Heike Habermann
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mich dem, was der Kollege May gesagt hat, unmittelbar an
schließen: Ich spreche der Käthe-Kollwitz-Schule herzliche Glückwünsche für die Auszeichnung aus, die sie bekommen hat, sowie dafür, dass sie dort einen demokratischen Prozess in Gang gesetzt und eine Auseinandersetzung darüber geführt haben,
wie sie es mit der Vermittlung von Friedenspolitik halten wollen.
Ich bedauere aber zutiefst, dass diese Auszeichnung im Landtag dazu benutzt wird, eine ideologische Debatte über die Rolle der Bundeswehr zu führen.
Mein erster Vorwurf richtet sich an die LINKEN: Frau Cárdenas, sich hierhin zu stellen und so zu tun, als hätte DIE LINKE eine Offenbacher Schule dazu bewogen, in ihren Gremien entsprechende Beschlüsse zu fassen, finde ich vermessen. Die Käthe-Kollwitz-Schule hat in Offenbach schon Friedensprojektwochen durchgeführt, als man an DIE LINKE überhaupt noch nicht gedacht hat. Das heißt, sie stehen mit dem Beschluss, den sie gefasst haben, in einer guten Tradition.
Die Schülerinnen und Schüler der Käthe-Kollwitz-Schule sind ein Abbild der Offenbacher Bevölkerung. Dort versuchen Menschen aus zahlreichen Nationen und verschiedenen Kulturen, mit unterschiedlichen Religionen, aber auch mit einem ganz unterschiedlichen Aufenthaltsstatus, ein friedliches Miteinander zu realisieren, aufbauend auf Akzeptanz und Toleranz. Die Käthe-Kollwitz-Schule als berufliche Schule hat sich sehr frühzeitig mit dieser Problematik auseinandergesetzt und friedliche Konfliktlösungen sowie den Erwerb sozialer Kompetenzen in den Mittelpunkt ihres Schulprogramms gestellt.
Herr Schork, diese Schule hat im März 2011 in der Gesamtkonferenz und in der Schulkonferenz den Beschluss gefasst, Jugendoffiziere nicht in die Arbeit der Schule einzubinden. Ich weiß nicht, warum es so bemerkenswert ist, dass dieser Beschluss nicht einstimmig gefasst wurde. Es gibt Regelungen dafür, mit welchen Mehrheiten Beschlüsse in einer Schulkonferenz gefasst werden. Das sind Zweidrittelmehrheiten. Dem ist ein Diskussionsprozess vorausgegangen, der, glaube ich, deutlich gemacht hat, dass dort nicht leichtfertig über irgendjemanden hinweg Beschlüsse durchgeboxt wurden. Dieser Beschluss wurde von der Schülervertretung 2012 noch einmal bekräftigt.
Es geht nicht darum, sich für oder gegen die Bundeswehr zu entscheiden, sondern darum, dass Schulen in der Verantwortung für ihre Schüler den besten Weg suchen, um ihnen die Grundlagen eines friedlichen Miteinanders und einer solchen Gemeinschaft zu vermitteln. Den Weg einer privilegierten Partnerschaft zwischen Schule und Bundeswehr, wie er in Hessen vereinbart wurde, haben wir, die SPD, in der damaligen Diskussion abgelehnt; denn Schulen müssen sich im Rahmen ihres pädagogischen Konzepts auch gegen den Besuch von Jugendoffizieren entscheiden können, ohne dafür an den Pranger gestellt zu werden.
Ganz zum Schluss möchte ich sagen: Es ist eigentlich völlig unverständlich, dass gerade die Fraktionen, die sich als
Wegbereiter der selbstständigen Schule rühmen, die Entscheidungen von Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern kritisieren.
Bei Ihnen hört das selbstständige pädagogische Handeln einer Schule dort auf, wo Ihnen deren Weg nicht gefällt. Das ist entlarvend. Ich will zitieren, was Herr Wintermeyer vorhin gesagt hat. Er hat hier von einer „ideologiegetriebenen Bevormundung“ geredet.
Nachdem ich die Rede von Herrn Schork gehört habe, muss ich sagen: Ich glaube, das passt auch an dieser Stelle sehr gut. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, da ich die Antwort auf die Frage inzwischen kenne, ziehe ich sie zurück.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da nicht nur Schuljahresbeginn ist, sondern die Landesregierung auch ihre bildungspolitische Abschlussbilanz vorlegt,
will ich ausdrücklich mit dem Positiven beginnen.
Deswegen bitte ich Sie, zuzuhören. – Sie haben notwendige 2.500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Das erkennen wir an.
Unterstützt haben wir auch von Beginn an die Einführung eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts, der in diesem Schuljahr zumindest beginnen kann. Das ist im Übrigen nicht so ganz Koalitionsmeinung gewesen.
Sie haben sich kurz vor Toresschluss auch noch an den Sozialindex erinnert, der schon in Herrn Banzers Schubladen schlummerte und zumindest einen ersten Einstieg in eine Lehrerversorgung bedeutet, die sich an der Situation der Schülerinnen und Schüler orientiert und nicht an einfachen Klassenteilern.
Frau Kultusministerin, ich denke, Sie geben mir recht, dass dieses Instrument noch schärfer justiert und ausgebaut werden muss, damit gerade Schulen in Offenbach wirklich adäquat für ihre wichtige Aufgabe ausgestattet werden können. Denn bisher gibt es hier noch reichliche Verzerrungen.
Meine Damen und Herren, damit aber Schluss des Positiven. Verschleppt haben Sie den Ausbau der Ganztagsschulen.
Verhindert haben Sie die Fortschritte bei der Inklusion.
Verpfuscht haben Sie eine Lösung für den Wunsch der Eltern, zur sechsjährigen Mittelstufe im Gymnasium zurückzukehren.
Verprellt haben Sie außerdem Fachleute, Lehrkräfte und Beschäftigte mit dem Durchboxen eines Landesschulamtes, das keiner will und keiner braucht.
Ich finde es übrigens sehr bemerkenswert, dass Kultusministerin Beer kein einziges Wort zu diesem Jahrhundertprojekt der Hessischen Landesregierung verloren hat.
Ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun, dass Sie selbst noch nicht so genau wissen, was Sie dazu sagen wollen.
Meine Damen und Herren, Kontinuität in dieser Bildungspolitik hat alleine die Tatsache, dass Sie keine Anstrengungen für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit unternommen haben und es zulassen, dass Bildungserfolg in Hessen weiterhin von der Herkunft der Kinder bestimmt wird.
G 8 wurde durchgeboxt gegen den erbitterten Widerstand von Schulen, Eltern und Schülerinnen und Schülern. 75.000 Unterschriften haben 2004 bescheinigt, was sie von der Einführung von G 8 halten, nämlich gar nichts.
Wo war damals die Wahlfreiheit, die heute als liberales Deckmäntelchen dafür herhalten muss, dass den Schulen
die Entscheidung über die Länge der gymnasialen Mittelstufe vor die Tür gekehrt wurde? Die Bedenken aller Beteiligten wurden damals schlicht ignoriert. G 8 wurde zwangsweise allen Gymnasien und Gymnasialzweigen übergestülpt, obwohl bereits die Erfahrung mit den Turboklassen gezeigt hatte, dass nur für einen kleinen Teil besonders leistungsfähiger Schüler und Schülerinnen die in der Mittelstufe verkürzte Gymnasialzeit geeignet war.
Meine Damen und Herren, 2008 haben alle Fraktionen in diesem Haus einem Gesetzentwurf der GRÜNEN zugestimmt, der den kooperativen Gesamtschulen die Rückkehr zu G 9 erlaubte. Auch wir haben dies getan, weil uns wichtig war, dass zumindest einem Teil der Kinder in gymnasialen Bildungsgängen G 8 erspart werden konnte.
