Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Einbringung des Gesetzentwurfs wird ein Prozess, der in den letzten Jahren partnerschaftlich und gemeinsam mit den Ersatzschulen vorangetrieben wurde, auf die Zielgerade geführt und noch in dieser Legislaturperiode zu Ende gebracht. Dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, damit ein Problem haben, ist völlig klar. Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode versprochen, dass wir die Ersatzschulfinanzierung neu regeln werden. So steht es in unserem Regierungsprogramm. Mit der Einbringung des Gesetzentwurfs am heutigen Tage machen wir deutlich, dass wir dieses Versprechen noch in dieser Legislaturperiode einlösen.
Es war ein relativ langer Prozess. Sie wissen genauso gut wie ich, dass 2009 ein runder Tisch eingerichtet wurde. Zunächst waren Fragen der tatsächlichen Kosten zu klären. Ein wesentliches Element dabei war, dass die Kosten auf der Basis der durch SAP erhobenen Daten ermittelt werden. Auch hier wage ich daran zu erinnern, dass es die vereinigte Opposition war, die gegen die Einführung von SAP im Lande Hessen erbitterten Widerstand geleistet und uns ständig vorgeworfen hat, dass wir damit nicht zurechtkommen würden.
Sie wissen, dass die Datenermittlung in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Ersatzschulverbänden bis zum Beginn des Jahres 2011 gedauert hat. Zu diesem Zeitpunkt war man sich an diesem runden Tisch einig, dass das die Basis ist, auf der weitergearbeitet wird. Ich erinnere auch daran, dass der ganze Diskussionsprozess und die Ermittlungen der Kosten der Schulträger auch heute noch mit Schwierigkeiten behaftet sind. Das ist ein wesentliches Element, das mit dazu beigetragen hat, dass ein längerer Zeitraum notwendig war.
Das Kultusministerium, das Finanzministerium und die Ersatzschulverbände sind dann gemeinsam darangegangen, zu planen und zu schauen, wie und über welchen Zeitraum wir es hinbekommen, dass die Ersatzschulfinanzierung so gestaltet wird, dass am Ende eine 85-%-Erstattung für die allgemeinbildenden Schulen und eine 90-%-Erstattung für die Förderschulen steht.
Es wurden unterschiedliche Zeitmodelle diskutiert. Es waren die Ersatzschulen, die einen Zehnjahreszeitraum angeboten haben. Sie haben gesagt: Lassen Sie uns, auch vor dem Hintergrund dessen, was in der Finanzpolitik diskutiert wird, über einen Zehnjahreszeitraum planen; uns ist wichtiger, wir haben einen verlässlichen Planungszeitraum, wir haben gesicherte Finanzierungszeiträume. – Das ist der Grund, warum wir einen Zeitraum von zehn Jahren in das Gesetz geschrieben haben. Auch das geschah einvernehmlich. Im Übrigen kann ich Sie trösten: Sie werden es nicht bezahlen müssen, denn bis zum Jahre 2022 wird Rot-Grün auch in diesem Land nicht die Regierung stellen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der FDP – Zurufe von dem BÜNDIS 90/ DIE GRÜNEN)
Weil das Thema angesprochen wurde, wie man mit den vorhandenen prozentualen Ungleichgewichten umgeht, erinnere ich daran, dass einer der wesentlichen Punkte, die partnerschaftlich und einvernehmlich mit den Ersatzschulen besprochen wurden, die Frage der Besitzstandswahrung war. Wir wollen sicherstellen, dass mit der Neuregelung der Finanzierung keine Schule schlechter gestellt wird, als sie es zurzeit ist. Das ist ein wesentlicher Punkt.
Darauf aufbauend, haben wir gemeinsam die Korridorregelung zur prozentualen Erhöhung der Förderung erarbeitet. Der Herr Staatssekretär hat die Anpassungsregelung, die sich an der Gehaltsentwicklung orientiert, erläutert. Ich füge hinzu: In das Finanzierungsmodell ist ein jährlicher Zuwachs an Schülerinnen und Schülern in der Größenordnung von 2 % einkalkuliert. Dies führt, insgesamt gesehen, dazu, dass wir bereits im Jahre 2013 13,9 Millionen € mehr für die Ersatzschulfinanzierung ausgeben, als im Haushalt für 2013 veranschlagt ist, nämlich 248,8 Millionen €. In diesem Jahr kommen 13,9 Millionen € obendrauf. Im Jahre 2022 wird ein prognostizierter Bedarf von 296,8 Millionen € zur Finanzierung der Ersatzschulen bereitgestellt werden. Ich denke, diese Zahlen belegen eindeutig, dass wir die Finanzierung der Ersatzschulen sehr ernst nehmen.
