Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Ihr Gesetzentwurf hat überhaupt nichts mit Bürgerbeteiligung zu tun, sondern das Geld wird darin lediglich von dem Land zu den Kommunen verschoben. Das sind beides staatliche Ebenen, und sie sind beide für die Menschen zuständig. Es ist doppelzüngig, was Sie sagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie wollen Kommunen, die finanzielle Defizite im Haushalt haben, dazu animieren, diese durch die Errichtung von Windrädern auszugleichen, statt bei den Menschen Über

zeugungsarbeit zu leisten, ihre Ängste ernst zu nehmen, klar zu dem Abstand von 1.000 m zu stehen, für Transparenz zu sorgen und vor Ort dafür einzutreten. Sie sollten aber nicht hier zündeln und dann von der Frau Ministerin verlangen, in den Orten, in denen sich die SPD vom Acker gemacht hat, das Feuer auszutreten, für das Sie verantwortlich sind. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Dorn, Ihnen ganz persönlich will ich sagen: Wer „FAZ“-Interviews gibt, von denen eines die Überschrift „Der Wald braucht Windräder“ trägt, hat überhaupt nicht verstanden, wie man Akzeptanz herstellt. Er erzeugt nämlich genau das Gegenteil. Sie sollten mit Ihren Auftritten und Ihrer Wortwahl vorsichtiger sein und endlich einmal die Menschen vor Ort und deren Ängste ernst nehmen. Das hat etwas mit der Akzeptanz der Energiewende zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie, die GRÜNEN, es nicht schaffen – die SPD ist da etwas beweglicher –, endlich die Realitäten, nämlich die finanziellen Aufwendungen und die Probleme, ernst zu nehmen, fahren Sie die Energiewende an die Wand. Damit werden Sie alles konterkarieren, was wir bisher erreicht haben. Nehmen Sie die Realitäten wahr.

Herr Kaufmann – auch Sie sind hier –, hören Sie doch bitte auf, in der regionalen Planungsversammlung große Reden zu schwingen. In der regionalen Planungsversammlung sind die GRÜNEN diejenigen, die die Offenlegung des Regionalplans verzögern. Dort, wo Sie regieren und Verantwortung tragen, verzögern Sie die Energiewende. Dort, wo Sie regieren, wird eine Handvoll Windräder gebaut, und hier werden immer wieder Nebelkerzen gezündet. Sie stellen sich hier so dar, als ob Sie die großen Vorkämpfer der Energiewende wären. Die Rhetorik, die Sie verwenden, ist der wahre Grund, warum die Akzeptanz sinkt. Nehmen Sie die Menschen ernst, und dann haben wir auch kein Problem mit der Akzeptanz. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Puttrich. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Um erst einmal an einer Stelle ein Stück weit aufzuräumen: Hessen-Forst gibt nicht denjenigen die entsprechenden Flächen, die am meisten bieten, sondern es werden nach den anzulegenden Kriterien gerade die regionalen Aspekte in einem besonders hohen Maße berücksichtigt. Das heißt, dass das Angebot, das am höchsten ist, nicht automatisch berücksichtigt wird. – Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Frau Dorn, Sie haben gesagt, dass man mehr Akzeptanz erzielen würde, wenn man die Kommunen beteiligte. In Ihrem Antrag sprechen Sie von der Akzeptanz der Kommunen. So, wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben, unterstellen Sie eigentlich, dass Kommu

nen, die nicht entsprechend finanziell beteiligt würden, die Planungsverfahren nicht positiv begleiten würden. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich kenne im Moment keine Kommunen, die schlicht und einfach deshalb, weil sie finanziell nicht beteiligt werden, die Planungsverfahren nicht sauber begleiten. Das wäre auch schlimm, denn wenn sie das nicht täten, käme das fast dem Tatbestand der Nötigung gleich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn wir schon darüber reden, möchte ich auch das Thema „Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern“ aufgreifen. Sie vermischen das ein bisschen. Mir sind an der Stelle die Bürgerinnen und Bürger als diejenigen, die in den Kommunen betroffen sind, in besonderem Maße wichtig. Herr Gremmels sagt, wir würden nicht genug tun, wir würden nur einen Bus herumfahren lassen.

