Das sollen die offiziellen Verlautbarungen sein – wie lächerlich.
Meine Damen und Herren, „Demokratie zeichnet sich durch die Achtung und den Respekt der Meinung Andersdenkender genauso aus wie durch den Schutz gesellschaftlicher Minderheiten“, heißt es in unserem gemeinsamen Antrag. Deshalb ist die Botschaft des gemeinsamen Antrags: Wir stehen an der Seite derjenigen, deren Rechte in Russland unterdrückt werden. Wir senden heute von Wiesbaden aus Liebesgrüße nach Moskau.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich auf das Thema Adoptionsrecht eingehe, angesichts des heutigen Datums zunächst eine Erinnerung. Es ist heute auf den Tag genau 34 Jahre her, dass Schwule, Lesben und Transgender im New Yorker Greenwich Village erstmals Widerstand geleistet haben gegen die willkürlichen Polizeirazzien, denen sie bis 1969 und auch noch danach ausgesetzt waren. Eingangs möchte ich deshalb mit meiner Rede auch an die tapferen Menschen erinnern, die sich damals dafür verprügeln lassen mussten, dass wir heute beispielsweise in diesem Land einen schwulen Außenminister haben können.
Dass das Oberste Bundesgericht der USA am gestrigen Tag das Verbot der Gleichstellung der Homo-Ehe als Verfassungsbruch gegeißelt hat, ist diesen Menschen hoffentlich eine späte Genugtuung.
Auch in Deutschland sind seit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes zahlreiche Verfassungsgerichtsurteile zur Gleichstellung ergangen. Das Gericht musste am Ende immer wieder entscheiden, weil – da muss ich Ihnen in der Tat widersprechen, Herr Ministerpräsident – CDU und CSU nicht in der Lage sind, gesellschaftliche Realitäten in diesem Land anzuerkennen.
Zuletzt war das beim Ehegattensplitting so; Sie wissen es. Die EKD und die EKHN sind dabei gerade einen guten Schritt vorangekommen. Auch in Hessen war es so, dass die rückwirkende Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften im Landesrecht leider erst dann verwirklicht worden ist, als die entsprechenden Verfassungsgerichtsurteile Sie dazu gezwungen haben. Noch im Jahr 2010 haben CDU und FDP im Landtag eine solche Regelung abgelehnt, und noch im September 2012 stimmten Sie hier gemeinsam gegen die steuerliche Gleichstellung. Das ist in der Tat so.
Was jetzt zur völligen Gleichstellung noch fehlt, ist ein entsprechendes Adoptionsrecht. In einem Satz stimme ich Ihnen zu: Es kann und darf beim Adoptionsrecht allein nur um das Kindeswohl gehen. Das ist vollkommen richtig.
Allerdings geht es uns da eher wie Ihrer Parteifreundin, Bundesministerin von der Leyen. Sie sagt nämlich, ihr sei keine einzige Untersuchung bekannt, die zu dem Ergebnis komme, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders ginge als Kindern, die in gemischtgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Ich weiß nicht, ob Sie eine solche Studie kennen; dann würde ich Sie bitten, diese vorzutragen.
Es gibt eine umfangreiche Studie ausgerechnet des bayerischen Staatsinstituts für Familienforschung aus dem Jahr 2009, die zu folgendem Schluss kommt: Nicht die sexuelle Orientierung der Eltern ist entscheidend für das Wohlergehen und die Entwicklung der Kinder, sondern die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie. – So einfach ist das.
In allen anderen Staaten, die schon seit vielen Jahren ein vollständiges Adoptionsrecht haben, gibt es ebenfalls keinerlei dem entgegenstehende Erkenntnisse.
Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier klargestellt haben – auch aufgrund meiner Frage in der Fragestunde –, was Sie mit diesem „gewissen Unbehagen“ meinen. Denn damit haben Sie schon eine gewisse Verunsicherung gegenüber den Betroffenen ausgelöst, übrigens auch bei den Kindern, die längst in solchen Lebenspartnerschaften leben. Das ist ja Lebensrealität in Deutschland und nichts, was möglicherweise erst noch vom Himmel fällt. Insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie das jetzt rein auf die Form bezogen haben.
Dennoch kann ich Ihnen natürlich nicht in Ihrer Auffassung beipflichten, dass wir hier noch abzuwarten hätten. Die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Ihr Vizeministerpräsident ist offensichtlich in der Lage, aufgrund dieser Fakten ein Urteil zu fällen.
Er hat sich festgelegt. Herr Minister Hahn, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie in dieser Frage offensichtlich anderer Meinung sind als der Ministerpräsident und dass Sie dieses Unbehagen offensichtlich nicht verspüren.
Sie haben vor drei Wochen für das Land Hessen gesprochen, denn Sie sind ja nicht als Privatmann Mitglied in der Justizministerkonferenz.
Sie haben für das Land Hessen dafür plädiert, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften das gleiche Adoptionsrecht wie Eheleuten zu ermöglichen. Wir freuen uns, Herr Hahn, dass auch Sie inzwischen dieser Meinung sind. Ausweislich Ihrer eigenen Presseerklärung haben Sie sich in dieser Sache ja als Justizminister und Vizeministerpräsident des Landes Hessen geäußert.
Ich gehe auch davon aus, dass Sie keine politisch gespaltene Persönlichkeit sind, die außerhalb Hessens die eine
Überzeugung hat und innerhalb der Landesgrenzen und in diesem Landtag dann eine andere Meinung vorträgt.
Der Ministerpräsident hat dann postwendend erklärt, das sei die Privatmeinung von Herrn Hahn. Genau deshalb finde ich, die Hessinnen und Hessen – egal auf welcher Seite sie in der Sache stehen – haben ein Recht darauf, zu erfahren, welche Position die Landesregierung in dieser Frage vertritt.
Das gilt selbstverständlich auch für die Fraktionen, die diese Landesregierung tragen.
Sie finden in unserem Antrag nichts anderes als das, was Sie, Herr Hahn, selbst geäußert haben. Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Sie haben gesagt: Wer gleiche Pflichten hat, muss gleiche Rechte haben. Sie haben die umgehende Gleichstellung im Adoptionsrecht gefordert. Da sind wir nun sehr gespannt, ob Ihr Wort tatsächlich gilt, lieber Herr Hahn – innerhalb und außerhalb Hessens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen auch von den Fraktionen der CDU und der FDP, damit nicht nur Ihr Minister, sondern auch Sie selbst das hier unmissverständlich dokumentieren können, beantrage ich seitens meiner Fraktion für unseren Entschließungsantrag hiermit eine namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach einem Jahr kommt heute der Gesetzentwurf der LINKEN für ein Landesmindestlohngesetz zurück ins Plenum, und zwar leider – ich finde, das muss man an dieser Stelle auch sagen – ohne dass der Landtag die Chance hatte, sein Wissen über Sinn oder Nicht-Sinn eines solchen Gesetzes durch eine Anhörung, wie sie sonst bei jedem Gesetzentwurf üblich ist, zu erweitern. CDU und FDP haben nämlich im Ausschuss mit ihrer Mehrheit verhindert, dass es überhaupt zu einer Anhörung kommt.