Ich will in dem Zusammenhang anfügen, dass die Ersatzschulen – wie wir es in der Vergangenheit gesagt haben und wie es der Herr Staatssekretär dankenswerterweise betont hat – ein wichtiger und integraler Bestandteil der Schullandschaft in Hessen sind. Sie sind ein Teil der Vielfalt, die wir in der hessischen Schullandschaft haben. Nach unserer Auffassung soll das auch in Zukunft so sein. Die Programme anderer Parteien, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, lassen andere Schlüsse zu. Aber wir halten auch in Zukunft die Ersatzschulen für einen wichtigen Bestandteil der Schullandschaft.
Wir denken, dass dieser Gesetzentwurf, den wir in partnerschaftlicher Zusammenarbeit in einem langen, intensiven und sehr kooperativen Prozess mit den Ersatzschulen gemeinsam erarbeitet haben, ein gutes Gesetz werden wird und auf die Zustimmung der Ersatzschulen trifft. Das beweisen die Äußerungen der Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen in Hessen, die öffentlich und unisono verlautbart und erklärt haben, dass das ein guter Gesetzentwurf sei, dass damit die Ersatzschulfinanzierung auf gute Beine gestellt werde. Wenn man weiß, dass die Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen in Hessen das Prinzip der Einstimmigkeit praktiziert, dann dürfte klar sein, dass sich alle Ersatzschulverbände in Hessen an dem Prozess beteiligt haben.
Ich glaube, dass alle, die an dem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben, insbesondere die Ersatzschulen, die Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen, aber auch die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, stolz auf diesen Gesetzentwurf sein können. Die Ersatzschulfinanzierung wird auf eine vernünftige Basis gestellt. Ich freue mich auf die weitere Diskussion in den Ausschüssen und fordere Sie alle, auch Sie von der Opposition, auf, diesem guten Gesetzentwurf am Ende zuzustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie wissen, dass wir nicht nur den Schulen in privater Trägerschaft, sondern generell der sich stetig ausweitenden Privatisierung des Bildungswesens sehr kritisch gegenüberstehen. Sie wissen auch, dass wir der stetigen Ökonomisierung des Bildungssystems nicht nur kritisch, sondern entschieden ablehnend gegenüberstehen. Deshalb sind Sie sicher nicht überrascht, wenn wir hierzu einen etwas grundsätzlicheren Beitrag leisten.
Wir wollen die Ersatzschulen gar nicht auf inhaltlicher Ebene angreifen. Wir wissen sehr wohl, dass sie vom Grundgesetz geschützt werden. Die Arbeit, die an vielen dieser Schulen getätigt wird, ist eine gute Arbeit. Neue Reformansätze im Bildungswesen werden oftmals an diesen Schulen erfolgreich erprobt. Dies sind allerdings Ansätze und pädagogische Neuerungen, die nicht nur in die Privatschulen gehören, sondern auch an den öffentlichen Schulen praktiziert werden sollten.
Leider gehört es aber genauso zur Wahrheit, zu sagen, dass die Privatschulen die soziale Spaltung vorantreiben. Ich erinnere mich gut an die Große Anfrage der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, in der es um die Schulgelder der Schulen in freier Trägerschaft ging. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Grundschule, die für den Ganztagsschulbesuch 800 € monatlich kassiert. Welcher Normalverdiener oder welche Normalverdienerin ist, bitte schön, in der Lage, monatlich 800 € für den Schulbesuch des Kindes zu zahlen oder gar den Schulbesuch mehrerer Kinder zu finanzieren?
Ich berichte immer wieder gern von der Anhörung, in der ich alle dort anwesenden Vertreter von Trägern, die freie Schulen unterhalten, gefragt habe, wann sich das Kultusministerium zum letzten Mal nach der Höhe des Schulgeldes erkundigt hat. Als Antwort bekam ich zu hören, dass das nach der ersten Anerkennungsphase nie wieder passiert sei. Mit der Weigerung, das Sonderungsverbot konsequent zu überprüfen, und der Weigerung, über einen Höchstbetrag – also über eine vertretbare Schulgeldhöhe – nachzudenken, wie er z. B. in Hamburg existiert, sind Sie mit dafür verantwortlich, dass man sich nicht an das Sonderungsverbot hält.
Auf den ersten Blick könnte man die Ersatzschulfinanzierung und das Sonderungsverbot bzw. die Höhe der Erstattung durch die öffentliche Hand und die Elternbeiträge als ein System der kommunizierenden Röhren verstehen, nach dem Motto: Je mehr ihr uns gebt, desto weniger müssen wir unsere Lehrerinnen und Lehrer ausbeuten; desto weniger müssen wir von den Eltern nehmen und können somit das Sonderungsverbot einhalten. – Aus Sicht der Schulen der freien Träger würde ich genauso argumentieren. Nach dieser Argumentation wäre also letztlich die öffentliche Hand für die Einhaltung des Sonderungsverbots verantwortlich, nicht aber die Privatschulen.