Herr Gremmels, machen Sie die Augen und die Ohren auf, und seien Sie bereit, das wahrzunehmen, was schon stattfindet. Dann werden Sie das, was Sie hier dargelegt haben, schlicht und einfach korrigieren müssen. Natürlich fahren wir nicht nur mit dem Bus durch die Gegend, sondern wir haben auch in allen Regierungspräsidien Informationsveranstaltungen durchgeführt. Herr Gremmels, wenn Sie nun sagen, das sei nicht geeignet gewesen: Das waren Veranstaltungen, zu denen Entscheidungsträger und kommunale Vertreter eingeladen waren – genau diejenigen, die die Informationen weitergeben. Wenn Sie das abqualifizieren, qualifizieren Sie damit die Leute ab, die sich an den Stellen informiert haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Des Weiteren führen wir ab Mai regionale Veranstaltungen durch, mit denen wir genau in die Brennpunkte hineingehen. Genau dort werden wir über die Probleme bezüglich der Akzeptanz diskutieren. Wir werden zehn Veranstaltungen durchführen. Wir haben ein entsprechendes Mediationskonzept erarbeitet: ein Beratungskonzept, auf das die Kommunen zurückgreifen können. Wir werden die Kommunen finanziell unterstützen, wenn sie entsprechende Veranstaltungen vor Ort durchführen wollen.

Genau das ist der richtige Weg: mit den Menschen vor Ort über die Probleme, über die Ängste und über die Nöte zu sprechen, um so Akzeptanz zu erreichen. Ich glaube, dass der Ansatz, zu sagen: „Wir nehmen euch eure Bedenken mit Geld“, schlichtweg der falsche ist.

(Beifall bei der CDU)

Des Weiteren sage ich: Ja, wir erhöhen die Akzeptanz auch durch andere Maßnahmen. Wir werden beispielsweise die finanziellen Mittel, die uns über den Ausgleich für die Beeinträchtigung des Landschaftsbilds zufließen, zukünftig genau dort verausgaben, wo eben diese Beeinträchtigung des Landschaftsbilds erfolgt. Das heißt, wir werden sie nicht irgendwo im Land verausgaben, sondern vor Ort.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine Forderung der Kommunen, deren Vertreter immer wieder sagen: Wenn das Geld in einen großen Topf gezahlt wird, warum wird es nicht dort ausgegeben, wo Beeinträchtigungen zu erwarten sind? – Deshalb werden wir diese konkreten Maßnahmen durchführen.

Hören Sie damit auf, immer das Beispiel Rheinland-Pfalz zu nennen. Ich muss Ihnen fast Böswilligkeit unterstellen. Sie haben den rheinland-pfälzischen Staatssekretär eingeladen. Er hat Ihnen das Modell vorgestellt. Wenn Sie offen

und ehrlich beschreiben würden, wie das Modell aussieht, würden Sie sagen, es geht um einen Solidarpakt. An diesem Solidarpakt sind das Land Rheinland-Pfalz und die Kommunen beteiligt. Sowohl das Land Rheinland-Pfalz als auch die Kommunen zahlen in diesen Solidarpakt ein. Sowohl das Land Rheinland-Pfalz als auch die Kommunen geben Mittel ab, insbesondere für diejenigen, die nicht über die entsprechenden Standorte verfügen.

Ich sage Ihnen klipp und klar: Das ist ein Solidarpakt, der in Rheinland-Pfalz in speziellen Situationen zum Tragen kommt, nämlich dort, wo die Eigentumsverhältnisse zersplittert sind. Ein solches Modell können wir auch in Hessen entwickeln. Wir haben gar keine Probleme damit, einen solchen Solidarpakt einzuführen und solche Modelle dort, wo es notwendig ist, zu installieren. Die entsprechenden Voraussetzungen haben wir im Moment schon.

Aber ich sage Ihnen auch: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität heißt, dass die Kommunen, die Geld einnehmen, auch bereit sein müssen, denen etwas zu geben, die nichts einnehmen können. Das gilt sowohl für die Kommunen als auch für das Land.