Aber wo blieb damals die Wahlfreiheit der Gymnasien? Nicht die FDP, nicht die CDU und nicht die GRÜNEN haben eine Rückkehrmöglichkeit für die Gymnasien zum damaligen Zeitpunkt auch nur angedacht, obwohl auch damals deutlich wurde, dass G 8 von den Anzuhörenden nicht akzeptiert wird.
So vergingen weitere vier Jahre. Ein kompletter Schülerjahrgang musste unter einer Schulreform leiden, für die diese Landesregierung bis heute eine Begründung schuldig geblieben ist.
Erst der näher rückende Wahltermin führte zur Erfindung der Wahlfreiheit der Gymnasien aus Angst davor, dass die Verkürzung der Gymnasialzeit erneut zum Bumerang für die amtierende Landesregierung werden könnte. Wie gering die Akzeptanz für G 8 weiterhin ist, beweist die Tatsache, dass 39 Gymnasien innerhalb kürzester Fristen den Weg zurück zu G 9 gegangen sind und mit ihnen weitere 23 kooperative Gesamtschulen.
Frau Kultusministerin, wie wenig Ihnen die sogenannte Wahlfreiheit für die Eltern und Schüler gilt, beweisen die Umfragen, die in vielen Grundschulen unter den Eltern gemacht wurden. Offenbach, Marburg, Lahn-Dill-Kreis, Main-Kinzig-Kreis, gleichgültig, wo es Umfragen gab, gleichen sich die Ergebnisse: Zwischen 85 und 95 % und mehr der Grundschuleltern wollen keine verkürzte Mittelstufe.
Frau Kultusministerin, wenn Sie erklären, die Problematik G 8/G 9 sei gelöst, weil es ein ausreichendes Angebot gebe und die Eltern die Wahl hätten, dann ist das schlicht ignorant. Das muss insbesondere den Eltern wie Hohn vorkommen, die in diesen Tagen in Kassel und in Wiesbaden vergeblich nach einem G-9-Angebot im Gymnasium gesucht haben.
Meine Damen und Herren, die SPD wird das G-8-Experiment auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler beenden und dafür sorgen, dass auch bestehende 5. und 6. Klassen zur sechsjährigen Mittelstufe zurückkehren können.
Wenn 90 % der Eltern G 8 nicht wollen, müssen für 10 % Möglichkeiten einer individuellen Schulzeitverkürzung angeboten werden, z. B. durch die Schuleingangsstufe, aber insbesondere durch die Möglichkeiten einer modularisierten Oberstufe. Schulzeitverkürzung ist nämlich kein Wert an sich. Sie sollte Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden, wenn sie schneller zu einem Abschluss kommen wollen und dieses auch können.
Aber Sie haben G 8 allen Kindern aufgezwungen. Das ist Bildungspolitik nach Gutsherrenart und zeigt, wie wohlfeil Ihre Behauptungen sind, man wolle Schule mit den Beteiligten gestalten und nicht über ihre Köpfe hinweg, Frau Kultusministerin.
Sie haben die Entwicklung von Ganztagsschulen verschleppt und wissen offensichtlich auch nicht um den pädagogischen Wert einer Ganztagsschule, wenn Sie Ganztagsschule als Zwangseinrichtung diskriminieren. Damit haben Sie nicht nur den Protest des hessischen Ganztagsschulverbandes hervorgerufen. Die Aussage, der Besuch bei der Oma wäre verhindert, wenn Kinder eine Ganztagsschule besuchen, ist entlarvend, Frau Kultusministerin.
Sie haben den Begriff der Ganztagsschule abqualifiziert, weil Sie offensichtlich unfähig sind, den Gewinn einzuschätzen, den Kinder durch den Besuch einer Ganztagsschule haben.
Es geht nicht allein darum, Eltern die Betreuungszeiten anzubieten, die sie brauchen. Es geht vor allem darum, Kindern mehr Zeit zum Lernen zu geben und in der Schule einen Tagesablauf so zu gestalten – im Wechsel von Unterricht, Förderung gemeinsamer Aktivitäten, Angeboten von Vereinen und Ruhephasen –, dass das Kind diese Schule auch als Lebensraum und als Gewinn für seine Bildungsperspektive empfindet.
Ein Kind, das aus einer solchen Schule nach Hause kommt, besucht auch gern die Oma, weil es nämlich keine Hausaufgaben mehr zu machen hat.
Meine Damen und Herren, wir wollen anbieten, dass sich 500 Grundschulen in den nächsten fünf Jahren zu solchen Ganztagsschulen entwickeln können. Zurzeit gibt es von 1.035 Grundschulen lediglich fünf gebundene Ganztagsschulen; das sind 0,5 %. 28 weitere können im Profil 2 an fünf Tagen ein Angebot machen. Insgesamt sind lediglich 351 Grundschulen im Landesganztagsprogramm.
Frau Kultusministerin, es ist ja schön, wenn Sie jetzt auch eine Priorität für die Grundschulen entdecken. Aber es ist schäbig, die Verantwortung für die Prioritätensetzung in der Vergangenheit auf die Schulträger abzuladen, so wie Sie dies im Ausschuss getan haben. Mit zwei, drei Stellen im Jahr können die Schulträger keine Ganztagsschule nach Profil 3 ausstatten, auch wenn Schulen dies gern wollen.
Die Förderung von Ganztagsschulen ist eine Entscheidung für mehr Bildungsqualität und keine Zwangsmaßnahme. Die einzige Zwangsganztagsschule in Hessen haben Sie mit der Einführung von G 8 geschaffen.
Was bleibt, ist die Erfindung von Ministerpräsident Bouffier, der Pakt für den Nachmittag.
Die Kultusministerin hat vorhin beschrieben, dass in den nächsten Jahren etwas passieren soll.
Aber so recht weiß niemand, was sich dahinter verbirgt. Immerhin ist dieser Vorgang von der Einsicht geprägt, dass es Bedarf für eine Betreuung bis 16 Uhr gibt. Frau Kultusministerin, wir fragen uns allerdings, was genau bei Ihnen wie bei den GRÜNEN, muss ich sagen, hinter der wolkigen Formulierung verbirgt, man werde diesen Pakt oder die Betreuungsgarantie gemeinsam mit den Kommunen umsetzen.
Ganztagsschule ist eine Landesaufgabe,
und die Kosten für den Betrieb einer solchen Ganztagsschule dürfen nicht anteilig und obligatorisch von den Kommunen eingefordert werden. Schon jetzt investieren viele Schulträger in zusätzliche Ganztagsangebote, weil das Land sie im Regen stehen lässt. Übrigens nannte man einen solchen Pakt für den Nachmittag für Kinder bis zwölf Jahre früher Hortplätze. Das Innovative an diesem Konzept ist wohl mehr der Zeitpunkt der Verkündung als der Inhalt.
Frau Kultusministerin, mit behutsamen Schritten, die Sie beschrieben haben, hat das nichts zu tun, was die Inklusion an hessischen Schulen betrifft. Vielmehr wird in Hessen Inklusion vereitelt. Es fehlen die notwendigen Lehrerstunden, um Schulen überhaupt in die Lage zu versetzen, die Anforderungen inklusiver Arbeit zu bewältigen.
Wer den Ressourcenvorbehalt im Schulgesetz belässt, sabotiert den Auftrag der UN-Konvention, die jedem Kind mit besonderem Förderungsbedarf das Recht gibt, gemeinsam mit allen anderen Kindern eine Schule zu besuchen.