Die kommunizierenden Röhren gibt es tatsächlich, aber in der Form, dass jede Verschlechterung der öffentlichen Bil
dung zu einem Run auf besser arbeitende und besser ausgestattete private Schulen führt. So herum ist es richtig, und dem müssen wir uns unbedingt entgegenstellen.
Mir geht es um etwas viel Grundlegenderes: Angesichts dessen, dass in Hessen die Schulen in öffentlicher Trägerschaft an allen Ecken und Enden unterfinanziert sind, können wir nicht akzeptieren, dass Privatschulen, die teilweise nur von Kindern aus sehr wohlhabenden Elternhäusern besucht werden können, in immer größerem Maße aus öffentlichen Geldern finanziert werden.
Warum boomen denn die Schulen in privater Trägerschaft? Sicherlich gibt es auch Eltern, die sich abschotten wollen: die wollen, dass ihre Kinder nur mit Kindern aus der eigenen sozialen Schicht unterrichtet werden. Aber die größere Zahl der Eltern hat etwas anderes im Sinn: Sie wollen gute Schulen für ihre Kinder, sie wollen kleinere Klassen, sie wollen bilingualen Unterricht, sie wollen individuelle Förderung, sie wollen mehr Engagement für Kultur, Musik und Sport, und sie wollen weniger Stress, mehr Zusammenhalt der Schulgemeinschaft, keine Zensuren, kein Sitzenbleiben usw.
So eine Schule ist besser; ohne Frage. Aber eine solche Schule ist auch teurer. Es geht nicht, dass die öffentliche Hand nur manchen Kindern diese guten Lernbedingungen zur Verfügung stellt, der großen Mehrheit aber nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen die Förderschulen doch sowieso abschaffen! – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Herr Irmer, lassen Sie mich bitte ausreden. Sie können noch etwas lernen. Hören Sie mir doch einfach einmal zu.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die öffentliche Hand ist jede Privatschule, die nicht wie die öffentlichen Schulen zu 100 % finanziert werden muss, billiger. Da rechnet sich selbst eine Erhöhung der Ausschüttung an die Schulen. Das kann aber nicht unser Ziel sein.
Es bleibt also nur eines: Sie müssen die öffentlichen Schulen besser ausstatten, und Sie müssen für eine andere Pädagogik an den öffentlichen Schulen sorgen, mit der man in der Lage ist, die entsprechenden Reformansätze aufzugreifen. Sie müssen außerdem, wie in Hamburg, einen Höchstbetrag für die Elternbeiträge festsetzen, und Sie müssen die Einhaltung des Sonderungsverbots regelmäßig überprüfen.
Solange Sie diese vier Punkte nicht in Angriff nehmen, können Sie nicht erwarten, dass wir einer Erhöhung der Gelder für die Privatschulen zustimmen werden.
Im Umkehrschluss ist es doch so, dass Sie durch die Unterfinanzierung der öffentlichen Bildung den Weg in die Pri
vatheit öffnen und das forcieren, so, wie Sie mit dem Kaputtsparen der öffentlichen Infrastruktur den Weg für die vielen PPP-Projekte geebnet haben. Wir sagen: öffentlich vor privat. Das gilt für alle Bereiche, für die Bildung ebenso wie für die Gesundheit, die Stadtbücherei und das Schwimmbad.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. Hans-Jürgen Irmer bückt sich unter seinen Tisch und zieht ein Brett her- vor.)
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einmal Querschläger, immer Querschläger! Das war bestimmt mit dem rechten Fuß! – Weitere Zurufe)
dass genügend finanzielle Mittel für die Lehrerbildung, für die bedarfsgerechte Ausstattung der Schulen und für den Ganztagsschulausbau zur Verfügung stehen.
Einen Moment, bitte. – Frau Cárdenas hat das Wort. Herr Kollege Irmer hat in den eigenen Reihen mit dem Abbau angefangen. Das ist zulässig. – Frau Kollegin Cárdenas, bitte sehr.
Der Hinweis war wirklich sehr wichtig. Das finde ich auch. – Sie müssen dafür sorgen, dass genügend finanzielle Mittel für die Lehrerbildung, für die Inklusion und für den Ganztagsschulausbau zur Verfügung stehen. Natürlich können Eltern Zehntausende Euro pro Jahr dafür ausgeben, ihr Kind in eine Privatschule zu schicken. Doch wenn dies als Reaktion – als Bildungsflucht, Herr Irmer – darauf erfolgt, dass das öffentliche Schulsystem nicht in der Lage ist, genauso gut und genauso pädagogisch wünschenswert zu unterrichten, ist das ein Skandal.