Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit, damit wir diesen Tag bewältigen. Orientieren Sie Ihre Wortwahl am Wetter.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir werden heute Abend gemeinsam eine große Bewährungsprobe zu bestehen haben.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Noch offen sind die Punkte 9 bis 30, 32 bis 36, 38, 48 bis 53, 55 bis 57, 61 bis 63 und 65 bis 67.

Eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neubenennung der Vertretung des Landes Hessen im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas im Europarat (KGRE) , Drucks. 18/5892. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 68 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, zum Ende der Sitzung ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt werden.

Wir tagen heute bis zur Erledigung der Tagesordnung bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den Anträgen für Aktuelle Stunden. Die Redezeit beträgt jeweils fünf Minuten je Fraktion.

Nach den Aktuellen Stunden fahren wir mit Tagesordnungspunkt 35 fort, dem Setzpunkt der LINKEN.

Entschuldigt fehlen heute Frau Abg. Faeser, Herr Abg. Quanz, Herr Abg. Lenders und Herr Abg. Frömmrich.

Ich weise Sie darauf hin, dass heute Abend nach der Plenarsitzung in der Eingangshalle des Plenargebäudes sowie im Restauranthof das Fußballspiel unserer deutschen Elf gegen Italien auf Großbildleinwand und verschiedenen Fernsehgeräten übertragen wird. Es gibt ein großes Salatbüffet und Grillspezialitäten.

Das waren die amtlichen Mitteilungen. Wir steigen in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde („Schlingerkurs“ nicht auf dem Rücken der Kin- der – wie geht es weiter am Gymnasium?) – Drucks. 18/ 5869 –

Redezeit: fünf Minuten. Frau Kollegin Habermann hat als Erste das Wort.

Guten Morgen, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganz Hessen ist im Fußballfieber, und die Regierungskoalition ist im G-8-Fieber.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Was sich seit dem CDU-Landesparteitag vor zwei Wochen auf dem Koalitionsspielfeld in Sachen G 8 abgespielt hat, gleicht dem verpatzten EM-Auftritt der niederländischen Nationalelf bei der Europameisterschaft.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Lachen bei der CDU und der FDP)

Zunächst musste die neue Torfrau im Kultusministerium, Nicola Beer, hilflos lächelnd dem Sturmlauf des Mannschaftskapitäns Bouffier auf das eigene Tor zusehen. Vergeblich versuchte sie, Ruhe ins Spiel zu bringen, und erklärte, ein Richtungswechsel bei G 8 müsse zunächst genau überprüft werden. Doch sie hatte nicht mit Heißsporn Irmer auf dem rechten Flügel gerechnet.

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Er nahm den Ball des Mannschaftskapitäns im Ausschuss unvermittelt wieder auf und stürmte erneut aufs eigene Tor.

(Zurufe von der CDU)

Die Wahlfreiheit der Gymnasien zwischen G 8 und G 9 werde zum 1. August 2013 gesetzlich ermöglicht, verkündete er ohne Rücksicht auf weitere Blessuren seiner Kultusministerin.

(Günter Rudolph (SPD): So ist er!)

Seine liberalen Mannschaftskameraden erklärten flugs, Rechtsaußen Irmer stehe einmal mehr im Abseits und spiele ohnehin sein Spiel ganz für sich alleine.

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das war der Moment, in dem im Ausschuss Auswechselspieler Dr. Norbert Herr im Trikot der SPD aufs Spielfeld trabte

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

und verkündete, er sei von G 8 noch nie begeistert gewesen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Mittelstufe am Gymnasium wieder sechs Jahre dauere und die Schulzeitverkürzung in der Oberstufe umgesetzt werde. Vielleicht sollten Sie eher auf Ihre Auswechselspieler hören, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Zurufe von der CDU)

Die Koalitionsmannschaft reagierte in der Folge mit Konfusion und heillosem Durcheinander. Insbesondere die liberalen Flügelverteidiger verloren gänzlich den Überblick und agierten hilflos in der Defensive. Mannschaftskapitän Bouffier musste schnell handeln; denn die Zuschauer, Eltern und Schüler, die seinen überraschenden Spielzug zunächst begrüßt hatten, kehrten der Mannschaft enttäuscht den Rücken und begannen zu pfeifen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Jetzt gab es in der Kabine einige ernsthafte Gespräche – immerhin sprach die Koalition miteinander –, und Torhüterin Beer gab ihre Verteidigungsstrategie auf. Die Wahl zwischen G 8 und G 9 soll zwar weiterhin geprüft werden, aber das Ergebnis der Prüfung steht angeblich schon fest.

Meine Damen und Herren, wer soll diese Koalition, diese Landesregierung eigentlich noch ernst nehmen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Wer soll eine Kultusministerin ernst nehmen, die knapp einen Monat nach ihrer Ernennung auf Druck der CDUFraktion ihre bildungspolitischen Positionen sang- und klanglos räumt? Glauben Sie wirklich, dass Sie die Eltern und Schüler davon überzeugen können, dass Sie ernsthaft darum bemüht sind, G 8 und seine Folgen zu korrigieren? Die Eltern und Schüler haben aus der Vorstellung der vergangenen Woche erst einmal mitgenommen, dass Sie nicht wissen, was Sie wollen, und sie haben mitgenommen, dass Sie es nicht können.

Das muss auch nicht verwundern; denn die eigentliche Motivation des bouffierschen Spielzugs ist nicht die Erkenntnis, dass G 8 Murks war. Die eigentliche Motivation ist das Wissen um die Dauer-Ablehnung dieser verkorks ten Schulzeitverkürzung durch die Eltern und die Angst, dass Ihnen diese Ablehnung im Wahlkampf erneut auf die Füße fällt. Mit Ihren halbherzigen Ankündigungen werden Sie die Einstellung zu G 8 nicht verändern; denn Sie lösen das Problem nicht. Die Verkürzung in der Mittelstufe durch G 8 war, ist und bleibt falsch.

(Beifall bei der SPD)

Sie hat zu einer Belastung der Familien geführt. Sie hat zur Überforderung von Schülerinnen und Schülern geführt. Wenn Sie wirklich etwas ändern wollen, dann fordern wir Sie auf, im Rahmen Ihrer Prüfung das Modell einer sechsjährigen Mittelstufe mit einer modularisierten flexiblen Oberstufe ernsthaft zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Habermann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das ist das Modell, für das sich der Landeselternbeirat und die Landesschülervertretung ausgesprochen haben. Wenn Sie die Wahlfreiheit wirklich ernst nehmen, dann fragen Sie die Betroffenen. Fragen Sie sie, welchen Weg zum Abitur sie mit ihren Kindern gehen wollen. Ich glaube, die Antwort wird eindeutig sein.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Kollegin Habermann. – Das Wort hat der Kollege Döweling, FDP-Fraktion.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt kommt die Innenverteidigung!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Habermann, Kollege Schäfer-Gümbel, wenn Sie meinen, ich sei die Innenverteidigung, dann kann ich nur sagen: Nach dem Sturmlauf, den Kollegin Habermann quer über den Platz gemacht hat, und nach

dem sie dann auch noch ins eigene Tor geschossen hat, bin ich heute hier gerne die Innenverteidigung.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)