Das ist höchst bedauerlich, denn Politik lebt vom Dialog. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn man sich dem verweigert.
Sie haben immerhin in Gestalt Ihres parlamentarischen Geschäftsführers, Herrn Bellino, erst vor wenigen Wochen Folgendes erklärt – Herr Bellino, ich darf Sie zitieren –:
Die Volksvertreter sind bei der Erarbeitung von Initiativen, insbesondere Gesetzen, gut beraten, auch die Argumente der Interessenvertreter – der sogenannten Lobbyisten – zu hören.
Herr Bellino, ich stimme diesem Satz ausdrücklich zu. Aber das gilt dann eben nicht nur für Gesetze, die Sie einbringen.
Politik trifft Entscheidungen durch das Abwägen von Argumenten, jedenfalls machen wir das so. Deshalb sollten wir uns alle miteinander nicht weigern, klüger zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. So weit musste das zum Verfahren vorausgeschickt werden.
Nun kurz zum Gesetz selbst. Das Mindestlohngesetz, das DIE LINKE vorgelegt hat, wäre – das wissen Sie selbst und haben Sie eben noch einmal gesagt – leider nur sehr begrenzt wirksam. Was wir in Deutschland endlich brauchen, ist ein echter, ein allgemein verbindlicher bundesweiter Mindestlohn.
Wir brauchen diesen Mindestlohn, und wir brauchen endlich auch mehr wirksame Kontrollen. Im vergangenen Jahr wurden allein im Bauhaupt- und Baunebengewerbe sage und schreibe 1.690 Ermittlungsverfahren wegen Nichtgewährung des Mindestlohns eingeleitet, wie die Bundesregierung kürzlich auf Anfrage unserer Bundestagsfraktion erklärt hat. Diese Zahl stieg in den letzten Jahren stetig an.
Das belegt das Problem, und es zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist. 1,3 Millionen Menschen sind trotz Erwerbstätigkeit auf das Arbeitslosengeld II angewiesen. Ein Viertel von ihnen arbeitet sogar Vollzeit und braucht trotzdem diese Aufstockung. Armut trotz Arbeit – und das in einem der reichsten Länder der Welt. Wir finden das beschämend.
Wenn gleichzeitig der Niedriglohnsektor in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren so dramatisch angewachsen ist, dass wir in Europa an der unrühmlichen Spitze stehen, dann tut das sein Übriges. Deshalb wollen wir GRÜNE einen generellen Mindestlohn von 8,50 €. Wir wollen einen Mindestlohn, der jährlich angepasst wird, und zwar wie in Großbritannien von einer Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und der Wissenschaft. Wir haben das auch in unserem hessischen Tariftreue- und Vergabegesetz fixiert.
Nachdem die Bundes-CDU ganz zaghafte Schritte in diese Richtung unternimmt – es darf aber bloß nicht Mindestlohn heißen –, bewegt sich plötzlich in den letzten Wochen auf Geheiß von Philipp Rösler die FDP mit kleinen Trippelschrittchen. Ich bin jetzt schon sehr gespannt, was uns der Herr Rock zum Verhalten der hessischen FDP erzählen wird, ob sie nämlich ihrem Bundesvorsitzenden folgt, der Folgendes dazu gesagt hat: „Die Liberalen sollten den Blick auf die Lebenswirklichkeit werfen“
so sein Satz zum Mindestlohn –, oder ob sie Herrn Rentsch folgt, von dem ein anderes Zitat zum Mindestlohn überliefert ist. Auch das muss ich zitieren. Herr Präsident, ich entschuldige mich vorher.
Er hat nämlich gesagt: Der Mindestlohn ist Schwachsinn. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, insbesondere von CDU und FDP! Herr Minister Rentsch, Sie sind wohnungspolitisch auf ganzer Linie gescheitert.
Schwarz-Gelb hat auf Bundesebene die Programme zur Städtebauförderung total heruntergefahren. Sie haben alle Prognosen zur dramatischen Wohnraumentwicklung im Ballungsraum abgetan und weiter die Hände in den Schoß gelegt. Sie haben hier im Land noch im Dezember ein untaugliches Wohnraumfördergesetz beschlossen, das die völlig falschen Prioritäten setzt. Sie haben die Fehlbelegungsabgabe auch gegen den erbitterten Widerstand der Kommunen, und zwar auch gegen viele Ihrer eigenen Stadtoberhäupter, abgeschafft und ihnen damit verlässliche Gelder für den sozialen Wohnungsbau ohne jeden Ersatz entzogen.
Sie haben den Verkauf der Nassauischen Heimstätte betrieben und damit Tausende von Mieterinnen und Mietern verunsichert.
Sie haben alle Warnungen, auch der Opposition, regelmäßig als Panikmache abgetan.
In Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Sozialwohnungen von 180.000 auf 130.000 geschrumpft. Sie haben die hessische Wohnungspolitik ausbluten lassen. Sie allein tragen deswegen die Verantwortung für die dramatische Knappheit an bezahlbarem Wohnraum, an der der Ballungsraum aktuell leidet.
Ihr Wohnraumfördergesetz räumt seit wenigen Monaten der Förderung des Wohneigentums dann auch noch ausdrücklich Vorrang vor der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus ein. Dafür haben Sie sich feiern lassen.
Wir haben in unserem Gegenentwurf schon damals verlangt, die begrenzten Landesmittel angesichts des dramatischen Mangels an bezahlbarem Wohnraum auf den Mietwohnungsbau zu konzentrieren. Angesichts derart niedriger Hypothekenzinsen besteht überhaupt kein Bedarf zur zusätzlichen Förderung des Wohneigentumerwerbs aus dem Landeshaushalt.
Damals haben Sie sich darüber amüsiert. Herr Kollege Lenders hat damals ausdrücklich vor einem „öffentlich geförderten Überangebot an Wohnraum“ gewarnt. Das war und das ist weiterhin ein Schlag ins Gesicht vieler Bürgerinnen und Bürger, die auf öffentlich geförderten Wohnraum angewiesen sind.
Sie können sich nämlich eine Wohnung auf dem freien Markt bei weiter drastisch steigenden Mietpreisen immer weniger leisten.
Jetzt haben Sie kürzlich die soziale Wohnraumförderung – ich glaube, es war Herr Caspar – als ein „altsozialistisches Konzept“ bezeichnet. Sie haben die Landeswohnbaupolitik selbst kurz und klein geschlagen und versuchen jetzt von der anderen Seite der Bühne, als vermeintliche Wohltäter in Spendierhosen aufzutreten, „Haltet den Dieb“ zu rufen und zusätzlich ein paar Brosamen als Ersatz anzubieten.
Das ist so durchsichtig, so substanzlos, so offensichtlich panikgetrieben, dass Ihnen das jetzt kein Mensch mehr abnimmt.
Dieses sogenannte Sonderprogramm der Landesregierung ist angesichts der Nöte und Sorgen der betroffenen Menschen und der Herausforderungen, mit denen die Städte konfrontiert sind, ein echtes potemkinsches Dorf, als dessen Bürgermeister Sie sich Herrn Hirschler ausgesucht haben – der brauchte wohl eine Beschäftigung –: bunte Fassaden, frisch gestrichen, aber hinter den Fassaden gähnende Leere.
