Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucherinnen und Besucher! Ich eröffne die 77. Plenarsitzung am heutigen Mittwoch, dem 8. Juni.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Gestern haben wir die Punkte 1 bis 7, 14 und 35 erledigt.

Eingegangen und an Sie verteilt ist ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen sowie zur Änderung des Hessischen Sonderzahlungsgesetzes, Tagesordnungspunkt 9.

Weiterhin ist eingegangen ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Energiewende verantwortungsbewusst umsetzen, Druck. 18/4167. Ich gehe davon aus, dass die Dringlichkeit bejaht wird. – Das ist so. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 65 und könnte mit den Tagesordnungspunkten 36, 39 und 64 aufgerufen werden. – Ich sehe Zustimmung von allen Seiten.

Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 50, dem Setzpunkt der SPD-Fraktion. Danach folgt Tagesordnungspunkt 40, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Integration fördern, Extremismus bekämpfen, Demokratie verteidigen und stärken. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 39 und führen eine Debatte über das Thema Energie.

Ich darf mitteilen, dass, wie bereits gestern vermeldet, Herr Ministerpräsident Volker Bouffier ganztägig fehlen wird. Heute Nachmittag werden Herr Staatsminister Wintermeyer und ab 16 Uhr Frau Staatsministerin Henzler nicht mehr anwesend sein.

Im Anschluss an die Plenarsitzung, um ca. 18 Uhr, kommt der Innenausschuss im Sitzungsraum 501 A zusammen.

Meine Damen und Herren, es ist mir eine Freude, einem allseits geschätzten Kollegen zu seinem Geburtstag gratulieren zu dürfen. Er hat das gestern wohlweislich nicht selbst tun können, denn sich selbst zu gratulieren macht wenig Sinn. Ich tue es dafür umso herzlicher. Lieber Kollege Frank Lortz, nachträglich herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Unser „Gute-Laune-Präsident“ möge seinen Humor und auch seine Gesundheit bewahren. Gottes Segen und alles Gute.

Zum Fußball: nur erfolgreiche Meldungen.

(Heiterkeit und Beifall)

Das Spiel Deutschland : Aserbaidschan – oder umgekehrt, das Gastrecht hatten wir – endete 3 : 1. Es war ein schönes Spiel. Ich hoffe, das hat für Berti Vogts kein übles Nachspiel und auch kein Nachtreten zur Folge. Seine Gesundheit möge geschützt sein.

Das Ergebnis 3 : 1 lässt sich aber toppen. Es gibt nämlich einen 5:1-Sieg der Landtagsmannschaft gegen die Fraport AG.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Ich gehe davon aus, dass der Beifall sicherlich rein sportlich motiviert ist.

(Heiterkeit)

Es war ein sehr erfolgreiches Spiel. Christian Losch erzielte das 1 : 0, Timo Georgi das 2 : 0. Reinhard Derix war zweimal erfolgreich. Ausdrücklich sei die großartige Leistung unseres Torwarts Mark Weinmeister erwähnt. Er wird immer besser.

(Heiterkeit und Beifall)

Der Wechsel im Amt des Coachs macht sich bezahlt. Es wird jetzt leidenschaftlich, offensiv, kreativ und auch erfolgreich gespielt. Wolfgang Decker, herzlichen Glückwunsch. Er prägt einen neuen Stil. Weiter so!

(Heiterkeit und Beifall)

Es gab an diesem Abend einen besonderen Gewinner, nämlich die Praunheimer Werkstätten für Behinderte, die einen Spendenscheck des Landtagspräsidenten und der Fraport über immerhin 1.000 € für ihre wertvolle Arbeit erhielten. Vielen Dank der Landtagsmannschaft, auch für diese karitative Leistung.

(Allgemeiner Beifall – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum wird nicht über den Frauenfußball berichtet?)

Das Spiel zwischen Deutschland und den Niederlanden endete mit 5 : 0. Große Klasse.

(Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

Wir kommen zum Setzpunkt der SPD-Fraktion. Ich rufe Tagesordnungspunkt 50 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt), Roth (SPD) und Fraktion betreffend einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn sofort einführen – Hessen muss Bundesratsinitiative ergreifen – Drucks. 18/4116 zu Drucks. 18/4021 –

Wir verzichten auf die Berichterstattung. Das Wort erhält Herr Kollege Decker für die SPD-Fraktion. Redezeit: zehn Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich dem Spielbericht noch Folgendes anfügen. Ich bestehe darauf, es ist eine geschlossene Mannschaftsleistung des Teams Rudolph/Decker. Das zu sagen gebietet die Fairness.