Sie entmutigen die Eltern, die sich fragen, ob an der Regelschule die notwendigen personellen und sächlichen Vorkehrungen getroffen werden, um ihr Kind bestmöglich zu fördern. Und Sie demotivieren die Lehrkräfte. Ohne ein Fortbildungsangebot in der Fläche werden sie mit den Anforderungen eines inklusiven Unterrichts konfrontiert und reagieren dann verständlicherweise auch oft mit Überforderung oder Abwehr.
Frau Kultusministerin, gesellschaftliche Akzeptanz für den Gedanken der Inklusion schafft man so nicht. Aber das ist wohl auch nicht gewollt.
Mit der neuen Verordnung zur sonderpädagogischen Förderung in den allgemeinen Schulen haben sich die Bedingungen gegenüber dem gemeinsamen Unterricht in Hessen
verschlechtert. Die Erhöhung der Inklusionsquote geht zulasten einer notwendigen sonderpädagogischen Förderung. Auch wenn Sie die Erhöhung der Inklusionsquote in den Vordergrund stellen, steigt gleichzeitig in Hessen die Zahl der Förderschülerinnen und Förderschüler, weil Eltern aus Angst vor dem, was ihren Kindern in der allgemeinen Schule ohne Förderung bevorsteht, diese lieber gleich auf einer Förderschule anmelden.
„Wer etwas will, sucht nach Wegen – wer etwas nicht will, sucht Begründungen”, sagt ein altes Sprichwort. Sie suchen nach Begründungen, weil Sie keine Perspektive für ein inklusives Schulsystem wollen, Frau Kultusministerin. Wir wollen innerhalb von zehn Jahren das Parallelsystem von Förderschule und allgemeiner Schule auflösen.
Wenn man diese Perspektive als „Hauruck-Inklusion“ bezeichnet, will man keine Wege öffnen, sondern Türen verschließen.
Herr Wagner, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, melden Sie sich. Aber ich sage Ihnen gleich, ich lasse sie nicht zu.
Dabei reden Sie immer von der Vielfalt der Kinder und behaupten, Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und individuell zu fördern. Tatsächlich fördern Sie ausschließlich die Vielfalt der Schulformen und haben dazu beigetragen, dass das hessische Schulsystem weiter zersplittert und für Eltern unübersichtlich geworden ist.
Wenn Sie Ihr eigenes Credo der Vielfalt ernst nehmen würden, dann hieße das für jede und jeden der 788.000 Schülerinnen und Schüler in Hessen, ein auf sie zugeschnittenes Angebot zu entwickeln.
Kinder sind von Natur aus und von Geburt an wissbegierig und motiviert. Manche lernen schnell und ohne erkennbare Anstrengung. Manche haben individuelle Probleme mit einzelnen Fächern. Viele Kinder finden Unterstützung durch ihre Familien und haben bereits vor der Schule einen Schatz an Interessen und Erfahrungen aufgebaut. Anderen dagegen fehlen in der familiären Sozialisation Förderung und Bildungsanreize.
Manche Kinder bringen körperliche, geistige oder psychische Handycaps mit, oder sie kämpfen mit Sprachproblemen. Allen diesen Kindern ist eines gemeinsam: Sie haben in ihrer Unterschiedlichkeit einen Anspruch und ein Recht auf bestmögliche Förderung und Bildung, auf Teilhabe und auf eine persönliche Perspektive.
Aber in Hessen bleibt es vielen Kindern weiterhin versagt, diesen Anspruch durchzusetzen.
Denn der Erfolg bei der Bildung ist weiterhin von der Herkunft abhängig. Angesichts der vielen jungen Menschen, deren Fähigkeiten weder in der Familie noch in der Schule entsprechend gefördert werden können, und angesichts der Tatsache, dass wir jeden dieser jungen Menschen für die Entwicklung unserer Gesellschaft brauchen, handelt es sich dabei um den größten Skandal dieser Bildungspolitik, den es zu beheben gilt.
Sie haben vor der zentralen Frage kapituliert, wie die Schulen arbeiten müssen und wie die Lehrkräfte ausgebildet werden müssen, damit die Berücksichtigung der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit ein Qualitätskriterium für den Unterricht an hessischen Schulen wird. Wir wollen deshalb den Ausbau der frühkindlichen Bildung. Wir wollen die Schuleingangsstufe. Wir wollen echte Ganztagsschulen. Wir wollen, dass es das Angebot an die Schulen gibt, dass die Kinder in der Mittelstufe gemeinsam lernen.
Frau Kultusministerin, Sie reden von Wahlfreiheit und tun den Wunsch der Eltern nach längerem gemeinsamen Lernen rigoros als „Einheitsbrei“ ab. Angesichts Ihrer Vorstellungen tun Sie mir echt leid. Das muss ich Ihnen sagen.
Wir sind davon überzeugt, dass das gemeinsame Lernen allen Kindern Vorteile bietet. Das gilt für die guten Lerner ebenso wie für diejenigen, die viel Unterstützung brauchen. Die Schulen sollen sich freiwillig für den Weg der Gemeinschaftsschule entscheiden können, so wie das Schulen in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg, in Sachsen-Anhalt und im Saarland schon heute tun. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt geschieht dies mit Zustimmung der dortigen CDU.
Wer hier von Zwang redet, beschwört seine eigenen Zwangsvorstellungen.
Schulen, die den Weg gehen wollen, Unterschiedlichkeit und Vielfalt als Grundlage für mehr Bildungsqualität und bessere Chancen für jedes der Kinder zu nutzen, als Einheitsschulen zu verunglimpfen, beweist letztlich nur Einfalt.
Es geht uns auch nicht darum, alle gleichzumachen. Nicht jedes Kind wird bis zum Abitur kommen. Nicht jedes Kind soll Abitur machen. Denn es gibt sehr viele verschiedene interessante Berufe, für die man das Abitur oder das Studium nicht braucht.
Darum geht es nicht. Es geht darum, Verschiedenheit anzuerkennen und sie als Chance für lebendigen und guten Unterricht zu nutzen.
Da Herr Prof. Hattie in Hessen jetzt in den Mittelpunkt gerückt wird, kann ich Ihnen nur empfehlen, einmal nachzuschlagen, wo er die Erkenntnisse über guten Unterricht gewonnen hat. Er hat diese Erkenntnisse in einem Kulturraum und in einem Land gewonnen, in dem es Ihrer Ansicht nach nur eine Einheitsschule gibt. Auch darüber würde ich mir ab und zu einmal Gedanken machen, wenn ich solche Begriffe benutzen würde.
Einmal mehr gehen in Hessen die Uhren rückwärts. Denn nicht nur die Mitglieder der CDU, sondern auch die der FDP verschanzen sich lieber hinter verstaubten Kampfparolen und Wahlkampflügen
Wahlkampflügen –, statt über ihre eigenen Versäumnisse nachzudenken. Frau Kultusministerin, es ist schade, dass Ihr Gerede über die Vielfalt letztlich inhaltslos bleibt. Weder bei der Umsetzung der Inklusion noch bei der Unterstützung der Modelle längeren gemeinsamen Lernens und auch nicht bei der Stärkung der Grundschule sind Sie über leere Worte hinausgekommen.
Unsere Kinder haben eine bessere Bildungspolitik verdient, eine Bildungspolitik, die das einzelne Kind in den Mittelpunkt rückt. Eine solche Bildungspolitik werden wir mit all denen gemeinsam machen, die die Schule ausmachen. Wir werden das mit den Lehrkräften, den Schülerinnen und Schülern und den Eltern machen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich abwarten, bis die Debatte etwas sachlicher und friedlicher wird; aber die Hoffnung war leider vergebens. Herr Döweling, nur zu Ihrer Information: Wenn Sie wissen wollen, worin der Unterschied zwischen der integrierten Gesamtschule und der grünen neuen Schule sowie dem
SPD-Modell für ein längeres gemeinsames Lernen besteht, schauen Sie doch einfach einmal in unsere Programme. Die sind nahezu identisch.