Im Januar hat sich der Städtetag bezüglich der Thematik an mich gewandt. Ich habe dem Städtetag ein Gespräch angeboten und gesagt: Wenn solche Solidarpakte vor Ort gewünscht werden oder interkommunale Zusammenarbeit so weit geht, dass auch die Kommunen bereit sind, untereinander zu teilen, dann wird sich das Land Hessen diesbezüglich nicht verschließen. Insofern kann ich nur sagen: Was Sie von Ihrer Seite anbieten, die Änderung der Landeshaushaltsordnung, ist untauglich, ist populistisch und bringt keine Akzeptanz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit sind wir am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Landeshaushaltsordnung, Drucks. 18/7201. Zur Vorbereitung der zweiten Lesung überweisen wir den Gesetzentwurf an den Haushaltsausschuss, federführend, und an den Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, beteiligt.

Ich habe vernommen, dass die Tagesordnungspunkte 6 und 7 nach dem Tagesordnungspunkt 59 nach der Mittagspause aufgerufen werden sollen. – Ich sehe Zustimmung. Dann handhaben wir das so.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich Sie auf eine Veranstaltung aufmerksam machen. In der Ausstellungshalle und in der Eingangshalle des Plenargebäudes wird nun die Ausstellung „Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945“, eine gemeinsame Ausstellung des hr, des Fritz Bauer Instituts, des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, eröffnet. Hierzu und zu dem anschließenden Stehempfang lade ich Sie ein und hoffe auf rege Teilnahme.

Ich unterbreche damit die Sitzung. Wir sehen uns wieder um 15:15 Uhr. Danke.

(Unterbrechung von 13:21 bis 15:15 Uhr)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir setzen jetzt die unterbrochene Sitzung fort, und zwar mit dem Tagesordnungspunkt 38:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Chemie- und Pharmastandort Hessen: Innovationen im Dienste der Gesundheit – Drucks. 18/7249 –

und mit dem Tagesordnungspunkt 59:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Chemie- und Pharmaindustrie hat strategische Bedeutung – Initiative Gesundheitsindustrie der Landesregierung greift zu kurz – Drucks. 18/7281 –

Das ist der Setzpunkt der FDP. Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Lenders. Bitte schön, Herr Lenders.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Spätestens seit der Finanzkrise ist allen klar geworden, dass es für eine große Volkswirtschaft wichtig ist, einen entscheidenden Industrieanteil an der Wirtschaftsleistung zu haben. Hessen hat neben dem großen Finanzsektor zum Glück einen stabilen industriellen Kern. Der größte Teil dieses industriellen Kerns ist die Chemie- und Pharmabranche. Hessen wird deshalb nach wie vor zu Recht als Apotheke der Welt, als Apotheke Deutschlands bezeichnet. Die Chemie- und Pharmaindustrie ist in Hessen stark verwurzelt und der größte Arbeitgeber aller hessischen Industriezweige.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Mehr als 57.000 Menschen arbeiten in der hessischen Chemie- und in der Pharmaindustrie. Damit stellt Hessen knapp 14 % aller deutschen Beschäftigten dieser Branche. 64 % der Produkte gehen in den Export. Auch deshalb ist Hessen mit seiner logistisch einmaligen Lage ein so hervorragender Standort für diesen Industriezweig.

Ebenfalls besonders positiv ist, dass die Chemie- und Pharmabranche der hessische Industriezweig mit den höchsten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung ist. Mehr als 2 Milliarden € gibt die Branche jährlich in diesem Bereich aus. Sie ist innovativ und wettbewerbsfähig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir Liberale sind der Überzeugung, dass wir diese Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft erhalten und weiter ausbauen müssen, um die Wirtschaftskraft und hoch qualifizierte Beschäftigung sichern zu können. Dazu bedarf es weiterhin der richtigen Rahmenbedingungen. Vor allem die steigenden Energiekosten, die Fachkräftesicherung, Planungsund Genehmigungsverfahren, aber auch der Innovations

und Technologietransfer spielen eine wichtige Rolle. Das müssen wir im Auge behalten und verbessern.

Wenn wir über gute Rahmenbedingungen sprechen, dann ist gerade bei der Chemie- und Pharmaindustrie die Sicherung der Fachkräfte ein enorm wichtiger Punkt. Denn diese Branche hat einen hohen Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Bemühungen der Landesregierung gerade in den MINT-Fächern sind daher besonders erwähnenswert und zu loben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Erhöhung der Frauenerwerbsquote und auch die Anwerbung von unter anderem spanischen Fachkräften sind der Schlüssel für die Sicherung der Fachkräfte, auch in der Chemie- und Pharmabranche.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)