Immer reden Sie davon, dass Ihnen die Arbeitsplätze am Herzen liegen. Wenn Ihnen die Arbeitsplätze am Herzen liegen, dann setzen Sie sich doch dafür ein, dass Arbeitsplatzabbau nicht stattfindet. Dann solidarisieren Sie sich doch mit den Kolleginnen und Kollegen, die davon betroffen sind.
Dann sprechen Sie die hessische Infrastruktur an. Da frage ich mich wirklich, wie Sie daraus ein Lob für die Regierung basteln wollen. Meinen Sie die hessischen Straßen, die jedes Jahr einen realen Wertverlust erfahren, weil die Instandhaltungsinvestitionen hinter dem Verschleiß zurückbleiben? Das ist übrigens im Bauherrenkostenbericht des Wirtschaftsministeriums nachlesbar. Da wird angeführt, dass die notwendigen Investitionen angesichts der Schuldenbremse in den nächsten Jahren nicht getätigt werden.
Meinen Sie den ÖPNV, der chronisch unterfinanziert ist? Meinen Sie die Breitbandversorgung? Meinen Sie die unterfinanzierten Hochschulen? Gerade eben haben Sie wieder über den angeblichen Fachkräftemangel geredet, der drohen würde. Aber anstatt die Hochschulen besser auszufinanzieren, damit sie ausreichend Studienplätze schaffen können, kürzen Sie ihnen die Mittel. Sie reden hier über den Fachkräftemangel, aber Sie tun nichts, um dafür zu sorgen, dass die Hochschulen den Ansturm der Studierenden, den sie gerade erleben, bewältigen können.
Dann bleibt noch Ihre „House of“-Strategie, die Sie in Ihrem Antrag aufführen. Das Wirtschaftsministerium erklärt ganz offen, dass es dabei wieder einmal um ein PPP-Projekt geht. Das ist das offene Eingeständnis, dass die Hessische Landesregierung die Gestaltung wichtiger, gesellschaftlich relevanter Bereiche in die Hände privater Unternehmen legt.
Da in diesen Häusern wichtige Weichenstellungen vorbereitet werden, wäre es zumindest nötig, dass außer den Unternehmen und den ihnen nahestehenden Wissenschaftlern auch Verbände der Zivilgesellschaft dort vertreten sind. Dazu gehören die Umweltverbände, kritische Wissenschaftler und die Arbeitnehmervertretungen. Sie hätten sicherlich einiges zu den Antworten auf die Frage der Industrie- und Strukturpolitik in Hessen beizutragen.
Der Antrag ist substanzlos. Er nützt niemandem. Wenn er überhaupt jemandem nützt, dann vielleicht der Papierindustrie, aber sonst wirklich niemandem.
Verschonen Sie uns mit solchen Anträgen. Handeln Sie, wenn es konkret um den Erhalt der Arbeitsplätze und die Verbesserung der Infrastruktur geht. – Vielen Dank.
Frau Kollegin Wissler, vielen Dank. – Das Wort erhält der Wirtschaftsminister, Herr Staatsminister Rentsch.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, ich denke schon, dass dieser Antrag notwendig ist. Wir sollten auch herausarbeiten, was uns von Ihnen unterscheidet und wie wichtig die Branche der Pharma- und Chemieindustrie in Hessen ist. Denn die Arbeitsplätze dort gehören zu den bestbezahlten. Die Innovationen und die Qualität der Forschung, die dort vorherrscht, hat, wie Herr Kollege Pentz gesagt hat, Hessen zu der Apotheke der Welt gemacht. Damit wird dafür Sorge getragen, dass Menschen mit schweren Erkrankungen die Chance haben, ihr Leben zu verlängern.
Die Menschen können besser leben. Deshalb ist es so wichtig, dass diese Industrie in Hessen ein Zuhause hat.
Ich glaube, es ist ein optimales Zeichen, dass Hessen Chemie und der VCI Hessen gerade vor einer Stunde eine Pressemitteilung herausgegeben haben, in der sie die Hessische Landesregierung loben.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): So ein Zufall! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Das schreiben doch gar nicht wir. Hören Sie doch erst einmal zu. Sie wollen doch, dass sich diese Industrie gut entwickelt. – Sie schreiben:
„2012 war das Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.“ Steuererhöhungen seien deshalb nicht angezeigt, auch eine Einführung der Vermögensteuer mache keinen Sinn. Die hessische Chemie- und Pharmabranche lobte die Hessische Landesregierung für die Abschaffung der hessischen Umweltabgaben, … und für ihr vorbildliches Engagement an der Spitze der Initiative Gesundheitsindustrie Hessen.
Uns als wirtschaftsfreundlicher Regierung ist es wichtig, dass diese wichtige Branche in Hessen ein Zuhause hat, dass dort Innovationen und Forschung stattfinden und dass wir es in Zukunft mit moderner Forschung und einem forschungsfreundlichen Umfeld schaffen werden, schwere Erkrankungen zu verhindern oder zu besiegen. Das ist unser Ziel. Da sind wir sehr viel besser als alle anderen Länder aufgestellt, die es in der Bundesrepublik gibt.
Hessen hat eine lange Tradition hinsichtlich der Pharmaunternehmen. Hoechst ist das Unternehmen, das noch heute, über 100 Jahre nach seiner Gründung, Patente in der Welt hat. Wir waren gerade bei einer Veranstaltung zusammen. Seit 150 Jahren gibt es das Industriegelände in Höchst. Dieses Unternehmen hat dafür gesorgt, dass heute noch diese Patente in der Welt eingesetzt werden, um Krankheiten zu besiegen. Dabei geht es nicht nur um Diabetes.