Sie lesen doch sonst so gern unsere Parteiprogramme. Da können Sie den Unterschied vielleicht nachvollziehen.
Aber ich will mit etwas beginnen, worüber wir uns wahrscheinlich alle einig sind: Gute Bildungspolitik muss nachhaltig und verlässlich sein, nicht nur in den pädagogischen und den inhaltlichen Zielsetzungen, sondern auch bei der Finanzierung und den Arbeitsbedingungen in den Schulen. Ich denke, das sollte ein Grundsatz sein, der uns zusammenführt.
Die Realität sieht anders aus: Die Unterfinanzierung des Bildungssystems steht seit Jahren auf der Agenda der Politik. Es ist eine Binsenweisheit, dass Schulreformen mehr als eine Legislaturperiode brauchen, um die intendierte Wirkung zu entfalten.
Trotzdem werden die Programme überall immer wieder noch in der Modellphase zusammengestrichen oder verändert. Viele Beschlüsse bleiben Türschilder, weil in den Schulen nicht die nötige Zeit zur Umsetzung vorhanden ist oder die dafür notwendigen Mittel schlicht nicht zur Verfügung gestellt werden. Das hat oft auch etwas mit Wahlen zu tun.
Eine Verständigung über Bildungsreformen und Bildungsfinanzierung innerhalb der Bundesländer, aber auch zwischen den Bundesländern ist deshalb im Interesse vor allem der Kinder längst überfällig.
Inzwischen haben wir zahllose Expertisen und Stellungnahmen von Bildungswissenschaftlern und Bildungsstudien, die den Reformbedarf des Schulsystems beschreiben: mehr Durchlässigkeit, weniger Selektivität, Vielfalt und Unterschiedlichkeit als Qualitätsmerkmal fördern, Zeit zum Lernen und zur Entwicklung geben, Schule als Lebensraum entwickeln. Die Liste der Befunde ist lang. Bei der Umsetzung dieser Befunde wird die Expertise der Fachpraxis dann aber häufig ignoriert. Die jüngsten Beispiele in Hessen sind das unsägliche Landesschulamt und das völlig kopflos eingeführte Praxissemester in der Lehrerbildung. Der Erledigungsvermerk im Koalitionsvertrag hat Priorität vor den Einwänden derjenigen, die das Beschlossene dann umsetzen müssen. Insbesondere die hessische CDU verschließt sich jeder Debatte über eine zukunftsfähige Bildungspolitik und sieht sich selbst als letzten Bewahrer bildungspolitischer Glaubensbekenntnisse der Vergangenheit.
Erst gestern haben wir in der Ganztagsschuldebatte gehört, dass die CDU gebundene Ganztagsschulen zwar als Profil 3 in den Ganztagsschulrichtlinien akzeptiert, sie aber gleichzeitig als Zwangsbeglückung und Zwangsganztagsschule verunglimpft,
offensichtlich unbeeindruckt von den Expertisen, die Ganztagsschulen als einen Baustein für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit definieren. Solange ein bildungspolitisch nicht unbekannter stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU offensichtlich unwider
sprochen von der eigenen Fraktion bei Veranstaltungen Gesamtschulen als „Verbrechen an den Kindern“ bezeichnen kann,
werden wir kaum sachlich über längeres gemeinsames Lernen als Angebot an die Schulen diskutieren können.
Aber auch die Erfahrungen aus 2008 zeigen, dass der bloße Appell, der im GRÜNEN-Antrag formuliert wird, nicht ausreichen wird. Als Ergebnis einer großen schulpolitischen Anhörung ist es damals letztlich gelungen, wenige Vorhaben fraktionsübergreifend auf den Weg zu bringen. Als Beispiele will ich nennen: 100 neue Stellen im Bereich gemeinsamer Unterricht, die Erhöhung der Anzahl der Referendarstellen und das Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 für die kooperativen Gesamtschulen.
Nach der mehrheitsfreien Parlamentsphase ist es zwar bei den 100 zusätzlichen Förderschullehrerstellen geblieben, aber trotz erhöhten Bedarfs für Inklusion wurden keine weiteren Schritte vereinbart. Von Konsens war hier nicht mehr die Rede. Die Stellenzahl bei den Studienreferendaren wurde wieder gekürzt. Von Konsens war nicht mehr die Rede.
Geblieben ist das Wahlrecht der kooperativen Gesamtschulen zwischen G 8 und G 9. Aber mit der sogenannten Wahlfreiheit der Gymnasien wurde die Möglichkeit der Rückkehr bestehender 5. und 6. Klassen aufgehoben, wiederum ohne sich um einen Konsens zu bemühen, übrigens auch nicht mit den Eltern, die das ganz massiv eingefordert haben.
Übrigens wurde damals die Wahlmöglichkeit der Gymnasien zwischen G 8 und G 9 von keiner einzigen Fraktion beantragt, nicht von der CDU, nicht von der FDP und nicht von den GRÜNEN. Wir haben uns damals als Kompromiss diesem Gesetzentwurf angeschlossen, obwohl wir immer die sechsjährige Mittelstufe in allen Schulformen für richtig hielten.
In den letzten Jahren hat sich in den Bundesländern viel bewegt und auch viel aufeinander zubewegt. Allein die hessische CDU bleibt bei ihrer autistischen Haltung.
Bereits 2010 wurde ein Gesprächsangebot meines Fraktionsvorsitzenden an Ministerpräsident Bouffier über einen Konsens zu den damals vorliegenden Schulgesetzentwürfen der Koalition und der SPD schlicht ignoriert.
Herr Präsident, das war nicht als Beleidigung gedacht, sondern als Verhaltensbeschreibung. Aber ich wiederhole gern den letzten Satz.
Bereits 2010 haben Sie ein Gesprächsangebot unseres Fraktionsvorsitzenden über einen zu vereinbarenden Konsens zu den vorliegenden Schulgesetzentwürfen von SPD und GRÜNEN schlicht ignoriert.
Meine lieben Freunde von den GRÜNEN, ich kann nachvollziehen, dass Sie gern in die Rolle des ideologiefreien Mediators schlüpfen, und die Absicht ist auch eine gute. Allein der vorgeschlagene Weg erscheint mir untauglich. Bei all dem, was wir in den letzten Jahren hier an Bildungspolitik und an Beratungsresistenz erlebt haben, sehe ich keine Chance darin, sich zusammenzusetzen, wenn dann jeder sein Programm auskramt und hinterher sagt: „Wir werden uns doch nicht einig“. Lassen wir doch lieber diejenigen zu Wort kommen, die sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg wissenschaftlich mit Schule und Schulpolitik auseinandergesetzt haben, und nutzen wir deren Expertise für einen bildungspolitischen Konsens.
Wir haben gestern über den Bericht der Enquetekommission Integration debattiert, ein Thema, das in diesem Hause sehr oft kontrovers und emotional diskutiert wurde. Ich glaube, dabei wurde deutlich, dass die intensive Auseinandersetzung mit den Experten auch zur Reflexion über festgefahrene Standpunkte und Vorurteilsstrukturen beigetragen hat. Deshalb ist es doch einen Versuch wert, auch in der Bildungspolitik ein ähnliches Verfahren anzustreben.
Ich denke, wir sind uns einig über die zentralen Fragen, auf die wir eine Antwort brauchen: Wie kann frühe Bildung im Übergang zur Grundschule gestärkt werden? Wie lässt sich die Abhängigkeit zwischen Herkunft und Bildungserfolg auflösen? Wie sehen Maßnahmen individueller Förderung aus, die Ernst machen mit dem Ziel, kein Kind zurückzulassen? Wie kann man die Qualität der Schulen weiter verbessern? Wie muss eine Bildungsfinanzierung, wie müssen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte aussehen, damit diese Aufgaben auch umgesetzt werden können?
