Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Plenarsitzung, begrüße Sie alle sehr herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Die Punkte 1 bis 10, 13 und 21 sind erledigt.

Interfraktionell haben wir vereinbart, die Anträge betreffend eine Aktuelle Stunde morgen früh in geänderter Reihenfolge aufzurufen: zuerst Tagesordnungspunkt 55, dann Tagesordnungspunkt 54, danach Tagesordnungspunkt 53, Tagesordnungspunkt 52 und Tagesordnungspunkt 56.

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Standort Baunatal unterstützen – Arbeitsplätze erhalten – VW-Gesetz sichern, Drucks. 18/5483. Wird die Dringlichkeit allseits freudig bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 65, und wir können ihn, wenn dem nicht widersprochen wird, gleich mit Tagesordnungspunkt 26 aufrufen.

Wir tagen heute bis 18 Uhr.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas Aufmerksamkeit.

(Unruhe)

Wir verstehen hier oben nichts. Wir verstehen Sie oft nicht; aber jetzt verstehen wir Sie überhaupt nicht mehr.

(Günter Rudolph (SPD): Das beruht auf Gegenseitigkeit, Herr Präsident!)

Deshalb bitte ich Sie, dass Sie jetzt etwas zuhören.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abg. Schäfer-Gümbel, Decker, Frankenberger, Gremmels, Hofmeyer, Rudolph (SPD) und Fraktion betreffend VW-Gesetz erhalten – Wirtschaftsstandorte und Beschäftigung sichern, Drucks. 18/5443. Hiermit wird Tagesordnungspunkt 65 aufgerufen.

Dann folgt Tagesordnungspunkt 16: Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund – Meilenstein für hessische Kommunen, Drucks. 18/5335.

Heute Nachmittag beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 30.

Es fehlen heute entschuldigt Herr Staatsminister Posch ganztägig, Herr Staatsminister Boddenberg ab 13 Uhr und Herr Staatsminister Wintermeyer ab 15 Uhr. Es sind entschuldigt, da erkrankt, die Abgeordneten Frau Schott, Herr Heidel, Herr Klose und Herr Blum.

Ich weise Sie auf eine Ausstellungseröffnung hin: Heute findet in der Mittagspause, ab ca. 13 Uhr, in der Ausstellungshalle die Eröffnung einer Ausstellung des Butzbacher Künstlerkreises und der Künstlergruppe Artelino aus dem Usinger Land statt. Ich lade Sie sehr herzlich dazu ein. – Das waren die Amtlichen Mitteilungen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Antrag der Abg. Schäfer-Gümbel, Decker, Frankenberger, Gremmels, Hofmeyer, Rudolph (SPD) und Fraktion

betreffend VW-Gesetz erhalten – Wirtschaftsstandorte und Beschäftigung sichern – Drucks. 18/5443 –

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 65:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Standort Baunatal unterstützen – Arbeitsplätze erhalten – VW-Gesetz sichern – Drucks. 18/5483 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Es beginnt der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Kollege SchäferGümbel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben beantragt, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, weil die Europäische Kommission erneut gegen das VW-Gesetz klagen will und wir dies politisch für einen schweren Fehler halten.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich etwas zur Sache sage, will ich mein Unverständnis und mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es nicht möglich war, zu einer gemeinsamen Initiative zu kommen, obwohl Ihnen seit Wochen ein Vorschlag dafür vorliegt. Dies verwundert mich insbesondere deswegen, weil sich der Dringliche Antrag, den die Fraktionen der CDU und der FDP heute Morgen eingebracht haben, in der Substanz ausdrücklich nicht von dem Vorschlag unterscheidet, den wir Ihnen vorgelegt haben.

(Beifall bei der FDP)

Das hätte uns auch verwundert; denn in dem Schreiben des Herrn Ministerpräsidenten, das nach einigen Anregungen insbesondere meiner nordhessischen Kollegen Hofmeyer, Gremmels, Decker und Frankenberger ergangen ist, ist die Initiative schon aufgenommen worden.