Deswegen lohnt es durchaus, in die Tiefe zu gehen und sich die Einzelmaßnahmen anzuschauen, die versprochen werden. Sie stellen mit Ihrem angeblich so großartigen Sonderprogramm 14 Millionen € jährlich neu für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Das hört sich erst einmal nach etwas an. Setzt man aber dagegen, dass Sie 2011 die Fehlbelegungsabgabe ersatzlos abgeschafft und den Kommunen so rund 17 Millionen € jährlich für die soziale Wohnraumförderung entzogen haben – ich habe Herrn Oberbürgermeister Müller aus Wiesbaden noch gut im Ohr, wie er beim Hessischen Mietertag ziemlich lautstark über die Landesregierung geschimpft hat –, steht unter dem Strich weniger Geld und nicht mehr Geld für Investitionen im sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Sie sind sich noch nicht einmal für solche Taschenspielertricks zu schade.
Eine besondere Ironie ist es doch – da möchte ich den Kollegen Caspar ganz persönlich ansprechen –, dass es die
Frankfurter CDU ist, die gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner in einem Antrag von letzter Woche vom Land fordert, alsbald wieder „einen Rechtsrahmen für die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe einzuführen“.
Man höre und staune, „weil auf einem angespannten Wohnungsmarkt kein Raum für Fehlsubventionierungen ist“. – Genau so ist es. Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Römer, wenigstens Sie, und korrigieren Sie Ihren Fehler aus dem Sommer 2011.
Zweiter Punkt: die angeblich zusätzlichen Bundesgelder. Sie haben schon im Haushaltsplan 2013/2014 die Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung fast komplett als Zuführung zum Sondervermögen verbucht. Wenn Sie das jetzt als zusätzliche Gelder verkaufen, versuchen Sie nichts anderes, als die Bürgerinnen und Bürger mutwillig zu täuschen. Hinzu kommt, Ministerpräsident Bouffier und Minister Rentsch haben sich allen Ernstes hingestellt und angekündigt, von 2014 bis 2019 weitere 150 Millionen € Bundesmittel für den Wohnungsbau zweckzubinden. Nur: Weder ist der Bundeshaushalt 2014 verabschiedet, noch wurde über die Höhe der Kompensationsmittel in den Jahren danach entschieden. Darüber müssen Bund und Länder erst noch verhandeln. Sie versprechen Geld, über das Sie überhaupt nicht verfügen können. Sie hantieren mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft. Das belegt einmal mehr, wie unseriös Ihre Politik ist.
Ihr Mantra war doch viel zu lange, in Hessen gebe es gar keinen Bedarf an sozialem Wohnungsbau mehr. Wir alle erinnern uns noch sehr gut an den Versuch von Finanzminister Schäfer, Hand in Hand mit der FDP, die Landesanteile an der Nassauischen Heimstätte zu verscherbeln und damit eines der zentralen Instrumente hessischer Wohnungspolitik aus der Hand zu geben. Auch da haben Sie klargemacht: Öffentlicher Wohnungsbau ist für Sie so etwas wie sozialromantische Folklore. Verantwortlich fühlen Sie sich für Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, leider schon lange nicht mehr.
Bei der FDP wundert das auch nicht. Sie haben letztes Jahr noch geschrieben: Sozialer Wohnungsbau und staatliche Wohnungsbauunternehmen stammen aus einer längst vergangenen Zeit.
Leider hat sich offensichtlich inzwischen auch die Union, jedenfalls die im Landtag, dieser Klientelpolitik der FDP unterworfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, falls Sie noch auf der Suche nach Gründen dafür sind, warum Sie in den Großstädten keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen: Dieser gehört dazu.
Ich halte also fest: Erstens. Durch die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe und die Konzentration der bereits vorhandenen Landesmittel ausschließlich auf den sozialen Mietwohnungsbau, wie wir es in unserem Gesetz
entwurf verlangt haben, könnten jährlich 1.000 neue Sozialwohnungen errichtet werden.
Zweitens. Wir wollen eine niedrigere Kappungsgrenze für die Mieterhöhungen. Die Bundesgesetzgebung gibt uns diese Möglichkeit. Die Bayerische Staatsregierung, an der Sie sich früher so gerne ausgerichtet haben, hat das übrigens für München bereits beschlossen. Und, das wird Sie jetzt nicht mehr wundern, auch die Frankfurter CDU hat sich dieser Forderung angeschlossen.
Drittens. Die Landesregierung muss endlich wieder zu einer aktiven Wohnungsbau- und Städtepolitik zurückkehren.
Angebot und Nachfrage dürfen bezüglich Mietwohnungen eben nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden. Deshalb braucht es wieder ein Wohnraumzweckentfremdungsverbot als Option für die Kommunen.
Weil ich das Kopfschütteln des Kollegen Lenders sehe: Auch diese Forderung an das Land teilt – wundert es Sie noch? – die Frankfurter CDU, die CDU in der größten Stadt Hessens,
und zwar deshalb, weil den Städten das Wasser bis zum Halse steht. Nicht ohne Grund ist aktuell das Thema sozialer Wohnungsbau ein zentrales Thema beim Deutschen Städtetag in Frankfurt.
Statt wirksam zu handeln, endlich die richtigen Instrumente in die Hand zu nehmen und Ihre schweren Versäumnisse aufzuholen, führen Sie hier wieder eine Debatte nach dem Motto: „Wenn die Regierung versagt, muss die Opposition zurücktreten“.
Ich muss wirklich sagen: Sie von der Union haben Ihren letzten kompetenten Wohnungspolitiker, Gottfried Milde, an die WIBank verloren. „Rette sich, wer kann“, war sein Motto. Er hat es noch rechtzeitig geschafft. Es kommt jetzt darauf an, dass Sie die Bedürfnisse der auf bezahlbaren Wohnraum angewiesenen Menschen nicht aus dem Blick verlieren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist Hessen traditionell ein wichtiger Chemie- und Pharmastandort, und innerhalb der breit gefächerten hessischen Industrie sind Chemie- und Pharmaunternehmen als größte industrielle Arbeitgeber von besonderer strategischer Be
deutung. Herr Kollege Lenders hat die Zahlen bereits vorgetragen.
Die Bedeutung der Realwirtschaft hat in den letzten Jahren gerade unter dem Eindruck der Finanzkrise wieder zugenommen. Hinzu kommt, dass Umweltbelastung, Bevölkerungsexplosion, Ressourcenknappheit und Klimawandel Herausforderungen sind, für die in der Mitte der Gesellschaft inzwischen ein Bewusstsein entstanden ist; und die Verantwortung, die unserer bisherigen industriellen Produktionsweise für diese existenziellen Bedrohungen der Menschen zukommt, und damit die Einsicht, dass sie sich radikal verändern muss, sind grundsätzlich überall da. Nicht umsonst gilt die Umwelttechnik als Leitindustrie des 21. Jahrhunderts, und Hessens Chemie- und Pharmaindustrie ist mittendrin.