Eine Expertenkommission kann Grundlagen und Handlungsempfehlungen für einen bildungspolitischen Konsens erarbeiten, und die Ergebnisse können in eine Vereinbarung einfließen, die mit den Betroffenen zu diskutieren ist.
Ich erinnere daran, dass eine solche Enquetekommission 2007 unter Bürgermeister Ole von Beust in Hamburg einen Bericht vorgelegt hat, der damals auch von der SPD mitgetragen wurde. Dieser bildungspolitische Konsens, der dort 2007 erzielt wurde, wurde nur dadurch unterbrochen, dass ihn eine grüne Bildungssenatorin nach dem Regierungswechsel aufgekündigt hat mit der Forderung nach einer sechsjährigen Grundschule.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich denke, wir können es hier besser machen.
Deswegen hoffe ich, dass unser Vorschlag auf Zustimmung stößt.
Sehr geehrter Herr Irmer, zu Punkt 1: Sie haben uns gestern erklärt, dass unsere Forderung, 500 Grundschulen zu ermöglichen, gebundene Ganztagsschulen zu werden, eine Zwangsganztagsschule bedeute. Ich bin froh darüber, dass ich das noch einmal klarstellen kann. Wenn man ein Programm auflegt und es Schulen anbietet, dann müssen sich Schulen darum bewerben und eine Konzeption vorlegen. Das hat mit „Zwangsbeglückung“ nichts zu tun.
Herr Irmer, wenn wir von 100 Schulen pro Jahr sprechen, dann definiert dies das finanzielle Volumen, das wir bereit sind zur Verfügung zu stellen. Es gibt in diesem Landeshaushalt noch mehr Programme, die nicht in jedem Jahr ausgeschöpft werden. Allerdings bin ich mir relativ sicher, dass es genügend Grundschulen geben wird, die sich auf diesen Weg machen wollen.
Zu Punkt 2: Herr Irmer, Sie wissen, ich habe das der Zeitung entnommen. Im Prinzip haben Sie Ihre Äußerung jetzt bestätigt.
Ich habe vorhin „Gesamtschule“ gesagt. Sie sprachen von der „Einheitsschule, die die SPD will“. Die sogenannte Einheitsschule, die die SPD will, ist eine Weiterentwicklung der bestehenden integrierten Gesamtschule,
weil sie in der Mittelstufe binnendifferenziert arbeitet und dies als Ganztagsschule tut.
Das ist nachlesbar. Wenn Sie das als „Verbrechen an den Kindern“ bezeichnen, dann ist wieder einmal deutlich geworden, wie rückwärtsgewandt Ihre Einstellungen in diesem Bereich sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kultusministerin hat in der zweiten Lesung zu dem Gesetzentwurf über ein Praxissemester argumentiert, dass man mit dem Modellversuch nicht so falsch liegen könne, wenn die Hochschulen bereit seien, sich daran zu beteiligen.
Dass sich die Bereitschaft der Hochschulen in Grenzen hält, hat bereits die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gezeigt, bei der deutlich wurde, dass alle drei beteiligten
Hochschulen massive Kritik an der Konzeption geübt haben und noch keine Informationen über die Durchführung sowie deren Bedingungen hatten.
Aber da Herr Irmer gerade die Erklärung aus Kassel zitiert hat, kann man sagen, dass das, was die Kultusministerin erklärt hat, offensichtlich falsch ist. Sie meinen wohl die Erklärung der Fachdidaktikerkonferenz der Universität Kassel zum Modellversuch zur Erprobung eines Praxissemesters. Dort werden die gleichen Argumente gegen diesen Gesetzentwurf aufgelistet, die wir bereits in der Anhörung mehrfach gehört haben. Das betrifft einmal den frühen Zeitpunkt des Praxissemesters, der eine angemessene Reflexion noch nicht zulässt. Zum Zweiten betrifft es den Umstand, dass nicht gleichzeitig Ausbildungszeiten verlängert werden. Herr Irmer, wenn Sie nun sagen, man könne durchaus noch vier Wochen dranhängen, muss ich Sie ernsthaft fragen, wie man das bei einer sechssemestrigen Ausbildung im Grundschullehramt mit der fachlichen und theoretischen Qualifizierung der Studenten im Lehramt vereinbaren möchte: ein Blockpraktikum über ein Semester und noch einmal vier zusätzliche Wochen.
Im Prinzip reden wir letztlich über fünf Tage, das ist Ihnen hoffentlich bewusst. Die bisherigen Aufbaupraktika, die in verschiedenen Phasen abliefen, dauerten insgesamt 50 Tage, und das Praxissemester wird einen Zeitraum von 55 Tagen umfassen. Allein daher ist die Äußerung zu dem größeren Praxisbezug sehr zu relativieren.
Ein letztes Argument, welches ebenfalls stichhaltig ist, bezieht sich darauf, dass dieses Praxissemester gleichzeitig als eine Art Assessment bzw. Selbsteignungsüberprüfung für die zukünftigen Lehrkräfte angesehen wird. Auch dazu haben alle Fachleute gesagt, diese gleichzeitige Überfrachtung – schulpraktische Studien und Vertiefung des an der Universität Gelernten in der Praxis und zusätzlich eine Selbstüberprüfung der Eignung – ist in dieser Form nicht möglich.
Aber ich will Ihnen nicht vorenthalten, warum ich gesagt habe, es sei falsch, was die Kultusministerin erklärt hat. Die Fachdidaktiker der Universität Kassel haben eine eindeutige Stellungnahme abgegeben, die ich Ihnen gern vorlesen möchte. Die unterzeichnenden Fachdidaktiker erklären, dass aus den genannten Gründen eine Mitwirkung am Modellprojekt Praxissemester auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs und des Änderungsantrags ausgeschlossen sei. Zur Mitwirkung an der Entwicklung eines sinnvollen Modells für ein Praxissemester – dafür müssten zunächst einmal etwaige Defizite des existierenden Modells der konsekutiven Praktika sorgfältig herausgearbeitet und nachgewiesen werden – sei man gerne bereit.
So viel zur Bereitschaft der Universitäten, das Praxissemester in der vorgelegten Form durchzuführen, und zur Sinnhaftigkeit dieses Modellversuchs. Ich hoffe, dass das, was die Fachleute Ihnen mit auf den Weg geben, doch noch zu der Überlegung führt, dass es mit ihnen in einem gemeinsamen Diskurs besser gemacht werden könnte, als Sie es hier vorgelegt haben.
Ich frage die Landesregierung:
Wie viele Lehrkräfte mit befristeten Verträgen werden nur bis zum Beginn der Sommerferien in Hessen beschäftigt?
Frau Kultusministerin, ich wollte eigentlich nur eine Auskunft haben. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass der Landtag auf unseren Antrag das gemeinsam beschlossen hat, was in dem Erlass steht.
Frau Kultusministerin, können Sie uns zum gegebenen Zeitpunkt die aktuellen Zahlen nachliefern und die Information beifügen, wie viele der Angestellten mit befristeten Verträgen kein zweites Staatsexamen haben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 07.05. war in der „Fuldaer Zeitung“ folgendes Zitat von Herrn Dr. Herr zu lesen:
Das ist Unfug, wie das Land das jetzt geregelt hat. Wir in der CDU wollten das anders haben,
aber wir konnten uns gegen die FDP nicht durchsetzen.
Meine Damen und Herren, ein altes Sprichwort sagt: Kinder und Narren sagen die Wahrheit.
Da ich Herrn Dr. Herr weder das eine noch das andere unterstellen will, sollte man ergänzen: „und Landtagsabgeordnete am Ende ihrer Amtszeit“.