Ich bin froh, dass Herr Klose da so mutig vormarschiert ist. Denn man kann sehen, dass das forschungsfreundliche Umfeld von vielen Seiten bekämpft wird. Es wird häufig bekämpft. Wenn es um diesen Kampf geht, sieht man, dass die GRÜNEN dort die Fahnen führen. Ich wundere mich, dass Sie da so forsch sind.
Herr Dr. Zinke von der BRAIN AG ist Mitglied im Wirtschafts- und Zukunftsrat meines Ministeriums. Er kann sehr gut erklären, was im Umfeld der Biotechnologie eigentlich geschehen ist, als die GRÜNEN den Feldzug gegen die Gentechnologie gefahren haben, und was das den Forschungsstandort Deutschland nicht nur an Brain, also an Gehirnen, sondern auch an Wertschöpfung gekostet hat.
Wenn es darum geht, die Angst vor den Gefahren zu schüren, sind Sie die Ersten, die sich auf jedes Feld in Hessen setzen. Sie setzen Ihre Hintern auf die Felder, um zu demonstrieren.
Die Wahrheit ist: Wir brauchen diese Forschung. Wir brauchen die rote und die grüne Biotechnologie. Wir wollen, dass hier geforscht wird und dass diese Forschung nicht irgendwo in den USA stattfindet. Das soll zum Wohle der Menschen und der Arbeitsplätze hier erfolgen. Darin besteht der Unterschied.
Ich empfehle, das Gespräch mit Herrn Dr. Zinke zu führen, wenn es um die Frage geht, warum denn so viele Unternehmen ihren Sitz im Rhein-Main-Gebiet haben. Möglicherweise hat das etwas damit zu tun, dass wir die beste Infrastruktur haben, die ein Land überhaupt anbieten kann. Herr Kollege Pentz hat es gesagt. Wir haben den internationalen Flughafen, der die Menschen aus den Unternehmen mit der ganzen Welt verbindet.
Das ist es, was uns einzigartig macht. Teilweise versuchen Sie latent, teilweise auch offen, gegen den Flughafen zu kämpfen. Für uns ist das eine wirtschaftliche Grundsatzfrage.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mit Ihren Ideen durchsetzen, können wir die Klage gegen den Länderfinanzausgleich zurückziehen. Denn wenn dieser Flughafen nicht mehr der Wirtschaftsmotor Hessens wäre, würden wir automatisch zu einem Nehmerland werden. Da unterscheiden wir uns.
Deswegen sollte man sich nicht hierhin stellen und einfach einmal so aus der hohlen Hand solche Reden halten. Frau Kollegin Wissler, denn das, was die Chemie- und Pharmaindustrie in Hessen stark gemacht hat, sind die Rahmenbedingungen, die wir gesetzt haben. Anscheinend fühlen sich die Unternehmen in Hessen wohl, solange wir regieren. Ich kann es nicht ändern, dass das so ist. Aber man sollte doch wenigstens die Realität anerkennen.
Frau Kollegin Wissler, dazu gehört natürlich auch, sich anzuschauen, was der Regionalverband des Rhein-Main-Gebietes unter rot-grüner Führung so macht. Sie haben da etwas in den Koalitionsvertrag geschrieben. Die RheinMain-Region ist eine starke Industrieregion, die, Gott sei Dank, krisenfeste Arbeitsplätze hat. In ihr wurde dafür gesorgt, dass wir nicht nur mit Dienstleistungs-, sondern auch mit Industriearbeitsplätzen durch die Krise gekommen sind.
Unter Führung der Sozialdemokraten und der GRÜNEN wurde dann in diesem Regionalverband in die Präambel geschrieben, dass man aus dem Rhein-Main-Gebiet eine klimaneutrale Dienstleistungsregion machen wolle. Dass die Unternehmer und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angst bekommen, wenn sie sich vorstellen, dass Sie auf Landesebene regieren, kann ich nachvollziehen. Das kann ich nachvollziehen.
Es bleibt dabei: Diese wichtige Industrie braucht einen verlässlichen politischen Partner, der Rahmenbedingungen setzt, die nicht jeden Tag aus ideologischen Gründen geändert werden. Er muss ein forschungsfreundliches Umfeld garantieren. Genforschung muss in Deutschland stattfinden können. Die Biotechnologie muss in Hessen eine Zukunft haben. Die Grundlage für all das, nämlich die tolle Infrastruktur, die wir haben, darf nicht aus ideologischen Gründen in irgendeiner Form kaputt gemacht werden. Dafür stehen wir.
Ja, ich glaube, es gibt Handlungsfelder, die in diesem Antrag richtig beschrieben werden. Eine wissensbasierte Infrastruktur und die Vernetzung zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft sind eigentlich das, worum es geht.
Sie haben die „House of“-Strategie gerade belächelt. Das ist eine Strategie, die anscheinend überall in der Welt Aufmerksamkeit erzeugt hat. Viele wollen sie kopieren. Nur die GRÜNEN in Hessen lächeln darüber. Das zeigt ein wenig, wie Sie mit Wissenschaft und Wirtschaft umgehen.
Diese Strategie hat dafür gesorgt, dass wir mit dem House of Logistics and Mobility, in dem wirklich zukunftsgewandte Logistik- und Mobilitätsforschung gemacht wird, auf der einen Seite Wirtschaftsunternehmen wie Lufthansa, Schenker und Kuehne + Nagel sowie auf der anderen Seite Personen aus weltweit führenden Universitäten zusammengebracht haben, die versuchen, wirtschaftliche und wissenschaftliche Interessen zusammenzuführen. Was soll denn daran schlecht sein, dass wir Vernetzungen stattfinden lassen?
Was soll denn daran schlecht sein, dass wir beim House of IT versuchen, die Wissenschaft und die Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich der großen Fragen der Digitalisierung zusammenzuführen? Ich glaube, dass das sinnvoll ist.