Wir brauchen die Innovationskraft der chemischen und pharmazeutischen Industrie, um zentrale gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Die Chemie kann z. B. dabei helfen, Gebäude zu dämmen, Solarstrom zu erzeugen, saubere Autos zu bauen und die Materialeffizienz zu steigern. Wir stellen auch mit Befriedigung fest, dass die Ökologie für viele erfolgreiche Chemie- und Pharmaunternehmen längst zu einem zentralen betriebswirtschaftlichen Motiv geworden ist.
Die Branche hat auch aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und die Sicherheit in den letzten Jahrzehnten zunehmend an die erste Stelle gesetzt. Die Kommunikation mit der Wohnbevölkerung und den Kommunen im Umfeld ihrer Standorte – wir wissen, in Hessen waren das früher durchaus erhebliche Probleme – wurde in den letzten Jahren stetiger, offener und transparenter gestaltet. Ich will hierfür bewusst Infraserv Höchst als positives Beispiel hervorheben.
Das ist ein Erfolg der Bürgerinnen und Bürger, die sich die Informationsverweigerungen nicht mehr länger haben gefallen lassen. Es ist aber auch ein Erfolg grüner Politik.
Gleichzeitig will ich nicht verschweigen, dass es natürlich auch weiterhin Konfliktfelder zwischen uns und der Chemie- und Pharmaindustrie gibt, beispielsweise bei den Zulassungsverfahren für neue Chemikalien oder Arzneistoffe, bei der Energiepolitik und der Agrogentechnik. Wir wollen, dass die Ressourceneffizienz der Branche weiter gesteigert wird. Die Chemieindustrie liegt beim Strom- und Erdgasverbrauch mit an der Spitze. Da sind ganz sicher noch Potenziale zu heben. Wir wollen auch eine weitere Steigerung der Chemikaliensicherheit. An diesen Beispielen sehen Sie: Wir sind und bleiben in einem kritischen Dialog, von dem wir aber beide profitieren.
Für uns ist elementar wichtig, Unternehmen besonders in den Fokus zu rücken, die in ihrer Produktion und ihren Produkten Ressourceneffizienz und Leistungsfähigkeit verbinden, Unternehmen, die durch innovative Ideen dazu beitragen, die nötige Transformation hin zu einer schadstoffarmen Wirtschaftsweise zu beschleunigen. Es gibt gerade in der Chemieindustrie zahlreiche positive, erfolgreiche Beispiele, unter anderem dafür, wie wir vom Mineralöl als überwiegender stofflicher Produktgrundlage wegkommen können.
Weil ich mir schon dachte, dass es nach der Mittagspause erfahrungsgemäß besonders gut ist, ein bisschen anschaulicher zu werden, will ich das für Sie ganz konkret und ganz hessisch erlebbar machen. Deshalb habe ich Ihnen diesen schicken Kugelschreiber mitgebracht. Keine Angst, ich will Ihnen jetzt nicht weismachen, dass der Kugelschreiber an sich eine Ausgeburt von Innovation und Zukunftsfähigkeit ist.
An diesem Kugelschreiber sind nicht Form oder Funktion interessant, sondern es ist das Material, aus dem er besteht.
Dieser Kugelschreiber besteht nämlich aus Stärke. Sie sagen, das sei jetzt noch nichts Besonderes. – Klar, denn wir GRÜNE haben schon lange Kugelschreiber aus Maisstärke. Aber diese Stärke wurde weder konventionell noch z. B aus Biofasern gewonnen, sondern aus Kohlendioxid.
Das südhessische Unternehmen BRAIN hat Bakterien mithilfe weißer Biotechnologie nicht nur dazu gebracht, Kohlendioxid aus Abgasen herauszufiltern, sondern es noch dazu zu einem nutzbaren Werkstoff zu machen. So könnten wir zusätzlich also auch noch Plastik auf Mineralölbasis ersetzen.
Diese, wie ich finde, geniale Erfindung hilft also gleichzeitig dem Klimaschutz und bei der Einsparung von Ressourcen. Deshalb steht dieser Kugelschreiber wirklich beispielhaft für die Innovationskraft gerade auch der kleinen und mittleren Unternehmen im Sektor Chemie und Pharma, die in Hessen tätig sind und die – wie Sie hier sehen – beim ökologischen Wandel der Wirtschaft ganz zentrale Beiträge leisten können.
Was wir als Land uns an dieser Stelle natürlich fragen müssen, ist: Was können wir dazu beitragen, dass das, was in Zwingenberg im Kleinen gelungen ist – manifestiert in diesem Kugelschreiber –, endlich im großen Maßstab zum Einsatz kommt? Das Know-how ist nämlich da. Wie können wir es so weit fördern, dass es auch im Großen eingesetzt wird?
Ich will deshalb auch ausdrücklich sagen, dass wir die Forderung von CDU und FDP in ihrem Antrag teilen, die Forschung in kleinen und mittleren Unternehmen steuerlich zu fördern. Wir schlagen auch konkret vor, auf Bundesebene eine steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten in diesem Bereich einzuführen. Das vorhandene Innovationspotenzial darf nicht im Keller verstauben, der Zugang zu Projektförderung für kleine und mittlere Unternehmen muss dringend erleichtert werden.
Darüber hinaus wollen wir auch die Netzwerkbildung im Bereich Chemie/Pharma weiter ausbauen und den Transfer
zwischen unseren Hochschulen und der Wirtschaft erleichtern helfen.
Meine Damen und Herren, Pharmaunternehmen sind natürlich auch für uns ein Teil der hessischen Gesundheitswirtschaft. Diese wird – sowohl durch den medizinischen Fortschritt als auch durch den demografischen Wandel – eine der Schlüsselbranchen des 21. Jahrhunderts sein. In der Bündelung von Wirtschaftsförderungsaktivitäten in dieser wertschöpfungs- und arbeitsintensiven Branche liegt gerade für Hessen – das nämlich neben dem Pharmabereich auch über namhafte Medizintechnikhersteller verfügt, Hochschulen mit bedeutenden medizinischen Fachbereichen hat und eben auch eine Vielzahl von Klinik- und Kurstandorten – eine große Chance.
Unseres Erachtens greift Ihre im Februar vorgestellte Initiative Gesundheitsindustrie leider zu kurz. Sie wird leider – das haben Sie ja selbst eingeräumt – erste Ergebnisse frühestens im Herbst zeitigen.