Dass es Unfug war, per Schulgesetz den bestehenden 5. und 6. Klassen die Rückkehr zu G 9 zu verwehren, davon sind in diesem Hause noch mehr Abgeordnete der Regierungsfraktionen überzeugt – zumindest, wenn sie sich in ihren eigenen Wahlkreisen befinden.
Da wird dann im Kreistag oder in der Stadtverordnetenversammlung gegen den „Wiesbadener Unfug“ gestimmt. Meine Damen und Herren, sobald sie aber hier im Landtag sitzen, wird dieser Unfug gegen den Willen der hessischen Eltern verteidigt.
Uns alle erreichen täglich Zuschriften und Unterschriftslisten von Eltern, die ihren Kindern, die bereits im Gymnasium unterrichtet werden, die Rückkehr zur sechsjährigen Mittelstufe ermöglichen wollen. Gestern Abend haben Sie die Petition abgelehnt, die inzwischen von mehr als 30.000 Menschen unterschrieben wurde.
Meine Damen und Herren, wer etwas will, der findet Wege; wer etwas nicht will, der findet Gründe. Die Gründe, die Sie gesucht haben und vorbringen, sind nicht stichhaltig. Es gibt keine schulorganisatorischen Gründe, diesen Wunsch der Petenten abzulehnen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2009 zum Vertrauensschutz, das als Begründung für die Schul
gesetzänderung und das Streichen der Rückkehrmöglichkeit für bestehende Klassen herangezogen wurde, nimmt in der Begründung ausdrücklich die bestehenden 5. Klassen aus und verhindert auch nicht, dass vor Ort gangbare Wege gesucht werden, um in den 6. Klassen den Vertrauensschutz zu gewährleisten.
Die einzig verbliebene Begründung der zuständigen Fachministerin bei der Beratung dieser Petition im Ausschuss war die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, auf die Eltern werde massiver Druck ausgeübt,
zuletzt im Rheingau-Taunus-Kreis an die Frau Kultusministerin persönlich herangetragen. Frau Kultusministerin, wenn 100 % der Eltern einer Jahrgangsstufe unterschreiben, dass ihre Kinder nach G 9 zurückkehren sollen,
unterstellen Sie grundsätzlich Mobbing innerhalb der Elternschaft.
Frau Kultusministerin, das ist eine erbärmliche Begründung, um das Offensichtliche nicht aussprechen zu müssen: Sie wollen nicht, dass gangbare Wege beschritten werden,
um dem Wunsch der Eltern gerecht zu werden. Sie wollen es nicht, weil Sie die Flucht der Eltern, Kinder und Schulen vor G 8 verhindern und bremsen wollen. Sie wollen ein Schulmodell erhalten, für das es hier in Hessen keine Akzeptanz gibt.
Mit seinem Vorstoß für die sogenannte Wahlfreiheit hat der Hessische Ministerpräsident im Juni 2012 eine Lawine losgetreten, die Sie nicht mehr stoppen können. Sie haben die Ablehnung von G 8 unterschätzt, und Sie haben die Kritik der Betroffenen über Jahre hinweg ignoriert. Der Versuch, mit der sogenannten Wahlfreiheit die Kritik von Eltern und Schulen aufzufangen, ist missglückt. Meine Damen und Herren, Sie wollten keine Wahlfreiheit, sondern Sie wollten G 8 retten und die Kritiker ruhigstellen.
Stattdessen haben Sie einmal mehr bewiesen, dass Sie die Interessen von Eltern und Kindern in den hessischen Schulen mit Füßen treten. Ich bin ganz sicher: Sie werden es Ihnen zu danken wissen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gab eine Einigkeit unter den Experten während der Anhörung und, ich glaube, auch hier im Hause, dass eine Ausweitung und Ausdehnung der Praxisphase während des Studiums per se positiv ist. Ob das Praxissemester, wie es mit diesem Gesetzentwurf hier vorgelegt worden ist, und seine Umsetzung dazu beitragen, die Qualität der Lehrerausbildung zu verbessern, dazu gab es allerdings in der Anhörung sehr große Zweifel der Experten.
Ich will nur auf drei Punkte hinweisen. Es wurde bezweifelt, dass der Beginn des dritten Semesters ein sinnvoller Zeitpunkt ist, um das frühe Praxissemester durchzuführen. Es wurde vor allem beanstandet – das halte ich auch für einen Kritikpunkt, über den die Regierungsfraktionen noch einmal nachdenken sollten –, dass die Studienseminare in der ersten Phase nicht in die Gestaltung des Praxissemesters einbezogen sind. Das ist nicht nur ein Mittel, um eine bessere Verzahnung zwischen erster und zweiter Ausbildungsphase herzustellen; es ist auch eine Möglichkeit, über die Qualität der Studienseminare mehr Qualität in die Praxisphase hineinzubringen. Ich bedauere es sehr, dass diese Anregungen nicht aufgegriffen wurden.
Die SPD-Fraktion hat ein Motto in ihrem Bildungsprogramm, das heißt: mehr Zeit zum Lernen. Wir wollen Ihnen diese Zeit zugestehen und beantragen deshalb die dritte Lesung. Wir können dann vielleicht in der nächsten Runde noch einmal darüber diskutieren, ob es möglich ist, hier eine sinnvollere Lösung zu finden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schork, ich finde, es ist schon bezeichnend, dass Sie Ihre ganze Redezeit darauf verwendet haben, zu erklären, was am Konzept der GRÜNEN schlecht ist,
das wir übrigens auch nicht teilen, und dass Sie uns nicht erklärt haben, was das Landesschulamt Gutes macht. Ich glaube, das wirft ein Licht darauf, dass Sie das selbst bisher im Prinzip auch nicht wissen.
Herr Wagner hat mit Murphy begonnen. Mir fiel die Feuerzangenbowle ein.
Was ist ein Landesschulamt? – Meine Damen und Herren, da stellen wir uns mal ganz dumm. Das Landesschulamt ist ein großer schwarzer Kasten. Heute würde man es Blackbox nennen. In diesem schwarzen Kasten sind die staatliche Schulaufsicht, die Studienseminare, das AFL und das IQ verschwunden. Herausgekommen ist bisher nichts.
Der zentrale Meilenstein, wie ihn das Kultusministerium gegenüber den Mitarbeitern der hessischen Bildungsverwaltung tituliert hat, existiert seit dem 1. Januar. Noch immer wurde die zentrale Fragestellung nicht beantwortet: Wozu eigentlich das Ganze?
Erstes zentrales Projekt war die Einführung eines neuen Briefkopfes und neuer Visitenkarten für die Mitarbeiter.
Das war im wahrsten Sinne des Wortes das Greifbarste, was an Leistungen des Landesschulamtes bisher sichtbar geworden ist. Ansonsten bekommen wir ein neues Leseförderungskonzept. Da reiben wir uns schon verwundert die Augen. Nachdem Frau Wolff nach dem ersten PISA
Schock die Leseförderung zum strategischen Ziel hessischer Bildungspolitik erklärt hat, sind zehn Jahre vergangen. Die Schulen haben an Konzepten gearbeitet. Die Schulen haben Konzepte umgesetzt. Aber das Landesschulamt zentralisiert das jetzt und effektiviert das Ganze.
Dazu wurde dann eine Arbeitsgruppe einberufen. Die Schulleiter hatten eigentlich nicht viel Lust, daran teilzunehmen, weil sie in der Schule damit beschäftigt sind, ihr Leseförderungskonzept umzusetzen, Frau Kultusministerin. Diejenige, die dieses Projekt und diese Arbeitsgruppe leiten soll, hat die erste Einladung damit verbunden, die Umsatzzahlen für ihr Buch über Leseförderung zu erhöhen, indem sie ein entsprechendes Bestellformular eingebracht hat.