Allerdings will ich gleich zu Beginn zwei Anmerkungen zu Ihrem Antrag machen. Es ist uns nämlich sehr wohl aufgefallen, was in dem Antrag fehlt. Erstens sprechen Sie nur noch von 14.000 Beschäftigten im VW-Werk. Diese Berechnung ist offensichtlich erfolgt, ohne die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter einzubeziehen. Das spricht ein Stück weit für sich. Wir halten das für falsch. Deswegen gehen wir nach wie vor von 15.000 Beschäftigten aus.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens fällt uns auf, dass in Punkt 3, bei dem es – Herr Wagner – um die gemeinsame Initiative geht, unser Vorschlag, dies nicht nur gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und der Bundesregierung, sondern auch gemeinsam mit den Betriebsräten vorzunehmen, ausdrücklich nicht übernommen wurde.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Den Hinweis auf die Betriebsräte haben Sie in Ihrem Text herausgenommen. Vielleicht können wir das in den Ausschussberatungen noch korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das deswegen, weil wir nach der Vorlage Ihres Dringlichen Antrags davon ausgehen, dass wir am Ende doch noch zu einer gemeinsamen Initiative kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, worum geht es? Es geht darum, dass die Europäische Kommission erneut gegen das VW-Gesetz klagt. Welche Bedeutung hat

VW für Hessen? 60.000 Beschäftigte – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – sind direkt oder indirekt vom VW-Werk in Baunatal abhängig. 15.000 Beschäftigte, einschließlich der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, arbeiten bei VW Baunatal. Als Getriebehersteller ist VW Baunatal nicht nur der bedeutendste industrielle Arbeitgeber im nordhessischen Raum, sondern das Werk ist insgesamt für den VW-Konzern von großer Bedeutung. Das gilt auch für das Ersatzteillager OTC, das für den Konzern eine weltweite Bedeutung hat.

Die gesamte Zulieferindustrie in Nordhessen hätte ohne das VW-Werk in Baunatal keine Arbeit. Der wirtschaftspolitische und der beschäftigungspolitische Erfolg der gesamten Region hängen mit der Bedeutung von VW Baunatal elementar zusammen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man könnte es auch so formulieren: VW lässt die Federn wachsen, mit denen sich die Landesregierung regelmäßig zu schmücken versucht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen geht es im Kern darum, dass VW die Region in den letzten 50 Jahren positiv geprägt hat und dass es daher auch unsere Aufgabe ist, uns darum zu kümmern, wenn dieser Erfolg in Gefahr ist.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen will ich für die Sozialdemokratische Partei klar festhalten: Den erneuten Versuch der Europäischen Kommission, gegen das VW-Gesetz zu klagen, indem dessen besondere Bestimmungen attackiert werden, halten wir politisch für falsch und für einen Irrweg.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen basiert die Klage auch auf einer falschen Rechtsauffassung. Die vermeintliche Sonderstellung des Landes Niedersachsen mit einer Sperrminorität von 20,01 Prozentpunkten ist keine Lex Niedersachsen, sondern eine Regelung, die im Kern alle Anteilseigner erfasst.

Im VW-Gesetz ist eben besonders gesichert, dass besonders bedeutende Entscheidungen mit 80 % der Anteilseigner gefasst werden müssen. Dies ist ein besonderer Schutz aller Anteilseigner und nicht nur des Landes Niedersachsen, wenngleich das Land Niedersachsen ein besonderes Interesse an dieser Schutzfunktion hat. Jeder fünfte Arbeitsplatz in Niedersachsen hängt an VW. Deswegen kann es dem Land Niedersachsen wie im Übrigen auch dem Land Hessen nicht egal sein, was bei VW passiert.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind davon überzeugt, dass es richtig ist, das VW-Gesetz in seiner derzeitigen Konstruktion zu erhalten und abzusichern. Wer den Vorstoß der Europäischen Kommission als einen Vorstoß für freien Wettbewerb sieht, der singt offensichtlich weiterhin das Loblied auf den freien Kapitalmarkt, dem sind die Auswirkungen auf die Beschäftigten, auf die Menschen, offensichtlich egal. Wir brauchen aber eine aktive Industriepolitik, und das VWGesetz ist in seiner derzeitigen Form ausdrücklich ein Baustein einer aktiven Industriepolitik. Deswegen wollen wir die Absicherung. Wir sind froh, dass Schwarz-Gelb jetzt offensichtlich auch zu diesem Punkt kommt.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Das haben wir schon immer so gesehen!)

Herr Bellino, wie bitte?

(Holger Bellino (CDU): Wir sind uns einig!)