Unterm Strich appelliere ich an Sie, Ihre Perspektive zu weiten. Denken Sie nicht nur – wie in Ihrem Antrag – in Standardfloskeln wie Bürokratieabbau und schlanken Genehmigungsverfahren, sondern bedenken und erkennen Sie die Chancen, die sich der hessischen Chemie- und Pharmaindustrie gerade auch bei der unausweichlichen Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise hin zu mehr Ressourceneffizienz eröffnen, wie es Herr Dr. Zinke – Gründer und Geschäftsführer von BRAIN – formuliert hat. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema öffentliche Auftragsvergaben begleitet uns während der ganzen zu Ende gehenden Legislaturperiode. Das Gesetz, das CDU und FDP heute beschließen wollen, wird das, fürchte ich, leider nicht ändern, denn Sie haben eineinhalb Jahre an einem Gesetz gestrickt, das letztlich ein zahnloser Tiger ist, und zwar deshalb, weil Sie nicht verstanden haben, dass das Vergaberecht nicht in erster Linie dazu da ist, es den Beschaffern – dem Land, seinen Behörden oder den Kommunen – besonders leicht zu machen oder die regionale Wirtschaft besonders zu fördern, sondern zuvorderst die Aufgabe hat, Transparenz und fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Herr Prof. Ronellenfitsch hat Ihnen in der Anhörung überdeutlich gesagt, dass es darum gehe, eine öffentliche Aufgabe im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu erfüllen – wirtschaftlich, aber zugleich unter fairen Rahmenbedingungen. Deshalb ist es völlig legitim, dass weitere Kriterien aufgestellt werden, z. B. Tariftreue sowie ökologische oder soziale Kriterien, die das öffentliche Wohl konkretisieren. Auch das hat Ihnen Prof. Ronellenfitsch in der Anhörung ins Stammbuch geschrieben. Sie selbst machen das im Übrigen in der Definition des Mittelstands, die Sie dem Gesetzentwurf voranstellen.
Damit sind wir direkt bei den erhöhten Vergabegrenzen. Es wird Sie nicht wundern, dass ich dieses Thema hier besonders anspreche. Sie wollen diese auf dem hohen Niveau der Konjunkturprogramme halten, und Sie haben den Schwellenwert für freihändige Vergaben auf 100.000 € verzehnfacht. Dort soll er jetzt bleiben.
Damit machen Sie die öffentliche Ausschreibung faktisch von der Regel zur Ausnahme. Gerade nach den Erfahrungen, die in Hessen gemacht wurden – Stichworte: HZD und die Autalhalle in Niedernhausen, wo Ihnen nachgewiesen wurde, dass gerade im Windschatten dieser erhöhten Schwellenwerte Aufträge in Millionenhöhe rechtswidrig vergeben wurden –, ist das ein völlig abwegiger Vorgang.
Schauen wir uns abgesehen davon einmal an, was die Praktiker sagen, also diejenigen, denen das angeblich nutzt. Herr Weimar hat als Finanzminister bei der Verabschiedung der Konjunkturprogramme versprochen, es werde eine seriöse Evaluation der Erfahrungen mit den erhöhten Wertgrenzen geben. Das Wirtschaftsministerium hat uns nach mehrfacher Nachfrage endlich etwas vorgelegt, was zusammengefasst so lautete: Die meisten Befragten haben die Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen mit „sehr gut“ bewertet. – Es ist also alles bestens.
Ich habe den begründeten Verdacht, dass Finanzminister a. D. Weimar mit einer seriösen Evaluation damals etwas anderes gemeint hat. Herr Weimar, ich empfehle Ihnen
diese Papiere des Wirtschaftsministeriums zur vertieften Lektüre.
Bei dieser Evaluation wurde nämlich unterschlagen, dass all die Praktiker aus dem Hessischen Competence Center, dem Hessischen Baumanagement und der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung – das sind die großen Beschaffungsstellen des Landes – die Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen für beschränkte Vergaben als „nicht gut“ bewertet haben. „Nicht gut“ war die schlechteste der drei angebotenen Kategorien. Diejenigen, die für das Land Hessen die meisten Waren und Dienstleistungen beschaffen, sagen also, die erhöhten Vergabegrenzen hätten sich in der Praxis nicht bewährt.
Vollends lächerlich wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass z. B. das Hessische Ministerium des Innern und für Sport in dieser Evaluation zwar bescheinigt, sehr gute Erfahrungen mit den erhöhten Vergabegrenzen gemacht zu haben, es sich aber bei einer Nachfrage herausstellt, dass dieses Ministerium im Betrachtungszeitraum genau null Aufträge vergeben hat. Ihnen müssen wirklich alle Argumente fehlen, wenn Sie solche Taschenspielertricks nötig haben.
Auch der Bundesrechnungshof hat die erhöhten Vergabegrenzen evaluiert. Es waren 16.000 Vergabeverfahren an der Zahl. Er kommt zu folgendem Schluss: Die Dauer der Verfahren wurde nicht verkürzt. Der Wettbewerb wurde deutlich eingeschränkt. Der Einkauf von Leistungen wurde zum Nachteil der Auftraggeber beeinträchtigt. Zusammengefasst: Die Zunahme nicht öffentlicher Vergabeverfahren erhöht die Korruptions- und Manipulationsrisiken.
Ähnlich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, wenn er dafür plädiert, die Wertgrenzen zurückzuführen; denn sie hätten „zu Kirchturmpolitik, Preissteigerungen und einer schlechteren Korruptionsprävention geführt“.
Sie tun gerade so, als sei Hessen eine einsame Insel, auf der völlig andere Regeln gelten. Ihre eigenen Fachleute haben Ihnen das bescheinigt, die Industrie- und Handelskammern sehen das so, und auch das Urteil des Bundesrechnungshofs fällt eindeutig aus. Wer die öffentliche Ausschreibung von der Regel zur Ausnahme macht, erweist der Wirtschaftlichkeit, dem fairen Wettbewerb und auch den Unternehmen einen Bärendienst.
Uns GRÜNE hat bei der Abfassung unseres Gesetzentwurfs der Wille geleitet, ein Gesetz zu schaffen, das für wirklich fairen Wettbewerb bei maximaler Transparenz sorgt, das es aber auch Land und Kommunen ermöglicht, soziale und ökologische Kriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen, und das es Unternehmen, die für öffentliche Auftraggeber in Hessen tätig sind, verbietet, Dumpinglöhne zu zahlen. Das ist übrigens in den meisten anderen Bundesländern bereits der Fall. Das alles – wir werden das wahrscheinlich gleich wieder hören – nennen Sie inzwischen „vergabefremd“.
Vor zwei Jahren gab es, geleitet vom hessischen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „Hessen: Vorreiter für eine nachhaltige und faire Beschaffung“. Diese Arbeitsgruppe hat Ziele definiert und ausdrücklich fixiert, dass es für die konkrete Beschaffungs
praxis klarer rechtlicher Vorgaben bedarf. Herr Minister, was für Kriterien hat diese Arbeitsgruppe aufgeschrieben?
Erstens: Mindestlohn. In Ihrem Konzept heißt es:
In eine normative Verankerung
das ist dieses Vergabegesetz zweifelsohne –
sollen soziale Aspekte einfließen und zusätzliche Anforderungen an die Auftragnehmer gestellt werden.
Als Beispiel sind „existenzsichernde Löhne (Tariftreue, Mindestlohn …)“ angeführt. Ja, was denn jetzt, Herr Finanzminister? Ist das vergabefremd, oder ist es geboten?
Zweitens: ökologische und soziale Kriterien. Auch dazu finden sich im Schäfer-Papier ganz andere Aussagen. Es wird nicht auf eine angebliche Vergabefremdheit hingewiesen. Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung im Lande Hessen sollen demnach unter anderem faire Preise, Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Produzenten, sozial verträgliche Arbeitsbedingungen sowie ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit sein. Das alles soll jetzt vergabefremd sein. Der hessische Finanzminister hat damals sogar Folgendes festgehalten – ich darf nochmals zitieren –:
Die einschlägigen vergaberechtlichen Grundlagen lassen die Berücksichtigung von umwelt- oder sozialbezogenen Aspekten bei der öffentlichen Beschaffung zu.