Da fragt man sich wirklich, warum jetzt alles zurück auf Los geht. Wir haben seit Jahren erfolgreiche Konzepte mobiler und computergestützter Art, die Schulen haben sich bemüht, das strategische Ziel umzusetzen. Statt jetzt zu sehen, ob man dabei etwas besser machen oder übertragen kann, gibt es eine neue Arbeitsgruppe für ein unterbeschäftigtes Landesschulamt.
Kommen wir zur Leitungsfunktion. Herr Wagner hat schon einiges dazu gesagt. Laut Ausschreibung brauchen wir einen Manager mit Führungsqualitäten, wir brauchen keinen Pädagogen. Ein Amt, das Qualitätsentwicklung, Lehrerbildung und Unterstützung der Schulen zur Aufgabe hat, soll durch einen Juristen geleitet werden, der einen gewissen Bezug zur Pädagogik haben soll. Ich glaube, man muss gar nichts gegen Juristen haben, um festzustellen, dass für die Leitung der Bildungsverwaltung eine pädagogische Ausbildung zumindest nicht hinderlich wäre.
Schulentwicklung braucht keinen Manager, sondern eine Person mit fachlichem Wissen und Erfahrung.
Eigentlich können alle Kritiker des Landesschulamts froh sein, dass aus dieser großen schwarzen Kiste so wenig herauskommt; denn das erhöht die Chance, dieses sinnlose Konstrukt nach der Landtagswahl wieder abzuschaffen.
Wir brauchen eine Bildungsverwaltung, die die selbstständigen Schulen vor Ort unterstützen kann, eine Bildungsverwaltung, in der Kompetenzen in die Region gehen und nicht umgekehrt. Wir brauchen eine Bildungsverwaltung, in der staatliche Schulaufsicht und Schulträger auf Augenhöhe kooperieren. Fortbildung muss dezentral an den Bedarfen der Schulen organisiert werden können, und zur Einführung neuer Aufgaben – wie beispielsweise der inklusiven Beschulung – muss Fortbildung auch zentral organisiert und angeboten werden. Qualitätsentwicklung muss unabhängig und kein Anhängsel des Landesschulamts sein.
Der Wasserkopf Landesschulamt kann dies alles nicht leisten. Kommen wir zurück zur Eingangsfrage – damit komme ich auch zum Ende –: Was ist ein Landesschulamt? Es ist ein bürokratisches Monster, das die Bildungsverwaltung von den Schulen entfernt und neue unnötige Hierarchien schafft. Es ist ein Behördenkonstrukt ohne Praxisrelevanz,
aber geeignet, der Landesregierung genehme, individuelle Karrierewege zu öffnen.
Niemand will es, niemand braucht es, das Landesschulamt ist in Gänze überflüssig.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist eigentlich nur noch peinlich, auf welchem Niveau die Debatten vonseiten der CDU in diesem Hause geführt werden.
Diese Aktuelle Stunde ist ein eindrücklicher Beleg dafür. Es werden zwei Sachverhalte, die Information des Landeselternbeirates über eine Veranstaltung mit Peer Steinbrück und dessen Antwort auf die Frage eines muslimischen Vaters, miteinander mit einem einzigen Ziel verknüpft: zu diffamieren und zu skandalisieren, wo es nichts zu skandalisieren gibt.
Herr Irmer, deshalb im Klartext: Der Landeselternbeirat hat eine Einladung in das Museum Experiminta zu einer Veranstaltung über modernen Unterricht an seine Gremien weitergegeben. Wenn Sie einen Telefonhörer in die Hand genommen hätten und in der Geschäftsstelle des Landeselternbeirats angerufen hätten, was ich getan habe, dann hätten Sie folgende Auskunft erhalten: Der Landeselternbeirat verschickt sämtliche Einladungen von allen Parteien, von parteinahen Stiftungen, von Gewerkschaften und Interessengruppen an einen Verteiler des Landeselternbeirates, weil sich die Eltern darüber informieren können sollen, was in der Bildungspolitik angeboten wird. Das ist die einzige Tatsache, die an dieser Stelle zählt.
Der Landeselternbeirat informiert, und zwar nicht nur über Peer Steinbrück. Der hätte bestimmt auch eine Einladung von Volker Bouffier weitergegeben. Wie allerdings die Resonanz gewesen wäre, kann ich nicht beurteilen.
Wenn Sie die Landeselternbeiratsvorsitzende deshalb der Parteiwerbung bezichtigen und sie auffordern, ihr Amt niederzulegen, dann ist das eine Unverschämtheit,
und ich fordere Sie auf, diese Äußerungen zurückzunehmen.
Sie beschädigen nicht nur Frau Geis, die Vorsitzende, sondern auch die Mitglieder des gesamten Gremiums. Sie haben einmal mehr bewiesen, dass Ihnen die politische Diffamierung wichtiger als Sachkenntnis ist. Das wird insbesondere bei Ihrem zweiten Thema deutlich.
Wenn Sie einen Blick auf die Homepage der Experiminta geworfen hätten, hätten Sie auf diese Aktuelle Stunde verzichten können. Sie hätten bei einem reduzierten Eintrittspreis von 1 € Herrn Steinbrück persönlich befragen können, welche Äußerung er in Wirklichkeit gemacht hat.
Sie hätten nicht nur ein hervorragendes Museumskonzept erlebt. Diese Investition hätte Ihnen vielmehr auch den peinlichen Auftritt heute hier erspart.
Herr Schork, ich komme jetzt auf die Sache zu sprechen, nämlich zu Ihrer Presseerklärung. Sie fordern die hessische SPD auf, sich von den „absurden und integrationsfeindli
chen Forderungen nach einem getrennten Sportunterricht für Jungen und Mädchen“ Peer Steinbrücks zu distanzieren.
Erstens. Herr Steinbrück hat dies nicht gefordert. Er hat auf die Frage eines muslimischen Vaters erklärt:
Wenn Schulen es einrichten können, dann sollen sie es machen. Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Aber da denkt vielleicht jeder anders.
Ich weiß, dass Sie gar nicht daran interessiert sind, was er wirklich gesagt hat. Interessieren sollte Sie aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 1993, in dem entschieden wurde, das zugunsten der Religionsfreiheit zu entscheiden und getrennter Sportunterricht zu ermöglichen ist, wenn es einen Konflikt zwischen Erziehungsauftrag und Religionsfreiheit gibt. Diese „absurden und integrationsfeindlichen Forderungen“ – so nennen Sie es – wurden vom obersten Verwaltungsgericht dieses Landes aufgestellt. Sie sollten sich schämen, solche haltlose Polemik in die Welt zu setzen, ohne sich zumindest vorher über die rechtlichen Grundlagen zu informieren.
Abschließend empfehle ich einen Blick in das Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums vom Juli 2012. Es ist Seite 406.
Sollte ein koedukativer Unterricht auch dann nicht möglich sein, muss die Schule entsprechend der Rechtsprechung versuchen, einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht anzubieten.
Erstmals wurde das unter Kultusministerin Wolff im Amtsblatt veröffentlicht. Im vergangenen Jahr wurde das unter Kultusministerin Beer an angegebener Stelle wiederholt.
Normalerweise distanzieren wir uns gern von den Äußerungen dieser Ministerin. Aber in diesem Fall bleibt festzustellen, dass Sie sich von der geltenden Rechtsprechung und von den Äußerungen Ihrer eigenen Ministerin distanzieren. Das ist bestenfalls peinlich.
Ich komme zu meinen letzten Sätzen. Sie haben einmal mehr klargestellt, dass Sie Polemik und Diffamierung einer an der Sache orientierten Debatte vorziehen. Das Niveau dieser Regierungspartei ist wirklich unterirdisch.