(Heiterkeit und Beifall)

Zur Sache. Immer mehr Beschäftigte in Deutschland müssen für einen Lohn arbeiten, der selbst bei Vollzeitbeschäftigung keine ausreichende materielle und kulturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Bei uns in Deutschland arbeiten mehr Menschen im Niedriglohnsektor als bei unseren europäischen Nachbarn. Meine Damen und Herren, dieser für unser Land beschämende Zustand muss beendet werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Wir haben Ihnen schon mehrfach versprochen, dass wir nicht müde werden, so lange einen Mindestlohn zu fordern, bis er verabschiedet wird. Da sind wir also wieder, meine Damen und Herren.

Kaum war unser Antrag im Geschäftsgang, da feixten so manche verehrten Andersdenkenden im Haus nach dem Motto: Und täglich grüßt das Murmeltier. – Meine Damen und Herren, ich habe einmal nachgeschaut: Murmeltiere sind bekannt für ihren langen Winterschlaf. Sie verschlafen bis zu neun Monate eines Jahres. Die Murmeltiere sitzen also eindeutig auf der rechten Seite des Hauses. Wann wachen Sie bei dem Thema endlich auf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Wir fragen uns: Wie viele vernünftige und zwingende Gründe brauchen Sie eigentlich noch, um endlich zu begreifen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn das wirksamste Mittel gegen Lohndumping ist?

Seit dem 1. Mai dieses Jahres herrscht in Europa bekanntlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ich habe einen Antrag von CDU und FDP gelesen – der ist irgendwo im Geschäftsgang –, dass auch Sie dies als eine große Chance begreifen. Wir finden es sehr schön, dass Sie das als eine Chance begreifen, und wir finden es auch sehr schön, dass Sie wollen, dass sich der Landtag erneut und deutlich gegen sittenwidrige Löhne und gegen Lohndumping ausspricht. Mein Gott, dann lassen Sie uns endlich einen gesetzlichen Mindestlohn mit einem gemeinsamen Antrag in diesem Hause beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Immer, wenn wir in dieser Richtung Anträge in diesem Hause gestellt haben, haben Sie diese abgelehnt. An der Stelle grüßt das Murmeltier wirklich täglich.

By the way: In nahezu allen EU-Mitgliedstaaten gibt es gesetzliche Mindestlöhne. 20 von 27 europäischen Ländern haben einen Mindestlohn. Nirgendwo hat sich das negativ auf die nationalen Arbeitsmärkte niedergeschlagen, übrigens auch nicht in den USA. Auch das ist ein Schreckgespenst, das immer vorgetragen wurde. Inzwischen ist es entzaubert.

Ein Wort an all die im Hause, die den dringenden Sparzwang der öffentlichen Haushalte stets wie eine Monstranz vor sich hertragen – nur bei den Hoteliers nicht. Wissen Sie eigentlich, wie viel Steuergeld der Staat mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes sparen könnte?

Seit der aktuellen Studie von Prognos, die kürzlich veröffentlicht worden ist, wissen wir es: Es sind sage und schreibe 7 Milliarden €, um die der Staat dadurch entlastet werden könnte.

(Beifall bei der SPD)

Von einer Lohnuntergrenze von 8,50 € – das ist das Entscheidende – würden in diesem Land 5 Millionen Menschen profitieren. Die Erwerbseinkommen der privaten Haushalte würden um mehrere Milliarden Euro steigen.

Den Volkswirtschaftlern in diesem Hause rufe ich zu: Das bedeutet logischerweise auch eine Steigerung der Konsumausgaben und damit eine Stärkung der Binnennachfrage. Die Menschen bringen ihr Geld nämlich nicht in die Schweiz, sondern sie gehen damit in den Laden, um sich das Nötigste zu kaufen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist sowohl für den Staat als auch für alle Betroffenen nichts anderes als eine Win-win-Situation. Wir fragen uns: Wer kann jetzt noch ernsthaft dagegen sein? Dagegen sein können höchstens noch diejenigen, die sich in den Nischen des Niedriglohnsektors komfortabel eingerichtet haben. Das sind aber bei Gott nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und es sind auch nicht die Arbeitgeber im Allgemeinen. Gerade beim Handwerk wäre man froh, wenn die unlautere Konkurrenz in die Schranken verwiesen würde. Auch das soll in diesem Haus festgehalten werden.

(Beifall bei der SPD)

Sollte Ihnen das nicht ausreichen, will ich Ihnen auch noch zurufen:

(Günter Rudolph (SPD): Nur zu!)