Da steht kein Wort von Vergabefremdheit. Herr Schäfer, nichts von dem, was Sie ganz persönlich in Aussicht gestellt haben, wird mit diesem schwarz-gelben Gesetz Realität in Hessen. Im Gegenteil, Sie sollten Ihr Gesetz lieber „Gesetz gegen Wirtschaftlichkeit im Beschaffungswesen und zur Behinderung des fairen Wettbewerbs“ nennen. Das beschreibt jedenfalls weit besser, was in diesem Gesetzentwurf real steckt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in der letzten Woche erneut deutliche Worte gefunden:
Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Es ist schon gesagt worden: Bereits in den vier vorangegangenen Urteilen hat das höchste deutsche Gericht deutlich darauf hingewiesen, dass die Ungleichbehandlung von verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Es ist gut, dass das Verfassungsgericht dies getan hat.
Ich kann direkt an der Argumentation des Kollegen Mick anknüpfen. Dieses Urteil stärkt vor allem die Rechte von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Es nimmt ihre Perspektive ein und stellt fest, dass sie keinerlei Vor- oder Nachteile erleiden, wenn sie bei einem homosexuellen Paar aufwachsen.
Schließlich, so das Verfassungsgericht, sei eine eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen auf Dauer angelegt und durch eine verbindliche Verantwortungsübernahme geprägt wie eine Ehe. Weiter heißt es:
Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.
Wenn man es umgangssprachlich ausdrücken würde, könnte man sagen: Nur die Liebe zählt, die den Kindern entgegengebracht wird, nicht aber die sexuelle Orientierung ihrer Eltern.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Papier, weist bereits darauf hin, dass die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Partnerschaft nicht mehr zu halten ist, weil keine einzige Ehe durch die Gleichbehandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft benachteiligt wird.
Herr Dr. Wagner, da geht Ihre Argumentation fehl. Denn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz schon deshalb gar nicht berührt sein kann.
Wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte aller bürgerlichen Ehen jedes Jahr zerbricht, dann drängt sich doch ohnehin die Frage auf: Wer gefährdet die traditionelle Ehe mehr, die Homosexuellen, die heiraten wollen, oder die Heterosexuellen, die ihre Ehe auflösen?
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Union, Frau Klöckner, weist darauf hin, dass die steuerliche Ungleichbehandlung – gleiche Pflichten, nicht aber gleiche Rechte – schon rein logisch nicht durchzuhalten ist; Frau Wolff, Herr Rhein auf dem Bundesparteitag der CDU. Oder auch Frau Wiesmann am Freitag vergangener Woche in der „FAZ“ – Zitat –:
Die mit der eingetragenen Partnerschaft dokumentierte Einstandspflicht verdient dieselben steuerlichen Rechte wie die Ehe …
Zwei Drittel der Unionswähler sind für die völlige Gleichstellung. Selbst Herr Schäuble, Frau Merkel und Herr Kauder bewegen sich. Nur in der ersten Reihe der hessischen Union ticken die Uhren weiterhin anders. Herr Dr. Wagner hat dem Bundesverfassungsgericht bereits im Herbst vorgeworfen, es höhle das Grundgesetz aus. Ins gleiche Horn stößt die von allen guten Geistern verlassene Frau Steinbach, wenn sie fragt, wer eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsrichtern schütze.
Wer vom Verfassungspatrioten zum potenziellen Fall für den Verfassungsschutz wird, sollte irgendwann darauf aufmerksam gemacht werden, dass er der Geisterfahrer ist und nicht alle, die ihm entgegenkommen.
Ich frage deshalb jeden Einzelnen in den Reihen der Regierungskoalition: Wie lange wollen Sie sich dieser Botschaft von Herrn Dr. Wagner noch widerspruchslos anschließen?
Denn jenseits der juristischen Argumentation sollten Sie eines nicht vergessen: Es geht in dieser Debatte um ganz konkrete Menschen, die füreinander, und manche auch für Kinder, in allen Höhen und Tiefen des Lebens Verantwortung übernehmen und denen Sie das Signal senden: Ihr seid für uns Menschen zweiter Klasse. Eure Liebe, die von euch gelebten Werte sind mit einem Makel behaftet.
Es mag Ihr politischer Herzenswunsch sein, Gleiches weiterhin ungleich zu behandeln. Politische Wünsche aber beeindrucken das höchste deutsche Gericht glücklicherweise nicht sonderlich. Die Gleichstellung ist kein Gnadenakt. Sie ist Verfassungsgebot. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit der Ausstrahlung der Dokumentation „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ des Hessischen Rundfunks am 13. Februar kocht die Volksseele – zu Recht; denn eindrucksvoll hat der hr aufgezeigt, wie Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bei Amazon in Bad Hersfeld unter Vortäuschung falscher
Tatsachen ins Land geholt wurden, ihre Situation ausgenutzt wurde und wie sie überdies noch durch Angestellte eines Sicherheitsdienstes mit rechtsextremem Einschlag überwacht und drangsaliert wurden. Der Hessische Landtag muss deshalb heute ein deutliches Zeichen setzen, dass er solche Missstände nirgendwo in Hessen duldet.
Meine Damen und Herren, die bei Amazon dokumentierten Vorgänge stehen leider exemplarisch für eine besorgniserregende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Wir GRÜNE fordern schon lange gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Mitbestimmungsrechte und vor allem effektive Kontrollen, die im vorliegenden Fall ganz offensichtlich nicht funktioniert haben.
Das allein reicht aber nicht. Immer mehr Firmen weichen auf Leiharbeit und in jüngerer Zeit auch zunehmend auf Werkverträge aus, um die Lohn- und Sozialkosten zu drücken. In den Unternehmen entsteht so eine Dreiklassengesellschaft aus Stammpersonal, Leiharbeitern und Werkvertragsbeschäftigten. Auch hier brauchen wir klare Regelungen. Vor allem aber muss der Trend zu immer mehr Befristungen gestoppt werden.
Amazon ist auch hierfür ein extremes Beispiel; denn beispielsweise im neuen Lager in Koblenz sind von den 3.300 Beschäftigten gerade einmal 200 unbefristet angestellt. 3.100 sind befristet angestellt. Auch das ist ein Skandal. Hier besteht dringender Handlungsbedarf des Gesetzgebers, und entsprechende Initiativen liegen dem Deutschen Bundestag vor.
Meine Damen und Herren, den Wettbewerb mit Billiglohnländern können wir nicht dadurch gewinnen, dass wir deren Arbeitsbedingungen hierher importieren. Dazu gehört auch, dass die Bundesagentur für Arbeit ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den Leiharbeitsfirmen nachkommt. Die von Frau von der Leyen angeordnete Sonderprüfung war richtig, aber sie ist nur nötig geworden, weil die Kontrollmechanismen vorher nicht richtig gegriffen haben.