Ich frage die Landesregierung:
Welches sind die Gründe für die Einstellung des Leseförderprojekts „Bibliothek in der Kiste“?
In welchem Umfang wurde denn bisher die Leistung dieses Projekts bzw. diese „Bibliothek in der Kiste“ in Anspruch genommen? Gibt es darüber Daten?
Ich frage die Landesregierung:
Haben sich zu den bereits bekannten elf Gymnasien in der Nachmeldefrist weitere Gymnasien in Hessen um eine Teilnahme an dem Modellversuch „G 8/G 9 unter einem Dach“ gemeldet?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Inklusion von Kindern mit Förderbedarf droht in Hessen zu scheitern. Mit dem Schulgesetz und der Verordnung zur sonderpädagogischen Förderung wurden Regelungen getroffen, die die inklusive Beschulung verhindern und die Akzeptanz bei Eltern und Schulen verringern. Diesen Befund teilen viele Förderzentren, Eltern und Schulen im Land. Diese können Sie auch nicht mit den im vergangenen Monat veröffentlichten Zahlen täuschen.
Die Anzahl der abgelehnten Anträge auf inklusive Beschulung sei von 260 im Schuljahr 2011/2012 auf 140 im Schuljahr 2012/2013 gesunken. Mit Verlaub, hier werden Äpfel mit Birnen verglichen; denn im Schuljahr 2011/2012 wurde kein Kind ohne eine Überprüfung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung in eine Förderschule überwiesen. Ab dem Schuljahr 2012/2013 allerdings können Kinder auch ohne diese Überprüfung direkt in der Förderschule angemeldet werden. Meine Damen und Herren, diese Kinder tauchen in ihrer Statistik nicht auf. Ihre Zahl ist bisher nicht bekannt.
Herr Schork, das habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, sondern diese Auskunft steht auf dem Papier, das uns das Kultusministerium selbst vorgelegt hat. – Ohne Vergleichbarkeit erfüllen Ihre Zahlen aber nur einen Zweck: Sie wollen Erfolge vorgaukeln, wo es keine gibt.
Bisher wurden 140 Anträge auf inklusive Beschulung abgelehnt – im laufenden Schuljahr sind einige Überprüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen –, und zusätzlich wurden 378 Kinder auf Empfehlung des Förderausschusses an die Förderschule überwiesen. Über die Gründe dafür wissen wir allerdings nichts. Wenn man weiß, dass im vergangenen Schuljahr 60 % der Ablehnungen mit fehlender sächlicher und personeller Ausstattung begründet wurden, kann man sich aber vorstellen, dass auch hier der Ressourcenvorbehalt eine Rolle gespielt hat.
Dieser Ressourcenvorbehalt führt nämlich dazu, dass die Eltern auf ihren Wunsch nach inklusiver Beschulung verzichten und die Förderzentren sie darin noch bestärken müssen, weil sie die notwendige Förderung in der Regelschule nicht sichergestellt sehen und sie auch nicht bereitstellen können. Entgegen Ihren eigenen Veröffentlichungen war nämlich die Gesamtzuweisung für sonderpädagogische Förderung 2010 mit 1.651 Stellen höher als 2012 mit 1.604 Stellen. Meine Damen und Herren, wie man hiermit Inklusion bewerkstelligen will, sollten Sie uns noch einmal erklären.
Ohne diese Förderung bereitzustellen, zerstören Sie aber bei den Eltern und in den Schulen die Bereitschaft und das Verständnis und belasten die überaus engagiert arbeitenden Förderzentren erheblich.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir das ändern. Die UN-Konvention definiert ein individuelles Recht des Kindes und damit die Verpflichtung der Länder, durch Bereitstellung der personellen Voraussetzungen dafür zu sorgen, dass Kinder mit Förderbedarf bestmöglich gefördert werden können, wenn sie die allgemeine Schule besuchen. Wir wollen, dass Eltern dieses Recht für ihre Kinder wahrneh
men können. Deshalb müssen an den allgemeinen Schulen zusätzliche Stellen mit sonderpädagogischer Kompetenz eingerichtet werden. Bei geringer werdenden Schülerzahlen in den Förderschulen müssen diese Kapazitäten den Schulen und Förderzentren zur Erweiterung der Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Mit unserem Gesetzentwurf wird der Ressourcenvorbehalt aufgehoben, sodass die Eltern ein echtes Wahlrecht haben.
Aber der Übergang zu einem inklusiven Schulsystem erfordert nicht nur das Engagement des Landes, sondern auch eine regelmäßige und verbindliche Kooperation zwischen Schul- und Jugendhilfeträger und dem Land. Deshalb enthält unser Gesetzentwurf einen Passus, der diese Kooperation regelt, über ein Förderbudget die Förderung an den Schulen sicherstellt und gegebenenfalls Schwerpunktschulen für einen sukzessiven Übergang festlegt.
Wir wollen ausdrücklich auch Förderschulen ermuntern, als inklusive Schulen zu arbeiten und Kinder ohne Förderbedarf aufzunehmen.
Dies sollte innerhalb der Schulentwicklungsplanung berücksichtigt werden; denn oftmals verfügen Förderschulen bereits über notwendige therapeutische Einrichtungen und Förderinstrumente, die ohne zusätzliche Aufwendungen weiter genutzt werden können. Wir haben inzwischen zwei Schulen in Hessen, die sich als Förderschulen auf den Weg gemacht haben, inklusiv zu arbeiten, und die dies im letzten Schuljahr auch mit einem großen Zuspruch begonnen haben.
Inklusive Schule umsetzen heißt auch, eine Entwicklungsperspektive vorzugeben. Ich erinnere an den Prozess der sukzessiven Auflösung der Sonderkindertagesstätten in Hessen. Er dauerte damals zehn Jahre. Meine Damen und Herren, heute ist es selbstverständlich, dass Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam eine Kindertagesstätte besuchen können. Für die Schulen mit Schwerpunkt Lernen wollen wir ebenfalls eine solche zeitliche Perspektive vorgeben und ab dem Schuljahr 2015/2016 keine neuen Kinder in die Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen aufnehmen. Lernhilfeschulen sind in vielen anderen Ländern völlig unbekannt. Mit der entsprechenden Ausstattung der Schulen können diese Kinder, deren Handicap oft nicht fehlende Auffassungsgabe, sondern fehlende Sozialisationserfahrung und mangelhafte Sprachkenntnisse sind, in einer allgemeinen Schule ebenfalls erfolgreich lernen.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems im Interesse der Kinder unterstützen. Wir erwarten eine konstruktive Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.
Herr Schork, ich hätte mich mit einer Zwischenfrage begnügt. Aber so muss ich Ihre Zeit noch einmal hier vorne in Anspruch nehmen. Wir haben uns beide auf den Bericht bezogen, den das Kultusministerium im Ausschuss vorgelegt hat. Wenn Sie den genau gelesen hätten und wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass auch ich von den 378 Kindern gesprochen habe, die nach der Entscheidung des Förderausschusses in die Förderschule gekommen sind. Die Kinder, die nicht erfasst sind – weswegen diese Zahlen auch nicht vergleichbar sind –, sind diejenigen Kinder, die nach dem neuen Schulgesetz sofort, ohne vorherige sonderpädagogische Überprüfung,
in der Förderschule angemeldet worden sind. Von diesen rede ich. Von denen wissen wir im Moment nicht, wie viele es sind und mit welcher Begründung die Eltern dies tun.
Sie müssen uns schon erklären, wie Sie diese Zahlen vergleichen können, wenn das Kultusministerium selbst sagt, diese Zahlen sind zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vergleichbar. Das heißt, die vermeintlichen Erfolge sind noch nicht nachweisbar und evaluierbar. Das sollten Sie bitte ehrlicherweise hier vorne auch zugeben.