Dass die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter im Ausland mit dem Versprechen angeworben wurden, bei Amazon direkt angestellt zu werden, und dann, nach ihrer Ankunft, zu einem niedrigeren Stundensatz an eine Leiharbeitsfirma weitergereicht wurden, ist schlicht und einfach schäbig und darf von uns allen nicht hingenommen werden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die hr-Dokumentation hat vor allem deshalb eine so drastische Welle der Empörung ausgelöst, weil viele Menschen als frühere Kundinnen und Kunden selbst betroffen waren. Damit konfrontiert zu werden, unter welchen realen Bedingungen die praktischen Päckchen in Bad Hersfeld und anderswo gepackt werden, hat wütend gemacht, mich auch.
Denn die vermeintlich bequeme Onlinebestellerei hat eine Schattenseite, die beim örtlichen Einzelhändler unseres Vertrauens in aller Regel eben nicht verborgen bleiben kann. Genau diese persönliche Betroffenheit hat die Ver
braucherinnen und Verbraucher dann zu Konsequenzen greifen lassen. Erst dadurch ist öffentlicher Druck entstanden, der endlich auch Amazon bewegt hat. Deshalb steckt in dieser ganzen misslichen Sache auch eine positive Erfahrung: Der aufgeklärte Verbraucher ist willens und in der Lage, Veränderungen herbeizuführen. Er ist nicht ohnmächtig und ausgeliefert, und das ist gut so.
Es genügt allerdings nicht, dass sich das Unternehmen jetzt von zweien seiner Dienstleister getrennt hat. Wir erwarten, dass Amazon Transparenz darüber herstellt, ob die Anwerbung der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer unter falschen Voraussetzungen von der Firma mitgetragen wurde, und auch aufklärt, ob die Sicherheitsfirma im Auftrag Amazons oder eigenmächtig so mit den Menschen umgesprungen ist, wie es die Dokumentation belegt.
Wir erwarten, dass Amazon erklärt, wie solche Zustände für die Zukunft, auch während der Hochsaisonphasen, ausgeschlossen werden. Amazon ist ein großer und wichtiger Arbeitgeber in Nordhessen. Hier hat er eine Vorbildfunktion, und der muss er anders als bisher nachkommen.
Amazon ist auch ein weiteres Beispiel dafür, dass dieses erschöpfte und verbrauchte Kabinett mit seiner Verantwortung für Hessen inzwischen völlig überfordert ist.
Wirtschaftsminister Rentsch und Sozialminister Grüttner haben nach der Ausstrahlung der Sendung bekanntlich gebetsmühlenhaft erklärt, dass sie sich zur Causa Amazon nicht verhalten wollten; sie seien nämlich gar nicht zuständig.
Ausgerechnet die beiden Minister, denen sonst kein Thema zu einem Statement zu abseitig ist, wehren sich also mit Händen und Füßen dagegen, irgendeine formale Zuständigkeit zu haben. Und Ministerpräsident Bouffier, der Möchtegernkümmerer aller Hessen, ließ wissen, er wolle zwar die weitere Entwicklung beobachten, lege aber ansonsten ebenfalls allergrößten Wert auf die eigene Unzuständigkeit.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat leider die Rolle, die dem Staat im Wirtschaftsleben zukommt,
nämlich auch für faire Arbeitsbedingungen zu sorgen, nie wahrgenommen – im Gegenteil. Wir erinnern uns alle mit Grauen an die verächtliche Haltung, die Minister Rentsch den ehemaligen Schlecker-Beschäftigten entgegengebracht hat. Ihre Wirtschaftspolitik kennt als Bezugsgröße nur materielle Werte.
Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, für die Werte wie Verantwortung, Solidarität und die Verpflichtung, die Eigentum mit sich bringt, keine Fremdwörter sind.
Meine Damen und Herren, es ist unser aller erklärter Wille, dem Fachkräftemangel in unserem Land neben anderen Maßnahmen auch durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte zu begegnen. Frank Martin, der Chef der hessischen Bundesagentur für Arbeit, hat leider recht, wenn er feststellt, dass diesem Ansinnen durch die Missstände bei Amazon schwerer Schaden zugefügt wurde. Wer die Begrüßung des ersten spanischen Facharbeiters so pompös inszeniert, wie es die Landesregierung am Frankfurter Flughafen getan hat,
der trägt eben auch Verantwortung dafür, wie es deren Landsleuten hier in Hessen ergeht.
„Nicht zuständig“ ist nicht nur sachlich falsch. Es ist auch zynisch gegenüber den betroffenen Menschen. Herr Minister Grüttner, Sie berichten jetzt, Sie seien bereits am Freitag nach der Ausstrahlung tätig geworden. Nur hat davon irgendwie niemand etwas mitbekommen, auch nicht der Ministerpräsident, der noch am darauffolgenden Wochenende auf der Unzuständigkeit seiner Regierung beharrte.
Herr Grüttner, jetzt sind Sie bisher auch nicht in erster Linie durch Ihre zurückhaltende Bescheidenheit aufgefallen.
Deshalb verwundert es schon ein wenig, dass Sie diese Tätigkeit als geheime Kommandosache behandelt haben wollen. Nichtsdestotrotz: Alles, was Sie aktiv unternehmen, um die Situation der Beschäftigten bei Amazon zu verbessern, begrüßen wir ausdrücklich.
Wichtig ist aber auch, neben der sozialpolitischen die wirtschaftspolitische Dimension nicht auszublenden. Minister Rentsch und sein Vorgänger, Herr Posch, haben jahrelang die goldene Zukunft Nordhessens als Logistikstandort beschworen. Wenn das tatsächlich Ihre Vision für Nordhessen ist, dann übernehmen Sie gefälligst auch Verantwortung für die Menschen, die in der Branche arbeiten, und schlagen sich nicht in die Büsche, sobald es ernst wird.
Dass Sie sich leider für die reale Situation der Beschäftigten in dieser Logistikbranche kaum interessieren, zeigt noch ein anderer Fall. Im Sommer letzten Jahres erschien im „Zeit-Magazin“ eine ausführliche Reportage über die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Paketzustelldienst GLS, der unter anderem in Neuenstein, ebenfalls im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, ein Depot unterhält.
In dieser Reportage wird eindrücklich geschildert, unter welchen Druck GLS seine Fahrer setzt. Dort wird beschrieben, wie GLS alle unternehmerischen Risiken auf Subun
ternehmer auslagert, die sie wiederum an die angestellten Fahrer weitergeben, wie diese genötigt werden, Geschwindigkeitsbegrenzungen systematisch zu überschreiten, wie ihnen nahegelegt wird, Fahrtenbücher nicht allzu ernst zu nehmen, und das alles für 1.300 € brutto. Und die Landesregierung?
Nun, im Rahmen ihrer sogenannten Wirtschaftswochen Anfang des Monats hat Frau Staatssekretärin Dr. Breier GLS in Neuenstein besucht und sich hocherfreut gezeigt, dass die – ich darf zitieren – „hervorragenden Rahmenbedingungen“, für die die Landesregierung gesorgt hat, im hessischen Mittelstand ihre Früchte tragen. Angesichts der geschilderten Arbeitsbedingungen bei GLS fragt man sich, in welcher Parallelwelt sie eigentlich war.
Welchen hessischen Mittelstand will Frau Dr. Breier eigentlich bei GLS getroffen haben? GLS ist eine Tochter der staatseigenen britischen Royal Mail, also wohl kaum hessischer Mittelstand. Die Subunternehmer und angestellten Fahrer können auch nicht mit dem hessischen Mittelstand gemeint sein. Dieser Vorgang belegt einmal mehr, dass diese sogenannten Wirtschaftswochen ausschließlich der Selbstbeweihräucherung und nicht den realen Gegebenheiten vor Ort dienen sollen.
Meine Damen und Herren, der Hessische Landtag sollte dem Deutschen Bundestag nicht nachstehen. Lassen Sie uns heute gemeinsam ein starkes Zeichen setzen. Zustände, wie sie bei Amazon dokumentiert wurden, dulden wir in Hessen nicht. Wir stehen ein für faire Lebens- und Arbeitsbedingungen. Hessen heißt Einwanderinnen und Einwanderer willkommen und wendet sich gegen rechtsextremistische Tendenzen.
Lassen Sie uns die Bundesagentur für Arbeit an ihre Pflichten gegenüber Leiharbeitsfirmen erinnern. Lassen Sie uns die Initiative für einen runden Tisch ergreifen, um den sich die anwerbenden Firmen, die Arbeitnehmervertretung und die Bundesagentur für Arbeit unter der Leitung der Landesregierung versammeln, um die Vorgänge bei Amazon aufzuklären, aber auch um sicherzustellen, dass solche Missstände zukünftig ausgeschlossen werden können. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hessische Handwerk – das hat es uns anlässlich seiner jüngsten Betriebsumfrage selbst mitgeteilt – präsentiert sich in robuster Verfassung. 83 % der Betriebe betrachten ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend. Das sind gute Zahlen für die hessischen Handwerkerinnen und Handwerker sowie für die Handwerksbetriebe; denn sie sind das Rückgrat unserer Realwirtschaft.
Gleichwohl wissen wir alle, dass die Einschätzung der Konjunktur raschen Wandlungen unterliegt. Um die umfangreiche Antwort der Hessischen Landesregierung auf die Große Anfrage zur Situation des Handwerks einordnen zu können, lohnt sich deshalb auch – über den hessischen Tellerrand hinaus – ein Blick auf die ökonomischen Rahmenbedingungen.
Da zeigt sich, dass die Gegensätze zwischen der Finanzund der Realwirtschaft, zwischen dem Norden und dem Süden Europas sowie zwischen der Entwicklung unserer Exportmärkte und der Entwicklung des Binnenmarktes das wirtschaftspolitische Geschehen prägen und sich weiter verschärfen. Gerade was den letzten Punkt, nämlich den vermeintlichen Gegensatz zwischen Export und Binnenwirtschaft, angeht, scheint sich inzwischen auch in Deutschland eine etwas ausgewogenere Beurteilung durchzusetzen, was wir GRÜNE begrüßen.
Wenn Sie deshalb in Ihrer Antwort darauf hinweisen, dass die Handwerksbetriebe sich ergebende Exportchancen ergreifen, sage ich: Das ist zwar richtig; richtig ist allerdings auch, dass die deutsche Volkswirtschaft deutliche Leis
tungsbilanzüberschüsse aufweist, während unsere europäischen Partnerländer Leistungsbilanzdefizite zu verzeichnen haben. Deshalb ist in der gegenwärtigen Wirtschaftslage gerade die Binnennachfrage von großer Bedeutung. Derzeit kann das Handwerk gerade hier seine Chancen nutzen, und das macht es auch.
Mit Blick auf die Weiterentwicklung des europäischen Arbeitsmarktes und den Fachkräfteaustausch innerhalb Europas begrüßen wir es ausdrücklich, wenn die Transparenz und die Vergleichbarkeit europäischer Bildungsabschlüsse weiter verbessert werden, wie Sie das in Ihrer Antwort ankündigen. Das Handwerk liefert nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern es stellt auch hervorragendes Personal bereit.
Im letzten Ausbildungsjahr wurden im hessischen Handwerk 10.500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Ich möchte besonders hervorheben, dass nach wie vor über die Hälfte der Auszubildenden im Handwerk einen Hauptschulabschluss besitzt und dass der Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund im hessischen Handwerk 10 % beträgt und damit fast doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt.
Das Handwerk trägt mit seiner verlässlichen Ausbildungsleistung zur Kontinuität in der Berufsausbildung über alle Konjunkturzyklen hinweg bei. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich.
Gleichzeitig können wir nicht darüber hinwegsehen, vor welchen Herausforderungen das hessische Handwerk steht. Der Umsatz des Handwerks lag 2011 unterhalb des Umsatzes um die Jahrtausendwende. Die Mitarbeiterzahl ist in demselben Zeitraum ebenfalls zurückgegangen. Auch das Handwerk unterliegt ganz offensichtlich einem Strukturwandel.
Während die Betriebszahlen im Bau- und Ausbaugewerbe seit 1999 gestiegen sind, nimmt die Zahl der Betriebe des Nahrungsmittelgewerbes deutlich ab. Hier schlägt sich der Trend zu einer weiteren Filialisierung, beispielsweise bei Bäckern und Metzgern, brutal nieder. Das kann man als Zeichen funktionierenden Wettbewerbs sehen; es deutet aber auch auf ein Problem hin.
Meine Damen und Herren, eine weitere Herausforderung, vor der das Handwerk steht – das geht aus Ihrer Antwort klar hervor –, ist die unzureichende Eigenkapitalausstattung vieler Handwerksunternehmen. Mehr als ein Drittel aller Unternehmen muss mit einem Eigenkapitalanteil von unter 10 % wirtschaften. Das zeigt zum einen, dass, wie in der Gesamtgesellschaft, offensichtlich auch im Handwerk die Vermögenswerte ungleich verteilt sind, und zum anderen, dass da ein Problem besteht; denn die Programme zur Mittelstandsförderung, die die Landesregierung in ihrer Antwort schildert, mögen zwar akute Kapitalengpässe lindern, ersetzen aber eine bessere Eigenkapitalausstattung nicht.
Die Zahl der Existenzgründungen im hessischen Handwerk nimmt dennoch tendenziell zu, vor allem bei den zulassungsfreien Handwerken, z. B. bei den Gebäudereinigern, den Fliesenlegern und Raumausstattern. Der Zusammenhang liegt auf der Hand. Ich finde es zumindest bemer
kenswert – wir werden später sicherlich noch einmal darauf zurückkommen –, dass die Landesregierung in ihrer Antwort aus einer Studie zitiert, wonach kleine bis mittelgroße Handwerksbetriebe durch die Ausweitung von PPPVorhaben benachteiligt sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nach den Herausforderungen vor allem über die Chancen sprechen. Sie selbst betonen die Chancen der Energiewende für das Handwerk. Da kann ich Ihnen nur sagen: willkommen in der Gegenwart.
Das Handwerk hat grünen Boden. Das ist seit vielen Jahren unsere Rede.
Die dezentrale Energieversorgung durch erneuerbare Energien und energetische Gebäudesanierungen bringen den Klimaschutz voran und sichern den Beschäftigungsaufbau im Handwerk, vor allem in den kleinen, regional tätigen Unternehmen.